Subjektiver Bericht aus dem Stadtrat vom 19.12.2024
Die vorweihnachtliche Sitzung endet unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Zum Glück. So müssen die Görlitzer nicht mit anschauen, welches unwürdige Schauspiel rund um die Bestellung einer neuen Gleichstellungsbeauftragten aufgeführt wird. Aus nichtöffentlicher Sitzung darf ich nicht berichten. Nur so viel: Falls ihr demnächst die Stellenausschreibung für die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Görlitz seht, wurde die von der Verwaltung vorgeschlagene Bewerberin von einer Mehrheit des Rates abgelehnt.
Haushaltszahlen
Aber von vorn. Zu Beginn der öffentlichen Sitzung informiert Oberbürgermeister Octavian Ursu u.a. über die Entwicklung der Finanzen. Dabei bleibt er sehr vage – vielleicht möchte er der Öffentlichkeit nicht das Weihnachtsfest verderben. Rund 14 Millionen Euro Defizit plant Görlitz für 2025, erklärt der OB. 2026 werde das Haushaltsloch noch größer. Konkretere Zahlen soll es erst im Januar geben, obwohl längst bekannt ist, dass die Finanzplanungen für die kommenden fünf Jahre ein Minus von über 100 Millionen Euro ergeben. Die Stadt wird ein Sparkonzept erarbeiten müssen – euphemistisch heißt das im Verwaltungsdeutsch „Haushaltssicherungskonzept“.
Wie das aussehen könnte, will uns die Verwaltung im Januar erläutern. Klar ist schon jetzt: Selbst wenn wir überall den Rotstift ansetzen, werden wir das strukturelle Problem nicht lösen. Im System Deutschland kommt zu wenig Geld bei den Kommunen an. Das liegt zum einen am Bund, der gern Regeln aufstellt, die von den Kommunen umgesetzt werden, sie aber nicht ausreichend Geld dafür bekommen. Zum anderen dürften aber auch die vielen Ebenen zwischen Bund und Kommune dafür sorgen, dass Teile des Geldes nicht ankommen.
Ursu verweist darauf, dass Görlitz nicht allein so schlecht dasteht. Viele Kreise und Kommunen stecken in einer finanziellen Notlage. 4 von 5 Landkreisen in Deutschland sind in finanzieller Schieflage. Der Landkreis Görlitz hat erst vor wenigen Tagen einen Offenbarungseid geleistet und in öffentlicher Sitzung verkündet, man könne und werde keinen rechtskonformen Haushalt 2025/26 aufstellen können. Interessant dürfte es sein, wie der Landkreis als Rechtsaufsichtsbehörde agiert, wenn Städte wie Görlitz ihrerseits nicht genehmigungsfähige Haushalte einreichen. Das ist aber noch Zukunftsmusik. Frühestens Ende März könnte der Stadtrat den Haushalt 25/26 beschließen.
Aufgrund der schlechten Haushaltslage verzichtet der Oberbürgermeister 2025 auf seinen traditionellen Neujahrsempfang. Das ist vernünftig. Es gibt auch ohne diesen Termin viele Gelegenheiten miteinander ins Gespräch zu kommen und mit Sekt anzustoßen. Wir dürfen uns meiner Ansicht nach nicht in die Falle tappen und meine, wir machen nichts falsch und das Defizit sei berlingemacht. Wir leben als Stadt über unsere Verhältnisse. Was auch daran liegt, dass weder Octavian Ursu noch sein Vorgänger Siegfried Deinege als Oberbürgermeister eine dringend nötige Personalentwicklungsplanung vorangetrieben haben.
Görlitz im Koalitionsvertrag
Für Heiterkeit sorgte bereits einen Tag vor der Sitzung die Sächsische Zeitung. Deren frischgebackener Chefkorrespondent für die Oberlausitz, Sebastian Beutler, hatte 24 Stunden vor der Sitzung einen Artikel veröffentlicht, in dem die interessierte Leserschaft erfährt, wie Octavian Ursu den Stadträten Görlitz-Themen aus dem sächsischen Koalitionsvertrag erläutert. Geradezu hell sah Sebastian B. am Vorabend der Sitzung vorher, dass Ursu „seine Freude darüber im Stadtrat nicht verhehlen konnte“.
