Stadtratsblog#8: 28.5.2020

Es ist ein angenehmes Gefühl auf dem Weg zur Sporthalle an der Jägerkaserne. Es riecht nach Neuanfang. Die tags zuvor bekannt gegebene Trennung der Bündnisfraktion ist eine Befreiung für beide Seiten. Jetzt können die Bürger für Görlitz und unser Team Motor Görlitz/Bündnisgrüne in ihrem eigenen Tempo arbeiten. Inhaltlich gibt es viele Gemeinsamkeiten, die werden gepflegt. Und so manche Ehepartner wurden ja erst nach einer Scheidung zu besten Freunden. Die Mai-Sitzung läuft aber noch als Bündnisfraktion, weil wir uns offiziell erst zum Monatsende trennen.

Die Sitzung beginnt mit einer Überraschung. Thomas Leder (CDU) beendet nach 30 Jahren im Stadtrat seine kommunalpolitische Arbeit. Die Mai-Sitzung ist seine letzte. Die CDU-Fraktion ist offensichtlich nicht eingeweiht, nur der OB hatte die Information vorab bekommen. Damit bleibt sich Thomas Leder treu, denn er war nie ein Teamplayer, wie CDU-Fraktionschef Dieter Gleisberg launig kommentiert. Überraschung also gelungen. Der Sitzungssaal erhebt sich und applaudiert für 30 Jahre Durchhalten. Ich ziehe meinen Hut – bei allen inhaltlichen Unterschieden, so lange muss man dieses Ehrenamt erstmal ausfüllen. Der Nachfolger wird ein Neuling. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit Matthias Schöneich. Einer der vielen guten und frischen Kandidaten, die die CDU aufgestellt hatte – von denen es aber niemand in den Rat schaffte.

Nach dem Einstieg in die Tagesordnung berichtet der OB über die aktuelle Corona-Lage. Es ist glücklicherweise ruhig, in Görlitz gibt es seit über zwei Wochen keine Infektionsfälle. Unschön ist dagegen die Situation auf den Straßen ob der Grenzstaus. Hier hat Octavian Ursu gute Nachrichten: Nach mehrfachen Bemühungen geht Warschau auf die deutsche Seite zu und schafft Entlastung. Der Grenzübergang Hagenwerder wird von Freitag bis Samstag 22 Uhr zusätzlich geöffnet. Das freut auch meine Mitstreiter von Motor/Grünen, mit denen ich nach dem Himmelfahrts-Verkehrschaos an OB Ursu geschrieben hatte, um eine Wiederholung dieser Zustände zu verhindern.

Freude auch darüber, dass der OB (endlich) über die Corona-bedingten Auswirkungen auf den Haushalt berichten lässt. Die Kämmerin Birgit Peschel-Martin prognostiziert aktuell Ausfälle von 5,2 Millionen Euro bei der Gewerbesteuer, 2 Millionen Verlust bei der Einkommenssteuer aber auch 300.000 Euro mehr an Umsatzsteuer. Macht unterm Strich ein Minus von 7 Millionen Euro. Die Stadt geht davon aus, dass man aus dem Hilfsprogramm des Freistaates Sachsen etwa 4 Millionen Euro bekommt. Zusätzlich wird eine Rücklage von rund 1,5 Millionen Euro aufgelöst. Und der Bund plant ebenfalls ein Programm für Kommunen. Mit etwas Glück könnten somit die Steuerausfälle für 2020 ausgeglichen werden. Das wäre wünschenswert, damit wir Spielraum haben für Zukunftsinvestitionen. Allerdings sind das nur aktuelle Prognosen, sie betreffen lediglich 2020 und es sind nur Aussagen zu Steuerausfällen. Welche weiteren Baustellen uns Corona noch einbringt, zum Beispiel durch Verluste bei den Beteiligungen, den städtischen Unternehmen und Einrichtungen – dazu will sich der OB erst in einer nächsten Sitzung äußern.

Vom Berzdorfer See gibt es zunächst gute Nachrichten: Die Rettungsschwimmer-Kampagne in Polen war erfolgreich. Mit Anzeigen und Radiospots hat Görlitz geworben. Bürgermeister Wieler berichtet, dass es zwölf heiße Kandidaten gibt. Es wird eine Kooperation mit der polnischen Wasserwacht angestrebt, mit der man ein Modellprojekt in dieser Saison durchführen möchte. Unterstützt vom DRK, das den Einsatz operativ plant und führt. Ab 15. Juni soll die Badesaison eröffnet werden. Zunächst mit Corona-Regeln, also auch Mindestabständen. Diese Vielfalt an Regelungsbedarf hat die Stadtverwaltung veranlasst, bei der Bewirtschaftung eine Rolle rückwärts zu machen. Ursprünglich sollte 2020 ein Park-Konzept mit Parkautomaten ausprobiert werden. Nun kündigt Dr. Wieler an, dass man wie in den Vorjahren einen Sicherheitsdienst einsetzt, der an der Einfahrt kassiert und am Strand für Ordnung sorgt. 2021 soll dann erst das neue Konzept erprobt werden. Meine besorgte Frage, ob damit die Widmung der Strandpromande auch 2021 nicht erfolgt, was zur Folge hätte, dass es keine bauliche Entwicklung gibt und auch die Reste Deutsch Ossigs weiter verfallen, kommentiert der Bürgermeister knapp: Das sei Sache des Stadtrates. (Ich hoffe sehr, dass CDU und AfD die Entwicklung nicht ein weiteres Jahr blockieren. Für Baurecht braucht es eine gewidmete, also öffentliche Straße als Zuwegung. Die ursprünglich beschlossene Widmung wurde mit Mehrheit von CDU und AfD im April wieder kassiert.)

In der Fragestunde für Stadträte geht es quer durch den städtischen Gemüsegarten. Wir erfahren:

Für die 950-Jahr-Feier im nächsten Jahr gibt es 94 Projektvorschläge aus der Bürgerschaft. „Wir sind Görlitz“ ist das Motto unter dem sich die Görlitzerinnen und Görlitzer bei der Gestaltung des Stadtjubiläums einbringen können. Dass trotz Corona knapp 100 Vorschläge für den Projektwettbewerb beim Aktionskreis für Görlitz e.V. eingingen, ist ein tolles Ergebnis der engagierten Vereinsarbeit.

Auf dem neuen Oberschul-Campus soll zusätzlich „Produktives Lernen“ integriert werden. Ich applaudiere innerlich – genau richtig, um junge Leute in der Berufsorientierung zu stärken und frühzeitig praktische Erfahrungen zu ermöglichen. Dafür müsste allerdings die Planung leicht verändert werden, wofür es wiederum die Zustimmung des Kultusministeriums braucht. Die Fertigstellung dürfte sich entsprechend verzögern. Aber es gibt ja einen guten Grund.

Nicht sehr ergiebig sind die Antworten auf Fragen aus unserer Gruppe Motor/Bündnisgrüne. Jana Krauß erkundigt sich zum Wochenmarkt. Aus der Presse war zu entnehmen, dass die Pacht aufgrund der Corona-Krise nicht mehr zu leisten wäre. Ob Verwaltung und Pächter dazu im Austausch seien, wurde nicht konkret beantwortet. Der OB versicherte lediglich, „dass der Markt nicht in Gefahr“ sei.

Danilo Kuscher erkundigte sich nach konkreten Projekten, die mit Hilfe von Strukturfördermitteln umgesetzt werden könnten. Der OB verweist auf die ausstehenden Bundesgesetze, die noch vor der Sommerpause beschlossen werden. Erst dann sei der Rahmen klar, was überhaupt gefördert werde, meint Herr Ursu. (Hoffentlich hat er nur gepokert und es liegt längst etwas in der Schublade, sonst wird die Zeit knapp.)

Eine zweite Frage vom Motoristen Kuscher drehte sich um die beabsichtigte Ansiedlung eines Wettbüros im ehemaligen Lolos in der Theaterpassage. Die SZ hatte berichtet, dass die Stadt Görlitz eine Genehmigung erteilen wollte, das zuständige Land aber abgelehnt hat, weil es keinen Mindestabstand von 250 Meter zur nächsten Schule gibt. Warum die Stadt denn überhaupt eine Genehmigung für ein Wettbüro in dieser innenstädtischen Lage gegeben habe, war nun die spannende Frage. Bürgermeister Wieler gibt sich unwissend, will auch den Bericht nicht gelesen haben. (Ist eine tägliche Presseschau nicht wichtig für einen Bürgermeister?)

Nach Anfragen von Bewohnern der Nikolaivorstadt möchte ich wissen, ob man Anwohnerparken in diesem Viertel einrichten könne. Nein, sagt die Verwaltung. Es gebe ohnehin zu wenig Parkplätze und die dürfe man nicht ausschließlich Anwohnern zur Verfügung stellen. Ob das vermehrte Parken in der Nikolaivorstadt möglicherweise damit zu tun habe, dass die Autofahrer die Gebühren für den neuen Parkplatz an der Sporthalle Jägerkaserne sparen wollen, bejaht Herr Wieler. (Wieviel Sinn macht ein gebührenpflichtiger Parkplatz, wenn man ringsum gratis stehen kann?) Eine ausführliche schriftliche Antwort kommt noch. Ich habe Witterung aufgenommen und bleibe dran.

