Subjektiver Bericht aus dem Stadtrat vom 22. Mai 2025
Von Schulklassen und Theaterbilanz, Digitalplänen und Parkplätzen, Europamedaille und Eurodistrikt – ein bunter Mix im Mai.
Informationen aus dem Rathaus: Berlin, Bildung, Bau
OB Octavian Ursu berichtet von seinen jüngsten Terminen in Berlin: Im Verkehrsministerium warb er für wichtige Infrastrukturprojekte – darunter die Grenzbrücke im Norden und die Elektrifizierung der Bahn. Beim Besuch bei der Sportministerin warb er zudem für die Ansiedlung eines Olympiastützpunktes am Berzdorfer See. Mit dem designierten polnischen Botschafter sprach Ursu über konkrete grenzüberschreitende Kooperationen.
Bürgermeister Benedikt Hummel informiert über die Klassenbildungen an Görlitzer Schulen: Aufgrund gestiegener Schülerzahlen wird es im kommenden Schuljahr mehr Klassen geben. An den Oberschulen werden 13 statt zwölf Klassen gebildet, an Gymnasien neun statt acht. Am Curie-Gymnasium kommt eine zusätzliche Klasse hinzu. Ziel sei es, dass alle Görlitzer Kinder einen Platz an einer Görlitzer Schule erhalten – „Görlitzer first“, so Hummel.
Fragestunde für Einwohner: Erinnerung und Erziehung
Ein Vertreter des Vereins „Engagierte Stadt“ schlägt vor, einen Teil des Stadtparks an der Synagoge nach der jüngst verstorbenen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer zu benennen. Die Verwaltung will den Vorschlag nun prüfen.
Ein Elternvertreter kritisiert die seiner Ansicht nach unzureichende Kooperation zwischen dem Hort „Ameisenhügel“ und der Grundschule Rauschwalde. Hintergrund: Bei Stundenausfall in der ersten Stunde fehlt es an Betreuungsmöglichkeiten. Der Hort poche auf den Schulbeginn 7.30 Uhr. Hummel erklärt, man befinde sich in Gesprächen, rechtliche Rahmenbedingungen seien zu beachten, aber man wolle praktikable Lösungen finden.
Fragestunde für Stadträte: Verkehr, Sichtachsen und Spiegelbilder
Unser Fraktionskollege Andreas Kolley meldet sich gleich mit mehreren Anliegen, die er schon mehrfach angesprochen hat – ohne Lösung bislang:
- Die Sicht an der Kreuzung Mühlweg/Kahlbaumallee ist stark eingeschränkt. Der vorhandene Spiegel sei oft beschlagen, Linksabbieger müssten einen riskanten Bogen um die Mittelinsel fahren (damit alle wissen wo es ist – Foto zum Bericht)
- Verkehr auf der engen Blumenstraße: Die Sohrstraße hat offiziell „rechts vor links“, was angesichts der Enge kaum praktikabel ist.
- Der Übergang an der B99 in Richtung Berzdorfer See sei weiterhin gefährlich, insbesondere für Familien mit kleinen Kindern.
Die Fachverwaltung sieht keine akuten Probleme. Bürgermeister Hummel zeigt sich dennoch offen für Ortstermine. Wir hoffen auf Lösungen.
Digitalisierung in Görlitz: Fortschritt mit Papierbeilage
Ulrich Ebermann aus dem Hauptamt stellt den Stand der Digitalisierung vor – mit Fokus auf das, was nach außen auf Bürger und Unternehmen wirkt. Geplant ist die Einführung digital signierter und gesiegelter Dokumente ab 2025. Auch das Dokumentenmanagementsystem soll zentrale Verwaltungsprozesse digital abbilden.
Alle neuen Bauprojekte erhalten eine elektronische Akte. Schnittstellen zu Fachanwendungen (Finanzen, Gewerbe, Liegenschaften, Verkehr etc.) werden derzeit entwickelt. Digitale Antragsassistenten sollen etwa bei Kita-Anmeldungen, Standesamtsangelegenheiten oder Wohngeldanträgen helfen. Vorteil hierbei sind die Plausibilitätsprüfungen. So wird sichergestellt, dass nur korrekt ausgefüllte Anträge im Rathaus landen.
