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Stadtratsblog#6: 26.3.2020

Ganz ehrlich: Ich hatte zunächst kein Verständnis dafür, dass es überall Kontaktsperren gibt und wir uns zum Stadtrat versammeln sollen. Aber man lernt derzeit eine Menge. Unter anderem, dass es keinerlei Regelwerk geschweige denn Ausstattung gibt, um in solchen Fällen via Videokonferenz zu tagen. Und dass es eine blaugefärbte Fraktion gibt, die unbedingt tagen wollte und sich deshalb gegen ein schriftliches Umlaufverfahren ausgesprochen hatte. (Das ist recht simpel: Man gibt die notwendigen Beschlüsse in Umlauf und bis zu einem festgelegten Zeitpunkt wird schriftlich abgestimmt – per E-Mail zum Beispiel. Einer solchen Regelung müssen aber alle Räte zustimmen.). Zumindest gibt es eine Reduzierung von 38 auf 22 Räte. Somit sitzen nur 7 Leute aus unserer Bündnisfraktion in der Sporthalle an der Jägerkaserne, in die die Sitzung verlegt wurde. Ich habe mich im Vorfeld mit Motor-Kollege Andreas Kolley zu allen Punkten abgestimmt, so dass wir ein Tandem im Geiste bildeten.

Zunächst gibt es Informationen des OB. Er verliest eine Erklärung der Stadträte zu Corona. Zwei Kernbotschaften: DANKE! Und: BLEIBT ZUHAUSE! Die medizinische Situation in der Stadt ist relativ stabil. Stand Donnerstag gibt es sieben Corona-Fälle, davon sind zwei wieder geheilt. Schwierig sind die Folgen der Pandemie: Durch die Grenzschließung Polens für Pendler steht das Gesundheitssystem vor Herausforderungen. Der OB ist im engen Kontakt mit den beiden Krankenhäusern in Görlitz. Über die EGZ gibt es Unterstützung beim Suchen von Wohnraum für betroffene Mitarbeiter, die vor Ort bleiben wollen. Es ist wohl aber weniger ein Unterkunftsproblem. Es geht um die Familien. Wer will sich schon freiwillig auf unabsehbare Zeit trennen. Ein Problem, das keine Stadtverwaltung lösen kann.

Es folgen die Beschlussfassungen:

Ein ÖPNV-Notfahrplan der GVB wird bestätigt. Gültig ab 30. März. Es wird jetzt gefahren wie am Wochenende. Mit halbstündiger Taktung in Richtung Carolus und Klinikum. Die neuen Fahrpläne sind bald auf der Seite der GVB zu finden. Hut ab vor den Jungs und Mädels, was die derzeit alles leisten. Habt also Geduld, falls nicht alle Infos immer sofort in Schönschrift auf der Webseite sind. https://www.goerlitztakt.de/de/

Es wird anschließend eine Summe von 100.000 Euro für das Städtische Klinikum beschlossen. Vorsorglich soll sich das Krankenhaus mit weiteren Beatmungsgeräten ausstatten. Nachdem dies bereits in der Öffentlichkeit bekannt war, „zaubert“ die AfD einen eigenen Antrag aus dem Hut. 200.000 Euro soll es fürs Klinikum geben. Durchsichtig und unnötig: Die 100.000 Euro sind gut durchdacht und mit der Leitung des Klinikums abgestimmt. Das heißt nicht, dass es im Notfall nicht mehr Geld gibt. Das kann der OB ohne den Stadtrat verfügen. Insofern wird dem Antrag der AfD nicht gefolgt. Es braucht derzeit Vertrauen und keine Alleingänge der Schlagzeile wegen.

