Subjektiv gefärbter Bericht aus dem Stadtrat vom 30.5.2024
Stadtratssitzung kurz vor der Wahl am 9. Juni. Es wird eine der kürzesten in der gesamten Legislatur. Um 19 Uhr sitzen wir bereits in der Pizzeria am Obermarkt.
Doch vor der Pizza alla Marco kommt die Sitzung nach Art des Hauses. Zunächst verabschiedet Oberbürgermeister Ursu die Gleichstellungsbeauftragte Katja Knauthe. Eine weitere gut ausgebildete Frau verlässt das Rathaus. Sie wird künftig wissenschaftlich arbeiten. Herzlichen Dank für das Engagement und das Herzblut, liebe Katja.
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Dann folgt ein Kessel Buntes an Informationen des OB:
Wir erfahren, dass es einen Europastadt-Pin gibt, die Euro-Biker von „Wheels of Europe“ aus Wiesbaden zu Gast sind und dass der Jugendclub BASTA demnächst 30. Geburtstag feiert. Herzlichen Glückwunsch und Chapeau für so eine langen Zeit im Ehrenamt für die Görlitzer Jugend.
Danach nimmt Octavian Ursu den Faden der letzten Sitzung auf, als wir einen Beschluss für rechtssichere Grundlagen beim Schulbesuch in Zgorzelec gefasst haben. Der OB hat wie angekündigt weitere Gespräche geführt. Mit am Tisch saßen Staatsregierung, das LASUB, das Schulamt und als Schulträger die DPFA. Ursu berichtet von Fortschritten. Es sollen künftig bessere Informationen für den grenzüberschreitenden Schulbesuch bereitstehen. Die Durchlässigkeit muss besser werden, sprich Anträge sollen genehmigt werden, wenn nichts Gravierendes dagegenspricht. Ziel bleibt weiterhin mehr Rechtssicherheit über einen Kooperationsvertrag, wie es ihn schon bei Gymnasien gibt.
Es folgt eine kurze Vorstellung einer Studie zu Beherbergungskapazitäten am Berzdorfer See. Im Kern bestätigt sie das zehn Jahre alte Engels-Papier und wartet mit der wenig überraschenden Botschaft auf: Der See bietet enorme Chancen für wirtschaftliche Entwicklung. In Kürze soll die Studie nachzulesen sein.
Dann folgen Infos zur Stimmenauszählung am 9.6. Zunächst ist die Europawahl dran. Ergebnisse könnten gegen 19.30 Uhr vorliegen. Danach kümmern sich die fleißigen Wahlhelfer um Stadtrat, Kreistag und Ortschaftsräte. Mit einem Ergebnis der Stadtratswahl ist nicht vor 23 Uhr zu rechnen. Es soll auf der städtischen Internetseite einen Link zu den Ergebnissen geben.
Die beste Info aus seiner Sicht hebt sich der OB für den Schluss auf: Er berichtet, dass die Fördermittel für die Stadthallensanierung bewilligt sind. Im Juni soll der Baubeginn beschlossen werden. Näheres lässt sich Ursu nicht entlocken, da die Mitteilung recht frisch eintraf.
Es ist bekannt, dass sich unsere Fraktion kritisch mit den Stadthallenplänen auseinandergesetzt hat. Stellt sich die Frage: Wie verhält man sich nun? Ich bin kein Fan von Fundamentalopposition. Es gibt eine große Mehrheit im Stadtrat, die die Stadthallensanierung vorangetrieben und nun einen wichtigen Meilenstein erreicht hat: 36 Millionen Euro Fördermittel kommen aus Berlin und Dresden. Die Freude darüber ist verständlich. Jetzt geht es um die Details. Was steht im Förderbescheid? Welche Auflagen gibt es? Wie seriös sind unsere Kostenplanungen? Wie finanzieren wir Stadthallengarten, Parkplätze, Straße und Vorplatz? Wie stemmen wir die Zuschüsse von einer Million Euro jährlich? Wir werden weiterhin kritisch, aber konstruktiv den Prozess begleiten.
Nach der gelungenen Überraschung folgt die Fragestunde für Einwohner
Mehrere Eltern aus Rauschwalde sind da. Ihr Sprecher beklagt die Zuteilung der Oberschulplätze. 26 Kinder aus dem Stadtteil wollten in ihrer Nachbarschaft lernen, müssen aber in die Innenstadtschule. Denn der Platz in Rauschwalde nicht reicht für die vielen Nachfragen. Natürlich löst das keine Begeisterung aus.