In der Beschlussfassung geht es dann zunächst um die Hauptsatzung. Das ist quasi die kommunale Verfassung. Es gibt viele Änderungsanträge von LINKE und AfD. Der Großteil wird abgelehnt. Bedenkliche Ausnahme: Es gibt ab sofort keine Integrationsbeauftragte mehr. Brauchen wir nicht, sagt die AfD. Bis auf zwei Enthaltungen stimmt die komplette CDU-Fraktion dieser Geisteshaltung zu. Ist schon „neue Normalität“ im Görlitzer Stadtrat. Am Ende geht die Hauptsatzung mit großer Mehrheit durch.

Danach beschließt der Stadtrat, dass in die Ausstattung der Feuerwehr kräftig investiert wird. Von Atemschutztechnik über Fahrzeuge und ein Rettungsboot bis zu einer neuen Küche für die Feuerwache. Die nötigen 900.000 Euro waren ursprünglich für den Neubau der Feuerwehr Innenstadt geplant. Der verzögert sich. Deshalb wurde umgeschichtet. Für 2022 wird dann das Geld für das Feuerwehrhaus wieder im Haushalt geplant. Bedeutet: Ein Batzen Kohle für Investitionen ist verplant.

Bereits zum Neujahrsempfang hatte OB Ursu das Projekt „Filmakademie“ als eines von sieben Zukunftsprojekten vorgestellt. Nun sollen wir in einem Grundsatzbeschluss grünes Licht für die Idee geben. Es geht darum, dass sich in Görlitz eine Akademie ansiedelt, die eine filmspezifische Weiterbildung für handwerkliche, aber auch kaufmännische Berufe anbietet. Das erhöht die Chancen, Dienstleister für Bühnenbau, Ausstattung, Requisite, Kostüm, Filmcatering und Lichttechnik anzusiedeln. Der OB geht auf drei Vorschläge unserer Fünfer-Gruppe ein: Der ursprüngliche Arbeitstitel „Sächsische Fimakademie“ verliert das eingrenzende „sächsisch“. Das zugrundeliegende Konzept wird noch weiterentwickelt. Und das Projekt soll in die Entwicklungsstrategie „Lausitz 2050“ mit einfließen, um die Chancen auf Strukturfördergelder (siehe oben) zu verbessern. Die Konsensfindung mit dem OB war an dieser Stelle sehr angenehm.

Hoch her geht es zum Abschluss bei der Frage, ob der neugestaltete Teil „An der Frauenkirche“ zukünftig „Platz der friedlichen Revolution“ heißen soll. Nach einer intensiven Debatte zieht der OB die Vorlage zurück, um eine Kampfabstimmung zu vermeiden. Das wäre tatsächlich ein schlechtes Signal. Persönlich empfinde ich politisch motivierte Benennungen seit Fahnenapppellzeiten als schwierig. Ich wünsche mir auch zeitgemäße Erinnerungskultur, die über ein Straßenschild hinausgeht. Insofern habe ich große Sympathie für den Vorschlag von Stefan Bley, einem sehr liebgewonnenen Kollegen aus der Bündnisfraktion. Er wünscht sich ein Kunstwerk an dieser Stelle, dass die Wendezeit in den öffentlichen Raum holt. Und schlägt vor, dass die Bürger gefragt werden, ob sie denn überhaupt einen neuen Namen an dieser Stelle wünschen. Wir haben nun mindestens einen Monat Zeit, um über diese Ideen nachzudenken.

Euch allen eine schöne Pfingstzeit.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog#7: 30.4.2020

Zweite Stadtratssitzung im Corona-Modus. Wieder in der Sporthalle an der Jägerkaserne. Diesmal aber in voller Besetzung. Plus max. 25 Bürger. Plus Verwaltung. Wir gehen Richtung Normalität. Mit Masken und Stadtpolizisten am Eingang.

Informationen des Oberbürgermeisters. Er berichtet über die enge Zusammenarbeit mit seinem Zgorzelecer Amtskollegen Rafal Gronicz, über gemeinsame Auftritte im polnischen TV. Gut gemacht, Herr Ursu. Diese Aktionen haben mitgeholfen, dass viele polnische Pendler endlich wieder Familie und Arbeit haben dürfen. Es folgen weitere Infos zu Corona. Museen, Bibliotheken und Tierpark öffnen ab Montag. Die Verwaltung will ab Mittwoch wieder Bürger reinlassen. Der Markt soll bald auf den angestammten Platz zurückkehren. Hoffnung für die Segler am Berzdorfer See und die Vereine am Flugplatz: Mit entsprechenden Hygienekonzepten könnten sie bald wieder loslegen. Baden am Berzdorfer See dürfen wir aber noch nicht. Die Stadtverwaltung müsste die Abstandsregeln am Strand überwachen. Wer soll das leisten?

Möglicherweise dauert es ohnehin noch länger, bis im Norden des Sees wieder geplanscht wird. Aufgrund einiger Urteile ist die Rechtslage kompliziert. Es sieht so aus, als braucht man generell an öffentlichen Badestellen Rettungsschwimmer. Sonst kann jeder Badeunfall juristische Folgen für das Rathaus haben. Der OB bedauert, dass es immer weniger Eigenverantwortung gibt. Damit hat er prinzipiell Recht. Dass es an den Görlitzer Strandabschnitten keine Rettungsschwimmer gibt, hat damit nichts zu tun. Wer Familien mit kleinen Kindern an ein nicht ungefährliches Gewässer einlädt, einen Spielplatz in unmittelbare Nähe zum Wasser baut, für den sollte der Schutz der Badegäste dazugehören. Die Stadtverwaltung möchte nun kurz vor der Saison hauptamtliche Rettungskräfte anwerben und einstellen. Wo das Geld dafür herkommt, wird nicht gesagt. Auch nicht, als mein Fraktionskollege Danilo Kuscher sich erkundigt, wer die 250.000 Euro Corona-Verlust des Tierparks ausgleicht. Der OB erklärt lediglich, dass alle Gehälter und laufenden Kosten nicht gefährdet seien und es keine Engpässe gebe. Offen ist auch, woher die rund 1,2 Millionen Euro für die Landheimschule kommen sollen, nach der sich ein Bürger erkundigt. Sie soll als Ausweichschule ertüchtigt werden, wenn es zu nötigen Modernisierungen an Bildungseinrichtungen kommt. Dafür gibt es aber keine Förderung.

Die Corona-Krise scheint am Görlitzer Rathaus komplett vorbeizugehen. Der Oberbürgermeister verliert von selbst kein Wort über die aktuell erkennbaren und potenziellen Auswirkungen. Während in Zittau und vielen anderen Städten bereits Haushaltssperren ausgerufen wurden und in den meisten Kommunen die Bürgermeister selbstverständlich ihre Räte über voraussichtliche Steuerausfälle informieren, schweigt der Görlitzer OB. Erst auf Frage von Mirko Schultze (Die Linke) muss er ran. Zu Einnahmeverlusten sagt er sinngemäß: Es handelt sich um einen laufenden Prozess. Er ist der Überzeugung, dass der Wunsch in der Bevölkerung besteht, dass weiter investiert wird und er geht von einem Schutzschirm für die Kommunen aus. Die Zahlen werden ständig bewertet, aber er hat sie gerade nicht zur Hand. Wie viele Betriebe die Gewerbesteuerzahlung bereits ausgesetzt haben, will er den Stadträten zunächst nicht verraten. Angeblich Steuergeheimnis. Nach kurzer Rücksprache mit Bürgermeister Wieler rückt er dann die Zahl raus: 17 Betriebe haben bislang die Steueraussetzung beantragt. Klingt nach wenig. Wenn es aber die großen Unternehmen sind, die im Wesentlichen für unsere Gewerbesteuereinnahmen sorgen, dann ist es sehr viel.

Ich frage etwas später nach, ob denn die Kämmerin Birgit Peschel-Martin dem OB eventuell helfen könne mit den Zahlen zu den finanziellen Folgen der Krise. Auch von ihr keine Zahlen. Aber deutliche Worte: Wir können derzeit alle Kosten begleichen, die im normalen Betrieb anfallen. Aber es wird zu erheblichen Einnahmeausfällen kommen, durch ein Minus bei Gewerbesteuer, Einkommensteuer und Umsatzsteuer. Mit entsprechenden Auswirkungen auf den Ergebnishaushalt. (Das ist der Teil des Haushalts, mit dem wir in der Stadt gestalten können.) Sie sagt außerdem, dass fast täglich weitere Betriebe Antrag auf Gewerbesteueraussetzung stellen. Wir gehen also gewarnt in die Beschlussfassungen. Hier greife ich mir die drei knackigsten Themen raus – der Text ist ja schon wieder viel zu lang.

