Zweifel an Übernachtungssteuer bleiben

Gegen die Empfehlungen von Tourismusverbänden und IHK hat der Görlitzer Stadtrat mit knapper Mehrheit die Einführung einer Übernachtungssteuer ab 2022 beschlossen. Ein entsprechender Antrag kam von der Fraktion Bürger für Görlitz. Eine Gästetaxe, wie von Motor Görlitz/Bündnisgrüne vorgeschlagen, ist damit durchgefallen. Beide Anträge waren kurz nacheinander im Rathaus eingereicht worden. Gemeinsames Ziel: Zusätzliche Einnahmen im Umfang von etwa 500.000 Euro pro Jahr erzielen. Wesentlicher Unterschied: Die Übernachtungssteuer fließt komplett in den Haushalt und kann somit auch für Bürobedarf der Verwaltung ausgegeben werden. Der Erlös aus einer Gästetaxe ist dagegen zweckgebunden und darf nur für touristische Zwecke ausgegeben werden.

Es geht um Akzeptanz

„Wir wollen Einnahmen von Übernachtungsgästen. Dieses Geld sollen Hotels und Pensionen für uns einnehmen. Die Akzeptanz für einen solchen Aufwand steigt , wenn man weiß, dass das Geld in touristische Angebote fließt.“, sagte der Fraktionsvorsitzende von Motor Görlitz/Bündnisgrüne Mike Altmann. „Ohne diese Akzeptanz bekommen wir schlechte Stimmung.“ Darauf hatten mehrere Seiten im Vorfeld der Sitzung hingewiesen. Die IHK schrieb in einer Stellungnahme, dass sie grundsätzlich eine Übernachtungssteuer ablehnt, „da sie in den allgemeinen Haushalt fließt und eine Belastung der Beherbergungsbetriebe darstellt, die in keinem Verhältnis zu den ökonomischen Effekten für den Tourismus steht.“ Wenn überhaupt, so die IHK, wäre man zu einem späteren Zeitpunkt und bei frühzeitiger Einbindung der touristischen Anbieter mit einer Gästetaxe einverstanden. Auch der Tourismusverein hatte gefordert, dass man gemeinsam mit den touristischen Anbietern die unterschiedlichen Ansätze umfassend prüft und bewertet. Diesen Gesprächswünschen hätte der Stadtrat leicht zustimmen können. Allerdings lehnte eine Mehrheit den Antrag von Motor Görlitz/Bündnisgrüne ab, beide Anträge in die Ausschüsse zu verweisen. In der anschließenden Abstimmung votierten 18 Stadträte für die Übernachtungssteuer der BfG, 17 waren dagegen. Die entscheidende Stimme kam dabei von Oberbürgermeister Octavian Ursu (CDU).

Fachleute kommen nicht zu Wort

Zuvor gab es eine bemerkenswerte Debatte. Zum einen kam die Verwaltung ihrer Pflicht nicht nach, den Stadträten umfassende Informationen für ihre Entscheidung zur Verfügung zu stellen. Ausführlich reden durfte nur der Mitarbeiter aus dem Amt für Stadtfinanzen, der sich – wenig überraschend – für die Übernachtungssteuer aussprach. Nicht zu Wort kam jedoch die fachlich zuständige Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH (EGZ). Weil sie sich für eine Gästetaxe ausspricht? Bemerkenswert waren auch einige Redebeiträge. Bürgermeister Michael Wieler verwies darauf, dass die Stadt seit 15 Jahren Millionen für die EGZ einsetzt, „ohne dass die Tourismuswirtschaft hier einen Cent direkt dazu beiträgt.“ Über die EGZ werde an 365 Tagen im Jahr eine Tourist-Info betrieben. „Wenn wir jetzt darüber nachdenken wollen, wie wir ein paar hunderttausend Euro für den Tourismus verwenden wollen, dann sind wir etwas fehlgeleitet. Wir haben viel für den Tourismus getan, wir haben die Stadt attraktiv gemacht, gemeinsam mit privaten Investoren und das können wir den Hoteliers und Gastronomen sagen.“ Starke Worte in Richtung einer Branche, die wie kaum eine andere durch die Corona-Pandemie gebeutelt wurde.

Vertane Chance für Tourismus

In ein ähnliches Horn stieß Prof. Joachim Schulze von der BfG-Fraktion. Er bezeichnete die Ablehnung der Übernachtungssteuer durch den Landestourismusverband als Lobbyismus: „Es geht letztlich um die Kontrolle der Einnahmeverwendung, die man gern im eigenen Tätigkeitsfeld haben möchte. Eine Privilegierung einer Branche für die Mitbestimmung erschließt sich mir nicht.“ Hundebesitzer dürften schließlich auch nicht entscheiden, wofür die gezahlte Hundesteuer verwendet wird. Unpassender Vergleich, sagt Mike Altmann: „Zur Hundesteuer gibt es keine rechtliche Alternative. Zur Übernachtungssteuer schon. Mit der Gästetaxe können Kommunen den Erlös zweckgebunden verwenden. Ob für die Tourismus-Information oder neue Toiletten, ob für Investitionen am Berzdorfer See oder Veranstaltungen wie das ViaThea – das Geld fließt in touristische Infrastruktur und Angebote. Mit klugen Beteiligungsverfahren hätten wir Akteuren aus dem Tourismus ein Mitspracherecht ermöglichen können, etwa im Rahmen eines Beirates. Dass ausgerechnet Prof. Schulze als ein geistiger Vater der Bürgerbeteiligung in Görlitz darin eine Beschneidung des Stadtrates  sieht, ist erstaunlich.“

Bürokratiemonster?

Eine weitere Begründung für die Ablehnung der Gästetaxe war, dass es sich um „Bürokratiemonster“ handele, wie Prof. Schulze sich ausdrückte. Erstaunlich, dass dennoch 53 sächsische Kommunen eine Gästetaxe haben. Nur in Dresden gibt es eine Übernachtungssteuer. Handelt es sich denn tatsächlich um „Bürokratie“? Es geht eher um kaufmännische Pflichtaufgaben. Was bieten wir in Görlitz den Touristen an? Was kostet das? In welchem Anteil werden die Angebote von Gästen genutzt? Das ist keine Bürokratie, sondern notwendige Basis für die strategische Entwicklung des Tourismus. Und zwar völlig unabhängig davon, ob man eine Gästetaxe einführen möchte. Dies war ein wesentlicher Punkt warum sich die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne für das Modell Gästetaxe entschieden hatte. „Einer Übernachtungssteuer, die ohne Gegenleistungen für Gäste und Tourismusbetriebe eingezogen wird und im großen Haushaltstopf landet, werden wir auch zukünftig nicht zustimmen“, so Mike Altmann.