Subjektiver Bericht aus dem Stadtrat vom 29.8.2024
Das wird vielleicht der kürzeste subjektive Stadtratsbericht aller Zeiten. Deshalb gibt es diesmal keine Vertonung.
Auf der Tagesordnung der zweiten Sitzung stehen vor allem Wahlen für Gremien. Vorher übermittelt Oberbürgermeister Ursu ein Bündel guter Nachrichten.
Das Grundstück im Gewerbegebiet Klingewalde ist an das Construction Future Lab verkauft. Ab 2026 steht dort eine Labor- und Testinfrastruktur fürs digitale Bauen.
Das Deutsche Zentrum für Astrophysik kann auf dem gewünschten Kahlbaum-Areal bauen. Der Freistaat hat dafür die Flächen erworben.
Görlitz ist ebenso wie Zittau offiziell Hochschulstadt. Die Ortsschilder können bei Brewes in Auftrag gegeben werden.
Rekordzahlen im Tourismus. Plus 5% bei Übernachtungen in Görlitz im ersten Halbjahr im Vergleich zum Rekordjahr 2023. Rund 70.000 Besucher waren da.
Die Filmakademie ist jetzt eine GmbH und mit Grit Wißkirchen eine Geschäftsführerin. Sie ist Filmproduzentin und Netzwerkerin. Perfekt.
Die Krankenhausakademie in Görlitz kann erweitert werden. Der Förderbescheid über 5 Millionen Euro wurde übergeben.
Und: Die beiden Lausitzer „Metropolen“ Cottbus und Görlitz arbeiten enger zusammen. Beim Lausitz Festival ist das bereits seit einigen Jahren zu sehen, nun wird es auch bei der Wirtschaftsförderung eine Kooperation geben.
Danach folgen Fragen der Stadträte, die Einwohnerfragestunde fällt mangels Beteiligung ins Wasser.
Ich erkundige mich für unsere Fraktion nach dem Stand des Sportstättenentwicklungskonzeptes. Rückblick: Im Mai 2023 wurde dieser Beschluss im Stadtrat fraktionsübergreifend gefasst. Die Verwaltung hat den Auftrag, bis Ende 2024 dieses Konzept vorzulegen. Es untersucht den künftigen Bedarf an Sportstätten und Sportanlagen und ist Voraussetzung für Investitionen. Etwa, wenn es um eine Erweiterung des Neiße-Bades geht. Leider kommt wenig Erfreuliches vom zuständigen Bürgermeister Benedikt Hummel. Es ist noch nicht einmal ein Auftrag vergeben. Begründet wird das von Hummel mit einem Personalwechsel. Ich kann es nicht mehr hören – wenn eine große Einheit wie eine Stadtverwaltung bei wichtigen Prozessen durch eine fehlende Person gelähmt ist, stimmt etwas im System nicht. Der Auftrag soll nun wohl in den nächsten Wochen erteilt werden. Danach dauert es nochmal 12 Monate für die eigentliche Erarbeitung. Wir werden also mit etwa einem Jahr Verzögerung das Konzept haben. So lange wird sich bei den Sportstätten in Görlitz nichts bewegen – weil uns die Planungsgrundlage fehlt. Sport frei? Aktuell nicht an der Neiße.
Tierisch schlecht geht es weiter. Mein Kollege Andreas Kolley (Motor) möchte wissen, wie der Stand beim Tierheim ist. Zuletzt hieß es immer, dass man bis Jahresende ein neues Grundstück brauche. Weil das Tierheim aktuell als Insel mitten im Stadtgut liegt und nicht mal eine eigene Zufahrt hat. Davon ist in der Sitzung aber keine Rede mehr. Bürgermeister Hummel antwortet wie folgt: „Das Tierheim arbeitet am aktuellen Standort in gewohnter Weise. Parallel dazu gibt es verschiedene Überlegungen. Aber der aktuelle Stand ist, dass das Tierheim dort an der Stelle in Funktion ist.“ Hä? Nachfrage Kolley: „Es kann also uneingeschränkt dort weitergehen?“ OB Ursu: „Ob es uneingeschränkt ist, ist auch eine Entscheidung des Vereins, wie lange sie weitermachen wollen.“
Wenn man Antworten mit Nullsubstanz bekommt, können wir uns die Fragestunde auch schenken. Das gehört sich nicht, die Ehrenamtler im Rat mit derart abzuspeisen. Wir werden das im nächsten Ältestenrat zur Sprache bringen.
