Führen wir den Elefanten raus
Rede von Dr. Jana Krauß (Bündnis 90/Die Grünen) während der von der AfD beantragten Sondersitzung zur Sicherheitslage in Görlitz am 12.9.2023.
Es gilt das gesprochene Wort.
Es dürfte jedem klar sein, was mit dem Antrag in dieser Sonderstadtratssitzung erreicht werden soll: es soll ein Elefant namens „Bedrohung“ in den Raum gestellt werden; ein extra aufgeblasener Elefant soll es werden, der die klare Sicht verstellt.
Wir – meine Fraktion – stellen es gleich an den Anfang: Wir fühlen uns in unserer Stadt, in der wir gern und engagiert leben, nicht beeinträchtigt oder gar bedroht. Polizei und Ordnungskräfte sind präsent und wir haben Vertrauen in die Arbeit unserer Polizei und Justiz. Vorrangiges Ziel unseres Engagements ist das friedvolle, demokratische Zusammenleben in unserer Stadt.
Eine der Säulen unserer Demokratie ist der Pluralismus. Ohne Pluralismus keine Demokratie. Pluralismus meint die Anerkennung verschiedener Interessen, Meinungen, Ziele, religiöser oder nichtreligiöser Auffassungen, auch wenn sie befremdlich erscheinen mögen und Anlass zu Kritik geben – solange sie unsere Demokratie nicht gefährden. Pluralismus meint auch die Anerkennung der Hoffnungen aller Menschen, die in unserer Stadt leben. Ich betone ganz bewusst: ALLER Menschen. Darin begründet sich unsere Freiheit, individuell wie auch gesellschaftlich. Darin begründen sich unsere Rechte. Und darin begründen sich auch unsere Pflichten.
Demokratie funktioniert nur dann, wenn ein Miteinander aller von möglichst vielen, idealerweise von allen, positiv mitgestaltet wird. Das bedeutet Arbeit, Anstrengung, Nachdenken, wohlwollende Kritik und konstruktiven Diskurs, es bedeutet auch dazulernen zu wollen, die eigene Meinung zu hinterfragen und diese nötigenfalls zu korrigieren. Auf Dauer – niemals endend. Pauschale, willkürliche Gruppenzuweisungen und Verurteilungen, Verachtung von Menschen, Verachtung von Kultur und gesellschaftlichem Engagement, Rassismus – all dies können keine Gestaltungselemente eines friedvollen Miteinanders sein.
Ich möchte meine Freiheit nutzen dürfen, ich möchte vorurteilsfrei behandelt werden, ich möchte mich engagieren, mich kulturell einbringen, ich möchte mein Wissen teilen, meine Meinung äußern dürfen und mag sie vielleicht auf so manche absonderlich wirken, ich möchte in Frieden leben, ich möchte lernen, ich möchte gesund sein und bleiben, ich möchte freundlich sein und anderen freundlich begegnen können.
Sie möchten das für sich auch, nicht wahr? Und sie empfinden das genauso als Ihr Recht wie ich. Daraus ergibt sich automatisch die Pflicht, diese Rechte jedem Menschen zuzugestehen, der hier, in unserem Görlitz lebt, ganz egal, woher er oder sie kommen mag. Setzen wir uns also alle ein für ein friedvolles Miteinander, lernen wir von anderen, hören wir uns die Meinungen an und diskutieren wir, freundlich, unvoreingenommen und offen. Führen wir den Elefanten im Raum ruhig nach draußen – er ist klein und wir brauchen ihn hier nicht.
Wer den AfD-Antrag nachvollziehen möchte: 2023-09-12_AfD-Antrag_Sondersitzung