Erwähnenswert: Bei Gewerbeanmeldungen konnte der Aufwand durch digitale Anträge bereits um zwei Drittel reduziert werden. Bei der digitalen Bauakte gilt Görlitz als Vorreiter.
Ich frage, wie digital der Stadtrat selbst arbeitet. Antwort: 20 von 38 Ratsmitgliedern erhalten ihre Unterlagen noch immer ausgedruckt. Möglicherweise ein Spiegelbild des Altersdurchschnitts und der Beharrungskräfte im Gremium.
Bilanz des Theaters: Besucherrekorde und „Gatsby“-Glanz
Intendant Daniel Morgenroth präsentiert die Bilanz des Gerhart-Hauptmann-Theaters für 2024: Die Zahl der Veranstaltungen stieg im Vergleich zum Vorjahr von 658 auf 702, die Besucherzahl von 152.000 auf 173.000. Die Einnahmen lagen bei 2,24 Millionen Euro – ein Plus von über 500.000 Euro im Vergleich zu 2023.
Die beliebtesten Stücke waren „Frau Holle“, „Die Schatzinsel“ und die Philharmonischen Konzerte. Highlight in diesem Sommer ist das immersive Stück „Gatsby“, das auch vom Deutschlandfunk positiv besprochen wurde. Gatsby macht Werbung für ein Mehrspartentheater und zeigt die großartigen Leistungen der technischen Abteilungen.
Die AfD-Fraktion lobt nach dem Bericht die Arbeit des Theaters. OB Ursu kontert trocken: Schön wäre, wenn sich das auch in Finanzierungsentscheidungen zeigen würde.
Es folgen die Beschlüsse, hier eine subjektive Auswahl:
Stadtwerke-Ausschüttung
Dem Antrag, 10 % der SWG-Ausschüttung zur Thesaurierung im Unternehmen zu belassen, stimmt unsere Fraktion nicht zu. Es geht um 46.000 Euro, die auch im Haushalt bereits eingeplant sind. Die Finanzlage lässt keine Geschenke zu, und die Begründung überzeugt uns nicht. Der Vorschlag wird dennoch mit großer Mehrheit angenommen.
Gründung des Eurodistrikts Görlitz-Zgorzelec: Ein Schritt in die Zukunft
Wir begrüßen die geplante Gründung eines Europäischen Verbunds für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) zwischen Görlitz und Zgorzelec. Ziel ist die institutionelle Verankerung der bestehenden Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Verkehr, Wirtschaft, Tourismus und Zivilgesellschaft.
Der EVTZ wird beide Städte paritätisch verbinden – keine Seite soll dominieren. Vorteile: direkter Zugang zu EU-Fördermitteln, gebündelte Projektarbeit und institutionelle Stabilität. OB Ursu verspricht weitere Details zur geplanten Struktur und Inhalten zur gemeinsamen deutsch-polnischen Stadtratssitzung am 10. Juni.
Ich frage, ob eine Erweiterung auf die gesamte Dreiländerregion denkbar sei. OB Ursu zeigt sich zurückhaltend – man wolle sich zunächst auf eine stabile Umsetzung in Görlitz-Zgorzelec fokussieren. Beschlossen wird der Vorschlag nahezu einstimmig – nur der Vertreter der rechtsextremen Freien Sachsen ist dagegen.
Der Gründung steht nun nichts im Weg. Denn auch der Stadtrat von Zgorzelec hat dieser Gesellschaft grünes Licht gegeben.