Auch weil die Oberschule Innenstadt mehr fünfte Klassen bilden soll, als sie ob ihrer Ressourcen eigentlich vorhatte. Bürgermeister Hummel versteht als Vater von schulpflichtigen Kindern das Problem und erläutert, dass die Stadt hier nur bedingt Ansprechpartner ist. Über die Anzahl der fünften Klassen entscheidet das Lasub für jede Schule. Welche Kinder angenommen werden obliegt wiederum den Schulleitern. Hummel verrät, dass die meisten Schulen mittlerweile alle Plätze verlosen, damit man bei Beschwerden auf die Gleichbehandlung verweisen kann. Ortsnähe ist jedenfalls ab Klasse 5 kein Kriterium mehr. Ob das in eine Zeit passt, in der wir eigentlich unnötige Wege vermeiden wollen, steht auf einem anderen Blatt.
Es folgt die Fragestunde für Stadträte
Dieter Gleisberg von der CDU spricht das Tierheim an. Ob es schon eine Fläche gibt, auf die es in neuer Struktur umziehen könnte. Er schlägt eine Ausschusssitzung vor. Bürgermeister Hummel favorisiert direkte Gespräche mit den Beteiligten. Es gibt mehrere Problemebenen. Das Grundstück ist nur eine.
Mein Kollege Andreas Kolley fragt mal wieder nach Toiletten am See. Nachdem unser Vorstoß für eine provisorische Wasser- und Abwasserleitung am Nordoststrand aus Kostengründen nicht klappt, gab es die Zusage, das eingeplante Geld für ein zusätzliches mobiles WC einzusetzen. Denn im letzten Jahr war an gut besuchten Tagen das Klohaus häufig dicht. Im wahrsten Wortsinn. Leider ist von einem zusätzlichen WC nicht in Sicht. Die konkrete Frage kann im Ratssaal niemand beantworten. Ja, es bleibt bei dem Plan. Aber wann er umgesetzt wird – Fragezeichen. Vielleicht funktioniert es noch vor den Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit…
Von der AfD kommt eine Frage zur Landeskrone. Die Bürger wollen eine Ausflugsgastronomie und der OB soll jetzt mal erklären, wie er das durchsetzt. Herr Ursu teilt mit, dass er mit dem neuen Pächter Stefan Menzel geredet habe. Tenor: Menzel wird nicht komplett Abstand von Gastronomie nehmen. Man will nun an einem Strang ziehen. Ein Knackpunkt ist die Genehmigung eines Shuttles. Görlitz ist aber nicht allein zuständig für diese und andere Fragen. Da spricht der Landkreis mit.
Die Zielfahne sieht Andreas Zimmermann. Der CDU-Stadtrat hat jahrelang um einen erhöhten Bahnsteig im Ortsteil Hagenwerder gekämpft, immer wieder nach dem Stand der Dinge gefragt. Nun kommt überraschend vom Rathaus die Antwort, dass die Deutsche Bahn sich tatsächlich bewegt. Barrierefreiheit – bald auch in Hagenwerder.
Weiter geht’s mit Beschlüssen: Strom für Mira Lobe
Wir beauftragen „Die Ellos GmbH“ aus Zittau mit den Elektroarbeiten im Rahmen der Sanierung des Förderschulzentrums Mira Lobe. Knapp 700.000 Euro kostet das. Ziemlich genau so wurde die Leistung auch geplant.
Neue Oberschule wird gebaut
Ein Höhepunkt zum Ende der Amtszeit: Wir fassen den Baubeschluss für die neue zweizügige Oberschule. 2021 wurde in letzter Minute verhindert, dass die Rathausspitze das Vorhaben einmottet. Seitdem gibt es Einigkeit im Vorgehen. So kommen wir voran. Es entsteht nun eine Clusterschule auf dem alten Schlachthofgelände.
Alle Nutzungs- und Funktionsbereiche sind miteinander verknüpft. Unterrichtsräume können dank mobiler Wandelemente zusammengelegt oder getrennt werden. Damit ist flexibler Unterricht möglich. Die „Gemeinsame Mitte“ verbindet alle Funktionsbereiche miteinander. Flure sind nicht nötig. Damit gibt es weniger tote Fläche.
Angepasst an das pädagogische Konzept bekommt die Clusterschule neue Einbauten, Möbel und Technik. Das ist besonders wichtig, will man junge Lehrer anlocken.
Geradezu frohlockt hat unsere Fraktion ob der Energieplanung. Auf dem großflächigen Gründach des Neubaus sollen 188 PV-Module installiert werden. Der Autarkiegrad der Anlage beträgt 53 Prozent und wird über einen zusätzlichen Batteriespeicher ergänzt.