Als Stadtrat ist es nicht meine Aufgabe, die journalistische Arbeit eines Chef-Korrespondenten zu bewerten. Mir geht es um die fehlende Einbindung des Stadtrates und seiner Ausschüsse in wichtige Themen der Stadtentwicklung.
Ich greife in der Fragestunde später ein Beispiel heraus: Die geplante Gründung eines europäischen Verbunds territorialer Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen und im Zuge dessen die Etablierung einer Eurodistrikt Görlitz-Zgorzelec GmbH. Von der EU gefördert, könnte sie teilweise Ausgaben der Europastadt Görlitz/Zgorzelec GmbH, des städtischen Kulturservice, der Stadthalle und des Dom Kultury bestreiten. So zumindest schwebt es Octavian Ursu vor.
Das ist eine spannende Idee, die Görlitz-Zgorzelec voranbringen könnte. An der deutsch-französischen Grenze sehen wir erfolgreiche Eurodistrikte. Schade ist, dass solche Themen nicht in den Ausschüssen besprochen werden und der Stadtrat davon im Koalitionsvertrag liest. Octavian Ursu begründet es mit zeitlichen Überschneidungen, seine Berufung in die Koalitionsverhandlungen sei sehr kurzfristig und überraschend erfolgt. Außerdem gesteht er ein, dass das Eurodistrikt Görlitz-Zgorzelec bislang nur eine vage Idee ist. Ich rege an, dass sich der Ausschuss für Wirtschafts- und Stadtentwicklung in der nächsten Sitzung damit befasst. Das wird OB Ursu in die Wege leiten.
Deutsch-Polnischer Weihnachtsmarkt
Thematisiert wird auch der grenzüberschreitende Weihnachtsmarkt mit dem Weihnachtssingen auf der Altstadtbrücke. Wegen des großen Andrangs musste der Zugang zur Brücke teilweise gesperrt werden. Im Internet gibt es Berichte von Teilnehmern, die über Gedränge berichten, teilweise von Angstzuständen. Der zuständige Bürgermeister Benedikt Hummel sagt, dass die Auswertungen bereits begonnen haben. Es werde Änderungen geben müssen. Insgesamt sei diese deutsch-polnische Veranstaltung ein großer Erfolg gewesen, auch in der medialen Berichterstattung. Ob und wie es 2025 veranstaltet wird, hängt auch von Fördermitteln ab.
Aus für Büchtemanns Bürgerbox
Zum Abschluss der Informationen gibt es News zu den EFRE-Projekten, die die städtische Infrastruktur verbessern. Alle Projekte werden bis Jahresende beim Fördermittelgeber eingereicht. Bis auf zwei Vorhaben: Die geplante Errichtung einer Multifunktionsfläche im großen Becken des Helenenbades fällt weg. Der Trägerverein kann die nötigen Betriebskosten nicht stemmen. Verzichten müssen wir auch auf „Büchtemanns Bürgerbox“. Mit Hilfe dieses Projektes sollte das Büchtemannhäusel in der Südstadt eine neue Nutzung bekommen. Benedikt Hummel sagt uns, dass es keine Verständigung mit dem Bürgerrat darüber gab und wir deshalb das Projekt streichen.
Fragestunde für Bürger
Kaufhaus-Sanierung
Der engagierte Architekt und Stadtführer Frank Vater fragt nach, wie es mit der Kaufhaus-Sanierung weitergeht. Er befürchtet, dass der Bebauungsplan durch vorherige Sondervereinbarungen unterlaufen wird. So bereits vor einigen Jahren geschehen, als die Landesdirektion den Abriss zweier denkmalgeschützter Stadtvillen auf dem Postplatz genehmigte. Allerdings unter der Auflage, dass das Kaufhaus denkmalgerecht saniert wird. Nun ist bekannt, dass Kaufhausbesitzer Winfried Stöcker das Dach verändern will und dazu wohl eine Voranfrage bei der Landesdirektion liegt. Durch solche Voranfragen werden immer wieder neue Fakten geschaffen, kritisiert Frank Vater. Das gehöre alles in den B-Plan. Die Rathausspitze gibt sich wie immer bei diesem Thema zugeknöpft. Bürgermeister Hummel betont, dass die Entscheidungen auf Grundlage der Zuarbeiten aus den Fachämtern erfolgen. Es bleibt undurchsichtig beim Kaufhaus-Projekt.