Passend dazu der nächste Antrag. „Überlebenshilfe für Selbständige in Görlitz“. Eingebracht von der AfD. Inhalt: Alle Unternehmer und Selbständige mit mindestens einem Mitarbeiter und Sitz in Görlitz sollen 1.000 Euro Soforthilfe bekommen. Klingt gut? Klar. Jeder Euro hilft. Aber denken wir mal in Ruhe nach: Wie viele Unternehmen betrifft das? Keine Antwort von der AfD. Damit ist auch die Gesamthöhe unklar. Sie würde aber bei deutlich über einer Million liegen. Was bewirken 1.000 Euro? Schwer zu sagen – aber vermutlich retten sie im Ernstfall kein einziges Unternehmen. Wer soll das Geld auszahlen und auf welcher Grundlage? Mal ganz ernsthaft: Was die AfD hier eingebracht hat, ist an Schlampigkeit nicht zu überbieten. Keinerlei Tiefe, keinerlei Zielgenauigkeit, keine durchdachten Regularien (nicht mal eine Begrenzung der Firmengröße nach oben gibt es). Ein Trauerspiel auch die Wortbeiträge. Da behauptet Fraktionschef Jankus, dass die Stadt davon profitiert, wenn Arbeitsplätze erhalten werden, weil sie dann die Einkommensteuer erhält. Richtig ist: Jeder Arbeitsplatz, der erhalten werden kann, ist wichtig. Aber die Einkommensteuer ist wie die Lohnsteuer eben keine kommunale Steuer. Sie fließt nur anteilig (zu etwa 15%) in die Stadtkasse. Oder der wie immer sehr rauflustige Stadtrat Koschinka: Er verhebt sich zu einer bemerkenswerten Aussage. Demnach sei der AfD-Vorschlag auf die Unterstützung der ganz kleinen Betriebe und Selbständigen ausgerichtet. Denn der Mittelstand brauche eine solche Hilfe nicht, der hole sich die Verluste nach Corona wieder rein, weil er doppelt so viel verkauft, sagt Koschinka sinngemäß. Aha. Seine reißerischen Auftritte mögen in einer normalen Situation unterhaltsam sein – in Krisenzeiten lassen sie sehr tief blicken. Herr Koschinka ist im Hauptberuf Richter am Landgericht Görlitz und das findet er aktuell beruhigend, wie er uns gestern ungefragt mitteilt. „Ich werde vermutlich wegen der Krise nicht am Hungertuch nagen.“ Der Antrag wird von allen außer der AfD abgelehnt. Klare Kante gegen Populisten.

Der OB verweist in dem Zusammenhang darauf, was für unabschätzbare Kosten in der nächsten Zeit auf den Stadthaushalt zukommen. Das sind zum einen die Corona-bedingten Ausfälle. Niemand weiß aktuell, welche Verluste die städtischen Unternehmen erleiden, die ausgeglichen werden müssen. Wie viel zusätzliches Geld es braucht, um Einrichtungen wie Schwimmhalle, Tierpark, Musikschule u.a. zu stützen. Unklar ist zudem, in welcher Höhe wir Steuerausfälle haben werden. Klar ist auf der anderen Seite schon jetzt ein ungeheurer Investitionsbedarf in den nächsten zehn Jahren. Bürgermeister Wieler spricht von 60 Millionen für die Schulen und rund 25-30 Millionen für den Nahverkehr. Da haben wir enorme Herausforderungen vor der Brust.

Umso überraschter bin ich, dass weiterhin ohne jegliches Innehalten an den Planungen für die Stadthalle festgehalten wird. Wir beraten zwar nur eine kleinere Vergabe, eine sogenannte Vorplanung. Aber auch die kostet eine sechsstellige Summe. Wird der Freistaat wirklich in der Lage sein, nach Corona die Förderzusage zu halten und 18 Millionen für die Sanierung zu zahlen (die vom Bund zu gleicher Höhe aufgestockt werden sollen)? Ich habe meine Zweifel, genau wie mein Motor-Freund Andreas Kolley. Auch wenn es am Tag der Stadtratssitzung ein Telefonat des Rathauses mit Dresden gab, an dem u.a. MP Kretschmer teilnahm und in dem die Mittel weiterhin als gesichert bezeichnet wurden. Die Situation ändert sich täglich. Niemand weiß, wie lange die Krise dauert und niemand kann jetzt sagen, welche finanziellen Mittel nötig sind, um die Schäden zu beseitigen. Aufgrund dieser Unwägbarkeiten habe ich mich der Stimme enthalten. Es geht nicht darum, eine Stadthalle zu verhindern. Aber gerade jetzt braucht es einen kühlen Kopf und möglichst belastbare Aussagen zur Finanzierung der Sanierung sowie der späteren Betreibung. Angesichts von Corona und deren Folgen sowie der für die Zukunft prognostizierten angespannten Finanzlage halten Andreas Kolley und ich es für ausgeschlossen, dass die Stadt diese Einrichtung allein schultern kann.