Nachdem wir den Jahresabschluss des Eigenbetriebs Friedhof beschlossen und die langjährige Friedhofschefin Evelin Mühle mit Blumen und Applaus verabschiedet haben, beginnt der Wahlmarathon.
Wahl Aufsichtsräte
Zuerst besetzen wir die Aufsichtsräte von Betrieben, die der Stadt gehören oder an denen sie beteiligt ist. Das funktioniert über Listenwahl. Alle Fraktionen können eine eigene Vorschlagsliste erstellen. Jeder Stadtrat hat eine Stimme und wählt im Normalfall die Liste der eigenen Fraktion. Danach wird ausgezählt und nach dem d‘Hondt-Verfahren die Plätze zugeteilt. Da herrscht das Prinzip der Stärke. Eine AfD kann man hier nicht ausbooten. Sie hat 14 Stadträte. Hinzu kommt ein weiterer Rechtsaußen der Freien Sachsen. Macht 15. Auf dieselbe Anzahl kommt die Zählgemeinschaft CDU/BfG. Wir sind sechs Leute in der Fraktion Motor/Bündnisgrüne/SPD und brauchen bei diesen Wahlen die beiden Stimmen der Linken. Sonst würden sich in einem Vierergremium AfD, CDU und BfG alle Sitze untereinander aufteilen.
Unsere Fraktion entscheidet sich vor der Sitzung, dass wir den Aufsichtsrat der Städtischen Kulturservice GmbH nicht selbst besetzen und stattdessen Jana Lübeck von den Linken wählen. Sie ist im Kulturbereich zuhause und kann dem Aufsichtsrat gute Impulse geben. Uns geht es bei der Arbeit im Stadtrat nicht um maximal viele Gremiensitze, sondern um eine gute Aufgabenverteilung.
So gehen die Wahlen zum Aufsichtsrat aus:
Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH
AfD-Liste: 14, CDU/BfG-Liste: 14, Liste Motor/Bündnisgrüne/SPD: 8
Damit sind Helmut Goltz (CDU), Karsten Günther-Töpert (BfG), Katharina Poplawski (AfD) und Jana Krauß (Bündnisgrüne) gewählt. Der zweite AfD-Vorschlag Jens Jäschke scheitert.
Görlitzer Kulturservice GmbH
AfD-Liste: 14, CDU/BfG-Liste: 14, Liste Motor/Bündnisgrüne/SPD: 8
Gewählt sind: Christiane Schultz (CDU), Yvonne Reich (BfG), Katharina Poplawski (AfD), Jana Lübeck (Linke). Auch hier bleibt Jens Jäschke als zweiter AfD-Kandidat außen vor.
Aufsichtsrat Gerhart-Hauptmann-Theater
Hier hat die Stadt nur zwei Sitze, wovon einer durch die Verwaltung besetzt wird. Um den zweiten Sitz streiten AfD und CDU/BfG. Mit 20 zu 16 setzt sich Michael Wieler (BfG) gegen Miriam Socha durch. Damit gibt es mindestens eine Stimme aus dem bürgerlichen Lager für die AfD-Frau.
Aufsichtsrat Görlitzer Verkehrsbetriebe
AfD-Liste: 15, CDU/BfG-Liste: 14, Liste Motor/Bündnisgrüne/SPD: 9
Damit sind gewählt: Detlef-Lothar Renner (AfD), Jakob Garten (AfD), Matthias Schöneich (CDU) und Jana Krauß (Bündnisgrüne). Ob Versehen oder Taktik: Durch die eine Stimme mehr für unsere Liste, fehlt CDU/BfG eine Stimme für den BfG-Kandidaten Hans-Christian Gottschalk. Bei 15:15 hätte es einen Losentscheid zwischen Garten und Gottschalk gegeben.
Aufsichtsrat Stadtwerke Görlitz AG
Hier wählen wir nur eine Position. Matthias Schöneich (CDU) setzt sich mit 21 zu 17 gegen Peter Stahn (AfD) durch. Der AfD-Mann bekommt zwei Stimmen aus dem bürgerlichen Lager.
Aufsichtsrat Flugplatz
Helmut Goltz (CDU) setzt sich gegen einen AfD-Kandidaten mit 23 zu 14 durch.
Aufsichtsrat Klinikum
Hier gibt es fünf Sitze zu verteilen.
