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Stadtratsblog#11: 24.9.2020

Einige Stadtratskollegen aus den Fraktionen von CDU und BfG haben bereits aktuell und subjektiv berichtet – dafür herzlichen Dank. Da so gut vorgearbeitet wurde, versuche ich die Erzählung zur Sitzung thematisch zu bündeln.

 

Corona

Die Auswirkungen sind weiter zu spüren. Es gibt keinen Neujahrsempfang des OB 2021. Die feierliche Eröffnung der sanierten Synagoge am 6. Dezember findet nur in ganz kleinem Rahmen statt. (Die Stadt flüstert, dass angeblich gar Granden wie der Schweizer Schriftsteller und Journalist Michael Guggenheimer wieder ausgeladen werden mussten.) Die Weihnachtsmärkte Postplatz und in der Altstadt sollen mit Hygiene-Konzept stattfinden. Wie sich Corona auf die Finanzen der Stadt und seiner Gesellschaften auswirkt, soll im November im Stadtrat vorgestellt werden. Bereits beschlossen wurde eine Liquiditätshilfe für den Zweckverband Neiße-Bad. Durch die wochenlange Schließung klafft ein Loch von rund 200.000 Euro im Etat. Knapp die Hälfte davon wird durch eine Liquiditätshilfe der Stadt kurzfristig übernommen. Das Geld kann Görlitz wiederum aufbringen, da deutlich weniger Zuschüsse für Schul- und Vereinsschwimmen bezahlt werden mussten. Linke Tasche – rechte Tasche.

 

Verkehrssituation

Auch diesmal wieder an verschiedenen Punkten thematisiert: die Verkehrssituation in der Stadt. In der Bürgerfragestunde kritisiert eine Görlitzerin die Situation für Behinderte. Es fehle an Behindertenparkplätzen, abgesenkten Bordsteinen und barrierefreien Bussen und Bahnen. Ein Anwohner bemängelt die Neugestaltung des Fußgänger-Übergangs an der verlängerten Blumenstraße/Kahlbaumallee. Vor allem kleine Kinder seien nur schwer für Autofahrer zu erkennen. Er wünscht sich bereits vor dem Fußgängerüberweg Hinweise auf die Gefahrenstelle. Ebenfalls in der Bürgerfragestunde angesprochen wird die Situation auf dem Obermarkt, wo sich mittlerweile die Stadtführungs-Busse stapeln. Von den Fraktionen gibt es in der Sitzung Anträge zum Verkehr. CDU und BfG wünschen eine neuerliche Prüfung des gefährlichen Dauerbrenners für Fußgänger Obermarkt/Platz des 17. Juni/Kaisertrutz. Die Linke will weitere gefährliche Ecken in den Prüfauftrag mitaufnehmen lassen, wie Bahnhof-Südausgang und Jägerkaserne/Grüner Graben. Das möchte aber CDU-Chef Dieter Gleisberg nicht: „Die Linken sollen mal eigene Anträge schreiben und nicht unsere aufblähen.“ Da traut sich unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne gar nicht mehr anzuregen, den Übergang am Tierpark mit unter die Lupe zu nehmen. Schreiben wir einen schönen eigenen Antrag. Insgesamt ist festzustellen, dass sowohl der ruhende als auch der fließende Verkehr riesige Baustellen sind. Es braucht dringend ein Verkehrskonzept. Die Verwaltung arbeitet daran – wir sind gespannt.

 

Von Kitas und Kleingärten

Wenn der Topf aber nun ein Loch hat, lieber Octavian, lieber Octavian… Wo im Kinderlied der lieben Liese Stroh zum Stopfen vorgeschlagen wird, greift Görlitz auf seine Kleingärten zurück. Doch von vorn: Weil die Kita Arndtstraße von Asbest befallen ist, läuft deren Betrieb nur noch mit Ausnahmegenehmigung bis Ende 2022. Bis dahin muss Ersatz her. Deshalb wurden im Doppelhaushalt 2019/20 drei Millionen Euro für einen Kita-Neubau auf dem Gelände der ehemaligen Schwimmhalle Fichtestraße eingeplant. Zwei Millionen davon waren Fördermittel des Landkreises. Nun kommt heraus: Die Verwaltung wusste bereits bei der Erstellung des Haushaltes, dass die drei Millionen vorn und hinten nicht reichen werden. Sagte Bürgermeister Michael Wieler frank und frei. Nun, da die Planungen durch sind, steht fest: Die Kita wird fünf Millionen Euro kosten. Die fehlenden zwei Millionen muss die Stadt aufbringen, hat sie aber nicht, da der Topf löchrig ist. Statt Stroh nimmt die Stadt nun ihre Kleingärten. Sie werden an die städtische Wohnungsbaugesellschaft Kommwohnen verkauft. Da dürften bis zu sechs Millionen Euro zusammenkommen. Die sind weitestgehend verplant. Neben der Kita wird auch der Bau der Freiwilligen Feuerwehr auf der Cottbuser Straße rund eine Million teurer. Weitere Millionen werden nötig für die Sanierungen der Schulen am Windmühlenweg in Königshufen und den Stadthallenbau (dazu weiter unten). Der Deal mit den Gärten ist einfach zu erklären: Kommwohnen bekommt 4.800 Kleingärten, verteilt über die gesamte Stadt. Die bleiben unangetastet, die 10.000 Kleingärtner brauchen also keine Angst zu haben. Da aber bereits jetzt 10 Prozent der Gärten leer stehen, könnte Kommwohnen zukünftig ungenutzte Parzellen für den Bau von Einfamilienhäusern vermarkten. Dadurch soll sich der Kauf refinanzieren. Meine Frage, welche Auswirkungen der Verkauf der Flächen auf die Möglichkeiten der Stadtplanung und Stadtentwicklung haben, beantwortete Bürgermeister Wieler sehr kurz: „Keine.“ Schwer zu glauben.

Fakt ist: Man kann dem Vorschlag nur zustimmen, auch wegen der positiven Haltung des Niederschlesischen Kleingartenvereins als Pächter der Flächen. Ohne den Verkauf der Kleingärten an Kommwohnen kein Kita-Neubau. Was aber schwer im Magen liegt: Mit welchen intransparenten Winkelzügen wurde in der Vergangenheit der städtische Haushalt aufgestellt? Wo liegen die Prioritäten, wenn nicht bei Kitas und Schulen? Wie kann im Haushalt nicht ausreichend Deckung sein für diese Bauprojekte, wenn der zuständige Bürgermeister bereits weiß, dass die geplante Summe nicht reicht? So sei halt Kommunalpolitik, bekommen wir bei solcherlei Fragen zu hören. Von Bürgermeistern und langjährigen Stadträten, die die Verantwortung dafür tragen. Erstaunlich ist auch die vorgebrachte Ahnungslosigkeit von Spitzenkräften unserer Verwaltung. Weil Dr. Wieler als Begründung für den sehr teuer werdenden Kita-Bau die Steigerungen des Baukostenindexes anführt, möchte ich von ihm wissen, um wieviel dieser Index denn in den letzten drei Jahren angestiegen sei. Das kann oder will er nicht beantworten.

Kritisch hinterfragen muss man freilich an dieser Stelle auch die Politik der Sächsischen Staatsregierung. Seit 2005 ist die Förderung für neue Kitaplätze gleichgeblieben. Lieber Michael Kretschmer: Es reicht nicht, junge Familien als wichtige Zielgruppe in Wahlprogrammen zu benennen. Man muss die kommunalen Partner und freien Träger auch so finanziell ausstatten, dass diese die Grundlagen für ein familienfreundliches Sachsen bauen können, ohne sich zu verschulden.

 

Stadthalle wird wohl teurer

Wer beim Stadthallenprojekt nicht in den Jubelkanon einstimmt, sondern sich erdreistet, Nachfragen zu stellen und sich den kritischen Gesamtblick auf Stadt und Finanzen bewahrt, ist im Stadtrat nah an Aussätzigkeit. Der nette Octavian Ursu will mir das Wort verbieten, weil ich mir in einer Diskussion erlaube, mehr als dreimal ans Mikro zu treten. „Warum wollen sie denn überhaupt noch etwas sagen, wenn sie sich enthalten wollen?“ Merkwürdige Art von Demokratieverständnis. Nur wer dafür ist, darf mitreden? Und darum ging es diesmal:

Die Sanierung der Stadthalle erfolgt auf Grundlage der Planungen von 2012. Darin – so stellten wir nun fest – wurden erhebliche Ausstattungen gestrichen. Aus Kostengründen wurde die Halle also schon 2012 zur Mogelpackung. Keine Tische und Stühle für ein Haus, das Konferenzen ausrichten will? Keine Ton- und Lichttechnik in einer Stadthalle, die für „alle“ nutzbar sein soll? Diese Positionen wurden nun in einer aktualisierten Planung wieder aufgenommen. Dazu weitere Wünsche, um eine möglichst moderne Veranstaltungshalle mit entsprechendem Anbau zu errichten. Komplett nachvollziehbar, denn wenn die Stadthalle 2025 öffnet, muss sie so modern und attraktiv sein, dass sie sich gut vermarkten lässt und möglichst wenig Zuschuss aus dem Stadtsäckel benötigt. Insofern hätte man dem Beschluss auch zustimmen können – wäre nicht der vermaledeite Blick auf die finanziellen Möglichkeiten der Stadt. Die Umsetzung aller Positionen aus der aktuellen Planung würde Mehrkosten von über sechs Millionen Euro verursachen. Der Gesamtbau kostete dann bereits 40,9 Millionen. Im Haushalt sind langfristig „nur“ 40 Millionen eingeplant (Förderung 36 Mio, 4 Mio Eigenmittel). Jeder Euro mehr muss nach jetzigem Stand ebenfalls von der Stadt selbst bezahlt werden. Die Verwaltung stellt deshalb einige Positionen unter Finanzierungsvorbehalt. Wie Licht- und Tontechnik. Déjà-vu 2012? Anderes soll erst untersucht werden. Wie die Frage, ob die Stadthalle klimatisiert werden müsse und wenn ja in welchem Umfang.  Dabei steht bereits im Planungspapier von 2012, dass die Temperaturen im Sommer im großen Saal bei weit über 30 Grad liegen. Die Stadthalle als Tropenhaus? Näheres wissen wir Ende des Jahres, wenn solcherlei Untersuchungsergebnisse vorliegen. Dadurch wird sich freilich das ganze Projekt verzögern. Der Zeitplan hängt bereits jetzt um ein halbes Jahr. Spannend wird, auf welcher Grundlage die Städtische Kulturservice GmbH als künftige Betreiberin bis Jahresende ihr Betriebskonzept aufstellt. Mit oder ohne Licht- und Tontechnik? Meine Frage, ob der Kulturservice denn nicht zwei Varianten vorlegen kann, aus denen die Auswirkungen für den Betriebszuschuss hervorgehen, wird wieder von Dr. Wieler beantwortet. Das sei nicht nötig. Die anwesenden KollegInnen des Kulturservice kommen nicht zu Wort. Einige Kollegen Stadträte drängen ohnehin auf schnelle Abstimmung. CDU-Chef Gleisberg grummelt, dass ihm die „ständigen Grundsatzdiskussionen“ missfallen. Lieber Dieter: Ist halt kein Pillepallebau, die Finanzierung grundsätzlich ungeklärt, insofern musst du weiterhin damit leben. Der Stadtrat beschließt letztlich einstimmig die geänderte Planung bei acht Enthaltungen (Motor/Grüne, Linke sowie Stefan Bley von BfG).