Grünflächensatzung: Viele Wochen lang diskutiert. In unendlich mühsamer Arbeit von OB und Ämtern mit den Bürgern in Diskussionsrunden besprochen. Danach kam das Papier zweimal in den Technischen Ausschuss. Dennoch wird in der Stadtratssitzung nochmal ein Fass aufgemacht. AfD und Helmut Goltz (CDU) überbieten sich bei ihren Verbotsforderungen für den Wilhelmsplatz. Herr Goltz spricht sich für ein komplettes Verbot jeglichen Ballspielens aus. Dass man damit insbesondere junge Familien trifft, die die CDU so sehr im Blick hat – egal. Die AfD will „Ballsportarten mit Mannschaftscharakter“ verbieten. Was das denn alles umfasse und wer das denn bewerten soll? Keine Idee. OB Ursu schlägt als Kompromiss vor, dass es verboten wird, Fußball als Mannschaftssport zu spielen. Klingt auch komisch, ist aber klarer formuliert. Ein Hin und Her in der Debatte. Und niemand hört auf den Fachmann. Herr Freudrich vom Grünflächenamt erklärt mehrfach: Der Wilhelmsplatz ist bereits seit langem eine Liegewiese, auf der Hunde verboten sind. Ballspiel indes habe bislang zu keinen Schäden an den Rabatten geführt. Egal: Irgendein Verbot wird beschlossen, es ist eine AfD-Formulierung, die ich mir nicht merken konnte. Die CDU stimmt mit und gegen ihren Oberbürgermeister. Wird zur gelebten Praxis. Ursu lächelt tapfer. Faktenfern geht es weiter: Auf Antrag von CDU-Stadtrat Thomas Leder wird das Areal am Meridian in die Liste der besonders „gärtnerisch hochwertigen Grünanlagen“ aufgenommen, die besonderen Schutz genießen. Dass es dort keinerlei hochwertige Gewächse gibt, wie Fachmann Christian Freudrich freundlich erklärt, ist Herrn Leder egal. Ihm geht es um die Aufwertung des Areals an der Stadthalle, wo sich der Meridian befindet. Die Stadträte von CDU und AfD haben Spaß an solch abstrusen Begründungen und beschließen den Unfug. Mal schauen, ob das Bestand hat. Die Deklarierung einer Wiese mit Bäumen und Büschen am Meridian als hochwertige Anlage, die entsprechende Einschränkungen für die Nutzung durch die Bürger mit sich bringt, hat keine objektive Grundlage. Thomas Leder ist in meinen Augen zudem als Vorsitzender des Stadthallenfördervereins befangen, wenn er über die Grünflächensatzung das Stadthallenareal aufwerten möchte.

Weiter geht‘s mit einer Vorlage zur Stadthalle. Eine Beauftragung der städtischen Kulturservicegesellschaft (GKSG) zur Begleitung der Stadthallensanierung. Daraus ergeben sich für mich und vier weitere Fraktionskolleg*innen wichtige Fragen, die wir beantwortet haben wollen. Völlig unabhängig von der grundsätzlichen Betrachtung, ob man in der jetzigen Situation, ohne Kenntnis der künftigen finanziellen Möglichkeiten, dieses Großprojekt weiter vorantreiben sollte. Leider beginnt die Debatte ekelhaft. AfD-Stadtrat Koschinka, im Hauptberuf Richter am Landgericht, nimmt unsere zwei Tage zuvor veröffentlichte „Erklärung zur Stadthalle“ zum Anlass, um eine Hasstirade gegen uns fünf Stadträte, gegen Andersdenkende, gegen Flüchtlinge in die Sporthalle zu spucken. Fassungslosigkeit. Auch wegen OB Ursu. Warum unterbindet er diesen Auftritt nicht sofort über Ordnungsrufe und Entziehen des Worts? Warum rügt er allgemein, im Stadtrat nicht über Bundespolitik zu reden – statt Klartext zu sprechen? Im Görlitzer Stadtrat ist kein Platz für Feindseligkeiten und verbale Gewalt gegen wen auch immer. Leider behandelt Herr Ursu die AfD zu zaghaft. Die regelmäßige Titulierung von Stadträten der Linken als SED-Mitglieder etwa ist nicht akzeptabel. Ein Oberbürgermeister muss als Hausherr nicht immer lächeln.

Die so eingeleitete unschöne Debatte zieht sich hin, ehe es dann endlich um den eigentlichen Vorgang geht: Der Stadtrat beauftragt die Görlitzer Kulturservicegesellschaft mbH mit der Beratung und Begleitung der Sanierung der Görlitzer Stadthalle aus Sicht eines potentiellen Betreibers. Die GKSG sollte bereits im Januar zur Betreiberin gemacht werden. Weil aber in der Sitzung auffiel, dass man weder Inhalt noch Kosten kennt, wurde verschoben. Überraschend, dass uns nun kein Beschluss zur Betreibung vorgelegt wird. Stattdessen eine Vereinbarung zu einem Dienstleistungsvertrag. Kosten im Jahr 2020 gut 200.000 Euro, ab 2021 bis 2025 jährlich ca. 250.000 Euro. Das Geld dafür hat die Stadt bereits jetzt (!) nicht im Haushalt verfügbar. Deshalb soll Gewinn aus der Kommwohnen GmbH entnommen werden. Details darf ich nicht schreiben, da diese gesamte Debatte im nichtöffentlichen Teil geführt wurde. Kein Geheimnis ist es aber, dass man bei Gewinnentnahmen Kapitalertragssteuer zahlt. Von den 246.000 Euro, die wir Kommwohnen 2020 entziehen, sind rund 40.000 Euro weg. Für mich nicht nachvollziehbar, wie man mit dem Geld einer städtischen Gesellschaft umgeht. Warum keine eigenständige Beschlussvorlage? Warum keine intensive Suche nach den steuerlich günstigsten Lösungen? Wozu diese Eile?

Im öffentlichen Teil erkundige ich mich nach der Rechtssicherheit der Beauftragung. Es handelt sich um eine freihändige Vergabe, ohne dass andere Unternehmen sich auf diese Leistung bewerben können. Der Schutz des Wettbewerbs ist ein hohes Gut. Deshalb muss man zwei Kriterien erfüllen, um frei vergeben zu können. DasKontrollkriterium ist erfüllt – GKSG ist 100% städtische Tochter. Zweiter Punkt ist das Wesentlichkeitskriterium. Bedeutet: Die GKSG muss im Wesentlichen für die Stadt tätig sein. Andere Einnahmequellen dürfen nur eine untergeordnete Bedeutung haben und sollten nicht über 10 Prozent liegen. Nun ist die GKSG glücklicherweise eine agile Gesellschaft mit weiteren Projekten wie etwa dem Lausitzfestival. Deshalb erkundige ich mich, warum es dazu keine Stellungnahme des Justiziariates in den Unterlagen gibt. Bürgermeister Wieler erklärt (ohne den Mitarbeiter des Justiziariates um Aufklärung zu bitten), dass alles seine Richtigkeit habe, auch das Wesentlichkeitskriterium werde durch GKSG erfüllt. Ich bitte ihn, dem Stadtrat in geeigneter Weise einen Nachweis zuzuarbeiten. Rechtssichere Vergaben sind gut für den ruhigen Schlaf.

Eine weitere Frage, die viele seit Monaten beschäftigt: Warum gab es aus allen städtischen Gesellschaften eine Stellungnahme zur Stadthallen-Betreibung, nur nicht vom Gerhart-Hauptmann-Theater? Dr. Wieler begründete im Januar: Das geht nicht. Beim GHT sind wir nur 30%-Gesellschafter. Deshalb dürfen wir die GmbH gar nicht beauftragen, uns etwas zuzuarbeiten. Ich möchte wissen, ob zumindest mit dem Landkreis und der Stadt Zittau über Möglichkeiten gesprochen wurde. Sie würden sich wahrscheinlich nicht am Stadthallenbetrieb finanziell beteiligen. Aber man kann einen Geschäftsbereich in einer GmbH abgrenzen. Was an Stadthallenkosten entsteht, zahlt die Stadt dann in Form eines erhöhten Zuschussanteils ans GHT. Das Theater ist die einzige Gesellschaft in unserer Stadt, die lange Erfahrung hat mit regelmäßigem Spielbetrieb, im Ticketing, sie verfügt über das technische und das Servicepersonal. Diese Synergieeffekte müssen doch genutzt werden. Bürgermeister Wieler erläutert, dass es Gespräche gab, aus denen keine solche Möglichkeit abgeleitet werden konnte. Zittau sehe das Projekt Stadthalle ohnehin kritisch. Außerdem befürchtet die Stadtverwaltung fehlende Einflussmöglichkeiten, weil man nur Minderheitsgesellschafter ist. (Leider konnte ich nicht nachfragen, warum man eine solche Frage nicht vertraglich regeln kann und ob man nicht ohnehin Partner für eine solch wertvolle Spielstätte braucht?) Der Bürgermeister bietet an, dass man in geeigneter Form die Protokolle einsehen könne. Das werde ich gern annehmen.

