Subjektiver Bericht aus dem Stadtrat vom 28.11.2024
Eine Tagesordnung, die schnell abgearbeitet ist. Pünktlich zum Sandmann ist alles vorbei. Auch mal schön. Da der Text mitteleuropäische Grenzwerte nicht überschreitet, verzichte ich diesmal auf den Vorleseservice.
Steigen wir direkt ein mit der Fragestunde
Kai Schöne, Ortvorsteher von Kunnerwitz/Klein Neundorf bittet für alle Ortschaften um mehr frei verfügbares Budget. Jeder Ortsteil bekommt aktuell 1 Euro pro Einwohner, über die der Ort selbst entscheiden kann. Wegen der geringen Einwohnerzahlen (in Kunnerwitz und Klein Neundorf z.B. leben 660 Leute) ist dieser Etat sehr klein. Deshalb wird eine Verdopplung auf 2 Euro vorgeschlagen. Das würde für alle Ortschaften im Jahr 3.200 Euro ausmachen. Angesichts der Haushalts-Lage mit zweistelligen Millionendefiziten ab 2025 sind die Chancen für zusätzliche freiwillige Leistungen gering. So ehrlich muss man sein.
Helmut Goltz (CDU) möchte wissen, wann die Duschen in der Schwimmhalle repariert werden. Es gibt Berichte, dass sich Besucher verbrühen. Der OB ist nicht aussagefähig. Yvonne Reich (BfG) hilft ihm. Sie hat das Thema beim Schwimmhallenchef angesprochen und weiß, dass der Fehler noch nicht gefunden wurde.
Ich gebe die Frage eines Görlitzers weiter, der wissen möchte, warum Falschparker einen Hinweis auf ein kommendes Verwarngeld, eingewickelt in Plastik, hinter den Scheibenwischer gesteckt bekommen. Kann man sich das nicht sparen? Der Bescheid mit der Strafe kommt doch ohnehin per Post. Ordnungsamtsleiter Uwe Restetzki sagt, dass es keine gesetzliche Verpflichtung dafür gibt. Es sei gelebte Praxis. Er verteidigt die Vorgehensweise als erzieherische Maßnahme. So sei für alle gut sichtbar, dass hier Parken nicht erlaubt ist. Außerdem helfe der Hinweis vor sinnlosen Widersprüchen. Da das „Verwarngeldangebot“ (welch schönes Rathauswort) erst einige Wochen nach dem Verstoß ins Haus flattert, würden viele vergessen, dass sie überhaupt in einer verbotenen Zone gestanden haben. Es bleibt also bei dieser Praxis – man will sich aber anschauen, ob es wirklich eine Plastikverpackung brauche. Karsten Günther-Töpert schlägt vor, dass man bei trockener Witterung das Schreiben ohne Überzieher hinter den Scheibenwischer klemmt.
Mein Fraktionskollege Silvio Minner (SPD) möchte eine Übersicht über von Schließung betroffene Jugendhilfeeinrichtungen. Wegen der schlechten Finanzlage im Kreis drohen Schließungen. In der Presse ist immer wieder die CaTeeDrale als Beispiel benannt. Für das Kinder-Kultur-Café Camaleón werden Spenden gesammelt. Hier fehlt es OB Ursu an Klarheit. Er verweist lediglich auf die Zuständigkeit des Kreises und dass man alles tun will, damit im Sinne der Görlitzer Einrichtungen entschieden wird. Yvonne Reich (BfG) benennt das eigentliche Problem: Der Freistaat Sachsen blockiert derzeit alle Gelder. Wegen des fehlenden Haushaltes werden keine Vorauszahlungen genehmigt. Es betrifft aktuell alle Träger. Das ist sozialer Sprengstoff, gegen den es lautstarke Proteste in Dresden geben sollte. Ein Finanzministerium, das den sozialen Frieden bedroht, darf direkt mit den Folgen seiner schlechten Arbeit konfrontiert werden.
24 Stunden nach der Sitzung informiert Landrat Stephan Meyer, dass der Freistaat Sachsen die Förderung der Schulsozialarbeit und der offenen Kinder- und Jugendarbeit für das Jahr 2025 in Aussicht gestellt hat. Die entsprechenden Mittel sollen ab Januar 2025 bereitstehen.
Anmeldung eines Betriebs gewerblicher Art für die Nutzung von Sportstätten zum Sporttreiben
Wir werden darüber informiert, dass die Umsatzgrenzen für die Vermietung von Sportstätten überschritten wurden. Deshalb muss ein sogenannter „Betrieb gewerblicher Art“ angemeldet werden. Das hat wiederum Auswirkungen auf die Vereine, da damit eine Umsatzsteuerpflicht einhergeht. Die Kosten für die Nutzung von Sportstätten steigen bereits ab 2025 um 19%. Informationen dazu erfolgen extrem kurzfristig. Das dürfte für Unmut bei den Vereinen sorgen.
Es folgen Beschlussfassungen, von denen ich nachfolgend einige aufgreife.
Neubestellung der Beauftragten für Kinder, Jugend und Familie
Die bisherige Familienbeauftragte Dr. Ines Mory hat ihr Ehrenamt niedergelegt. Es gibt zwei Bewerberinnen, aus denen wir eine Beauftragte wählen. Mit 20 zu 16 Stimmen setzt sich unsere Wunschkandidatin Melanie Morche (Foto) durch. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Ludwigsdorf. Die Sozialpädagogin arbeitet beim Jugendhilfeverein Görlitz. Seit 2023 ist sie geschäftsführende Einrichtungsleiterin. Als ehrenamtliches Vorstandsmitglied des Vereins „Görlitz für Familie e.V.“ engagiert sich Melanie Morche im Familienbüro Görlitz sowie im „Lokalen Bündnis für Familie“ und hat zahlreiche Projekte und Initiativen begleitet, die die Lebensqualität von Familien verbessert haben. Mit ihren Erfahrungen und ihrem Netzwerk wird sie uns gut beraten, damit wir kluge Entscheidungen im Sinne unserer Kinder und Familien treffen.