Ob die Mehrheit im Stadtrat überhaupt Interesse an einer ehrlichen Finanzplanung hat? Es gibt z.B. keine „eingepreisten“ Bausteigerungen, die während des Ausführungszeitraums 2022 bis 2025 definitiv kommen (worauf die Kämmerin eindringlich in ihrer Stellungnahme hinwies). Und auch beim „Drumherum“ – wenig Bock auf Zahlen, Daten, Fakten. Da bringen CDU und BfG einen niedlichen Antrag ein, die Stadtverwaltung möge bitte die Planungen zur verkehrlichen Anbindung auf Aktualität prüfen, damit Straße und Stadthalle parallel fertig werden. (Ich dachte, sowas wäre selbstverständlich.)  Die Fraktion Die Linke will konkretere Pläne inkl. Aussagen zu den Kosten für Straßen, Parkhäuser, etc. Die Mehrheit aus AfD, CDU und BfG lehnt das ab (auch auf Betreiben des Bürgermeisters Michael Wieler).

 

Bürgerbeteiligung

Görlitz ist zurecht stolz auf sein Konzept zur Bürgerbeteiligung. Die Bürgerräte mit ihren Stadtteilbudgets sind vorbildlich. Bürgerbeteiligung umfasst aber deutlich mehr. Deshalb fordern wir den OB in einem Antrag auf, eine Liste von Vorhaben vorzulegen, bei denen die Bürger mitreden können. Das nennt sich vorhabenbezogene Bürgerbeteiligung. Hat der Stadtrat bereits 2016 und 2017 beschlossen. Nur die Umsetzung wurde nicht kontrolliert. Es gab bislang keine einzige vorlegte Liste mit Vorhaben, an denen die Bürger im Vorfeld beteiligt werden. Mit großer Mehrheit beschließt der Rat, dass dies geheilt wird. Bis Jahresende kommt eine erste Liste in die zuständigen Ausschüsse. Unser ursprüngliches Ansinnen, auch die Struktur in der Verwaltung darauf auszurichten, dass eine dauerhafte Bürgerbeteiligung „mitgedacht“ wird, kassiert der OB. Das greift in seinen Zuständigkeitsbereich ein. Wir sind frohen Mutes, dass er die richtigen Entscheidungen trifft.

Zu diesem Thema sagt meine bündnisgrüne Fraktionskollegin Dr. Jana Krauß u.a. „Für uns ist Bürgerbeteiligung ein zentrales Anliegen. Warum? Bürgerbeteiligung wird gern so betrachtet, dass die Verwaltung Bürgerinnen und Bürger an ihren Entscheidungen teilhaben lässt. Bürgerbeteiligung lässt sich jedoch auch aus umgekehrter Richtung betrachten, nämlich als Teilhabe der Verwaltung am Wissen der Bürgerinnen und Bürger. In genau diesem Verhältnis sehen wir die in unserer Bürgerbeteiligungssatzung verankerte vorhabenbezogene Bürgerbeteiligung. Diese sieht vor, dass die Verwaltung gemeinsam mit dem Stadtrat eine Liste an Vorhaben bzw. Projekten erstellt, für die das Interesse oder die Betroffenheit einer Vielzahl von Einwohnerinnen und Einwohnern unterstellt werden kann. Die stadtteilbezogene Bürgerbeteiligung, namentlich die Stadteil- oder Bürgerräte, sind in den letzten Jahren wertvoller Bestandteil des Gestaltungsraums in Görlitz geworden. Mit unserer Vorlage möchten wir den Oberbürgermeister sowie die Verwaltung nun dazu ermuntern, sich auch der vorhabenbezogenen Bürgerbeteiligung anzunehmen. Wir erwarten – und das sage ich ganz ausdrücklich – keine ellenlange Liste an Vorhaben, die letztlich zu Überlastung und damit zu Frustrationen auf beiden Seiten führen könnte. Diese Form der Bürgerbeteiligung benötigt Übung, Know-how und Mut, vor allem der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Wir möchten, dass es gelingt. Also lassen Sie uns damit beginnen, Schritt für Schritt – mit einer ersten, kurzen, aber wohldurchdachten Vorhabenliste.“ Herzlichen Dank an die Mehrheit des Stadtrates, die der Vorlage in geänderter Form zugestimmt hat.

 

Digitalisierung

Wer „Stadt der Zukunft“ werden will, muss bei den Top Trends wie Digitalisierung vorausschauend agieren und vor allem aktiv sein. Da unsere Fraktion die bisherigen Maßnahmen der Verwaltung nicht als strategisches Digitalisierungskonzept identifizieren konnte, stellen wir einen entsprechenden Antrag. Dieser wurde im Vorfeld mit zahlreichen Fachleuten vorbesprochen. Vielleicht war er etwas zu komplex. Das liegt aber leider in der Natur der Sache. Einfach wird der Strukturwandel nicht. Vor der Sitzung bemühte sich OB Ursu bei uns darum, dass wir den Antrag vertagen. Zuvor möchte er alle Stadträte in einer Informationsveranstaltung auf einen einheitlichen Wissensstand bringen. Da die Ermittlung der Ausgangslage für die Erarbeitung einer Strategie ohnehin nötig ist, haben wir dem Vorschlag zugestimmt. Mein Kollege Andreas Kolley sagt zu den generellen Intentionen des Antrags: „Wir wollen das Thema Digitalisierung noch stärker vorantreiben und die potenziellen Akteure, die digitale Angebote für unsere Stadt entwickeln, umsetzen und vermarkten können an einen Tisch holen, vernetzen und die Kräfte bündeln. Hierbei spielen nicht nur die gesetzlichen Pflichtaufgaben eine Rolle, sondern eben auch die vielen freien Angebote aus Wirtschaft, Kultur, Bildung sowie der lokalen Partner, Kooperationen und Netzwerke.“

 

Ein Stern für die Synagoge

Mit großer Freude haben wir dem Antrag zugestimmt, dass die sanierte Synagoge wieder ein Davidstern krönen soll. Ohne dabei die Erinnerung an ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte in Görlitz zu verdecken. Kristina Seifert (B90/Grüne) aus unserer Fraktion findet dafür gute Worte: „Im Jahr 2020 ist das Denkmal jüdischen Lebens in seiner vollen Pracht wiederhergestellt. Was sich nicht wiederherstellen lässt, ist die jüdische Gemeinde, die in Görlitz noch vor hundert Jahren viel zum wirtschaftlichen und kulturellen Leben beitrug. Während der NS-Herrschaft wurden alle hier lebenden Juden – bis auf zwei – vertrieben oder umgebracht. Daran beständig zu erinnern und das Bewusstsein dafür zu erhalten, welche Gräuel Menschen einander antun können, auch hier in Görlitz, ist eine bleibende Aufgabe. Die Synagoge ist in ihrer nun wiederhergestellten Pracht Teil der Görlitzer Geschichte. Genauso ist das Schicksal der jüdischen Gemeinde Teil unserer Stadtgeschichte. Daher setzen wir uns dafür ein, dass das Gelände der Synagoge und vielleicht auch das Wäldchen in direkter Nachbarschaft zur Synagoge zu einem Ort der Gedenk- und Erinnerungskultur entwickelt wird.“

 

Berzi GmbH

Die Stadtverwaltung möchte gern die Geschäfte am Berzdorfer See bündeln und dafür eine Betriebsgesellschaft gründen. Ob eine solche Berzi GmbH die stockende Entwicklung verbessert? Der Stadtrat hat OB Ursu zunächst mal einstimmig beauftragt, bis zum 1. Quartal 2021 entsprechende Planungen vorzustellen. Sprich: Was soll Zweck der GmbH sein, welche Aufgaben bekommt sie, wie soll sie sich strukturieren? Ich rege an, dass parallel alternative Varianten zu einer weiteren GmbH geprüft werden mögen. Das hätte den Vorteil, dass wir in einem halben Jahr nicht wieder von vorn anfangen, falls die GmbH-Prüfung nicht den erhofften großen Wurf bringt. OB Ursu erklärt, dies sei der Verwaltung innerhalb der Zeit nicht möglich. Ein kleiner Satz, der tief blicken lässt. Eine Verwaltung, die nicht in der Lage ist, innerhalb eines halben Jahres die Planungen für eine Betriebsgesellschaft nebst möglichen Alternativen vorzulegen, ist in ihrer Leistungsfähigkeit extrem eingeschränkt. Bei den Aufgaben, die vor uns liegen im Zuge des Strukturwandels, ist das alarmierend.