Sehr viel wurde in den letzten Wochen zur Sanierung der Schulen in Königshufen geschrieben. Das Thema ist nun in trockenen Tüchern. Wir haben die entsprechenden Beschlüsse gefasst. Die temporäre Auslagerung ins Gebäude der DPFA-Schule in Weinhübel kann starten. Der Transport durch ein Verkehrsunternehmen ist ebenfalls beauftragt. Alles weitere hängt vom Verlauf der Krise ab. Positiv: Die Stadt konnte eine zusätzliche Etage in Weinhübel mieten. Damit gibt es mehr Platz, Hort und Schule müssen sich keine Räume teilen. Der Mietpreis ist vergleichsweise günstig. Hoffen wir, dass jetzt alles zügig und geschmeidig funktioniert und die Kommunikation zwischen Eltern, Schule und Rathaus gut klappt.

Die weiteren Vorlagen sind nichtöffentlich. Deshalb darf ich an dieser Stelle nichts darüber schreiben.

Das Foto stammt von der Stadtverwaltung Görlitz.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog#5: 27.2.2020

Vor der Sitzung des Stadtrates versammeln sich knapp 70 Menschen zu einer Mahnwache. Für Mitmenschlichkeit, gegen Rassismus. Ein Zeichen nach Hanau. Die AfD-Stadträte huschen rasch ins Rathaus. Danke an die Organisator*innen und alle, die dabei gewesen sind.

Eine zweite Gruppe formiert sich. Eltern und Kinder aus Görlitzer Schulen, die saniert werden. Vor allem in Königshufen fühlen sie sich schlecht informiert. Die Kinder aus der Grundschule sollen bereits in den Osterferien in das DPFA-Gebäude auf der Friedrich-Engels-Straße in Weinhübel „ausgelagert“ werden. Es ist ihr gutes Recht, darauf aufmerksam zu machen. In der Ratssitzung sind sie präsent, stellen ihre Fragen, bleiben fair. Vorbildlich. Ein Elternvertreter bringt die Kritik auf den Punkt: Er sieht eine zu späte Einbeziehung der Eltern. Damit wurde für ihn eine große Chance verpasst. Hätte man von Beginn an die Eltern mitgenommen, gäbe es wohl keine Proteste, sondern eine große Hilfsbereitschaft bei der Suche nach Lösungen. Hinterher ist man immer klüger. Bürgermeister Michael Wieler nimmt das Kommunikationsdilemma auf seine Kappe. (Kurzer Rückblick: Ursprünglich sollte die Grundschule Königshufen im laufenden Betrieb saniert werden. Da die Ausschreibung für diese Leistung exorbitante Preise erbrachte, musste sie zurückgezogen werden. Neuer Plan: Die Schule wird ausgelagert und „leer“ saniert.) Nach der gescheiterten Ausschreibung wollte Wieler zunächst alle Möglichkeiten ausloten, bevor er die Schulen informiert. Nach Darstellung des Bürgermeisters stand auch der Leiter der Grundschule Königshufen hinter diesem Plan. Somit gab es erst am 20. Januar ein Treffen mit den Eltern, die aber bereits Wochen vorher von den Plänen aus der Presse erfahren hatten.

Wer arbeitet, macht Fehler. Die Sorgen von Eltern wegen einer Schulsanierung und der damit zusammenhängenden Fragen wie Schulweg, Sicherheit im neuen Gebäude etc. eignen sich nicht für politische Profilierung. Das sieht Gerd Weise (CDU) offensichtlich anders. Er geht die Stadtverwaltung hart an und verlangt eine Sondersitzung gemeinsam mit Eltern und Stadträten. (Was soll das bringen?) Weil die Eltern aus Königshufen sich nicht in der Turnhalle treffen konnten, sondern ins NOSTROMO ausweichen mussten, fragt Weise: „Wer übernimmt die Verantwortung dafür, dass sich die Eltern in einem DUNKLEN DISKOLOCH treffen mussten?“ (Die Antwort: Ein Antrag auf Turnhallennutzung muss von der Schulleitung kommen, den gab es aber nicht.) Ich empfinde das als Entgleisung und Beleidigung der vielen ehrenamtlich tätigen Leute vom Schall und Rauch e.V., die diese Location für die junge Generation anbieten. Ich hoffe auf eine gute Lösung im Sinne der Schülerinnen und Schüler. Am kommenden Dienstag gibt es eine weitere Runde der Eltern und der Verwaltung. Diesmal nicht im „dunklen Diskoloch“, sondern in der Turnhalle Königshufen.