Jugendhilfevereine in Not
Valentin Hacke vom Kulturbrücken e.V. und Gesicht des Cyrkus-Projektes spricht zu uns im Namen aller Träger der Jugendhilfe. Ddurch den fehlenden Haushalt im Freistaat bekommen die Vereine kein Geld zum Jahresbeginn. Daran sind die Träger leider fast schon gewöhnt. Diesmal ist es aber dramatisch, wie uns Valentin Hacke schildert. Es herrsche Unklarheit, wann überhaupt mit Geld zu rechnen ist. Trotz anderer Aussagen im Kreistag habe er vom zuständigen Amt des Landkreises zu hören bekommen, dass vor Juni keine Auszahlungen erfolgen. Hacke wünscht sich, dass die Stadt Görlitz sich hinter ihre Träger der Jugendhilfe stellt. Auch wenn der Kreis formell zuständig ist, ist letztlich Görlitz betroffen, seine Vereine und vor allem die Kinder und Jugendlichen. Es gehe nicht um mehr Geld, sondern um Wertschätzung und die gemeinsame Suche nach Lösungen, so Valentin Hacke.
Oberbürgermeister Ursu zeigt sich verwundert über die Informationen, da im Kreistag die Lage anders dargestellt wurde. Demnach sollen die Abschläge deutlich früher kommen. Das geht auch aus einem Schreiben des Landkreises hervor, das an die Träger gerichtet ist. Demnach soll die Hälfte der Jugendpauschale im Januar durch den Freistaat an den Landkreis überwiesen werden – wenn ein entsprechender Kabinettsbeschluss erfolgt. Wie wir wissen, wurde eine Regierung erfolgreich gebildet, so dass der Beschlussfassung nichts im Weg steht. Sobald das Geld vom Freistaat da ist, bekommen die Träger zunächst vorläufige Bewilligungsbescheide und einen ersten Abschlag. Ob das bereits im Januar der Fall ist, werden wir sehen. Bis zum Juni sollte es allerdings nicht dauern.
Das ganze Thema ist ein Trauerspiel. Es fehlt an Planbarkeit für die Träger. Wie lange kann ich mein Personal bezahlen? Welche Angebote kann ich aufrechterhalten? Hier brauchen wir auf sächsischer Ebene einen Kurswechsel, damit die Unsicherheit aufhört. Statt mit Förderbescheiden könnte man mit Dienstleistungsverträgen arbeiten, die andere Laufzeiten und bessere Planbarkeit durch vereinbarte Kündigungsfristen ermöglichen.
Nach einer Fragestunde für Stadträte, in der sich viele Themen aus der Info-Runde des OB wiederholen, kommen wir zu den Beschlüssen.
Sanierung des Landratsamtes
Der Campus Landratsamt steht vor seiner Fertigstellung. Wir dürfen als Görlitzer dankbar sein, dass mit dieser Investition der Bereich um den Bahnhof aufgewertet wird. Wir sind als Stadt in kleinem Maßstab beteiligt, indem wir Fördermittel für genutzte Altbausubstanz beantragen und mit kofinanzieren. Heute geht es um einen letzten Förderantrag für die Gebäude Berliner Straße 39-42 und Salomonstraße 10-14. Hierfür stehen nach einigem Hin und Her noch 1 Million Euro aus dem Stadtumbau-Programm zur Verfügung. Wir steuern 100.000 Euro zum Eigenanteil bei. Dieses Geld kommt aus dem Grundstücksverkauf in Klingewalde an die Construction Future Lab gGmbH. Die Vorlage wird einstimmig angenommen, nachdem sie in den Ausschüssen intensiv diskutiert wurde.