Bereits während meiner Fragen – Doppelarmeinsatz von AfD-Stadtrat Jeschke. Geschäftsordnungsantrag auf Ende der Debatte und Abstimmung. Neben CDU und AfD stimmen auch Teile meiner eigenen Fraktion dafür. (Da mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube: Das war enttäuschend. Es gab noch sehr viele inhaltliche Fragen, die durch diesen Maulkorb-Beschluss nicht gestellt werden konnten. In diesen Fragen ging es um Konstruktionen im Vertrag, die der Stadt möglicherweise unnötig viel Geld kosten. Es war schon spät und offenbar nicht gewollt, dass es eine eingehende Beschäftigung mit der Vorlage gibt. Vielleicht werden die Fragen noch an anderer Stelle gestellt.)

Der Beschluss wird mit großer Mehrheit gefasst. Es gibt acht Gegenstimmen und eine Enthaltung. Das ist die große Mehrheit im Stadtrat. Ob es eine solche Mehrheit auch bei den Bürgern dieser Stadt gibt, werden wir vielleicht bald wissen. Dem Team des Kulturservice wünsche ich bei aller generellen Skepsis viel Erfolg bei der neuen Aufgabe.

Etwas im Schatten der Stadthallendebatte fassen wir noch einen weiteren traurigen Beschluss: AfD und CDU stimmen gegen die Widmung der Strandpromenade am Berzdorfer See. Weil sie sich nicht sicher sind, ob das wirklich funktioniert mit den Parkautomaten und ohne K9. Um auf Nummer sicher zu gehen, soll die Straße also nicht gewidmet werden und es stattdessen einen Probebetrieb ohne die sympathischen Kassierer an der See-Einfahrt geben. Das könnte man alles ganz lässig hinnehmen. Wäre es nicht ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die in Deutsch Ossig nach sechs Jahren Warten auf Baurecht endlich mit ihren Projekten loslegen wollen. Das können sie nun für ein weiteres Jahr vergessen. Leider mit bösen Folgen: Die bislang günstige Förderkulisse (40% IHLE) endet 2020. Was danach kommt? Ist den Räten von AfD und CDU in diesem Fall egal. Wirtschaftsförderung, Investitionen und Arbeitsplätze sind in dieser Stadtratssitzung nur bei der Stadthalle ein Thema.

 

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog#6: 26.3.2020

Ganz ehrlich: Ich hatte zunächst kein Verständnis dafür, dass es überall Kontaktsperren gibt und wir uns zum Stadtrat versammeln sollen. Aber man lernt derzeit eine Menge. Unter anderem, dass es keinerlei Regelwerk geschweige denn Ausstattung gibt, um in solchen Fällen via Videokonferenz zu tagen. Und dass es eine blaugefärbte Fraktion gibt, die unbedingt tagen wollte und sich deshalb gegen ein schriftliches Umlaufverfahren ausgesprochen hatte. (Das ist recht simpel: Man gibt die notwendigen Beschlüsse in Umlauf und bis zu einem festgelegten Zeitpunkt wird schriftlich abgestimmt – per E-Mail zum Beispiel. Einer solchen Regelung müssen aber alle Räte zustimmen.). Zumindest gibt es eine Reduzierung von 38 auf 22 Räte. Somit sitzen nur 7 Leute aus unserer Bündnisfraktion in der Sporthalle an der Jägerkaserne, in die die Sitzung verlegt wurde. Ich habe mich im Vorfeld mit Motor-Kollege Andreas Kolley zu allen Punkten abgestimmt, so dass wir ein Tandem im Geiste bildeten.

Zunächst gibt es Informationen des OB. Er verliest eine Erklärung der Stadträte zu Corona. Zwei Kernbotschaften: DANKE! Und: BLEIBT ZUHAUSE! Die medizinische Situation in der Stadt ist relativ stabil. Stand Donnerstag gibt es sieben Corona-Fälle, davon sind zwei wieder geheilt. Schwierig sind die Folgen der Pandemie: Durch die Grenzschließung Polens für Pendler steht das Gesundheitssystem vor Herausforderungen. Der OB ist im engen Kontakt mit den beiden Krankenhäusern in Görlitz. Über die EGZ gibt es Unterstützung beim Suchen von Wohnraum für betroffene Mitarbeiter, die vor Ort bleiben wollen. Es ist wohl aber weniger ein Unterkunftsproblem. Es geht um die Familien. Wer will sich schon freiwillig auf unabsehbare Zeit trennen. Ein Problem, das keine Stadtverwaltung lösen kann.

Es folgen die Beschlussfassungen:

Ein ÖPNV-Notfahrplan der GVB wird bestätigt. Gültig ab 30. März. Es wird jetzt gefahren wie am Wochenende. Mit halbstündiger Taktung in Richtung Carolus und Klinikum. Die neuen Fahrpläne sind bald auf der Seite der GVB zu finden. Hut ab vor den Jungs und Mädels, was die derzeit alles leisten. Habt also Geduld, falls nicht alle Infos immer sofort in Schönschrift auf der Webseite sind. https://www.goerlitztakt.de/de/

Es wird anschließend eine Summe von 100.000 Euro für das Städtische Klinikum beschlossen. Vorsorglich soll sich das Krankenhaus mit weiteren Beatmungsgeräten ausstatten. Nachdem dies bereits in der Öffentlichkeit bekannt war, „zaubert“ die AfD einen eigenen Antrag aus dem Hut. 200.000 Euro soll es fürs Klinikum geben. Durchsichtig und unnötig: Die 100.000 Euro sind gut durchdacht und mit der Leitung des Klinikums abgestimmt. Das heißt nicht, dass es im Notfall nicht mehr Geld gibt. Das kann der OB ohne den Stadtrat verfügen. Insofern wird dem Antrag der AfD nicht gefolgt. Es braucht derzeit Vertrauen und keine Alleingänge der Schlagzeile wegen.

Passend dazu der nächste Antrag. „Überlebenshilfe für Selbständige in Görlitz“. Eingebracht von der AfD. Inhalt: Alle Unternehmer und Selbständige mit mindestens einem Mitarbeiter und Sitz in Görlitz sollen 1.000 Euro Soforthilfe bekommen. Klingt gut? Klar. Jeder Euro hilft. Aber denken wir mal in Ruhe nach: Wie viele Unternehmen betrifft das? Keine Antwort von der AfD. Damit ist auch die Gesamthöhe unklar. Sie würde aber bei deutlich über einer Million liegen. Was bewirken 1.000 Euro? Schwer zu sagen – aber vermutlich retten sie im Ernstfall kein einziges Unternehmen. Wer soll das Geld auszahlen und auf welcher Grundlage? Mal ganz ernsthaft: Was die AfD hier eingebracht hat, ist an Schlampigkeit nicht zu überbieten. Keinerlei Tiefe, keinerlei Zielgenauigkeit, keine durchdachten Regularien (nicht mal eine Begrenzung der Firmengröße nach oben gibt es). Ein Trauerspiel auch die Wortbeiträge. Da behauptet Fraktionschef Jankus, dass die Stadt davon profitiert, wenn Arbeitsplätze erhalten werden, weil sie dann die Einkommensteuer erhält. Richtig ist: Jeder Arbeitsplatz, der erhalten werden kann, ist wichtig. Aber die Einkommensteuer ist wie die Lohnsteuer eben keine kommunale Steuer. Sie fließt nur anteilig (zu etwa 15%) in die Stadtkasse. Oder der wie immer sehr rauflustige Stadtrat Koschinka: Er verhebt sich zu einer bemerkenswerten Aussage. Demnach sei der AfD-Vorschlag auf die Unterstützung der ganz kleinen Betriebe und Selbständigen ausgerichtet. Denn der Mittelstand brauche eine solche Hilfe nicht, der hole sich die Verluste nach Corona wieder rein, weil er doppelt so viel verkauft, sagt Koschinka sinngemäß. Aha. Seine reißerischen Auftritte mögen in einer normalen Situation unterhaltsam sein – in Krisenzeiten lassen sie sehr tief blicken. Herr Koschinka ist im Hauptberuf Richter am Landgericht Görlitz und das findet er aktuell beruhigend, wie er uns gestern ungefragt mitteilt. „Ich werde vermutlich wegen der Krise nicht am Hungertuch nagen.“ Der Antrag wird von allen außer der AfD abgelehnt. Klare Kante gegen Populisten.

Der OB verweist in dem Zusammenhang darauf, was für unabschätzbare Kosten in der nächsten Zeit auf den Stadthaushalt zukommen. Das sind zum einen die Corona-bedingten Ausfälle. Niemand weiß aktuell, welche Verluste die städtischen Unternehmen erleiden, die ausgeglichen werden müssen. Wie viel zusätzliches Geld es braucht, um Einrichtungen wie Schwimmhalle, Tierpark, Musikschule u.a. zu stützen. Unklar ist zudem, in welcher Höhe wir Steuerausfälle haben werden. Klar ist auf der anderen Seite schon jetzt ein ungeheurer Investitionsbedarf in den nächsten zehn Jahren. Bürgermeister Wieler spricht von 60 Millionen für die Schulen und rund 25-30 Millionen für den Nahverkehr. Da haben wir enorme Herausforderungen vor der Brust.