Wir bleiben am See und kehren noch einmal zurück zum Anfang der Sitzung. Kollege Kolley möchte wissen, warum trotz anderslautender Aussagen im Juli noch immer Wasser und Abwasser am Berzdorfer See in Deutsch Ossig nicht angeschlossen sind. OB Ursu zeigt sich verwundert: Er habe sogar eine Dankes-Mail bekommen. Auch Bürgermeister Wieler reagiert sehr unfreundlich (um es höflich auszudrücken). Leider ist es nicht das erste Mal, dass wir live Informationen bekommen, die spanisch klingen. Deshalb wird mittlerweile in laufenden Sitzungen ein Faktencheck durchgeführt. Antwort von zwei Gewerbetreibenden in Deutsch Ossig: Es liegt kein Wasser an, aber zumindest die Stadtwerke waren schon da. Diese Art von Informationspolitik der Verwaltungsspitze ist nicht in Ordnung. Sie untergräbt das Vertrauen. Ich hatte bereits im Technischen Ausschuss im Frühjahr nachgefragt, ob der Wasseranschluss noch in dieser Saison erfolge. Im Juli werde das umgesetzt, so die Antwort des zuständigen Amtes. Es kann immer zu unvorhergesehenen Verzögerungen kommen, da hilft Offenheit. Aber sich für etwas zu feiern, was gar nicht den Tatsachen entspricht, das ist schon ein dicker Mops.

 

Geschmackspolizei

Zum Schluss noch ein Stück geschmackvolle Kommunalpolitik. Die CDU findet den Postplatz und den Platz der Friedlichen Revolution so schön, dass sie nicht durch Plakate verschandelt werden sollen. Dementsprechend wird die Verbotszone für Plakatierungen von der Kernaltstadt ausgeweitet. Meine Frage, wieviel echtes und wieviel museales Leben man wolle, wurde nicht beantwortet. „Es ist eben eine Geschmacksfrage“, sagt CDU-Stadtrat Gloge. Da hat er Recht. Das ist freilich eine sehr subjektive und schwache Grundlage, um einen solchen Beschluss zu fassen. Ohne sich vorher mit Betroffenen aus Wirtschaft, Handel und Kultur unterhalten zu haben.  Ich bin nun aber optimistisch, dass die CDU demnächst einen autofreien Postplatz beantragen wird. Denn fraglos beeinträchtigen die Karossen und die zahllosen Verkehrsschilder den Blick auf diesen schönen Platz mehr als plakative Hinweise auf eine Theateraufführung oder den Lichterglanz der benachbarten Händler.

 

Text: Mike Altmann

Stadtratsblog#9: 25.6.2020

Erste Sitzung als Mitglied der neuen Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne. Erneut in der Sporthalle an der Jägerkaserne. Leider sind wir nicht vollzählig bei der Premiere. Danilo Kuscher haben wir Urlaub genehmigt. Er verfolgt im dänischen Veijers Strand den Livestream mit. Verrückter Kerl. Die übrigen vier Fraktionsmitglieder nehmen zwischen Linken und Bürgern für Görlitz Platz.

Los geht’s – wie so oft – mit Beschwerden der AfD. Zwei Anträge hätten sie gern auf der Tagesordnung gehabt. Der OB wiederum zeigt sich verwundert, warum Fraktionschef Jankus das denn nicht im Ältestenrat angesprochen habe. Sich auf die Tagesordnung zu einigen, genau dafür ist dieses Gremium da. Offensichtlich sind solche nichtöffentlichen Sitzungen für die AfD aber eine zu kleine Bühne. Wie auch immer. Die Anträge werden nun im Juli behandelt.

Dann wird’s feierlich: Für den ewigen Stadtrat Thomas Leder rückt Matthias Schöneich nach. Bevor er in der CDU-Fraktion offiziell Platz nehmen kann, wird er vereidigt. Unsere Fraktionskollegin Kristina Seifert gratuliert und überreicht ihm eine Zuckertüte. Nervennahrung von Hoinkis und Stressball – er wird es brauchen. Auf gute Zusammenarbeit, Matthias.

 

Informationen vom OB

Das Baden am Berzdorfer See wird sicherer. Die Wasserwacht vom DRK und die polnischen Rettungsschwimmer treffen sich am 4. Juli und schieben dann gemeinsam Wache am vollgelaufenen Tagebaurestloch vor den Toren der Stadt.

Beim Hochwasser am vergangenen Wochenende gab es eine gute Kommunikation mit der polnischen Seite, sagt Octavian Ursu. Die Verwaltung wurde rechtzeitig informiert, dass der Witka-Staudamm die Schleusen öffnet, so dass die Feuerwehr mit ausreichendem Vorlauf loslegen konnte. Einige Keller in Hagenwerder und der Görlitzer Altstadt liefen voll, hinzu kamen umgestürzte Bäume am Neißeradweg. Der ist inzwischen wieder befahrbar, die Aufräumarbeiten werden aber noch dauern.

Beschwerden gab es zum erhöhten Lärmpegel am polnischen Neißeufer nach der Grenzöffnung. Ursu hat dazu mit Amtskollegen Gronicz gesprochen. Auf polnischer Seite wurden Maßnahmen eingeleitet und ein befristetes Alkoholverbot ausgesprochen. Es handelt sich um ein Privatgelände, ein Geschäftsmann aus Görlitz sei involviert. Hier hoffe ich, dass man zu einer guten Lösung kommt, ohne dass es Verbote hagelt.

Die Geschäftsführerin der Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH (EGZ), Andrea Friederike Behr informiert uns über den Stand zum Projekt „Klimaneutrale Stadt“. Ziel ist ein Masterplan, der bis ins Jahr 2030 reicht und Görlitz in die Lage versetzt, den Schadstoffausstoß deutlich zu senken bzw. zu kompensieren. Bis zum Sommer soll ein grober Plan vorliegen, der anschließend weiterentwickelt und mit konkreten Projekten untersetzt wird. Mit Beteiligung der Bürgerschaft und vieler Partner natürlich. Gute Sache. Der OB hat Recht, wenn er sagt, dass das früher oder später alle Kommunen leisten müssen. Da ist es ein Standortvorteil, sich rechtzeitig auf den Weg zu machen. Klug ist auch, was Frau Behr sagt: Der Masterplan zur klimaneutralen Stadt sollte die Fördermittelkulisse im Blick haben und Geld für die nötigen Eigenanteile im nächsten Haushalt bunkern. Da sind wir gern mit dabei, damit Görlitz Zukunftsprojekte wie „Smart City“ umsetzen kann.

Mit Spannung erwartet – die Berichte aus den städtischen Unternehmen. Welche Corona-Folgen gibt es aktuell? Beruhigend: Kein Betrieb ist derzeit gefährdet. Finanzielle Ausfälle gibt es allerdings:

Klinikum: Die ausgefallenen Einnahmen werden über den Bund kompensiert. Das Betriebsergebnis sieht deshalb trotz des eingeschränkten Betriebes positiv aus.
Kommwohnen hat mit der Gesamtsituation auf dem Wohnungsmarkt zu kämpfen. Corona schlägt zusätzlich ins Kontor. Einnahmen aus Vermietung, aber auch aus anderen Dienstleistungen gingen zurück.
EGZ: Es gibt signifikant weniger Einnahmen. Klar: Der Tourismus lag drei Monate brach ein und berappelt sich nur sehr langsam. Die EGZ musste die Görlitz-Information zwischenzeitlich schließen, Gruppenreisen wurden storniert, es kam zu weiteren Ausfällen bei Stadtführungen, Ticketverkäufen und Vermietung. Eine Prognose über die touristische Entwicklung bis Ende des Jahres ist schwer.
Kulturservice: Diverse Veranstaltungen sind ausgefallen bzw. mussten abgesagt werden, dazu zählen Literaturtage an der Neiße und Altstadtfest. Für den Tippelmarkt gibt es eine kleine Version, ob und wie der Christkindelmarkt stattfindet, ist noch nicht spruchreif. Das Lausitzfestival soll stattfinden und wird vorbereitet. Hier, wie auch bei anderen Projekten, rechnet der Kulturservice mit weniger Einnahmen in diesem Jahr.
GVB: Unsere Verkehrsgesellschaft wartet mit konkreten Zahlen auf. Zunächst lagen die Zahlen für Januar und Februar bei 20.000 Euro über dem Vorjahr. Leider trübt Corona auch diesen Erfolg und nunmehr liegen die Erlöse aus dem Fahrgastgeschäft 200.000 Euro unter den Planungen. Durch die Abstandsregeln werden weitere Verluste in diesem Jahr erwartet, da deutlich weniger Leute Bus und Bahn fahren. Bundeshilfen stehen in Aussicht.
Auch die Stadtwerke Görlitz rechnen mit weniger Einnahmen und damit Einbußen.

Eine engagierte Vorstellung der Arbeit des Seniorenbeirates kommt anschließend von Karin Mohr. Sie wünscht sich eine enge Einbeziehung in die Stadtratsarbeit, denn alle Themen betreffen auch die älteren Menschen der Stadt. „Sie werden mich jetzt öfter sehen“, ruft sie uns zu. Ich freu mich drauf.

 

Fragestunde für Einwohner

Engagierte Ehrenamtlerinnen, die sich um die Integration von ausländischen Mitmenschen bemühen, wollen wissen, ob die Gleichstellungsbeauftragte denn weiterhin ihre Ansprechpartnerin in der Stadt sei. Darüber gibt es einige Irritationen, da die neue Beauftragte in der Presse erklärte, sie fühle sich für Integration nicht zuständig. Nach einigem Hin und Her sorgt das Personalamt für Aufklärung: In der Stellenbeschreibung ist ein Anteil von zehn Wochenstunden für Integration festgeschrieben. Insofern hat die Gleichstellungsbeauftragte auch das Thema Integration auf dem Tisch.

Die Geruchsbelästigung durch den Görliwood Doppeldecker-Bus in den engen Altstadtstraßen beklagt Kurt Bernert. Im Volksmund heißt er wohl bereits „der Stinker“ (nicht Kurt, der Bus). Anwohner an der Neißstraße schließen nach dem Augenzeugenbericht entsprechend des Bus-Fahrplans die Fenster. Bürgermeister Wieler macht aber keine Hoffnung auf Besserung:  TÜV-geprüfte Fahrzeuge haben das Recht auf Straßen zu fahren, da können wir nix machen, wir sind nicht die Freie Republik Görlitz.

Die Verkehrssicherheit für Fußgänger und Radfahrer beklagt eine weitere Görlitzerin. Sie berichtet über die Situation Jahnstraße/Hohe Straße, wo es sehr eng zugeht und man insbesondere entgegenkommende Radfahrer sehr spät sieht. Dieses Problem wird die Verwaltung in Augenschein nehmen. Wenig Hoffnung gibt es dagegen am Platz des 17. Juni, der immer wieder thematisiert wird – eine Lösung für die Fußgänger ist aber nicht in Sicht.