Erhöhung der Gesellschaftereinlage an die Görlitzer Verkehrsbetriebe
Gestiegene Personal- und Energiekosten machen der GVB wie allen anderen Unternehmen zu schaffen. Dafür braucht es ein größeres Budget – die Gesellschaftereinlage steigt um fast eine halbe Million Euro pro Jahr. Auch das ÖPNV-Modellprojekt mit den neuen Straßenbahnen wird teurer – diese Kosten fangen aber höhere Fördermittel weitestgehend auf.
CDU-Stadtrat Matthias Urban fragt nach, warum der Landkreis nicht seine Zuschüsse erhöht, schließlich sei er für den Nahverkehr zuständig. Aber greife mal einem nackten Mann in die Tasche… Außerdem muss man ehrlich sein: Wir leisten uns die Straßenbahn als Extra. Für eine Stadt der Größe von Görlitz fast schon ein Luxus. Die Entscheidung darüber fiel aber bewusst. Die Straßenbahn gehört zu unserer Stadt und ist uns nun nicht nur lieb, sondern auch teuer.
Die AfD enthält sich übrigens bei dieser Abstimmung.
Weiterhin keine Umsatzsteuer auf städtische Leistungen
Kommunen sollten ab 2025 ihre Leistungen mit Umsatzsteuer ausweisen. Unser Land braucht schließlich Geld. (Über die Sinnhaftigkeit von linke Tasche – rechte Tasche darf diskutiert werden.) Die Vorbereitungen für die Einführung der Steuer sind von der Görlitzer Verwaltung abgeschlossen. Nun hat der Gesetzgeber erkannt, dass es noch offene Fragen gibt und die Frist zur obligatorischen Einführung um weitere zwei Jahre verlängert. Wir beschließen, diese Übergangsregelung zu nutzen.
Novellierung der Sportförderrichtlinie der Stadt Görlitz
Die Richtlinie Sportförderrichtlinie wurde letztmalig im Mai 2012 neu gefasst. In Kooperation mit dem Kreissportbund wurde eine Novellierung erarbeitet. Sie bietet den Vereinen eine bessere Übersichtlichkeit, einheitliche Fristen und insgesamt mehr Transparenz. Ein schöner Erfolg für den Europastadtgedanken ist es, dass die Förderrichtlinie auch die Nutzung der Schwimmhalle in Zgorzelec beinhaltet. Die Kapazitäten in Görlitz sind erschöpft. Zusätzliche Trainings sind kaum möglich. Deshalb mussten die Triathleten des Europamarathon e.V. bereits vor einigen Jahren nach Zgorzelec ausweichen und bekommen nun Rechtssicherheit beim Beantragen von Förderung.
Der Stadtrat stimmt einstimmig zu.
Wärmeversorgung für die Stadthalle
Dieses Thema stand bereits in der letzten Sitzung auf der Tagesordnung. Der Stadtrat beschloss eine Vertagung und wünschte sich Informationen, ob eine Variante mit einer großen Wärmepumpe möglich ist. Die Verwaltung hat das nach Konsultationen mit Planern ausgeschlossen. Damit würde der gesamte Zeitplan über den Haufen geworfen werden. Die Sanierung samt Förderung wäre gefährdet.
Mit diesem Sachverhalt müssen wir uns arrangieren. Bleibt also die Wahl zwischen Gasheizung (plus Wärmepumpe für den Anbau) versus Anschluss an ein Nahwärmenetz. Letzteres schlägt die Verwaltung vor. Für unsere Fraktion erklärt Jana Krauß (Bündnisgrüne), dass die Klimaneutralität bei beiden Varianten möglich ist. Es gibt Anbieter, die Ökogas in Brennwertkessel einspeisen. Entscheidend sind deshalb die Betriebskosten. Hier bietet die Gasversorgung deutlich mehr Flexibilität als der Anschluss an ein Nahwärmenetz, der eine langjährige Abhängigkeit von einem Anbieter und dessen Preisen bedeutet. Dieser Argumentation folgt der Stadtrat mehrheitlich nicht. Mit den Stimmen von AfD, Bürger für Görlitz und einem Großteil der CDU-Fraktion fällt die Entscheidung für den Anschluss an ein Nahwärmequartier.
Dass wir uns überhaupt um das Beheizen der maroden Stadthalle Gedanken machen, während ein Finanztsunami aufzieht, ist bemerkenswert. Mir kommt das Bild der Titanic in den Sinn, auf der auch bis zuletzt musiziert wurde.
Zum Abschluss geht es um die Entschädigungssatzung für ehrenamtlich Tätige
Hier hatte die Verwaltung ursprünglich vorgeschlagen, die Entschädigungen für Stadträte und Ortschaftsräte geringfügig anzupassen. Angesichts der Finanzlage wurde das bereits in den Ausschüssen fraktionsübergreifend abgelehnt. Es gibt eine Veränderung in der Satzung: Die Kitahelfer werden neu aufgenommen und erhalten eine Entschädigung von 1,20 Euro pro Stunde. Ein symbolischer Betrag – aber immerhin.
Ich wünsche euch eine besinnliche Adventszeit.
Wenn ihr Anregungen habt, mit uns unzufrieden seid oder gar die Ansicht vertretet, dass in Deutschland zu wenig gelobt wird, dann meldet euch bei uns.
Text: Mike Altmann
Foto: Paul Glaser