Umso überraschter bin ich, dass weiterhin ohne jegliches Innehalten an den Planungen für die Stadthalle festgehalten wird. Wir beraten zwar nur eine kleinere Vergabe, eine sogenannte Vorplanung. Aber auch die kostet eine sechsstellige Summe. Wird der Freistaat wirklich in der Lage sein, nach Corona die Förderzusage zu halten und 18 Millionen für die Sanierung zu zahlen (die vom Bund zu gleicher Höhe aufgestockt werden sollen)? Ich habe meine Zweifel, genau wie mein Motor-Freund Andreas Kolley. Auch wenn es am Tag der Stadtratssitzung ein Telefonat des Rathauses mit Dresden gab, an dem u.a. MP Kretschmer teilnahm und in dem die Mittel weiterhin als gesichert bezeichnet wurden. Die Situation ändert sich täglich. Niemand weiß, wie lange die Krise dauert und niemand kann jetzt sagen, welche finanziellen Mittel nötig sind, um die Schäden zu beseitigen. Aufgrund dieser Unwägbarkeiten habe ich mich der Stimme enthalten. Es geht nicht darum, eine Stadthalle zu verhindern. Aber gerade jetzt braucht es einen kühlen Kopf und möglichst belastbare Aussagen zur Finanzierung der Sanierung sowie der späteren Betreibung. Angesichts von Corona und deren Folgen sowie der für die Zukunft prognostizierten angespannten Finanzlage halten Andreas Kolley und ich es für ausgeschlossen, dass die Stadt diese Einrichtung allein schultern kann.

Sehr viel wurde in den letzten Wochen zur Sanierung der Schulen in Königshufen geschrieben. Das Thema ist nun in trockenen Tüchern. Wir haben die entsprechenden Beschlüsse gefasst. Die temporäre Auslagerung ins Gebäude der DPFA-Schule in Weinhübel kann starten. Der Transport durch ein Verkehrsunternehmen ist ebenfalls beauftragt. Alles weitere hängt vom Verlauf der Krise ab. Positiv: Die Stadt konnte eine zusätzliche Etage in Weinhübel mieten. Damit gibt es mehr Platz, Hort und Schule müssen sich keine Räume teilen. Der Mietpreis ist vergleichsweise günstig. Hoffen wir, dass jetzt alles zügig und geschmeidig funktioniert und die Kommunikation zwischen Eltern, Schule und Rathaus gut klappt.

Die weiteren Vorlagen sind nichtöffentlich. Deshalb darf ich an dieser Stelle nichts darüber schreiben.

Das Foto stammt von der Stadtverwaltung Görlitz.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog#5: 27.2.2020

Vor der Sitzung des Stadtrates versammeln sich knapp 70 Menschen zu einer Mahnwache. Für Mitmenschlichkeit, gegen Rassismus. Ein Zeichen nach Hanau. Die AfD-Stadträte huschen rasch ins Rathaus. Danke an die Organisator*innen und alle, die dabei gewesen sind.

Eine zweite Gruppe formiert sich. Eltern und Kinder aus Görlitzer Schulen, die saniert werden. Vor allem in Königshufen fühlen sie sich schlecht informiert. Die Kinder aus der Grundschule sollen bereits in den Osterferien in das DPFA-Gebäude auf der Friedrich-Engels-Straße in Weinhübel „ausgelagert“ werden. Es ist ihr gutes Recht, darauf aufmerksam zu machen. In der Ratssitzung sind sie präsent, stellen ihre Fragen, bleiben fair. Vorbildlich. Ein Elternvertreter bringt die Kritik auf den Punkt: Er sieht eine zu späte Einbeziehung der Eltern. Damit wurde für ihn eine große Chance verpasst. Hätte man von Beginn an die Eltern mitgenommen, gäbe es wohl keine Proteste, sondern eine große Hilfsbereitschaft bei der Suche nach Lösungen. Hinterher ist man immer klüger. Bürgermeister Michael Wieler nimmt das Kommunikationsdilemma auf seine Kappe. (Kurzer Rückblick: Ursprünglich sollte die Grundschule Königshufen im laufenden Betrieb saniert werden. Da die Ausschreibung für diese Leistung exorbitante Preise erbrachte, musste sie zurückgezogen werden. Neuer Plan: Die Schule wird ausgelagert und „leer“ saniert.) Nach der gescheiterten Ausschreibung wollte Wieler zunächst alle Möglichkeiten ausloten, bevor er die Schulen informiert. Nach Darstellung des Bürgermeisters stand auch der Leiter der Grundschule Königshufen hinter diesem Plan. Somit gab es erst am 20. Januar ein Treffen mit den Eltern, die aber bereits Wochen vorher von den Plänen aus der Presse erfahren hatten.

Wer arbeitet, macht Fehler. Die Sorgen von Eltern wegen einer Schulsanierung und der damit zusammenhängenden Fragen wie Schulweg, Sicherheit im neuen Gebäude etc. eignen sich nicht für politische Profilierung. Das sieht Gerd Weise (CDU) offensichtlich anders. Er geht die Stadtverwaltung hart an und verlangt eine Sondersitzung gemeinsam mit Eltern und Stadträten. (Was soll das bringen?) Weil die Eltern aus Königshufen sich nicht in der Turnhalle treffen konnten, sondern ins NOSTROMO ausweichen mussten, fragt Weise: „Wer übernimmt die Verantwortung dafür, dass sich die Eltern in einem DUNKLEN DISKOLOCH treffen mussten?“ (Die Antwort: Ein Antrag auf Turnhallennutzung muss von der Schulleitung kommen, den gab es aber nicht.) Ich empfinde das als Entgleisung und Beleidigung der vielen ehrenamtlich tätigen Leute vom Schall und Rauch e.V., die diese Location für die junge Generation anbieten. Ich hoffe auf eine gute Lösung im Sinne der Schülerinnen und Schüler. Am kommenden Dienstag gibt es eine weitere Runde der Eltern und der Verwaltung. Diesmal nicht im „dunklen Diskoloch“, sondern in der Turnhalle Königshufen.

Beschlüsse werden auch gefasst: Wir vergeben zwei Aufträge. Einmal für den Ausbau der Bahnhofstraße. Zum anderen für die Erschließung des zukünftigen Gewerbegebietes Schlauroth. Sehr erfreulich ist zudem der Beschluss zum Ersatzneubau für die Kita „Südstadtmäuse“. Statt bislang 72 wird es zukünftig 120 Plätze geben (40 Krippen- und 80 Kindergartenplätze). Bis zur Fertigstellung des Ersatzneubaus wird die Betriebserlaubnis für das alte Gebäude bis Ende 2022 verlängert.

Die CDU hat zwei Vorlagen eingebracht. In der ersten geht es um einen Auftrag an den OB. Er soll prüfen, ob wir in Görlitz ein Experimentierhaus wie IQLANDIA in Liberec oder TECHNORAMA Winterthur hinbekommen. Hashtag Fördermittel, Hashtag Strukturwandel. Große Zustimmung für den Antrag nach kurzer Diskussion. Kann man mal prüfen, denke ich, auch wenn ich wenig Aussicht auf Erfolg sehe. Wer sich eingehender mit solchen Einrichtungen beschäftigt, weiß um die nötigen Investitionen und die späteren Kosten für den Betrieb. Aber vielleicht hat die CDU eine Ölquelle entdeckt. Oder eine alternative Idee für die Nutzung der Stadthalle.

Spaß. Hat sie nicht. Denn in einem zweiten Antrag schlägt CDU-Stadtrat Thomas Leder vor, den Abschnitt vom Parkhotel bis zur Stadthalle in Bolko-von-Hochberg-Straße umzubenennen. (Böse Zungen unterstellen Leder, er würde eine monothematische Politik betreiben). Bolko von Hochberg gehörte zu den wichtigsten Förderern des Schlesischen Musikfestes und somit der Stadthalle. Mich irritiert, dass wir uns im Stadtrat mit Symbolen wie Straßennamen beschäftigen, während wir noch keinen Schimmer davon haben, wie wir die Halle so betreiben wollen, dass sie nicht die gesamte Stadtgesellschaft finanziell lähmt. Enthaltung als Zeichen guten Willens. Der Stadtrat stimmt mit großer Mehrheit zu.

Auch die AfD reicht einen Antrag ein. Da geht es um Parkplätze eines Hotels an der Elisabethstraße, für die wohl keine Abgaben bezahlt wurden. Die Verwaltung hat das Thema in Angriff genommen, nachdem sie ihren Fehler erkannt hat. Eines Beschlusses bedarf es also nicht mehr. Deshalb wird der Antrag auch abgelehnt. Ich finde es generell gut, wenn Stadträte wachsam sind. Überzogen ist es für mich indes, wenn Anzeige gegen Unbekannt erstattet wird. (Unbekannt ist in diesem Zusammenhang einzugrenzen auf einen nicht benannten Verantwortlichen aus der Stadtverwaltung.) Wer Angst haben muss, wegen eines Fehlers vor den Kadi zu kommen, wird Dienst nach Vorschrift schieben und keinerlei Entscheidungsspielraum mehr ausüben. Das wäre verheerend. Darüber darf die Law&Order-Fraktion gern nachdenken.