 

Fragestunde für Stadträte

Damit ich das Internet nicht komplett vollschreibe, beschränke ich mich auf die Anfragen unserer Fraktion. Jana Krauß (Bündnisgrüne) erkundigt sich zunächst nach der Verkehrssituation am Demianiplatz. Straßenbahnen, Busse, parkende Auto, Radfahrer, Fußgänger – alles auf engstem Raum und alles sehr unübersichtlich. Sieht Bürgermeister Wieler ebenso. Deshalb soll es im Rahmen eines Gesamtkonzeptes noch in diesem Jahr auf die Agenda. Dann wird man möglicherweise auch nochmal über die Situation am Postplatz nachdenken, so zumindest meine Hoffnung. Was für ein Wahnsinn, an diesem neugestalteten Platz einen Parksuchverkehr zu organisieren. Wenn das zur Belebung der Innenstadt führen soll, dann weiß ich auch nicht.

Ich möchte von der Verwaltung wissen, ob es bei Hochwasserwarnungen eine Meldung an die Bewohner in gefährdeten Gebieten gibt. Das sei nicht Aufgabe der Stadt, sagt Bürgermeister Wieler, dafür gebe es zahlreiche Apps und Infos im Netz. Leider war Herr Wieler wohl nicht ganz korrekt informiert. Ein Fachmann hat am Tag nach der Sitzung informiert, dass es eine Meldung an Bewohner und Gewerbetreibende in den Hochwassergebieten ab Warnstufe 1 gibt. Das organisiert die Berufsfeuerwehr. Man muss sich freilich selbst darum kümmern, dass die Rufnummer auf die Liste kommt. Vielleicht ist es eine gute Idee, dass man die Görlitzer auf diese Möglichkeit regelmäßig hinweist.

Anschließend erkundige ich mich nach dem geplanten zweiten Weihnachtsmarkt auf dem Postplatz. Nachdem das Projekt bereits in der Presse präsentiert wurde, möchte ich wissen, ob das Thema noch im Stadtrat behandelt wird. Dr. Wieler sieht dafür keine Notwendigkeit, aber wenn es der Stadtrat wünscht, könne man das machen. Ich bitte herzlich darum. Schon weil es mir merkwürdig erscheint, dass ein Weihnachtsmarkt konzipiert wird, der „den“ Handel unterstützen soll – mit „dem“ Handel aber augenscheinlich niemand über das konkrete Vorhaben gesprochen hat. Insofern sollten wir uns im Stadtrat damit beschäftigen, denn ein zweiter Markt wird Geld kosten und kann Auswirkungen auf unseren eigentlichen Zugelch haben, den Christkindelmarkt.

Kristina Seifert (Bündnisgrüne) erkundigt sich nach besseren Radabstellmöglichkeiten am Bahnhof Südausgang und verweist auf das Bike&Ride-Programm. Dr. Wieler gibt zu erkennen, dass die Stadt das Programm prüfen wird. Gut so.

Motorist Andreas Kolley fragt nach den Parkautomaten am Berzdorfer See. Diese sollten eigentlich in diesem Sommer getestet werden. Das klappt nicht, K9 ist wieder am Zug. Begründet wurde das mit Corona-bedingten Verzögerungen bei der Ausschreibung. Merkwürdig nur, dass bereits im November letzten Jahres im Technischen Ausschuss über Preisangebote für Parkautomaten gesprochen wurde. Deshalb möchte Andreas Kolley wissen, was denn mit dieser Ausschreibung geschehen sei. Bürgermeister Michael Wieler gibt meinem Fraktionskollegen zu verstehen, dass dieser sich irrt. Auch hier Faktencheck. Im Protokoll Technischer Ausschuss vom 27.11.2019 ist festgehalten, dass Dr. Wieler davon spricht, dass die Firma Siemens ihr Preisangebot für die Anschaffung der Parkautomaten bis zum 12.12.2019 verlängert hat. Geirrt hat sich also nicht Andreas Kolley, sondern der Bürgermeister. Kann passieren. Alles menschlich. Aber das Selbstverständnis, mit dem falsche Antworten gegeben werden, so dass die Fragesteller in der Öffentlichkeit als schlecht informiert dastehen, ist eine Form der Zusammenarbeit, die verbessert werden kann. Unsere Fraktion wird ihren Teil dazu beitragen, indem sie energisch-nachdrücklich, aber freundlich, auf falsche Aussagen hinweist.

 

Beschlussfassungen

Vergeben wird ein Auftrag zur Fachplanung an der Stadthalle für die Technische Ausrüstung. Als Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne enthalten wir uns, weil die gesamte Sanierung aus unserer Sicht finanziell noch nicht in trockenen Tüchern ist.

Auf Antrag der CDU wird der OB beauftragt, zum Gedenken an Ulf Großmann einen geeigneten Ort und eine würdige Form zu finden, um an den verstorbenen langjährigen Bürgermeister zu erinnern. Der Stadtrat stimmt geschlossen zu und setzt auch dadurch ein Zeichen, dass die Vorlage nicht zerredet wird.

Ebenfalls auf Vorschlag der CDU wird der OB beauftragt, einen Antrag auf Aufnahme der Stadthalle ins „Blaubuch Kulturelle Leuchttürme“ zu stellen. Bei diesem Blaubuch handelt es sich um derzeit 23 Orte in Ostdeutschland, die als Museum oder Gedenkstätte nationale Bedeutung besitzen. Ein Veranstaltungsort ist nicht darunter, insofern stehen die Chancen nicht sonderlich gut. Dennoch stimmt unsere Fraktion zu. Denn wir wollen alles versuchen, um Partner zu gewinnen, die Görlitz beim Betrieb der Stadthalle finanziell unterstützen. Allein sind wir als Kommune damit überfordert. Auch diese Vorlage wird einstimmig angenommen.

Die Einigkeit endet bei einem Antrag der Linken. Sie wünschen sich eine Bürgerbeteiligung bei der Lösungsfindung von Corona-Auswirkungen. Dafür soll ein aus verschiedenen Altersgruppen zufällig gebildeter Bürgerrat Vorschläge für Einsparungen entwickeln, die dem Stadtrat bei späteren Entscheidungen Orientierung geben können. Unsere Fraktionschefin Jana Krauß begründet, warum wir den Antrag leider ablehnen müssen: Zwar sind wir sehr für Bürgerbeteiligung. Aber das Thema ist für den Einstieg in eine solche Form der Beteiligung ungeeignet. Wir müssen zunächst Erfahrungen sammeln und dafür (thematisch) kleinere Brötchen backen. Die Vorlage wird abgelehnt.

Überraschend spannend geht es bei einer Vorlage zu, die sich mit Photovoltaikanlagen im Wäldchen an der Schlesischen Straße gegenüber vom Marktkauf beschäftigt (das Gelände, auf dem früher der Getränkemarkt stand). Damit die Anlagen errichtet werden können, benötigt Marktkauf einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Der Stadtrat stimmt aber mit großer Mehrheit dagegen. Grund sind Bedenken des Naturschutzamtes, die das wertvolle Grün erhalten will, zumal es auf dem Marktkaufgelände bereits ausreichend versiegelte Flächen gibt, auf denen man die PV-Anlagen bauen könnte. Als Fraktion sind wir für Photovoltaik, aber nicht an dieser Stelle und zulasten der Natur.

Umfangreich in den sozialen Netzwerken diskutiert wurde der Vorschlag von OB Ursu, das neugestaltete Areal vor der Frauenkirche umzubenennen in „Platz der Friedlichen Revolution“. Hätte es nur diese Platzbenennung gegeben, wäre meine Zustimmung ausgeblieben. Es braucht mehr, um an den Herbst 89 zu erinnern. Deshalb ist ein Änderungsantrag der Bürger für Görlitz, auf Initiative von Stefan Bley, der richtige Ansatz. Er schlägt vor, dass auf diesem Platz ein Kunstobjekt installiert wird, das uns die geschichtlichen Ereignisse vor Augen führt. Im besten Fall im Rahmen eines Ideenwettbewerbs, der die Görlitzer einbezieht. Bürgermeister Michael Wieler bringt dazu einen guten Vorschlag: Man könnte die bereits in Planung befindliche Kunst-im-Raum-Aktion „Görlitzer Art“ nutzen und die Bürgerinnen und Bürger entscheiden lassen, welches der Objekte auf dem Platz der Friedlichen Revolution stehen soll. Um die Erinnerungskultur nicht zu statisch werden zu lassen, schlage ich vor, dass man auch passende kulturelle Aktionen mit aufnehmen sollte. Diese Ergänzung wird vom Stadtrat ebenso mit klarer Mehrheit angenommen wie die Umbenennung des Platzes.

Heiß her geht es in der maukigen Sporthalle an der Jägerkaserne als wir über den Wochenmarkt diskutieren. (Ich gehe an dieser Stelle nicht näher auf die Versuche der AfD ein, mit denen sie eine fristlose Kündigung des Marktbetreibers durchsetzen will. Der auberginefarbene Anzug des Redeführers, Stadtrat Koschinka, ist bemerkenswerter als die vorgebachten Argumente.) Zur Sache: Die Verwaltung beantragt, dass der Markt „neu geordnet“ wird im Sinne eines Wochenmarktes nach §67 Gewerbeordnung. Das würde bedeuten, wir haben ausschließlich einen Frischemarkt (Obst, Gemüse, Blumen, etc. aus regionalem Anbau). Eine inhaltliche Neuausrichtung würde eine neue Ausschreibung des Marktbetriebs erfordern, so die Verwaltung. Das sehen wir anders. Es ist zumindest eine Auslegungssache, ob inhaltliche Änderungen nicht auch im Rahmen eines bestehenden Vertrages umsetzbar wären. Ohnehin hätten wir dem Antrag in der Form nicht zugestimmt, da eine Beschränkung auf einen Frischemarkt bedeuten würde, dass wir nur noch an 2-3 Tagen in der Woche Marktbetrieb hätten. Außerdem ist es eine ungewöhnliche Vorgehensweise, wenn man einen funktionierenden Betrieb kündigt, ohne zu wissen, ob das, was danach folgt, eine Verbesserung bringt. Und immerhin hat Francois Fritz mit seiner Mannschaft 18 Jahre lange für Frieden auf dem Markt gesorgt. Die älteren Görlitzer werden sich erinnern, dass das vorher komplett anders aussah. Da ging es am Eli mehr um Paragrafen als um Gurken und Tomaten. Dennoch müssen wir am Ende einer Neuausschreibung zustimmen. Grund: Der 2010 geschlossene Konzessionsvertrag lief zunächst drei Jahre und wurde danach immer um ein Jahr verlängert. Bis heute. Als Kommune ist Görlitz aber verpflichtet, den Markt (im wahrsten Wortsinn) regelmäßig für andere Anbieter zu öffnen. Die Kündigung muss spätestens im Juli erfolgen, deshalb führt in der gestrigen Sitzung kein Weg daran vorbei. Allerdings können wichtige Änderungen gemeinsam mit Bürger für Görlitz und CDU auf den Weg gebracht werden. Die generelle Einschränkung des Sortiments nach §67 GewO fällt weg. Außerdem wird definiert, dass es weiterhin einen ganzjährigen Markt geben soll. Der bisherige Betreiber hat natürlich die Möglichkeit, sich auf eine neue Ausschreibung zu bewerben. Die Vorlage wird mit 21 Ja-Stimmen beschlossen. Es gibt 13 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen.