Beschlüsse werden auch gefasst: Wir vergeben zwei Aufträge. Einmal für den Ausbau der Bahnhofstraße. Zum anderen für die Erschließung des zukünftigen Gewerbegebietes Schlauroth. Sehr erfreulich ist zudem der Beschluss zum Ersatzneubau für die Kita „Südstadtmäuse“. Statt bislang 72 wird es zukünftig 120 Plätze geben (40 Krippen- und 80 Kindergartenplätze). Bis zur Fertigstellung des Ersatzneubaus wird die Betriebserlaubnis für das alte Gebäude bis Ende 2022 verlängert.

Die CDU hat zwei Vorlagen eingebracht. In der ersten geht es um einen Auftrag an den OB. Er soll prüfen, ob wir in Görlitz ein Experimentierhaus wie IQLANDIA in Liberec oder TECHNORAMA Winterthur hinbekommen. Hashtag Fördermittel, Hashtag Strukturwandel. Große Zustimmung für den Antrag nach kurzer Diskussion. Kann man mal prüfen, denke ich, auch wenn ich wenig Aussicht auf Erfolg sehe. Wer sich eingehender mit solchen Einrichtungen beschäftigt, weiß um die nötigen Investitionen und die späteren Kosten für den Betrieb. Aber vielleicht hat die CDU eine Ölquelle entdeckt. Oder eine alternative Idee für die Nutzung der Stadthalle.

Spaß. Hat sie nicht. Denn in einem zweiten Antrag schlägt CDU-Stadtrat Thomas Leder vor, den Abschnitt vom Parkhotel bis zur Stadthalle in Bolko-von-Hochberg-Straße umzubenennen. (Böse Zungen unterstellen Leder, er würde eine monothematische Politik betreiben). Bolko von Hochberg gehörte zu den wichtigsten Förderern des Schlesischen Musikfestes und somit der Stadthalle. Mich irritiert, dass wir uns im Stadtrat mit Symbolen wie Straßennamen beschäftigen, während wir noch keinen Schimmer davon haben, wie wir die Halle so betreiben wollen, dass sie nicht die gesamte Stadtgesellschaft finanziell lähmt. Enthaltung als Zeichen guten Willens. Der Stadtrat stimmt mit großer Mehrheit zu.

Auch die AfD reicht einen Antrag ein. Da geht es um Parkplätze eines Hotels an der Elisabethstraße, für die wohl keine Abgaben bezahlt wurden. Die Verwaltung hat das Thema in Angriff genommen, nachdem sie ihren Fehler erkannt hat. Eines Beschlusses bedarf es also nicht mehr. Deshalb wird der Antrag auch abgelehnt. Ich finde es generell gut, wenn Stadträte wachsam sind. Überzogen ist es für mich indes, wenn Anzeige gegen Unbekannt erstattet wird. (Unbekannt ist in diesem Zusammenhang einzugrenzen auf einen nicht benannten Verantwortlichen aus der Stadtverwaltung.) Wer Angst haben muss, wegen eines Fehlers vor den Kadi zu kommen, wird Dienst nach Vorschrift schieben und keinerlei Entscheidungsspielraum mehr ausüben. Das wäre verheerend. Darüber darf die Law&Order-Fraktion gern nachdenken.