Zum Abschluss möchte ich dem Oberbürgermeister ein Kompliment machen. Seine unaufgeregte, moderierende Sitzungsleitung ist sehr angenehm und deeskalierend. Seine Orientierung auf Lösungen unterscheidet sich erkennbar zu jenen, die Argumente auftürmen, um zu erklären, warum etwas nicht funktioniert. Octavian Ursu ist ein Gewinn und verdient unsere Unterstützung.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog#4: 30.1.2020

Erste Sitzung im neuen Jahrzehnt. Auf meinem Platz begrüßt mich ein Magazin „Für Liebhaber und Entdecker“. Die neue Görlitz-Illustrierte der Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH. Mir macht das Durchblättern Lust – den Besuchern unserer Stadt wird das Magazin ein guter Begleiter sein.

Beschenkt werden wir auch von der Fraktion Die Linke. Sie zieht einen Antrag zurück, mit dem eine Auswahl von Ehrenamtlichen kostenlos die Nutzung des Nahverkehrs ermöglicht werden sollte. Jetzt geht das Papier in die Ausschüsse. Das ist klug. Wir brauchen ein Gesamtpaket zur Förderung des Ehrenamtes.

Dann Bürgerfragestunde. Elternsprecherinnen und Lehrerinnen aus Königshufen sind da. Vom Förderschulzentrum Miras Lobe wird gefragt, ob ihre Kinder nicht die höchste Priorität genießen. Hintergrund: Während die benachbarte Grundschule komplett saniert wird, werden bei Mira Lobe „nur“ die Brandschutzmaßnahmen durchgeführt. Die Grundschul-Muttis wiederum werben dafür, die Auslagerung erst im Sommer durchzuführen und nicht innerhalb weniger Tage über die Osterferien. Und früher und besser informiert wollen sie werden. Geduldig erklären OB Ursu und Bürgermeister Wieler die Situation und die Zwänge, in denen die Verwaltung steckt. Es hat vor allem mit fehlendem Geld zu tun. Deshalb wird es auch nichts mit dem Abriss und Neubau der beiden Schulen am Windmühlenweg, wie von einer Mutter vorgeschlagen. Unklar bleibt nach den Fragen: Steht bereits im nächsten Schuljahr die bisherige Waldorfschule auf der Konsulstraße zur Verfügung, weil diese aufs Bahnhofsgelände zieht? Das jedenfalls wollen die Eltern erfahren haben und möchten nun diese Schule als Ausweichquartier, während bei ihnen saniert wird. Bürgermeister Wieler meint, dass er es für ausgeschlossen hält, dass die Waldorfschule bereits im Sommer auszieht. Es klingt noch nicht nach Wissen. Die Stadt bleibt vorerst bei ihrem Plan, die Schule an der Landheimstraße wieder fit zu machen. Da gibt’s aber keine Fördermittel. Die 1,5 Millionen Euro müssen wir allein finanzieren.

Mein Freund Kurt wirbt für Hinweisschilder an der Neiße. „Brot tötet“ könnte darauf stehen. Damit die Leute lernen, dass Backwaren keine Entennahrung sind. Der OB will prüfen, glaubt aber nicht, dass man gegen alles Schilder aufstellen kann, die eigentlich bekannt sein müssten. Stimmt auch wieder.

In der Fragestunde für Stadträte wird allerlei gefragt. Von mir auch. Ich hatte in einer Facebook-Diskussion angeboten, die Spekulationen um das ehemalige Kondensatorenwerk durch Fakten zu ersetzen. Es geht darum, ob es Denkmalauflagen für den bisherigen Besitzer gab und ob er sie erfüllt hat. Spekuliert wurde, er habe das Areal verfallen lassen und kassiere jetzt kräftig. Bürgermeister Wieler sagt, dass es keine Auflagen gab, wie sie bei Bauvorhaben üblich sind, da ja nicht gebaut wurde. Nach seiner Kenntnis wurden aber alle Maßnahmen, die der Sicherung des Denkmals dienen, erfüllt. Interessante Randnotiz: Als sich andere Stadträte danach erkundigen, wie denn die Denkmalschutzauflagen für den neuen Besitzer wären, bekommen wir zu hören, dass wir als Stadt darauf wenig Einfluss haben, weil der Freistaat Bauherr sei. Klingt für mich nach verschiedenen Rechtemaßstäben. Da es die nicht geben darf, hat sich der Bürgermeister sicherlich nur versprochen.

Dann Beschlussfassung.

Änderung der Ehrungssatzung: Bislang konnte man für den Meridian des Ehrenamtes nur Leute vorschlagen, die sich „organisiert“ ehrenamtlich betätigen. Also Mitglied in Vereinen, Verbänden, etc. sind. Damit schließt man aber private Initiativen aus. Ich nenne nur mal beispielhaft Spendenfee Anne und das Projekt „Görlitz Insider“ von Conny Kahle. Das ist nun geheilt. Ab 2020 können alle Personen und Gruppen vorgeschlagen werden, die ehrenamtlich einen wertvollen Beitrag für die Stadtgesellschaft leisten. Selbstverständlich können auch weiterhin Leute aus Vereinen vorgeschlagen werden. Die Tür ist jetzt nur weiter auf.

Die Linke möchte, dass Görlitz einen Städteappell unterzeichnet der „Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen“. Gute Sache. Der OB will aber nicht. Er hat sein Rechtsamt beauftragt, einen Paragrafen zu finden, warum sich der Stadtrat mit dem Thema nicht beschäftigen darf. Wer sucht, der findet: Der Stadtrat darf sich nur mit kommunalen Dingen beschäftigen. An der Neiße stehen keine Atomsprengköpfe. Also kein Thema für uns. Unsere Bündnisfraktion bedauert diese formale Beschäftigung mit dem Thema. Die Juristen in 80 Städten und Landkreisen Deutschlands haben übrigens eine andere Auffassung oder wurden von ihren Stadtoberhäuptern vernünftigerweise nicht einbezogen. Unsere Partnerstadt Wiesbaden hat als zweite deutsche Stadt den Appell bereits vor rund einem Jahr unterzeichnet. Der Beschluss in Görlitz fällt durch – da der OB ihn ohnehin „kassiert“ hätte, enthält sich unsere Fraktion.

Überraschung dann bei der Vorlage zu mehr Parkraum in der Altstadt: Nach einigem hin und her in der Diskussion, schlägt der OB einen Kompromiss vor, der mit großer Mehrheit angenommen wird. Die Verwaltung prüft jetzt, ob und wie eine Parkgarage im Innenhof der Jägerkaserne realisiert werden kann. Das würde zusätzliche Parkmöglichkeiten für Besucher der Altstadt bringen. Vorteil: Wir vermeiden den unsinnigen Sucherverkehr durch die City. Die von Norden kommenden Autos können direkt am Eingang zur Altstadt einchecken. Die weiteren zur Prüfung vorgesehenen Standorte Teichstraße/Bautzener Straße und Elisabethplatz sind erstmal runtergenommen worden. Auch weil Teile des Stadtrats wissen wollen, wie sich die neuerlichen Pläne für eine Tiefgarage am Wilhelmsplatz einordnen. Die Bündnisfraktion hat in den letzten Monaten mantraartig für ein modernes Mobilitäts- und Verkehrskonzept geworben, bevor man Einzelmaßnahmen umsetzt. Das sehen OB und Stadtrat jetzt ebenso. Und so bereitet die Verwaltung bis zum Sommer einen Plan vor, wie man gemeinsam mit der Bürgerschaft ein solches Konzept erarbeiten kann. Das ist ein wichtiger Schritt.

Verkaufsoffene Sonntage. Der Stadtrat beschließt, wann in den nächsten vier Jahren sonntags dem Konsum gefrönt werden darf. Ich finde den Nikolaustag 2020 deplatziert. Die große Mehrheit sieht das anders. Ich kann damit leben und stelle meine persönliche Haltung hinter die Wünsche der Händler. Mit Interesse verfolge ich die in Teilen von Empathie befreite Debatte. Der Familienbeauftragte fragt, wie die Kinderbetreuung für die Beschäftigten am Sonntag organisiert werde. Antwort vom AfD-Fraktionschef Jankus: „Die sollen sich kümmern!“ Wenigstens verstellt er sich nicht. Große Mehrheit am Ende. Nicht für die soziale Kälte. Für den Einzelhandel. Ich stimme auch zu. Werde trotzdem sonntags nicht shoppen.