Turnhalle Cottbuser Straße: Ruine wird wieder Sportstätte
1895 wurde die Turnhalle in der Cottbuser Straße errichtet. Ich selbst habe dort als Knirps in den kalten ostdeutschen Wintern bei Motor Wama Görlitz gemeinsam mit Jenes Jeremies für die Hallenturniere trainiert. Lange stand die Halle leer, sie ist eigentlich nur noch eine Ruine. Mit Hilfe von Fördermitteln soll sie künftig für den Vereins- und Breitensport nutzbar gemacht werden. Schulsport ist nicht vorgesehen. Geplant ist eine denkmalgerechte Sanierung mit ergänzendem Containeranbau für Sanitär-, Umkleide- und Lagerräume. Die Halle soll unter anderem für Kinder- und Jugendsport, Senioren- und Betriebssport sowie offene Bewegungsangebote zur Verfügung stehen. Wettkampfsport ist aufgrund der Enge nur für Tischtennis möglich. Baubeginn ist für Herbst geplant, die Inbetriebnahme zum 30. Juni 2026. Der Stadtrat stimmt mit einer Enthaltung der Linken zu.
Parkplatz im Werk 1: Öffentlich und privat
Ein weiterer Beschluss betrifft die künftige Nutzung des Parkplatzes Christoph-Lüders-Straße im ehemaligen Werk1 des Waggonbaus. Im Sanierungsziel von 2004 war eine rein öffentliche Nutzung vorgesehen. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft KommWohnen hat den Parkplatz von der Stadt erworben und plant zumindest teilweise auch eine private Nutzung (man kann also einen Parkplatz mieten). Der Stadtrat stimmt zu – künftig ist eine gemischte Nutzung möglich. Die Flexibilität wird über eine Schrankenanlage mit automatischer Kennzeichenerkennung ermöglicht. Der Beschluss fällt einstimmig.
Europastadt-Medaille für Meetingpoint Memory Messiaen e.V.
Bei der gemeinsamen Stadtratssitzung mit Zgorzelec wird jährlich die Europastadtmedaille verliehen – für Verdienste um die Europastadt. 2025 gibt es erstmals einen gemeinsamen Vorschlag beider Städte: Die Ehrung soll an den Verein „Meetingpoint Memory Messiaen“ gehen. Gewürdigt wird sein grenzüberschreitendes Engagement in der Erinnerungskultur. Hervorgehoben werden unter anderem die internationalen Jugendbegegnungen, die Arbeit am Mahnmal Stalag VIII A und die künstlerische Auseinandersetzung mit der Geschichte. Ein starkes Zeichen für die Bedeutung von Gedenken, Bildung und Austausch in der Europastadt.
Satzungsänderung und Petitionsausschuss
Auch das gibt’s: Weil in der Hauptsatzung an einer Stelle „Sachschenkung“ statt „Sachspende“ steht, muss der Stadtrat einen Beschluss zur Änderung der Hauptsatzung fassen. Macht er. Nunhat alles seine bundesdeutsche Ordnung.
Der Petitionsausschuss wird gewählt. Meine Fraktion entsendet mich in dieses Gremium. Ich bin gespannt auf die neue Aufgabe. Weitere Mitglieder sind Wolfgang Duschek und Jakob Garten von der AfD, Christiane Schulz (CDU) und Karsten Günther-Töpert (BfG).
Zum Schluss: Einladung zum Feiern
Zum Abschluss der Sitzung kündigte OB Ursu die feierliche Eröffnung des neu gestalteten Elisabethplatzes an: Am 7. Juni soll mit Naschallee und Bühnenprogramm gefeiert werden.
Gerade weil kommunale Projekte oft langwierig und komplex sind, lohnt es sich, auf solche Momente hinzuarbeiten: Freuen wir uns über die sichtbaren Verbesserungen im Stadtbild und die hierbei gezeigte Einigkeit im Stadtrat. Es läuft nicht immer alles harmonisch – aber vieles konstruktiv. Und das ist in diesen Zeiten keineswegs selbstverständlich. Görlitz kann gemeinsam.
Wenn ihr Anregungen habt, mit uns unzufrieden seid oder gar die Ansicht vertretet, dass in Deutschland zu wenig gelobt wird, dann meldet euch bei uns.
Text und Foto: Mike Altmann