Fast zum Schluss wählt der Stadtrat mit großer Mehrheit Dr. Daniel Morgenroth zum neuen Generalintendanten des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau ab der Spielzeit 2021/22. Unsere Fraktion sieht in ihm den idealen Kandidaten für eine Region und eine Europastadt im Aufbruch. Der 36-Jährige kommt mit reichlich internationaler Erfahrung und wird hoffentlich das Theater weiter öffnen für gesellschaftliche Debatten, speziell jüngere Zielgruppen ansprechen und an ungewohnten Orten spielen. 23 Stadträte wählen Daniel Morgenroth zum neuen Intendanten. Die 10 Gegenstimmen kommen von der AfD, die an seiner politischen Eignung zweifeln. Was für Morgenroth spricht. Ich freue mich sehr auf diesen jungen Mann, der vom Theater Konstanz kommt und auch im Stadtrat Zittau und vom Kreistag mit jeweils großen Mehrheiten gewählt wurde. Toi, toi, toi.

Stadtratsblog#8: 28.5.2020

Es ist ein angenehmes Gefühl auf dem Weg zur Sporthalle an der Jägerkaserne. Es riecht nach Neuanfang. Die tags zuvor bekannt gegebene Trennung der Bündnisfraktion ist eine Befreiung für beide Seiten. Jetzt können die Bürger für Görlitz und unser Team Motor Görlitz/Bündnisgrüne in ihrem eigenen Tempo arbeiten. Inhaltlich gibt es viele Gemeinsamkeiten, die werden gepflegt. Und so manche Ehepartner wurden ja erst nach einer Scheidung zu besten Freunden. Die Mai-Sitzung läuft aber noch als Bündnisfraktion, weil wir uns offiziell erst zum Monatsende trennen.

Die Sitzung beginnt mit einer Überraschung. Thomas Leder (CDU) beendet nach 30 Jahren im Stadtrat seine kommunalpolitische Arbeit. Die Mai-Sitzung ist seine letzte. Die CDU-Fraktion ist offensichtlich nicht eingeweiht, nur der OB hatte die Information vorab bekommen. Damit bleibt sich Thomas Leder treu, denn er war nie ein Teamplayer, wie CDU-Fraktionschef Dieter Gleisberg launig kommentiert. Überraschung also gelungen. Der Sitzungssaal erhebt sich und applaudiert für 30 Jahre Durchhalten. Ich ziehe meinen Hut – bei allen inhaltlichen Unterschieden, so lange muss man dieses Ehrenamt erstmal ausfüllen. Der Nachfolger wird ein Neuling. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit Matthias Schöneich. Einer der vielen guten und frischen Kandidaten, die die CDU aufgestellt hatte – von denen es aber niemand in den Rat schaffte.

Nach dem Einstieg in die Tagesordnung berichtet der OB über die aktuelle Corona-Lage. Es ist glücklicherweise ruhig, in Görlitz gibt es seit über zwei Wochen keine Infektionsfälle. Unschön ist dagegen die Situation auf den Straßen ob der Grenzstaus. Hier hat Octavian Ursu gute Nachrichten: Nach mehrfachen Bemühungen geht Warschau auf die deutsche Seite zu und schafft Entlastung. Der Grenzübergang Hagenwerder wird von Freitag bis Samstag 22 Uhr zusätzlich geöffnet. Das freut auch meine Mitstreiter von Motor/Grünen, mit denen ich nach dem Himmelfahrts-Verkehrschaos an OB Ursu geschrieben hatte, um eine Wiederholung dieser Zustände zu verhindern.

Freude auch darüber, dass der OB (endlich) über die Corona-bedingten Auswirkungen auf den Haushalt berichten lässt. Die Kämmerin Birgit Peschel-Martin prognostiziert aktuell Ausfälle von 5,2 Millionen Euro bei der Gewerbesteuer, 2 Millionen Verlust bei der Einkommenssteuer aber auch 300.000 Euro mehr an Umsatzsteuer. Macht unterm Strich ein Minus von 7 Millionen Euro. Die Stadt geht davon aus, dass man aus dem Hilfsprogramm des Freistaates Sachsen etwa 4 Millionen Euro bekommt. Zusätzlich wird eine Rücklage von rund 1,5 Millionen Euro aufgelöst. Und der Bund plant ebenfalls ein Programm für Kommunen. Mit etwas Glück könnten somit die Steuerausfälle für 2020 ausgeglichen werden. Das wäre wünschenswert, damit wir Spielraum haben für Zukunftsinvestitionen. Allerdings sind das nur aktuelle Prognosen, sie betreffen lediglich 2020 und es sind nur Aussagen zu Steuerausfällen. Welche weiteren Baustellen uns Corona noch einbringt, zum Beispiel durch Verluste bei den Beteiligungen, den städtischen Unternehmen und Einrichtungen – dazu will sich der OB erst in einer nächsten Sitzung äußern.

Vom Berzdorfer See gibt es zunächst gute Nachrichten: Die Rettungsschwimmer-Kampagne in Polen war erfolgreich. Mit Anzeigen und Radiospots hat Görlitz geworben. Bürgermeister Wieler berichtet, dass es zwölf heiße Kandidaten gibt. Es wird eine Kooperation mit der polnischen Wasserwacht angestrebt, mit der man ein Modellprojekt in dieser Saison durchführen möchte. Unterstützt vom DRK, das den Einsatz operativ plant und führt. Ab 15. Juni soll die Badesaison eröffnet werden. Zunächst mit Corona-Regeln, also auch Mindestabständen. Diese Vielfalt an Regelungsbedarf hat die Stadtverwaltung veranlasst, bei der Bewirtschaftung eine Rolle rückwärts zu machen. Ursprünglich sollte 2020 ein Park-Konzept mit Parkautomaten ausprobiert werden. Nun kündigt Dr. Wieler an, dass man wie in den Vorjahren einen Sicherheitsdienst einsetzt, der an der Einfahrt kassiert und am Strand für Ordnung sorgt. 2021 soll dann erst das neue Konzept erprobt werden. Meine besorgte Frage, ob damit die Widmung der Strandpromande auch 2021 nicht erfolgt, was zur Folge hätte, dass es keine bauliche Entwicklung gibt und auch die Reste Deutsch Ossigs weiter verfallen, kommentiert der Bürgermeister knapp: Das sei Sache des Stadtrates. (Ich hoffe sehr, dass CDU und AfD die Entwicklung nicht ein weiteres Jahr blockieren. Für Baurecht braucht es eine gewidmete, also öffentliche Straße als Zuwegung. Die ursprünglich beschlossene Widmung wurde mit Mehrheit von CDU und AfD im April wieder kassiert.)

In der Fragestunde für Stadträte geht es quer durch den städtischen Gemüsegarten. Wir erfahren:

Für die 950-Jahr-Feier im nächsten Jahr gibt es 94 Projektvorschläge aus der Bürgerschaft. „Wir sind Görlitz“ ist das Motto unter dem sich die Görlitzerinnen und Görlitzer bei der Gestaltung des Stadtjubiläums einbringen können. Dass trotz Corona knapp 100 Vorschläge für den Projektwettbewerb beim Aktionskreis für Görlitz e.V. eingingen, ist ein tolles Ergebnis der engagierten Vereinsarbeit.

Auf dem neuen Oberschul-Campus soll zusätzlich „Produktives Lernen“ integriert werden. Ich applaudiere innerlich – genau richtig, um junge Leute in der Berufsorientierung zu stärken und frühzeitig praktische Erfahrungen zu ermöglichen. Dafür müsste allerdings die Planung leicht verändert werden, wofür es wiederum die Zustimmung des Kultusministeriums braucht. Die Fertigstellung dürfte sich entsprechend verzögern. Aber es gibt ja einen guten Grund.

Nicht sehr ergiebig sind die Antworten auf Fragen aus unserer Gruppe Motor/Bündnisgrüne. Jana Krauß erkundigt sich zum Wochenmarkt. Aus der Presse war zu entnehmen, dass die Pacht aufgrund der Corona-Krise nicht mehr zu leisten wäre. Ob Verwaltung und Pächter dazu im Austausch seien, wurde nicht konkret beantwortet. Der OB versicherte lediglich, „dass der Markt nicht in Gefahr“ sei.

Danilo Kuscher erkundigte sich nach konkreten Projekten, die mit Hilfe von Strukturfördermitteln umgesetzt werden könnten. Der OB verweist auf die ausstehenden Bundesgesetze, die noch vor der Sommerpause beschlossen werden. Erst dann sei der Rahmen klar, was überhaupt gefördert werde, meint Herr Ursu. (Hoffentlich hat er nur gepokert und es liegt längst etwas in der Schublade, sonst wird die Zeit knapp.)