Zukünftige Betreibung der Stadthalle. Das Thema hat selbst den SZ-Lokalleiter Sebastian Beutler ins Rathaus gelockt. Er wurde hier schon lange nicht gesehen. Die Angelegenheit Stadthalle ist ein eigenes Thema. Deshalb hier nur zur Sache, die es zu beschließen gilt: Beauftragung der Kulturservicegesellschaft mit der Betreibung der Halle. Noch kurz vor der letzten Kommunalwahl vom alten Stadtrat durch einen Grundsatzbeschluss vorbereitet. Um den Prozess nicht zu verzögern. Ich frage nach, warum es dann trotzdem ein halbes Jahr gedauert hat von der schriftlichen Stellungnahme der städtischen Gesellschaften (lagen alle Ende Juni 2019 vor) bis zur Vorlage im Stadtrat im Januar 2020. Der Bürgermeister erläutert ausführlich, scheint aber meine Frage nicht verstehen zu wollen. Kollege Gleisberg von der CDU sekundiert und wundert sich mit mir, wie man mit so vielen Worten eine Frage nicht beantworten kann. Aber alles nicht kriegsentscheidend. Das kommt erst im April: Dann legt der Kulturservice einen Plan vor, wie die Betriebsgesellschaft arbeiten soll und was das bis zur Wiedereröffnung kostet. Wenn wir daraufhin den Kulturservice beauftragen, schreibt die Gesellschaft ein Betriebskonzept bis zum dritten Quartal 2020. Dann haben wir endlich realistischen Zahlen, was uns der Zuschuss jährlich kostet. Erst dann kann man gemeinsam mit der Bürgerschaft darüber debattieren, ob und wie Görlitz sich den Betrieb der Halle leisten kann, ohne dass dadurch wichtige Leistungen wegfallen. Ich bin sehr gespannt und hoffe auf frischen Wind vom patenten Team des Kulturservice. Das bisherige Verfahren rund um die Stadthalle hat mich bislang nicht überzeugt. Es wird mehr brauchen als den auch gestern wieder vielfach zitierten Mut. Ich glaube es heißt Verantwortungsbewusstsein. Genau aus dieser Verantwortung heraus hat die Bündnisfraktion einen Änderungsantrag gestellt. Der Kulturservice ist noch nicht formal beauftragt, sondern soll zunächst die Planung inklusive Zahlen vorlegen. Auf der Grundlage folgt dann die Entscheidung, ob der Kulturservice die Betreibung übernimmt.

Kritik vom Biosystem: Eine Sitzung von vier Stunden Dauer ohne Pause ist Unfug, ungesund und unproduktiv. Keine Ahnung, warum der Ältestenrat regelmäßig beschließt, keine Pause einzuplanen. Vielleicht sind die alle auf Diät. Mahlzeit.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog#3: 19.12.2019

Letzte Sitzung im Jahr 2019. Alles ist schon auf Weihnachten eingestellt. Die Leute aus der Verwaltung haben Tannengrün ausgelegt. Es gibt einen kleinen Stollen vom Jesus-Bäcker. Und Görlitz-Pins. An dieser Stelle ein herzlicher Dank an das Stadtratsbüro im Rathaus für die gute Zusammenarbeit und die Hilfsbereitschaft.

Die Sitzung beginnt mit einigen Infos und Vorträgen. Die Geschäftsführerin des Städtischen Klinikums Ulrike Holtzsch informiert über die Notarztversorgung in Görlitz. Da diese in der Stadt nicht mehr lückenlos gewährleistet ist, will das Klinikum unterstützen. Jungen Ärzten soll die Weiterbildung zum Notarzt finanziert werden, damit ein Notarzt-Pool gebildet werden kann. Gespräche mit den Krankenkassen laufen. Gut, dass wir unser Klinikum haben, kann ich immer wieder nur sagen. (Radio Lausitz berichtet bereits darüber)

Besonders spannend ist die Vorstellung des geplanten Innovations-Campus auf dem Siemens-Gelände. Christoph Scholze (Innovations-Manager bei Siemens) präsentiert eine positive Vision der Zukunft. Der Inno-Campus wird uns im Strukturwandel helfen. Start-Ups und bestehende Unternehmen können sich andocken, zukunftsfähige Produkte entwickeln oder neue Geschäftsfelder aufbauen. Drei Themen stehen im Fokus: Dekarbonisierung, Wasserstoff-Kompetenzzentrum sowie Digitalisierung und Technologien. Siemens holt dafür viel Grips an die Neiße: Fraunhofer Institut, TU Dresden, Hochschule Zittau/Görlitz und die Handelshochschule Leipzig sind mit am Start. Zu erwarten sind auch regionale Zukunfts-Lösungen, wie z.B. Mobilitätshilfen für den ländlichen Raum. Da darf man echt gespannt sein.

Wieder sehr aktiv genutzt wird die Fragestunde für Einwohner. Zu Gast sind zahlreiche Vertreter aus Schulen, die sich wegen der bevorstehenden Brandschutzsanierungen Sorgen machen. Zu Wort kommen Eltern und Schulleiter des Förderschulzentrums Mira Lobe und der Oberschule Innenstadt. Problem Nummer 1: Wohin sollen die Schulen während der Sanierung „ausquartiert“ werden? OB Ursu und Bürgermeister Wieler sagen, dass eine Lösung gesucht wird, um für die nächsten sieben bis zehn Jahre gewappnet zu sein. Im Blick ist u.a. die leerstehende Schule auf der Erich-Weinert-Straße in Weinhübel. Ob sie als Ausweichstandort ertüchtigt werden kann, ist aber auch eine Frage des Geldes, da es hierfür keine Fördermittel gibt. Ich finde gut, wie sachlich Eltern und Schulvertreter argumentieren. Aber auch die lösungsorientierte Kommunikation der Verwaltung stimmt mich hoffnungsfroh.

Mit besonderer Spannung wurde die Debatte und Beschlussfassung zum Thema „Parkplätze in der Innenstadt und Altstadt“ erwartet. Doch dazu kommt es gar nicht. Die AfD erklärt zu Beginn der Sitzung, dass sie sich nicht vorbereiten konnte. Grund: Die Änderungswünsche anderer Fraktionen seien zu spät eingearbeitet worden und in den Unterlagen fehle eine wichtige Grafik. Das ist schon ärgerlich: Ein Thema wird vorab in verschiedenen Ausschüssen beraten. So im Wirtschaftsausschuss am 5.12. und am 11.12. im Technischen Ausschuss (allein im TA sitzen vier Vertreter der Afd). Es muss doch möglich sein, die anderen Kollegen in der Fraktion zu informieren. OB Ursu ist aber in weihnachtlicher Konsensstimmung. Obwohl alle anderen Fraktionen sich in der Lage sehen, das Thema zu behandeln, nimmt er es von der Tagesordnung. Nun hat die AfD Zeit bis Januar, ihre Hausaufgaben zu machen. Die anderen Vorlagen werden zügig beschlossen, dank guter Vorarbeit der Ausschüsse.

Zum Ende der Sitzung wird es nochmal spannend: Liegen bei Andreas Kolley (Motor) und Gerd Weise (CDU) durch ihre berufliche Tätigkeit in städtischen Gesellschaften Hinderungsgründe vor, so dass sie dem Stadtrat nicht angehören dürfen? Nein, sagt die große Mehrheit. (Hintergrund: https://www.motor-goerlitz.de/news/detail/67-Andreas-Kolley-bleibt-Stadtrat) Ich freue mich sehr, dass es zu dieser klaren Entscheidung gekommen ist und keine Fraktion versucht, daraus politisch Kapital zu schlagen. Das hätte dem Gremium und den beiden Stadträten geschadet.

Jetzt geht es in die Pause. Ab 6. Januar tagen wieder die Ausschüsse.

Ich möchte mich bedanken: Bei den Kolleginnen und Kollegen der Bündnisfraktion aus Bürger für Görlitz, Bündnis90/Grüne, SPD und Motor Görlitz für das produktive Miteinander und das Aushalten von verschiedenen Meinungen. Bei den Stadträten aller Fraktionen für den (fast) durchgängig fairen und respektvollen Umgang. Und bei der Verwaltung für die nimmermüde Unterstützung, Beantwortung von Fragen und den erkennbaren Willen, miteinander Gutes für unser Görlitz zu tun. Allen frohe Weihnacht und ein erfolgreiches und gesundes Jahr 2020.

(Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog #2: 28.11.2019

Nachdem wir in den ersten drei Sitzungen wie in der Schule gehockt haben, sitzen wir nun zum zweiten Mal im Caré. Mir gefällt das. Ist konstruktiver, wenn man sich in die Augen schaut. Die AfD sieht das ganz anders. Bei der Premiere Anfang November fürchtete die blaue Allzweckwaffe Jens Jäschke um sein Leben, da ihm der Gang als Fluchtweg zu schmal erscheint. Er sitzt übrigens sehr nah an der Tür, im Gegensatz zum Oberbürgermeister. Gestern stampfte AfD-Mann Koschinka mit den Füßen auf. Er beschwerte sich beim OB, dass er neben den Linken sitzen muss (stimmt nicht, sein Kollege Mochner ist menschliches Schutzschild zu Mirko Schulze). Diese Nachbarschaft bereitet ihm offenkundig derartige seelische Probleme, dass er beantragte, die Linken sollten sich umsetzen. Grund: Die Linken geben ihm nicht die Hand und ignorieren ihn. Mimimi… Wie in der Schule. Grundschule. 2. Klasse. Herr Koschinka ist im Hauptberuf übrigens Richter an der Strafkammer.

