Gemischte Gefühle heute bei unserer Fraktion. Nach 175 Jahren Waggonbau in Görlitz geht eine Ära zu Ende. Ein neues Kapitel beginnt. Eines, das der Verteidigung Deutschlands und Europas dient, wie in Reden betont wurde. Wirtschaftlich gibt es damit eine Zukunft für tariflich bezahlte Industrie-Arbeitsplätze in Görlitz.
Im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer wurde heute im Waggonbau offiziell verkündet, was bereits seit einigen Wochen klar ist: Der Waffenproduzent KNDS übernimmt von Alstom das Werk in Görlitz. Es soll in zweistelliger Millionenhöhe investiert werden, hieß es heute. Zunächst sei ein Betrieb mit 350 Beschäftigten geplant, aktuell liegt die Mitarbeiterzahl bei rund 700. Der Vertreter der IG Metall betonte, dass Alstom einen Sozialplan blockiere, weitere Verhandlungen nötig seien. Gelobt wurde vom Gewerkschafter, dass KNDS in großem Stil ausbilden wolle.
KNDS wird in Görlitz Rohbauteile für verschiedene Panzerfahrzeuge herstellen. Dabei setze das Unternehmen auf das Know-how der Beschäftigten. Schon 2025 sollen die ersten Alstom-Mitarbeiter zu KNDS wechseln. Ab 2026 sollen die ersten Fertigungen laufen.
Für unsere Fraktion waren heute Jana Krauß, Mike Altmann und Silvio Minner beim Termin im Waggonbauwerk. Das sagen sie zu den Veränderungen:
Mike Altmann (Motor Görlitz):
Der Niedergang des Waggonbaus in Görlitz hat bereits vor vielen Jahren begonnen und ist an fernen Managertischen entschieden worden. Mit Stolz zurückschauen dürfen die vielen fleißigen Generationen, die hier u.a. den Görlitzer Doppelstockwagen gebaut haben. Nun heißt es nach vorn zu blicken. Ich freue mich, dass es für einige hundert Mitarbeiter und deren Familien eine Perspektive gibt, dass tariflich bezahlte Arbeitsplätze in Görlitz erhalten werden. Möglicherweise ergeben sich für mittelständische Unternehmen aus der Region interessante Möglichkeiten, etwa als Dienstleister und Zulieferer. Auch für die Steuereinnahmen der Stadt Görlitz ist es von Vorteil, dass es eine Nachfolge für Alstom gibt. Bei der Ausgestaltung der Übernahme gilt es nun auch auf Details zu achten. So gehört ein Teil der Fläche des Sportplatzes Junge Welt zum jetzigen Alstom-Werk. Hier braucht es eine Lösung, damit alle Beteiligten wissen, woran sie sind.
Dr. Jana Krauß (Bündnis90/Die Grünen):
Es werden 350 Industriearbeitsplätze erhalten. Daran wird die derzeitige Alstom-Belegschaft beteiligt. Das ist positiv. Aber: Es gehen eben auch Arbeitsplätze eines Schienenfahrzeugbau-Unternehmens verloren – in Görlitz, dessen Identität mit eben dieser Branche eng verbunden ist. Und in der Regel wünsche ich einem Unternehmen, dass es wächst, dass zukünftig weitere Arbeitsplätze hinzukommen. Hier gelingt mir das nicht. Dies sind Gründe, die meine Positivität dann doch deutlich dämpfen.
Silvio Minner (SPD):
Nun wird KNDS das Werk übernehmen. Mit nur noch 350 Mitarbeitern – vorerst. Ist das ein Grund zum Feiern? Aus meiner Sicht kann diese Frage nicht endgültig beantwortet werden. Fakt ist: KNDS ist ein Rüstungskonzern. Es sollen in Görlitz Komponenten für Radpanzer und ähnliches Kriegsgerät gefertigt werden. Fakt ist aber auch, dass die übernommenen Mitarbeiter weiter im IG Metall-Tarif bezahlt werden. Das ist die gute Nachricht dieses Tages. Klar ist für mich: Wir müssen mit Blick auf die Lage in Europa und der Welt unsere Verteidigungsfähigkeit wieder herstellen. Auf die Nato allein, insbesondere auf den bislang größten Partner USA, kann man sich mittlerweile nicht mehr verlassen.