Verkaufsoffene Sonntage 2025
In Abstimmung mit Händlern wurden drei Sonntage auserkoren, an denen Geschäfte 2025 in der Zeit von 12 bis 18 Uhr öffnen dürfen. Im gesamten Stadtgebiet sind das der 14.September zum Tag des offenen Denkmals und der 7.Dezember anlässlich des Christkindelmarktes. Im Gewerbegebiet „An der Autobahn“ dürfen die Geschäfte zum Porta-Frühlingsfest am 16.März öffnen. Es gibt zwei Gegenstimmen und sechs Enthaltungen, die große Mehrheit ist dafür. Ich enthalte mich, da ich bei dieser Frage die Meinung vertrete, dass zwischen Montag und Samstag ausreichend Gelegenheit zum Shoppen ist. Der Sonntag sollte der Familie gehören, wenn man nicht in einem Bereich arbeitet, der lebensnotwendig ist.
Ergänzung des Einzelhandelskonzeptes
Unser Einzelhandelskonzept wurde erst 2021 aktualisiert. Nun brauchen wir bereits Ergänzungen. Grund eins ist der Wunsch von Lidl, sich an seinem derzeitigen Standort auf der Christoph-Lüders-Straße zu erweitern. Grund zwei ist die geplanten Ansiedlung eines Nahversorgers in Hagenwerder. Unsere Fraktion hatte ergänzend beantragt, die Auswirkungen einer Kaufhauseröffnung auf den Innenstadthandel mit aufzunehmen. In den Ausschüssen wurde uns von der Verwaltung signalisiert, dass diese Analysen besser über den B-Plan erfolgen. Dennoch werde man die Studienautoren bitten, sich auch dieses Themas inhaltlich anzunehmen. Deshalb ziehen wir unseren Ergänzungsantrag zurück. Die Vorlage wird einstimmig beschlossen.
Finanzierung der Fraktionen
Die Arbeit im Stadtrat ist ehrenamtlich. Stadträte erhalten eine geringe Aufwandsentschädigung für die Sitzungen. Die Fraktionen wiederum bekommen Geld, um ihren Aufwand zu bezahlen: Weiterbildungen, Büroausstattung, Technik, Öffentlichkeitsarbeit, Kaffee für die nächtlichen Sitzungen, etc. Manche Fraktionen finanzieren sich eine Geschäftsführung. Bisher gab es für die Fraktionsfinanzierung eine Kopfpauschale. Pro Stadtrat flossen 150 Euro auf das Fraktionskonto. Durch eine Gesetzesänderung braucht es zusätzlich einen Sockelbetrag, um sehr kleine Fraktionen nicht zu benachteiligen. Deshalb wurde die Finanzierung neu berechnet, unter der Maßgabe, dass keine Fraktion weniger Geld hat als vorher. Damit steigt das bisherige Budget von 66.000 Euro um ca. 10% für 2025. Der Stadtrat stimmt einstimmig zu. Wir enthalten uns.
Fortschreibung des Dienstleistungsvertrages mit der Kulturservicegesellschaft zur Stadthalle
Worum geht es bei diesem Beschluss? Die Kulturservice-Gesellschaft soll, nachdem sie in den vergangenen Jahren aus Sicht eines zukünftigen Stadthallen-Betreibers die Bauplanung begleitet und ein Betriebskonzept erstellt hat, nun in den nächsten zwei Jahren damit beginnen, die Stadthalle als Kultur- und Tagungsbetrieb zu vermarkten. Bislang bekommt der Kulturservice für seine Dienstleistung 227.000 Euro im Jahr. Für die neuen Aufgaben wird das Budget in den Jahren 25/26 um insgesamt 150.000 Euro aufgestockt. Ich bringe das Statement unserer Fraktion ein, das maßgeblich von meiner Co-Fraktionsvorsitzenden Jana Krauß erarbeitet wurde, die aber wegen Krankheit nicht dabei sein kann. Nachfolgend einige Auszüge:
„Dass der Kulturservice aus seiner Perspektive für diese Aufgaben Geld benötigt und einen Vertrag, ist nachvollziehbar. Überhaupt nicht nachvollziehbar ist, was die Verwaltung hier tut. Wie ernsthaft kann eine Stadthalle am Markt platziert werden, wenn das städtische Unternehmen, das sie betreiben soll, noch gar nicht benannt ist bzw. es womöglich noch gegründet werden muss? Es ist noch immer ungeklärt, in welcher Form einem Tagungs- und Messebetrieb überhaupt Beihilfen zukommen dürfen. Eine Stellungnahme der Fachämter fehlt.