Zum Abschluss möchte ich dem Oberbürgermeister ein Kompliment machen. Seine unaufgeregte, moderierende Sitzungsleitung ist sehr angenehm und deeskalierend. Seine Orientierung auf Lösungen unterscheidet sich erkennbar zu jenen, die Argumente auftürmen, um zu erklären, warum etwas nicht funktioniert. Octavian Ursu ist ein Gewinn und verdient unsere Unterstützung.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog#4: 30.1.2020

Erste Sitzung im neuen Jahrzehnt. Auf meinem Platz begrüßt mich ein Magazin „Für Liebhaber und Entdecker“. Die neue Görlitz-Illustrierte der Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH. Mir macht das Durchblättern Lust – den Besuchern unserer Stadt wird das Magazin ein guter Begleiter sein.

Beschenkt werden wir auch von der Fraktion Die Linke. Sie zieht einen Antrag zurück, mit dem eine Auswahl von Ehrenamtlichen kostenlos die Nutzung des Nahverkehrs ermöglicht werden sollte. Jetzt geht das Papier in die Ausschüsse. Das ist klug. Wir brauchen ein Gesamtpaket zur Förderung des Ehrenamtes.

Dann Bürgerfragestunde. Elternsprecherinnen und Lehrerinnen aus Königshufen sind da. Vom Förderschulzentrum Miras Lobe wird gefragt, ob ihre Kinder nicht die höchste Priorität genießen. Hintergrund: Während die benachbarte Grundschule komplett saniert wird, werden bei Mira Lobe „nur“ die Brandschutzmaßnahmen durchgeführt. Die Grundschul-Muttis wiederum werben dafür, die Auslagerung erst im Sommer durchzuführen und nicht innerhalb weniger Tage über die Osterferien. Und früher und besser informiert wollen sie werden. Geduldig erklären OB Ursu und Bürgermeister Wieler die Situation und die Zwänge, in denen die Verwaltung steckt. Es hat vor allem mit fehlendem Geld zu tun. Deshalb wird es auch nichts mit dem Abriss und Neubau der beiden Schulen am Windmühlenweg, wie von einer Mutter vorgeschlagen. Unklar bleibt nach den Fragen: Steht bereits im nächsten Schuljahr die bisherige Waldorfschule auf der Konsulstraße zur Verfügung, weil diese aufs Bahnhofsgelände zieht? Das jedenfalls wollen die Eltern erfahren haben und möchten nun diese Schule als Ausweichquartier, während bei ihnen saniert wird. Bürgermeister Wieler meint, dass er es für ausgeschlossen hält, dass die Waldorfschule bereits im Sommer auszieht. Es klingt noch nicht nach Wissen. Die Stadt bleibt vorerst bei ihrem Plan, die Schule an der Landheimstraße wieder fit zu machen. Da gibt’s aber keine Fördermittel. Die 1,5 Millionen Euro müssen wir allein finanzieren.

Mein Freund Kurt wirbt für Hinweisschilder an der Neiße. „Brot tötet“ könnte darauf stehen. Damit die Leute lernen, dass Backwaren keine Entennahrung sind. Der OB will prüfen, glaubt aber nicht, dass man gegen alles Schilder aufstellen kann, die eigentlich bekannt sein müssten. Stimmt auch wieder.

In der Fragestunde für Stadträte wird allerlei gefragt. Von mir auch. Ich hatte in einer Facebook-Diskussion angeboten, die Spekulationen um das ehemalige Kondensatorenwerk durch Fakten zu ersetzen. Es geht darum, ob es Denkmalauflagen für den bisherigen Besitzer gab und ob er sie erfüllt hat. Spekuliert wurde, er habe das Areal verfallen lassen und kassiere jetzt kräftig. Bürgermeister Wieler sagt, dass es keine Auflagen gab, wie sie bei Bauvorhaben üblich sind, da ja nicht gebaut wurde. Nach seiner Kenntnis wurden aber alle Maßnahmen, die der Sicherung des Denkmals dienen, erfüllt. Interessante Randnotiz: Als sich andere Stadträte danach erkundigen, wie denn die Denkmalschutzauflagen für den neuen Besitzer wären, bekommen wir zu hören, dass wir als Stadt darauf wenig Einfluss haben, weil der Freistaat Bauherr sei. Klingt für mich nach verschiedenen Rechtemaßstäben. Da es die nicht geben darf, hat sich der Bürgermeister sicherlich nur versprochen.

Dann Beschlussfassung.