AfD-Liste: 13, CDU/BfG-Liste: 18, Liste Motor/Bündnisgrüne/SPD: 7
Gewählt sind damit Hans-Christian Gottschalk (BfG), Peter Starre (CDU), Peter Stahn (BfG), Jens Jäschke (AfD) und Kristina Seifert (Bündnisgrüne).
Zu den Aufsichtsräten ist noch zu sagen, dass man dort kein großes Geld verdient. Es gibt Aufwandsentschädigungen, wie auch im Stadtrat.
Beratende Ausschüsse
Danach werden sachkundige Einwohner in beratende Ausschüsse gewählt. Sie ergänzen das aus Stadträten bestehende Gremium, haben kein Stimmrecht, sind aber wichtige Impulsgeber und Wissensträger in den Beratungen. Hier gibt es keine Listenwahl. Stattdessen muss jeder einzelne Sitz einzeln gewählt werden. Es braucht dafür die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen, andernfalls gibt es eine Stichwahl. Um das zu verhindern, stimmen wir uns mit den bürgerlichen Fraktionen ab, welche Kandidaten wir wählen. Das funktioniert ganz hervorragend. Auch wenn sich die Wahlen ziehen. In Zeiten von Digitalisierung sind zig Wahlgänge mit ausgedruckten Zetteln anachronistisch.
Ich konzentriere mich auf „unsere“ Leute in den Ausschüssen. Alle wurden durchgebracht. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit im Sportausschuss mit Philipp Schmidt, der seit über 20 Jahren für Basketball in Görlitz steht. An dieser Stelle vielen Dank an Enno Wendler, der seit 2019 auf Vorschlag von Motor Mitglied im Sportausschuss war und sehr gute Arbeit in diesem Gremium geleistet hat. Da diesmal mit Karsten Günther-Töpert und Rene Seifert bereits zwei Leute aus dem Handball im Ausschuss vertreten sind, brauchte es etwas mehr Vielfalt.
Im Ausschuss Kultur, Bildung, Soziales und Migration (KBSM) ist weiterhin Anja-Christina Carstensen tätig. Die Kulturmanagerin ist sehr aktiv in der Stadtgesellschaft, gehört zu Bündnis 90/Die Grünen und leistet seit 2019 wertvolle Arbeit in diesem Gremium.
Im Ausschuss Wirtschaft und Stadtentwicklung ist Marc Höppner (Motor) künftig vertreten. Der Software-Ingenieur ist aus Dänemark in die Oberlausitz zurückgekehrt und Spezialist für Digitalisierung. Toi, toi, toi.
Im Ausschuss für Umwelt und Ordnung arbeitet Kerstin Fiedler (Motor) mit. Sie kennt sich als langjährige Lokaljournalistin mit kommunalen Themen und Zusammenhängen bestens aus und hat viele Jahre das Spielzeugmuseum geleitet.
Zu erwähnen ist bei diesen Wahlen, dass die AfD-Vorschläge allesamt scheitern. Lediglich im Wirtschaftsausschuss kommt Rechtsaußen zum Zug. Im Duell mit einem Vorschlag der Linken braucht es das Los, nachdem es vorher in zwei Wahlgängen Stimmengleichheit gab.
Stiftungen
Letzter Akt sind die Wahlen für zwei Stiftungen. Da geht es wenig aufregend zu. Es gibt so viele Vorschläge wie Sitze. Wir stimmen offen ab. In der Sammelstiftung ist unsere Fraktion mit Jana Krauß vertreten, in der Hospitalstiftung mit Danilo Kuscher (Motor).
Was hier schnell abgehandelt ist, dauert von 16.15 Uhr bis 21.15 Uhr. Ich schaffe es gerade noch pünktlich zum Heute Journal aus Görlitz, das mit dem Untermarkt und Lukas Rietzschel punktet. Fraktionskollege Silvio Minner hat trotz Sitzungsmarathon noch genug Energie, um Moderator Christian Sievers zu einem Selfie zu überreden (siehe Beweis-Foto).
Am Sonntag werden die Kameras wieder auf uns gerichtet sein. Bei der Landtagswahl geht es auch um den Ruf von Görlitz. Das sollten wir uns bei aller Unzufriedenheit mit Berlin, Brüssel und dem Fernsehprogramm immer wieder vor Augen führen.
Wenn ihr Anregungen habt, mit uns unzufrieden seid oder gar die Ansicht vertretet, dass in Deutschland zu wenig gelobt wird, dann meldet euch bei uns.
Text: Mike Altmann