In diesem Stil gings gestern munter weiter. Thomas Leder, monothematischer Stadtrat der CDU, mischte sich überraschend in einer Debatte zu Wort, die nichts mit der Stadthalle zu tun hatte. Es ging um die Widmung der neugebauten Zuführung zum Berzdorfer See, die den schönen Namen „Straße zum Nordstrand“ trägt. Wurde mit Fördermitteln gebaut. Jetzt ist sie eine ganze Weile schon fertig und muss als öffentliche Straße „gewidmet“ werden. Das ist nicht nur wegen der Einhaltung von Fördermittel-Regeln wichtig, es gibt auch einem privaten Investor am Nordstrand Planungssicherheit. Er kann loslegen. Thomas Leder, der dem Stadtrat gefühlt schon immer angehört, wollte dieses recht einfache Thema mit dem Parkraumkonzept an der Strandpromenade vermengen. (Die AfD hatte auch ihre Probleme, die zwei Sachen auseinanderzuhalten.) Leder jedenfalls wollte von Bürgermeister Wieler eine Zusicherung, dass nach Aufstellen von Parkautomaten an der Strandpromenade immer und überall 100% Sicherheit herrscht, damit z.B. Rettungsfahrzeuge durchkommen. Nur mal so für den Hinterkopf: Dieses Thema wurde lang und breit in drei Sitzungen des Technischen Ausschusses beackert. Thomas Leder ist Mitglied dieses Ausschusses. Kein Wunder also, dass der zuständige Bürgermeister Wieler aus dem Sattel geht. Hat er doch im Technischen Ausschuss bereits alles dazu erklärt. Seine Antwort an Herrn Leder war entsprechend zugespitzt, der Wortzug entgleiste aber nicht. Trotzdem: Kollege Leder wurde bockig und wollte den Oberbürgermeister dazu bewegen, dass er den neben ihm sitzenden Bürgermeister Wieler anzählt. Das wurde ihm verwehrt. Zur „Strafe“ stimmte Leder gegen die Vorlage. Dieser Stadtrat könnte die eine oder andere Grundschullehrerin als Deeskalationsfachkraft gebrauchen.

Ich selbst durfte erstmals einen Antrag einbringen: Gründung eines Jugendbeirats. Unsere Bündnisfraktion (so heißt die bunte Truppe, die aus Bürger für Görlitz, Grüne, Motor und SPD besteht) will die Jugend als Berater im Stadtrat haben. Über die genaue Ausgestaltung sollte gar nicht abgestimmt werden. Es ging um einen Grundsatzbeschluss, mit dem man den OB in die Spur schickt, um alles vorzubereiten für diesen Jugendbeirat. Mann, was für eine Aufregung im Vorfeld bei mir. Erstmals eine Rede im Stadtrat. Lief ganz gut, bis mich der OB plötzlich unterbrach. Ich solle keinen Vortrag halten, sondern den Antrag kurz begründen. Wieder was gelernt. Muss dann mal nachschauen, wo das wieder steht. Ich bin aber optimistisch, bis zum Ende der Legislaturperiode 2024 alle Regeln zu kennen. Unser Antrag wurde übrigens von CDU und AfD zurück in die Ausschüsse verwiesen. Sie haben noch Abstimmungsbedarf. Vielleicht waren sie auch nur bissel angesäuert, weil das Thema von uns kam. Wenn man so im Stadtrat arbeitet, wird sich freilich nicht viel bewegen.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog #1: 7.11.2019

Die ersten drei Sitzungen nach der Kommunalwahl haben die meisten „neuen“ Stadträte genutzt, um sich erstmal einzuleben. Ging mir genauso. Jetzt ist die Scheu vorüber und ich fühle mich in der Lage, meinen ganz persönlichen Senf dazuzugeben. Hier also Folge 1 des Stadtrats-Blogs.

Mit neuer Sitzordnung startet der Stadtrat am 7. November. Nicht mehr wie in der Schule hintereinander, sondern im Carré. Sehr angenehm, lobt Motor-Stadtrat Andreas Kolley den Oberbürgermeister Octavian Ursu: „Man kann sich so viel besser in die Augen schauen.“ Hierarchisch geprägte Zeitgenossen, die ohne Oben und Unten, Vorn und Hinten ihre Orientierung verlieren, melden direkt Bedenken an.  AfD-Mann Jens Jäschke fürchtet gar um Leib und Leben und möchte die Breite der Fluchtwege wissen. Motor bleibt dabei: Wir unterstützen diese offene Form der Zusammenarbeit. Verbessern kann man noch einiges, aber der Weg ist richtig.

Die Sitzung selbst wird durch einen Wahlmarathon dominiert. Über 20 Gremien wollen besetzt werden. Aufsichtsräte, Gesellschaftsversammlungen, Zweckverbände. Die Bündnisfraktion, zu der Motor Görlitz gehört, hatte sich im Vorfeld mit CDU und Linken abgestimmt, welche Personen für diese wichtigen Aufgaben die Besten wären. Fast alle gemeinsamen Kandidatinnen und Kandidaten werden gewählt.

Die neu eingerichtete halbe Stunde für Bürgerfragen wird diesmal noch nicht komplett ausgeschöpft. Für Motor Görlitz bleibt es weiterhin unglücklich, die Bürgerfragestunde zu Beginn der Tagesordnung aufzurufen, wo im Normalfall die Görlitzer noch arbeiten, die Kinder abholen oder ihre Einkäufe erledigen. In der Fragestunde für Stadträte werden von der Bündnisfraktion einige spannende Punkte angesprochen, teilweise auf Anregung von Bürgern:

Frage von Motoristin und Bündnisgrüne-Stadträtin Jana Krauß: Im Rahmen des Strukturstärkungsgesetzes vergibt Sachsen Fördergelder in Höhe von 17,2 Millionen Euro. Dabei handelt es sich um die erste Zuwendung aus dem Bundesprogramm „Zukunft Revier“. Die Fördergelder fließen in Sofortmaßnahmen, die dazu beitragen sollen, den bevorstehenden Strukturwandel zu bewältigen. Bautzen hat sechs Projekte eingereicht, auch aus Weißwasser ist bekannt, dass zahlreiche Projekte eingereicht wurden. Welche Projekte hat Görlitz angemeldet? Antwort der Verwaltung: Es wurden drei Projekte eingereicht, die bereits in der Schublade lagen (aufgrund der engen Zeitschiene gab es keine Möglichkeit, neue Projekte zu entwickeln): der Parkplatzbau oberhalb der „Insel der Sinne“ am Berzdorfer See, komplexe Umbauten im und am Tierpark (Zaunanlage, Empfangsgebäude, Parkplatz) sowie das Bürgerhaus Schlauroth.

Kristina Seifert (Bündnis90/Die Grünen) interessiert sich fürs Thema Anwohnerparken: Die Situation für Anwohner ist in einigen Stadtteilen schwierig. Konkret geht es um die Bahnhofstraße, zwischen Konsulstraße und Jakobstraße. Da rundherum fürs Parken bezahlt werden muss (Parkhaus, Jakobstraße) weichen die Autofahrer natürlich auf die freien Parkplätze aus. Selbst eine Autovermietung stellt wohl dort ihre Fahrzeuge ab, wenn der eigene Parkplatz voll ist. Frage: Ist Anwohnerparken dort möglich und wie läuft das Beantragungs-Verfahren? Antwort der Verwaltung: Aufgrund der Hinweise wird die Situation vor Ort geprüft. Anschließend entscheiden die zuständigen Ämter (insbesondere Straßenverkehrsamt), ob Anwohnerparken ausgewiesen wird.

Ich möchte wissen, wann der Rundweg um den Berzdorfer See durchgehend asphaltiert wird. Insbesondere Skater und andere Sportler, aber auch Rolli-Fahrer wünschen sich das. Hier macht Bürgermeister Wieler keine Hoffnung auf schnelle Änderung. Es gibt naturschutzrechtliche Gründe, die dagegen sprechen. Außerdem ist das Areal an der Rutschung P von der LMBV nicht freigegeben.

Andreas Kolley fragt, ob die Sicherheit an der B99 auf Höhe Einfahrt zum See verbessert werden kann. Ihm geht es um die Querung der Straße vom Radweg auf der Neißeseite aus. Speziell mit Kindern sei es dort aufgrund des Autoverkehrs sehr gefährlich. Ein hohes Unfallrisiko sieht Kolley auch auf der Jakobstraße durch die Radfahrer, die auf dem schmalen Schutzstreifen entgegen des fließenden Verkehrs fahren. „Dass man auf der Seite Autos parken lässt, die die Straße noch enger machen, leuchtet mir nicht ein. Zumal man als Autofahrer beim Ausparken die Radfahrer nicht sehen kann.“ Antwort der Verwaltung: Es werden allerlei Gründe von Dr. Wieler genannt, warum an beiden Situationen nichts zu ändern sei. Die B99 ist eine Bundesstraße, die Zuständigkeit liegt nicht bei der Stadt. Das Thema wird aber zumindest mit in die Verwaltung genommen. Die Jakobstraße wurde nach langer Diskussion so gestaltet, wie sie jetzt ist. Der alte Stadtrat sei verantwortlich dafür, so Bürgermeister Dr. Wieler. Und bislang sei nichts passiert. Diese Aussage ärgert Andreas Kolley: Er werde seinen Kindern ausrichten, dass sich nichts ändert, bis ein schlimmer Unfall passiert.

An allen Fragen bleiben wir dran, zumal es Informationen zu Jakobstraße gibt, die zumindest zweifeln lassen, ob die jetzige Situation tatsächlich auf alleiniges Betreiben des Stadtrates entstand.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)