Änderung der Ehrungssatzung: Bislang konnte man für den Meridian des Ehrenamtes nur Leute vorschlagen, die sich „organisiert“ ehrenamtlich betätigen. Also Mitglied in Vereinen, Verbänden, etc. sind. Damit schließt man aber private Initiativen aus. Ich nenne nur mal beispielhaft Spendenfee Anne und das Projekt „Görlitz Insider“ von Conny Kahle. Das ist nun geheilt. Ab 2020 können alle Personen und Gruppen vorgeschlagen werden, die ehrenamtlich einen wertvollen Beitrag für die Stadtgesellschaft leisten. Selbstverständlich können auch weiterhin Leute aus Vereinen vorgeschlagen werden. Die Tür ist jetzt nur weiter auf.

Die Linke möchte, dass Görlitz einen Städteappell unterzeichnet der „Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen“. Gute Sache. Der OB will aber nicht. Er hat sein Rechtsamt beauftragt, einen Paragrafen zu finden, warum sich der Stadtrat mit dem Thema nicht beschäftigen darf. Wer sucht, der findet: Der Stadtrat darf sich nur mit kommunalen Dingen beschäftigen. An der Neiße stehen keine Atomsprengköpfe. Also kein Thema für uns. Unsere Bündnisfraktion bedauert diese formale Beschäftigung mit dem Thema. Die Juristen in 80 Städten und Landkreisen Deutschlands haben übrigens eine andere Auffassung oder wurden von ihren Stadtoberhäuptern vernünftigerweise nicht einbezogen. Unsere Partnerstadt Wiesbaden hat als zweite deutsche Stadt den Appell bereits vor rund einem Jahr unterzeichnet. Der Beschluss in Görlitz fällt durch – da der OB ihn ohnehin „kassiert“ hätte, enthält sich unsere Fraktion.

Überraschung dann bei der Vorlage zu mehr Parkraum in der Altstadt: Nach einigem hin und her in der Diskussion, schlägt der OB einen Kompromiss vor, der mit großer Mehrheit angenommen wird. Die Verwaltung prüft jetzt, ob und wie eine Parkgarage im Innenhof der Jägerkaserne realisiert werden kann. Das würde zusätzliche Parkmöglichkeiten für Besucher der Altstadt bringen. Vorteil: Wir vermeiden den unsinnigen Sucherverkehr durch die City. Die von Norden kommenden Autos können direkt am Eingang zur Altstadt einchecken. Die weiteren zur Prüfung vorgesehenen Standorte Teichstraße/Bautzener Straße und Elisabethplatz sind erstmal runtergenommen worden. Auch weil Teile des Stadtrats wissen wollen, wie sich die neuerlichen Pläne für eine Tiefgarage am Wilhelmsplatz einordnen. Die Bündnisfraktion hat in den letzten Monaten mantraartig für ein modernes Mobilitäts- und Verkehrskonzept geworben, bevor man Einzelmaßnahmen umsetzt. Das sehen OB und Stadtrat jetzt ebenso. Und so bereitet die Verwaltung bis zum Sommer einen Plan vor, wie man gemeinsam mit der Bürgerschaft ein solches Konzept erarbeiten kann. Das ist ein wichtiger Schritt.

Verkaufsoffene Sonntage. Der Stadtrat beschließt, wann in den nächsten vier Jahren sonntags dem Konsum gefrönt werden darf. Ich finde den Nikolaustag 2020 deplatziert. Die große Mehrheit sieht das anders. Ich kann damit leben und stelle meine persönliche Haltung hinter die Wünsche der Händler. Mit Interesse verfolge ich die in Teilen von Empathie befreite Debatte. Der Familienbeauftragte fragt, wie die Kinderbetreuung für die Beschäftigten am Sonntag organisiert werde. Antwort vom AfD-Fraktionschef Jankus: „Die sollen sich kümmern!“ Wenigstens verstellt er sich nicht. Große Mehrheit am Ende. Nicht für die soziale Kälte. Für den Einzelhandel. Ich stimme auch zu. Werde trotzdem sonntags nicht shoppen.