Eine zweite Frage vom Motoristen Kuscher drehte sich um die beabsichtigte Ansiedlung eines Wettbüros im ehemaligen Lolos in der Theaterpassage. Die SZ hatte berichtet, dass die Stadt Görlitz eine Genehmigung erteilen wollte, das zuständige Land aber abgelehnt hat, weil es keinen Mindestabstand von 250 Meter zur nächsten Schule gibt. Warum die Stadt denn überhaupt eine Genehmigung für ein Wettbüro in dieser innenstädtischen Lage gegeben habe, war nun die spannende Frage. Bürgermeister Wieler gibt sich unwissend, will auch den Bericht nicht gelesen haben. (Ist eine tägliche Presseschau nicht wichtig für einen Bürgermeister?)

Nach Anfragen von Bewohnern der Nikolaivorstadt möchte ich wissen, ob man Anwohnerparken in diesem Viertel einrichten könne. Nein, sagt die Verwaltung. Es gebe ohnehin zu wenig Parkplätze und die dürfe man nicht ausschließlich Anwohnern zur Verfügung stellen. Ob das vermehrte Parken in der Nikolaivorstadt möglicherweise damit zu tun habe, dass die Autofahrer die Gebühren für den neuen Parkplatz an der Sporthalle Jägerkaserne sparen wollen, bejaht Herr Wieler. (Wieviel Sinn macht ein gebührenpflichtiger Parkplatz, wenn man ringsum gratis stehen kann?) Eine ausführliche schriftliche Antwort kommt noch. Ich habe Witterung aufgenommen und bleibe dran.

In der Beschlussfassung geht es dann zunächst um die Hauptsatzung. Das ist quasi die kommunale Verfassung. Es gibt viele Änderungsanträge von LINKE und AfD. Der Großteil wird abgelehnt. Bedenkliche Ausnahme: Es gibt ab sofort keine Integrationsbeauftragte mehr. Brauchen wir nicht, sagt die AfD. Bis auf zwei Enthaltungen stimmt die komplette CDU-Fraktion dieser Geisteshaltung zu. Ist schon „neue Normalität“ im Görlitzer Stadtrat. Am Ende geht die Hauptsatzung mit großer Mehrheit durch.

Danach beschließt der Stadtrat, dass in die Ausstattung der Feuerwehr kräftig investiert wird. Von Atemschutztechnik über Fahrzeuge und ein Rettungsboot bis zu einer neuen Küche für die Feuerwache. Die nötigen 900.000 Euro waren ursprünglich für den Neubau der Feuerwehr Innenstadt geplant. Der verzögert sich. Deshalb wurde umgeschichtet. Für 2022 wird dann das Geld für das Feuerwehrhaus wieder im Haushalt geplant. Bedeutet: Ein Batzen Kohle für Investitionen ist verplant.

Bereits zum Neujahrsempfang hatte OB Ursu das Projekt „Filmakademie“ als eines von sieben Zukunftsprojekten vorgestellt. Nun sollen wir in einem Grundsatzbeschluss grünes Licht für die Idee geben. Es geht darum, dass sich in Görlitz eine Akademie ansiedelt, die eine filmspezifische Weiterbildung für handwerkliche, aber auch kaufmännische Berufe anbietet. Das erhöht die Chancen, Dienstleister für Bühnenbau, Ausstattung, Requisite, Kostüm, Filmcatering und Lichttechnik anzusiedeln. Der OB geht auf drei Vorschläge unserer Fünfer-Gruppe ein: Der ursprüngliche Arbeitstitel „Sächsische Fimakademie“ verliert das eingrenzende „sächsisch“. Das zugrundeliegende Konzept wird noch weiterentwickelt. Und das Projekt soll in die Entwicklungsstrategie „Lausitz 2050“ mit einfließen, um die Chancen auf Strukturfördergelder (siehe oben) zu verbessern. Die Konsensfindung mit dem OB war an dieser Stelle sehr angenehm.

Hoch her geht es zum Abschluss bei der Frage, ob der neugestaltete Teil „An der Frauenkirche“ zukünftig „Platz der friedlichen Revolution“ heißen soll. Nach einer intensiven Debatte zieht der OB die Vorlage zurück, um eine Kampfabstimmung zu vermeiden. Das wäre tatsächlich ein schlechtes Signal. Persönlich empfinde ich politisch motivierte Benennungen seit Fahnenapppellzeiten als schwierig. Ich wünsche mir auch zeitgemäße Erinnerungskultur, die über ein Straßenschild hinausgeht. Insofern habe ich große Sympathie für den Vorschlag von Stefan Bley, einem sehr liebgewonnenen Kollegen aus der Bündnisfraktion. Er wünscht sich ein Kunstwerk an dieser Stelle, dass die Wendezeit in den öffentlichen Raum holt. Und schlägt vor, dass die Bürger gefragt werden, ob sie denn überhaupt einen neuen Namen an dieser Stelle wünschen. Wir haben nun mindestens einen Monat Zeit, um über diese Ideen nachzudenken.

Euch allen eine schöne Pfingstzeit.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog#7: 30.4.2020

Zweite Stadtratssitzung im Corona-Modus. Wieder in der Sporthalle an der Jägerkaserne. Diesmal aber in voller Besetzung. Plus max. 25 Bürger. Plus Verwaltung. Wir gehen Richtung Normalität. Mit Masken und Stadtpolizisten am Eingang.

Informationen des Oberbürgermeisters. Er berichtet über die enge Zusammenarbeit mit seinem Zgorzelecer Amtskollegen Rafal Gronicz, über gemeinsame Auftritte im polnischen TV. Gut gemacht, Herr Ursu. Diese Aktionen haben mitgeholfen, dass viele polnische Pendler endlich wieder Familie und Arbeit haben dürfen. Es folgen weitere Infos zu Corona. Museen, Bibliotheken und Tierpark öffnen ab Montag. Die Verwaltung will ab Mittwoch wieder Bürger reinlassen. Der Markt soll bald auf den angestammten Platz zurückkehren. Hoffnung für die Segler am Berzdorfer See und die Vereine am Flugplatz: Mit entsprechenden Hygienekonzepten könnten sie bald wieder loslegen. Baden am Berzdorfer See dürfen wir aber noch nicht. Die Stadtverwaltung müsste die Abstandsregeln am Strand überwachen. Wer soll das leisten?

Möglicherweise dauert es ohnehin noch länger, bis im Norden des Sees wieder geplanscht wird. Aufgrund einiger Urteile ist die Rechtslage kompliziert. Es sieht so aus, als braucht man generell an öffentlichen Badestellen Rettungsschwimmer. Sonst kann jeder Badeunfall juristische Folgen für das Rathaus haben. Der OB bedauert, dass es immer weniger Eigenverantwortung gibt. Damit hat er prinzipiell Recht. Dass es an den Görlitzer Strandabschnitten keine Rettungsschwimmer gibt, hat damit nichts zu tun. Wer Familien mit kleinen Kindern an ein nicht ungefährliches Gewässer einlädt, einen Spielplatz in unmittelbare Nähe zum Wasser baut, für den sollte der Schutz der Badegäste dazugehören. Die Stadtverwaltung möchte nun kurz vor der Saison hauptamtliche Rettungskräfte anwerben und einstellen. Wo das Geld dafür herkommt, wird nicht gesagt. Auch nicht, als mein Fraktionskollege Danilo Kuscher sich erkundigt, wer die 250.000 Euro Corona-Verlust des Tierparks ausgleicht. Der OB erklärt lediglich, dass alle Gehälter und laufenden Kosten nicht gefährdet seien und es keine Engpässe gebe. Offen ist auch, woher die rund 1,2 Millionen Euro für die Landheimschule kommen sollen, nach der sich ein Bürger erkundigt. Sie soll als Ausweichschule ertüchtigt werden, wenn es zu nötigen Modernisierungen an Bildungseinrichtungen kommt. Dafür gibt es aber keine Förderung.

Die Corona-Krise scheint am Görlitzer Rathaus komplett vorbeizugehen. Der Oberbürgermeister verliert von selbst kein Wort über die aktuell erkennbaren und potenziellen Auswirkungen. Während in Zittau und vielen anderen Städten bereits Haushaltssperren ausgerufen wurden und in den meisten Kommunen die Bürgermeister selbstverständlich ihre Räte über voraussichtliche Steuerausfälle informieren, schweigt der Görlitzer OB. Erst auf Frage von Mirko Schultze (Die Linke) muss er ran. Zu Einnahmeverlusten sagt er sinngemäß: Es handelt sich um einen laufenden Prozess. Er ist der Überzeugung, dass der Wunsch in der Bevölkerung besteht, dass weiter investiert wird und er geht von einem Schutzschirm für die Kommunen aus. Die Zahlen werden ständig bewertet, aber er hat sie gerade nicht zur Hand. Wie viele Betriebe die Gewerbesteuerzahlung bereits ausgesetzt haben, will er den Stadträten zunächst nicht verraten. Angeblich Steuergeheimnis. Nach kurzer Rücksprache mit Bürgermeister Wieler rückt er dann die Zahl raus: 17 Betriebe haben bislang die Steueraussetzung beantragt. Klingt nach wenig. Wenn es aber die großen Unternehmen sind, die im Wesentlichen für unsere Gewerbesteuereinnahmen sorgen, dann ist es sehr viel.

Ich frage etwas später nach, ob denn die Kämmerin Birgit Peschel-Martin dem OB eventuell helfen könne mit den Zahlen zu den finanziellen Folgen der Krise. Auch von ihr keine Zahlen. Aber deutliche Worte: Wir können derzeit alle Kosten begleichen, die im normalen Betrieb anfallen. Aber es wird zu erheblichen Einnahmeausfällen kommen, durch ein Minus bei Gewerbesteuer, Einkommensteuer und Umsatzsteuer. Mit entsprechenden Auswirkungen auf den Ergebnishaushalt. (Das ist der Teil des Haushalts, mit dem wir in der Stadt gestalten können.) Sie sagt außerdem, dass fast täglich weitere Betriebe Antrag auf Gewerbesteueraussetzung stellen. Wir gehen also gewarnt in die Beschlussfassungen. Hier greife ich mir die drei knackigsten Themen raus – der Text ist ja schon wieder viel zu lang.