Über den Else-Puschmann-Weg besteht die Möglichkeit zum Anschluss an das Fernwärmenetz der Stadtwerke Görlitz. Alle Räume werden mittels Fußbodenheizung temperiert. Eine Be- und Entlüftung ist ebenso vorgesehen wie Verschattungstechnik.
Rund 30 Millionen Euro teuer wird der Bau, inklusive Ausstattung. 12 Millionen davon kommen als Förderung vom Freistaat. Gebaut wird von 2025 bis 2028. Die rund 340 Schüler sollen zum Schuljahr 2028/29 einziehen. Leider wird eine Turnhalle fehlen, sie war mit dem verfügbaren Budget nicht machbar und soll errichtet werden, sobald ein passender Fördertopf gefunden wird.
Wir fragen nach, warum 200.000 Euro als Transportkosten zu Sportanlagen eingeplant werden. Die Jahnhalle und die Schenckendorf-Halle sind eigentlich fußläufig zu erreichen. Die Verwaltung erklärt, dass es sich um eine vorsorgliche Planung handelt. Heute können wir noch nicht wissen, welche Sportstätten für die neue Oberschule überhaupt zur Verfügung stehen. (Und wir wissen auch nicht, ob 2028 alle Dächer dicht sind.)
Görliwood GmbH gründet sich
Der Filmstandort Görlitz punktet bereits seit einiger Zeit mit der Sächsischen Filmakademie. An ihr werden Leute in filmpraktischen Tätigkeiten geschult. Beleuchtung, Drehbuch, Kamera, Ausstattung – und noch viel mehr. Die Aufbauphase wurde unter Regie der Hochschule Zittau/Görlitz gestemmt. Darüber können wir sehr dankbar sein. Nun braucht es eine Struktur, die mehr Beinfreiheit hat, die Förderanträge stellen kann. Das soll die Sächsische Filmakademie GmbH leisten.
Hauptgesellschafter ist die Allianz Deutscher Produzenten – Film und Fernsehen e. V. mit 60%. Jeweils 20% der Anteile übernehmen die Hochschule und die Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH. An der Ausrichtung wird sich nicht viel ändern. Es geht weiterhin darum, Fachkräfte für Filmproduktionen auszubilden. Ich bedanke mich beim OB, der die Idee verfolgt hat und bei den fleißigen Umsetzern der Aufbauphase. Viel Erfolg für den Start des neuen Görliwood-Unternehmens. Die Geschäftstätigkeit soll bereits ab 1.7.24 aufgenommen werden.
Stadtwerke-Beschlüsse
Wir fassen zwei vertragstechnische Beschlüsse, die wichtig sind, damit wir von den Stadtwerken stabil mit Wasser und Wärme versorgt werden. Außerdem beschließen wir auf Antrag der Stadtwerke, dass die Ausschüttung der Gewinne nicht komplett erfolgt. 10 Prozent dürfen einbehalten werden. Thesaurieren nennt sich das. Das Geld brauchen die Stadtwerke, um ihr Eigenkapital zu stärken und Investitionen vorzunehmen. Bereits 2023 hat die SWG weniger ins Stadtsäckel gezahlt. Damals wurden sogar 20% des Jahresgewinns ausgeklammert.
Der Ponte-Aldi wird größer
Der Aldi auf der Pontestraße möchte sich erweitern. Von derzeit 750m2 auf 1000 m2. Damit wird er zu einer „großflächigen Handelseinrichtung“. Und obwohl nach dem Bau nichts anderes dort geschieht als jetzt – Leute kaufen ein – muss in unserem Vorzeigeland der Bürokratie eine neue Bauleitplanung her. Das beschließen wir auch. Aldi kann also loslegen mit den Planungen. Es soll ein kompletter Neubau werden, der sich energetisch selbst versorgt. Das größere Objekt rutscht Richtung Heilige-Grab-Straße, so dass die dortige Zufahrt wegkommt. Fußgänger können aber weiter über die Heilige-Grab-Straße reinhuschen. Einige Parkplätze werden wegfallen, dafür sollen Schnell-Ladesäulen aufs Gelände kommen. Auch an ausreichend Fahrradparker ist gedacht.
Baubeginn wird wohl frühestens in einem Jahr sein. Wir machen den Weg für die Planungen frei.
Eigenheime in Weinhübel?