Zukünftige Betreibung der Stadthalle. Das Thema hat selbst den SZ-Lokalleiter Sebastian Beutler ins Rathaus gelockt. Er wurde hier schon lange nicht gesehen. Die Angelegenheit Stadthalle ist ein eigenes Thema. Deshalb hier nur zur Sache, die es zu beschließen gilt: Beauftragung der Kulturservicegesellschaft mit der Betreibung der Halle. Noch kurz vor der letzten Kommunalwahl vom alten Stadtrat durch einen Grundsatzbeschluss vorbereitet. Um den Prozess nicht zu verzögern. Ich frage nach, warum es dann trotzdem ein halbes Jahr gedauert hat von der schriftlichen Stellungnahme der städtischen Gesellschaften (lagen alle Ende Juni 2019 vor) bis zur Vorlage im Stadtrat im Januar 2020. Der Bürgermeister erläutert ausführlich, scheint aber meine Frage nicht verstehen zu wollen. Kollege Gleisberg von der CDU sekundiert und wundert sich mit mir, wie man mit so vielen Worten eine Frage nicht beantworten kann. Aber alles nicht kriegsentscheidend. Das kommt erst im April: Dann legt der Kulturservice einen Plan vor, wie die Betriebsgesellschaft arbeiten soll und was das bis zur Wiedereröffnung kostet. Wenn wir daraufhin den Kulturservice beauftragen, schreibt die Gesellschaft ein Betriebskonzept bis zum dritten Quartal 2020. Dann haben wir endlich realistischen Zahlen, was uns der Zuschuss jährlich kostet. Erst dann kann man gemeinsam mit der Bürgerschaft darüber debattieren, ob und wie Görlitz sich den Betrieb der Halle leisten kann, ohne dass dadurch wichtige Leistungen wegfallen. Ich bin sehr gespannt und hoffe auf frischen Wind vom patenten Team des Kulturservice. Das bisherige Verfahren rund um die Stadthalle hat mich bislang nicht überzeugt. Es wird mehr brauchen als den auch gestern wieder vielfach zitierten Mut. Ich glaube es heißt Verantwortungsbewusstsein. Genau aus dieser Verantwortung heraus hat die Bündnisfraktion einen Änderungsantrag gestellt. Der Kulturservice ist noch nicht formal beauftragt, sondern soll zunächst die Planung inklusive Zahlen vorlegen. Auf der Grundlage folgt dann die Entscheidung, ob der Kulturservice die Betreibung übernimmt.

Kritik vom Biosystem: Eine Sitzung von vier Stunden Dauer ohne Pause ist Unfug, ungesund und unproduktiv. Keine Ahnung, warum der Ältestenrat regelmäßig beschließt, keine Pause einzuplanen. Vielleicht sind die alle auf Diät. Mahlzeit.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog#3: 19.12.2019

Letzte Sitzung im Jahr 2019. Alles ist schon auf Weihnachten eingestellt. Die Leute aus der Verwaltung haben Tannengrün ausgelegt. Es gibt einen kleinen Stollen vom Jesus-Bäcker. Und Görlitz-Pins. An dieser Stelle ein herzlicher Dank an das Stadtratsbüro im Rathaus für die gute Zusammenarbeit und die Hilfsbereitschaft.

Die Sitzung beginnt mit einigen Infos und Vorträgen. Die Geschäftsführerin des Städtischen Klinikums Ulrike Holtzsch informiert über die Notarztversorgung in Görlitz. Da diese in der Stadt nicht mehr lückenlos gewährleistet ist, will das Klinikum unterstützen. Jungen Ärzten soll die Weiterbildung zum Notarzt finanziert werden, damit ein Notarzt-Pool gebildet werden kann. Gespräche mit den Krankenkassen laufen. Gut, dass wir unser Klinikum haben, kann ich immer wieder nur sagen. (Radio Lausitz berichtet bereits darüber)

Besonders spannend ist die Vorstellung des geplanten Innovations-Campus auf dem Siemens-Gelände. Christoph Scholze (Innovations-Manager bei Siemens) präsentiert eine positive Vision der Zukunft. Der Inno-Campus wird uns im Strukturwandel helfen. Start-Ups und bestehende Unternehmen können sich andocken, zukunftsfähige Produkte entwickeln oder neue Geschäftsfelder aufbauen. Drei Themen stehen im Fokus: Dekarbonisierung, Wasserstoff-Kompetenzzentrum sowie Digitalisierung und Technologien. Siemens holt dafür viel Grips an die Neiße: Fraunhofer Institut, TU Dresden, Hochschule Zittau/Görlitz und die Handelshochschule Leipzig sind mit am Start. Zu erwarten sind auch regionale Zukunfts-Lösungen, wie z.B. Mobilitätshilfen für den ländlichen Raum. Da darf man echt gespannt sein.