Grünflächensatzung: Viele Wochen lang diskutiert. In unendlich mühsamer Arbeit von OB und Ämtern mit den Bürgern in Diskussionsrunden besprochen. Danach kam das Papier zweimal in den Technischen Ausschuss. Dennoch wird in der Stadtratssitzung nochmal ein Fass aufgemacht. AfD und Helmut Goltz (CDU) überbieten sich bei ihren Verbotsforderungen für den Wilhelmsplatz. Herr Goltz spricht sich für ein komplettes Verbot jeglichen Ballspielens aus. Dass man damit insbesondere junge Familien trifft, die die CDU so sehr im Blick hat – egal. Die AfD will „Ballsportarten mit Mannschaftscharakter“ verbieten. Was das denn alles umfasse und wer das denn bewerten soll? Keine Idee. OB Ursu schlägt als Kompromiss vor, dass es verboten wird, Fußball als Mannschaftssport zu spielen. Klingt auch komisch, ist aber klarer formuliert. Ein Hin und Her in der Debatte. Und niemand hört auf den Fachmann. Herr Freudrich vom Grünflächenamt erklärt mehrfach: Der Wilhelmsplatz ist bereits seit langem eine Liegewiese, auf der Hunde verboten sind. Ballspiel indes habe bislang zu keinen Schäden an den Rabatten geführt. Egal: Irgendein Verbot wird beschlossen, es ist eine AfD-Formulierung, die ich mir nicht merken konnte. Die CDU stimmt mit und gegen ihren Oberbürgermeister. Wird zur gelebten Praxis. Ursu lächelt tapfer. Faktenfern geht es weiter: Auf Antrag von CDU-Stadtrat Thomas Leder wird das Areal am Meridian in die Liste der besonders „gärtnerisch hochwertigen Grünanlagen“ aufgenommen, die besonderen Schutz genießen. Dass es dort keinerlei hochwertige Gewächse gibt, wie Fachmann Christian Freudrich freundlich erklärt, ist Herrn Leder egal. Ihm geht es um die Aufwertung des Areals an der Stadthalle, wo sich der Meridian befindet. Die Stadträte von CDU und AfD haben Spaß an solch abstrusen Begründungen und beschließen den Unfug. Mal schauen, ob das Bestand hat. Die Deklarierung einer Wiese mit Bäumen und Büschen am Meridian als hochwertige Anlage, die entsprechende Einschränkungen für die Nutzung durch die Bürger mit sich bringt, hat keine objektive Grundlage. Thomas Leder ist in meinen Augen zudem als Vorsitzender des Stadthallenfördervereins befangen, wenn er über die Grünflächensatzung das Stadthallenareal aufwerten möchte.

Weiter geht‘s mit einer Vorlage zur Stadthalle. Eine Beauftragung der städtischen Kulturservicegesellschaft (GKSG) zur Begleitung der Stadthallensanierung. Daraus ergeben sich für mich und vier weitere Fraktionskolleg*innen wichtige Fragen, die wir beantwortet haben wollen. Völlig unabhängig von der grundsätzlichen Betrachtung, ob man in der jetzigen Situation, ohne Kenntnis der künftigen finanziellen Möglichkeiten, dieses Großprojekt weiter vorantreiben sollte. Leider beginnt die Debatte ekelhaft. AfD-Stadtrat Koschinka, im Hauptberuf Richter am Landgericht, nimmt unsere zwei Tage zuvor veröffentlichte „Erklärung zur Stadthalle“ zum Anlass, um eine Hasstirade gegen uns fünf Stadträte, gegen Andersdenkende, gegen Flüchtlinge in die Sporthalle zu spucken. Fassungslosigkeit. Auch wegen OB Ursu. Warum unterbindet er diesen Auftritt nicht sofort über Ordnungsrufe und Entziehen des Worts? Warum rügt er allgemein, im Stadtrat nicht über Bundespolitik zu reden – statt Klartext zu sprechen? Im Görlitzer Stadtrat ist kein Platz für Feindseligkeiten und verbale Gewalt gegen wen auch immer. Leider behandelt Herr Ursu die AfD zu zaghaft. Die regelmäßige Titulierung von Stadträten der Linken als SED-Mitglieder etwa ist nicht akzeptabel. Ein Oberbürgermeister muss als Hausherr nicht immer lächeln.

Die so eingeleitete unschöne Debatte zieht sich hin, ehe es dann endlich um den eigentlichen Vorgang geht: Der Stadtrat beauftragt die Görlitzer Kulturservicegesellschaft mbH mit der Beratung und Begleitung der Sanierung der Görlitzer Stadthalle aus Sicht eines potentiellen Betreibers. Die GKSG sollte bereits im Januar zur Betreiberin gemacht werden. Weil aber in der Sitzung auffiel, dass man weder Inhalt noch Kosten kennt, wurde verschoben. Überraschend, dass uns nun kein Beschluss zur Betreibung vorgelegt wird. Stattdessen eine Vereinbarung zu einem Dienstleistungsvertrag. Kosten im Jahr 2020 gut 200.000 Euro, ab 2021 bis 2025 jährlich ca. 250.000 Euro. Das Geld dafür hat die Stadt bereits jetzt (!) nicht im Haushalt verfügbar. Deshalb soll Gewinn aus der Kommwohnen GmbH entnommen werden. Details darf ich nicht schreiben, da diese gesamte Debatte im nichtöffentlichen Teil geführt wurde. Kein Geheimnis ist es aber, dass man bei Gewinnentnahmen Kapitalertragssteuer zahlt. Von den 246.000 Euro, die wir Kommwohnen 2020 entziehen, sind rund 40.000 Euro weg. Für mich nicht nachvollziehbar, wie man mit dem Geld einer städtischen Gesellschaft umgeht. Warum keine eigenständige Beschlussvorlage? Warum keine intensive Suche nach den steuerlich günstigsten Lösungen? Wozu diese Eile?

Im öffentlichen Teil erkundige ich mich nach der Rechtssicherheit der Beauftragung. Es handelt sich um eine freihändige Vergabe, ohne dass andere Unternehmen sich auf diese Leistung bewerben können. Der Schutz des Wettbewerbs ist ein hohes Gut. Deshalb muss man zwei Kriterien erfüllen, um frei vergeben zu können. DasKontrollkriterium ist erfüllt – GKSG ist 100% städtische Tochter. Zweiter Punkt ist das Wesentlichkeitskriterium. Bedeutet: Die GKSG muss im Wesentlichen für die Stadt tätig sein. Andere Einnahmequellen dürfen nur eine untergeordnete Bedeutung haben und sollten nicht über 10 Prozent liegen. Nun ist die GKSG glücklicherweise eine agile Gesellschaft mit weiteren Projekten wie etwa dem Lausitzfestival. Deshalb erkundige ich mich, warum es dazu keine Stellungnahme des Justiziariates in den Unterlagen gibt. Bürgermeister Wieler erklärt (ohne den Mitarbeiter des Justiziariates um Aufklärung zu bitten), dass alles seine Richtigkeit habe, auch das Wesentlichkeitskriterium werde durch GKSG erfüllt. Ich bitte ihn, dem Stadtrat in geeigneter Weise einen Nachweis zuzuarbeiten. Rechtssichere Vergaben sind gut für den ruhigen Schlaf.

Eine weitere Frage, die viele seit Monaten beschäftigt: Warum gab es aus allen städtischen Gesellschaften eine Stellungnahme zur Stadthallen-Betreibung, nur nicht vom Gerhart-Hauptmann-Theater? Dr. Wieler begründete im Januar: Das geht nicht. Beim GHT sind wir nur 30%-Gesellschafter. Deshalb dürfen wir die GmbH gar nicht beauftragen, uns etwas zuzuarbeiten. Ich möchte wissen, ob zumindest mit dem Landkreis und der Stadt Zittau über Möglichkeiten gesprochen wurde. Sie würden sich wahrscheinlich nicht am Stadthallenbetrieb finanziell beteiligen. Aber man kann einen Geschäftsbereich in einer GmbH abgrenzen. Was an Stadthallenkosten entsteht, zahlt die Stadt dann in Form eines erhöhten Zuschussanteils ans GHT. Das Theater ist die einzige Gesellschaft in unserer Stadt, die lange Erfahrung hat mit regelmäßigem Spielbetrieb, im Ticketing, sie verfügt über das technische und das Servicepersonal. Diese Synergieeffekte müssen doch genutzt werden. Bürgermeister Wieler erläutert, dass es Gespräche gab, aus denen keine solche Möglichkeit abgeleitet werden konnte. Zittau sehe das Projekt Stadthalle ohnehin kritisch. Außerdem befürchtet die Stadtverwaltung fehlende Einflussmöglichkeiten, weil man nur Minderheitsgesellschafter ist. (Leider konnte ich nicht nachfragen, warum man eine solche Frage nicht vertraglich regeln kann und ob man nicht ohnehin Partner für eine solch wertvolle Spielstätte braucht?) Der Bürgermeister bietet an, dass man in geeigneter Form die Protokolle einsehen könne. Das werde ich gern annehmen.

Bereits während meiner Fragen – Doppelarmeinsatz von AfD-Stadtrat Jeschke. Geschäftsordnungsantrag auf Ende der Debatte und Abstimmung. Neben CDU und AfD stimmen auch Teile meiner eigenen Fraktion dafür. (Da mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube: Das war enttäuschend. Es gab noch sehr viele inhaltliche Fragen, die durch diesen Maulkorb-Beschluss nicht gestellt werden konnten. In diesen Fragen ging es um Konstruktionen im Vertrag, die der Stadt möglicherweise unnötig viel Geld kosten. Es war schon spät und offenbar nicht gewollt, dass es eine eingehende Beschäftigung mit der Vorlage gibt. Vielleicht werden die Fragen noch an anderer Stelle gestellt.)

Der Beschluss wird mit großer Mehrheit gefasst. Es gibt acht Gegenstimmen und eine Enthaltung. Das ist die große Mehrheit im Stadtrat. Ob es eine solche Mehrheit auch bei den Bürgern dieser Stadt gibt, werden wir vielleicht bald wissen. Dem Team des Kulturservice wünsche ich bei aller generellen Skepsis viel Erfolg bei der neuen Aufgabe.