Der erhöhte Zuschuss, um den der Kulturservice bittet, kommt aus dem städtischen Haushalt. Um es klar zu formulieren: Die Positionierung, also die Erstellung einer Unternehmensidentität, einer Marke eines wirtschaftlich agierenden Tagungs- und Messebetriebs, soll mit öffentlichen Geldern erfolgen.
Wir sagen nicht, dass das unmöglich sei, aber es gibt Hürden. Aus guten Gründen, denn hier wird in einen Markt eingegriffen. Das gilt es zu doch untersuchen! Wir tun als Stadt gut daran, rechtssicher vorzugehen.
Zum finanziellen Aspekt:
Wir treten in eineinhalb Wochen in eine haushaltslose Zeit ein. Nach den vorliegenden Eckdaten geben wir in den kommenden fünf Jahren 100 Millionen Euro mehr aus, als wir einnehmen. Das zwingt uns dazu, ein längst überfälliges Haushaltssicherungskonzept zu erarbeiten. Wir stehen also vor einschneidenden Sparmaßnahmen, die viele freiwillige Aufgaben ungewiss machen.
Zehn Tage vor dem Jahreswechsel Mehrausgaben in Höhe von 150.000 Euro für 25/26 zu beschließen, erscheint uns nicht richtig. Vor allem wenn zur gleichen Zeit Einrichtungen wie die CaTeeDrale oder der Cyrkus Spenden sammeln müssen, um ihre Angebote zumindest in abgespeckter Form aufrechterhalten zu können.
Es ist für uns nicht glaubhaft, dass bei einem Baubeginn 2025 und einem eventuell ab 2029 startenden Betrieb, die Vermarktung der Stadthalle ab dem kommenden Jahr sinnvoll oder gar notwendig ist.
Wir plädieren deshalb für folgenden Weg: Der heutige Beschluss wird nicht gefasst. Zuvor gilt es, unsere Hausaufgaben zu machen: Klärung der beihilferechtlichen Fragen, offizielle Übergabe der Stadthalle in die Hände eines Betreibers, inklusive Dienstauftrag. Für die dafür notwendige Finanzierung wird im Rahmen des Doppelhaushalts 2025/2026 gesorgt. Wir können die Stadthalle nicht losgelöst betrachten von der Gesamtentwicklung unserer Finanzen. Denn es ist sonnenklar: Jeder Euro, der für die Stadthalle ausgegeben wird, muss bei einer anderen freiwilligen Aufgabe ab 2025 gestrichen werden.“
Bis auf die Linke folgt niemand unserem Antrag, die Vorlage zurückzunehmen und im Rahmen des Haushaltes zu behandeln. Es kommt zur Beschlussfassung. Die Vorlage wird – wie alles zur Stadthalle – mit den Stimmen von AfD, CDU und Bürger für Görlitz gefasst. Gegen die Vorlage stimmt neben unserer Fraktion noch die Linke. Ihnen ist das Budget zu gering. Das kann ich nicht nachvollziehen. Das Budget beträgt im nächsten Jahr 284.000 Euro. 2026 sind es bereits 325.000 Euro.