Wieder sehr aktiv genutzt wird die Fragestunde für Einwohner. Zu Gast sind zahlreiche Vertreter aus Schulen, die sich wegen der bevorstehenden Brandschutzsanierungen Sorgen machen. Zu Wort kommen Eltern und Schulleiter des Förderschulzentrums Mira Lobe und der Oberschule Innenstadt. Problem Nummer 1: Wohin sollen die Schulen während der Sanierung „ausquartiert“ werden? OB Ursu und Bürgermeister Wieler sagen, dass eine Lösung gesucht wird, um für die nächsten sieben bis zehn Jahre gewappnet zu sein. Im Blick ist u.a. die leerstehende Schule auf der Erich-Weinert-Straße in Weinhübel. Ob sie als Ausweichstandort ertüchtigt werden kann, ist aber auch eine Frage des Geldes, da es hierfür keine Fördermittel gibt. Ich finde gut, wie sachlich Eltern und Schulvertreter argumentieren. Aber auch die lösungsorientierte Kommunikation der Verwaltung stimmt mich hoffnungsfroh.

Mit besonderer Spannung wurde die Debatte und Beschlussfassung zum Thema „Parkplätze in der Innenstadt und Altstadt“ erwartet. Doch dazu kommt es gar nicht. Die AfD erklärt zu Beginn der Sitzung, dass sie sich nicht vorbereiten konnte. Grund: Die Änderungswünsche anderer Fraktionen seien zu spät eingearbeitet worden und in den Unterlagen fehle eine wichtige Grafik. Das ist schon ärgerlich: Ein Thema wird vorab in verschiedenen Ausschüssen beraten. So im Wirtschaftsausschuss am 5.12. und am 11.12. im Technischen Ausschuss (allein im TA sitzen vier Vertreter der Afd). Es muss doch möglich sein, die anderen Kollegen in der Fraktion zu informieren. OB Ursu ist aber in weihnachtlicher Konsensstimmung. Obwohl alle anderen Fraktionen sich in der Lage sehen, das Thema zu behandeln, nimmt er es von der Tagesordnung. Nun hat die AfD Zeit bis Januar, ihre Hausaufgaben zu machen. Die anderen Vorlagen werden zügig beschlossen, dank guter Vorarbeit der Ausschüsse.

Zum Ende der Sitzung wird es nochmal spannend: Liegen bei Andreas Kolley (Motor) und Gerd Weise (CDU) durch ihre berufliche Tätigkeit in städtischen Gesellschaften Hinderungsgründe vor, so dass sie dem Stadtrat nicht angehören dürfen? Nein, sagt die große Mehrheit. (Hintergrund: https://www.motor-goerlitz.de/news/detail/67-Andreas-Kolley-bleibt-Stadtrat) Ich freue mich sehr, dass es zu dieser klaren Entscheidung gekommen ist und keine Fraktion versucht, daraus politisch Kapital zu schlagen. Das hätte dem Gremium und den beiden Stadträten geschadet.

Jetzt geht es in die Pause. Ab 6. Januar tagen wieder die Ausschüsse.

Ich möchte mich bedanken: Bei den Kolleginnen und Kollegen der Bündnisfraktion aus Bürger für Görlitz, Bündnis90/Grüne, SPD und Motor Görlitz für das produktive Miteinander und das Aushalten von verschiedenen Meinungen. Bei den Stadträten aller Fraktionen für den (fast) durchgängig fairen und respektvollen Umgang. Und bei der Verwaltung für die nimmermüde Unterstützung, Beantwortung von Fragen und den erkennbaren Willen, miteinander Gutes für unser Görlitz zu tun. Allen frohe Weihnacht und ein erfolgreiches und gesundes Jahr 2020.

(Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)