Ebenfalls einen Bebauungsplan darf KommWohnen aufstellen. Das kommunale Unternehmen möchte 18 Eigenheimstandorte an der Erich-Weinert-Straße entwickeln. Dort stand mal ein Wohnblock. Knackpunkt wird sicherlich der Naturschutz. Auf dem Areal befindet sich auch ein Waldstück. Kommt es weg, braucht es Ausgleichsflächen. Kein einfach zu lösendes Problem. Da schlagen einige Herzen in der Brust. Auf der einen Seite fehlt es für Familien an attraktiven Flächen für Eigenheime. Andererseits ist es aus Umweltgründen nicht sonderlich schlau, Grünflächen zuzubetonieren. Damit müssen sich jetzt die Fachleute beschäftigen. Wir beschließen, dass ein Bebauungsplan aufgestellt wird. Sobald die Stellungnahmen der Fachleute vorliegen, ist es Job des Stadtrates, abzuwägen.
Megawatt in Hagenwerder
Ins Gewerbegebiet Hagenwerder kommt ein neues Unternehmen. Wir verkaufen gut 13.000 m2 an die GeCo Grundbesitz GmbH & Co. KG. Auf das Gelände soll eine 100 MW-Batteriespeicheranlage kommen, die 400 MW/h Elektrokapazität erzeugt. Kaufpreis für das Grundstück, das eigentlich aus schwer zu vermarktenden Resten besteht: 150.000 Euro.
Weil es kein produzierendes Gewerbe ist, müssen möglicherweise Fördermittel für diese Fläche zurückgezahlt werden – den Betrag würde der Investor übernehmen. Die Käufer des Grundstücks wollen in Görlitz eine Gesellschaft gründen, so dass hier Gewerbesteuer gezahlt wird. Allerdings entstehen keine Arbeitsplätze.
REWE-Grundstücke
Ein bisschen ist es wie im Maklerbüro. Denn auch die nächsten beiden Vorlagen behandeln Grundstücke. Diesmal im Zusammenhang mit der unendlichen Geschichte vom geplanten REWE im Werk 1. Zunächst übertragen wir einzelne Grundstücke für einen öffentlichen Fußweg von der Bautzener Straße zum REWE. Außerdem vermieten wir die Parkplatzflächen an REWE. Während der Planungs- und Bauphase kostet die Miete 150 Euro im Monat. Ab Fertigstellung sind es rund 2.000 Euro. Wann man im REWE einkaufen kann, hat die Sächsische Zeitung herausgefunden. „Die Eröffnung ist nach aktuellem Stand für die zweite Jahreshälfte 2025 geplant“, wird eine REWE-Sprecherin zitiert.
Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerber (AfD)
Hintenraus kommt noch ein recht billiger AfD-Antrag. Die Blauen wollen den OB beauftragen, Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerber zu identifizieren und dem Landkreis zu anzubieten. Octavian Ursu erklärt, dass die Stadtverwaltung bereits einige Schritte weiter sei. Es gab schon im letzten Jahr Gespräche dazu mit Trägern und dem Landkreis. Konkrete Anträge für Arbeitsgelegenheiten liegen bereit für den Betriebshof.
Daraufhin zieht die AfD ihren Antrag zurück.
Damit endet für mich die Legislatur 2019-2024.
Es gibt zwar noch eine Sitzung, die ich aber wegen einer Reise zum EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn versäumen werde. Ich möchte mich bei meinen vier Mitstreitern in der Fraktion bedanken. Jana, Tina, Danilo und Andreas: Es war mir eine große Freude und ich weiß, dass nur sehr wenige Stadträte das Glück haben, in so einer harmonisch-konstruktiven Atmosphäre arbeiten zu dürfen.
Ein großer Dank geht an die Frauen und Männer in der Stadtverwaltung für die gute Zusammenarbeit mit uns anstrengenden Stadträten. Und natürlich bedanke ich mich bei euch. Ihr habt tapfer die sehr langen Stadtratsberichte gelesen, gehört, kommentiert und verbreitet. Ohne den spürbaren Rückhalt hätte ich diese intensive Form der Öffentlichkeitsarbeit nicht durchgehalten.
Das war der letzte subjektiv gefärbte Bericht aus dem Stadtrat. Ob es eine Fortsetzung gibt, liegt auch in eurer Hand. Am 9. Juni wählt ihr einen neuen Stadtrat. Ich freue mich sehr, wenn ihr der Stadtbewegung Motor Görlitz eure Stimmen gebt. Unabhängig von eurer Entscheidung seid ihr herzlich eingeladen zur Prozenteparty von Motor Görlitz. Wenn die Wahllokale am 9. Juni schließen, öffnet sich der Garten von Jakobs Speiselokal auf der Jakobstraße.
Lasst uns die Demokratie feiern, lasst uns weiter an einem freundlichen Görlitz bauen. Bis bald. Ahoi. Cześć.
Text: Mike Altmann
Foto: Fraktion