Turnhalle Hirschwinkel
Zum Finale kommt Jens Jäschke ans Rednerpult. Er hat über die AfD einen Antrag eingebracht. „Förderung der Hirschwinkel-Turnhalle“ heißt er. Der OB soll beauftragt werden, Fördermittel für die Sanierung der Halle zu organisieren, die 2010 im Jahrhunderthochwasser abgesoffen war und seitdem nur in der oberen Etage von den Boxern des NSV Gelb-Weiß Görlitz genutzt wird. Die eigentliche Turnhalle ist Magazin fürs Denkmalamt. Eine Nutzung als Sporthalle ist bis Ende 2028 untersagt, da es Fördermittel für einen Ersatzbau gab – nur deshalb konnte Görlitz die Schenckendorff-Sporthalle finanzieren.
Eine alternative Nutzungsidee legt die selbsternannte Alternative für Deutschland im Antrag nicht vor. Schon deshalb ist die Vorlage Murks. Auf welcher inhaltlichen Grundlage soll nach Fördermitteln recherchiert werden? Der Hinweis, dass es sich um einen Bau im Stil des Art déco handelt, reicht nicht. So argumentiert auch die Verwaltung. Bürgermeister Hummel plädiert dafür, dass man die Sportstättenleitplanung abwarten soll. Möglicherweise ergibt diese einen Bedarf, so dass wir zielgerichtet für die Zeit ab 2029 nach Fördermitteln recherchieren können.
Das deckt sich mit den Diskussionen im Sportausschuss, der bei solchen Fragen fraktionsübergreifend gut zusammenarbeitet. Wir hatten uns vor einigen Wochen in der Hirschwinkel-Turnhalle umgesehen (Foto) und mit Michael Freudenberg, Abteilungsleiter Boxen bei Gelb-Weiß Görlitz unterhalten. Geäußert wurden zwei Wünsche: Zum einen möchten die Boxer gern im Erdgeschoss Räume fürs Umziehen nutzen, da es bei den Wechseln zwischen den Trainingszeiten sehr eng zugeht. Außerdem wünscht sich der Verein, dass die freien Parkplätze an der Turnhalle auch nach 2025 frei zur Verfügung stehen. Kommwohnen hat als Besitzerin angekündigt, die Parkplätze verkaufen zu wollen.
Der Sportausschuss hat Michael Freudenberg Unterstützung signalisiert und empfohlen, die Wünsche direkt an die Verwaltung zu richten. Gegen alle Gepflogenheiten der Zusammenarbeit im Sportausschuss griff sich die AfD das Thema Umkleideräume und brachte es in einer Ergänzung in ihrem Hirschwinkelhallenantrag unter. Das sorgt eben nicht für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, versuche ich Jens Jäschke zu erklären. Allein, ihm fehlt das Verständnis dafür.
Trotz vieler Hinweise und gebauter Brücken möchte Jäschke aber über die Vorlage abstimmen lassen, die am Ende nur noch aus einem Satz besteht. Nach einigem Hin und Her bekommt der Antrag nicht mal alle Stimmen aus der AfD-Fraktion. 10 Ja-Stimmen, 16-Nein-Stimmen, 2 Enthaltungen.
Bilanz 2024
Damit geht das erste halbe Jahr des neu zusammengesetzten Stadtrates zu Ende. Was fällt auf? Die Mehrheitsfindung ist noch komplizierter geworden. Möchte die bürgerliche Mitte Themen durchbringen, geht es nur gemeinsam mit den Fraktionen CDU, Motor Görlitz/Bündnisgrüne/SPD und BfG. Der Eindruck verfestigt sich aber, dass im Stadtrat zwei CDU-Gruppen sitzen. Von den zehn Fraktionsmitgliedern ist ziemlich genau die Hälfte nicht abgeneigt, bei Themen und Personalentscheidungen mit der AfD zu stimmen. Auch deshalb werden wir wohl demnächst eine neuerliche Ausschreibung für die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten finden.
Es bleibt kompliziert. Wie gut, dass wir nun einige Tage zum Durchschnaufen haben. Ich wünsche euch eine friedliche Weihnachtszeit und einen guten Übertritt ins Jahr 2025.
Wenn ihr Anregungen habt, mit uns unzufrieden seid oder gar die Ansicht vertretet, dass in Deutschland zu wenig gelobt wird, dann meldet euch bei uns.
Text und Foto: Mike Altmann