Etwas im Schatten der Stadthallendebatte fassen wir noch einen weiteren traurigen Beschluss: AfD und CDU stimmen gegen die Widmung der Strandpromenade am Berzdorfer See. Weil sie sich nicht sicher sind, ob das wirklich funktioniert mit den Parkautomaten und ohne K9. Um auf Nummer sicher zu gehen, soll die Straße also nicht gewidmet werden und es stattdessen einen Probebetrieb ohne die sympathischen Kassierer an der See-Einfahrt geben. Das könnte man alles ganz lässig hinnehmen. Wäre es nicht ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die in Deutsch Ossig nach sechs Jahren Warten auf Baurecht endlich mit ihren Projekten loslegen wollen. Das können sie nun für ein weiteres Jahr vergessen. Leider mit bösen Folgen: Die bislang günstige Förderkulisse (40% IHLE) endet 2020. Was danach kommt? Ist den Räten von AfD und CDU in diesem Fall egal. Wirtschaftsförderung, Investitionen und Arbeitsplätze sind in dieser Stadtratssitzung nur bei der Stadthalle ein Thema.

 

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog#6: 26.3.2020

Ganz ehrlich: Ich hatte zunächst kein Verständnis dafür, dass es überall Kontaktsperren gibt und wir uns zum Stadtrat versammeln sollen. Aber man lernt derzeit eine Menge. Unter anderem, dass es keinerlei Regelwerk geschweige denn Ausstattung gibt, um in solchen Fällen via Videokonferenz zu tagen. Und dass es eine blaugefärbte Fraktion gibt, die unbedingt tagen wollte und sich deshalb gegen ein schriftliches Umlaufverfahren ausgesprochen hatte. (Das ist recht simpel: Man gibt die notwendigen Beschlüsse in Umlauf und bis zu einem festgelegten Zeitpunkt wird schriftlich abgestimmt – per E-Mail zum Beispiel. Einer solchen Regelung müssen aber alle Räte zustimmen.). Zumindest gibt es eine Reduzierung von 38 auf 22 Räte. Somit sitzen nur 7 Leute aus unserer Bündnisfraktion in der Sporthalle an der Jägerkaserne, in die die Sitzung verlegt wurde. Ich habe mich im Vorfeld mit Motor-Kollege Andreas Kolley zu allen Punkten abgestimmt, so dass wir ein Tandem im Geiste bildeten.

Zunächst gibt es Informationen des OB. Er verliest eine Erklärung der Stadträte zu Corona. Zwei Kernbotschaften: DANKE! Und: BLEIBT ZUHAUSE! Die medizinische Situation in der Stadt ist relativ stabil. Stand Donnerstag gibt es sieben Corona-Fälle, davon sind zwei wieder geheilt. Schwierig sind die Folgen der Pandemie: Durch die Grenzschließung Polens für Pendler steht das Gesundheitssystem vor Herausforderungen. Der OB ist im engen Kontakt mit den beiden Krankenhäusern in Görlitz. Über die EGZ gibt es Unterstützung beim Suchen von Wohnraum für betroffene Mitarbeiter, die vor Ort bleiben wollen. Es ist wohl aber weniger ein Unterkunftsproblem. Es geht um die Familien. Wer will sich schon freiwillig auf unabsehbare Zeit trennen. Ein Problem, das keine Stadtverwaltung lösen kann.

Es folgen die Beschlussfassungen:

Ein ÖPNV-Notfahrplan der GVB wird bestätigt. Gültig ab 30. März. Es wird jetzt gefahren wie am Wochenende. Mit halbstündiger Taktung in Richtung Carolus und Klinikum. Die neuen Fahrpläne sind bald auf der Seite der GVB zu finden. Hut ab vor den Jungs und Mädels, was die derzeit alles leisten. Habt also Geduld, falls nicht alle Infos immer sofort in Schönschrift auf der Webseite sind. https://www.goerlitztakt.de/de/

Es wird anschließend eine Summe von 100.000 Euro für das Städtische Klinikum beschlossen. Vorsorglich soll sich das Krankenhaus mit weiteren Beatmungsgeräten ausstatten. Nachdem dies bereits in der Öffentlichkeit bekannt war, „zaubert“ die AfD einen eigenen Antrag aus dem Hut. 200.000 Euro soll es fürs Klinikum geben. Durchsichtig und unnötig: Die 100.000 Euro sind gut durchdacht und mit der Leitung des Klinikums abgestimmt. Das heißt nicht, dass es im Notfall nicht mehr Geld gibt. Das kann der OB ohne den Stadtrat verfügen. Insofern wird dem Antrag der AfD nicht gefolgt. Es braucht derzeit Vertrauen und keine Alleingänge der Schlagzeile wegen.

Passend dazu der nächste Antrag. „Überlebenshilfe für Selbständige in Görlitz“. Eingebracht von der AfD. Inhalt: Alle Unternehmer und Selbständige mit mindestens einem Mitarbeiter und Sitz in Görlitz sollen 1.000 Euro Soforthilfe bekommen. Klingt gut? Klar. Jeder Euro hilft. Aber denken wir mal in Ruhe nach: Wie viele Unternehmen betrifft das? Keine Antwort von der AfD. Damit ist auch die Gesamthöhe unklar. Sie würde aber bei deutlich über einer Million liegen. Was bewirken 1.000 Euro? Schwer zu sagen – aber vermutlich retten sie im Ernstfall kein einziges Unternehmen. Wer soll das Geld auszahlen und auf welcher Grundlage? Mal ganz ernsthaft: Was die AfD hier eingebracht hat, ist an Schlampigkeit nicht zu überbieten. Keinerlei Tiefe, keinerlei Zielgenauigkeit, keine durchdachten Regularien (nicht mal eine Begrenzung der Firmengröße nach oben gibt es). Ein Trauerspiel auch die Wortbeiträge. Da behauptet Fraktionschef Jankus, dass die Stadt davon profitiert, wenn Arbeitsplätze erhalten werden, weil sie dann die Einkommensteuer erhält. Richtig ist: Jeder Arbeitsplatz, der erhalten werden kann, ist wichtig. Aber die Einkommensteuer ist wie die Lohnsteuer eben keine kommunale Steuer. Sie fließt nur anteilig (zu etwa 15%) in die Stadtkasse. Oder der wie immer sehr rauflustige Stadtrat Koschinka: Er verhebt sich zu einer bemerkenswerten Aussage. Demnach sei der AfD-Vorschlag auf die Unterstützung der ganz kleinen Betriebe und Selbständigen ausgerichtet. Denn der Mittelstand brauche eine solche Hilfe nicht, der hole sich die Verluste nach Corona wieder rein, weil er doppelt so viel verkauft, sagt Koschinka sinngemäß. Aha. Seine reißerischen Auftritte mögen in einer normalen Situation unterhaltsam sein – in Krisenzeiten lassen sie sehr tief blicken. Herr Koschinka ist im Hauptberuf Richter am Landgericht Görlitz und das findet er aktuell beruhigend, wie er uns gestern ungefragt mitteilt. „Ich werde vermutlich wegen der Krise nicht am Hungertuch nagen.“ Der Antrag wird von allen außer der AfD abgelehnt. Klare Kante gegen Populisten.

Der OB verweist in dem Zusammenhang darauf, was für unabschätzbare Kosten in der nächsten Zeit auf den Stadthaushalt zukommen. Das sind zum einen die Corona-bedingten Ausfälle. Niemand weiß aktuell, welche Verluste die städtischen Unternehmen erleiden, die ausgeglichen werden müssen. Wie viel zusätzliches Geld es braucht, um Einrichtungen wie Schwimmhalle, Tierpark, Musikschule u.a. zu stützen. Unklar ist zudem, in welcher Höhe wir Steuerausfälle haben werden. Klar ist auf der anderen Seite schon jetzt ein ungeheurer Investitionsbedarf in den nächsten zehn Jahren. Bürgermeister Wieler spricht von 60 Millionen für die Schulen und rund 25-30 Millionen für den Nahverkehr. Da haben wir enorme Herausforderungen vor der Brust.

Umso überraschter bin ich, dass weiterhin ohne jegliches Innehalten an den Planungen für die Stadthalle festgehalten wird. Wir beraten zwar nur eine kleinere Vergabe, eine sogenannte Vorplanung. Aber auch die kostet eine sechsstellige Summe. Wird der Freistaat wirklich in der Lage sein, nach Corona die Förderzusage zu halten und 18 Millionen für die Sanierung zu zahlen (die vom Bund zu gleicher Höhe aufgestockt werden sollen)? Ich habe meine Zweifel, genau wie mein Motor-Freund Andreas Kolley. Auch wenn es am Tag der Stadtratssitzung ein Telefonat des Rathauses mit Dresden gab, an dem u.a. MP Kretschmer teilnahm und in dem die Mittel weiterhin als gesichert bezeichnet wurden. Die Situation ändert sich täglich. Niemand weiß, wie lange die Krise dauert und niemand kann jetzt sagen, welche finanziellen Mittel nötig sind, um die Schäden zu beseitigen. Aufgrund dieser Unwägbarkeiten habe ich mich der Stimme enthalten. Es geht nicht darum, eine Stadthalle zu verhindern. Aber gerade jetzt braucht es einen kühlen Kopf und möglichst belastbare Aussagen zur Finanzierung der Sanierung sowie der späteren Betreibung. Angesichts von Corona und deren Folgen sowie der für die Zukunft prognostizierten angespannten Finanzlage halten Andreas Kolley und ich es für ausgeschlossen, dass die Stadt diese Einrichtung allein schultern kann.

Sehr viel wurde in den letzten Wochen zur Sanierung der Schulen in Königshufen geschrieben. Das Thema ist nun in trockenen Tüchern. Wir haben die entsprechenden Beschlüsse gefasst. Die temporäre Auslagerung ins Gebäude der DPFA-Schule in Weinhübel kann starten. Der Transport durch ein Verkehrsunternehmen ist ebenfalls beauftragt. Alles weitere hängt vom Verlauf der Krise ab. Positiv: Die Stadt konnte eine zusätzliche Etage in Weinhübel mieten. Damit gibt es mehr Platz, Hort und Schule müssen sich keine Räume teilen. Der Mietpreis ist vergleichsweise günstig. Hoffen wir, dass jetzt alles zügig und geschmeidig funktioniert und die Kommunikation zwischen Eltern, Schule und Rathaus gut klappt.

Die weiteren Vorlagen sind nichtöffentlich. Deshalb darf ich an dieser Stelle nichts darüber schreiben.

Das Foto stammt von der Stadtverwaltung Görlitz.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)