Motor-Montag im Siemens Energy CoWorking Space. Thema ist diesmal unsere Hochschule. Organisiert vom Kommunalpolitischen Netzwerk Motor Görlitz und der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne. Motor-Sprecher Axel Krüger erinnert, dass Görlitz und Zittau die Hochschule viele Jahre nicht als integralen Bestandteil erkannt und entsprechend gepflegt hätten. „Jetzt steht Hochschulstadt bald am Ortseingangsschild. Das aber allein wird nicht reichen.“
Moderiert vom Görlitzer Innovationsberater Christoph Scholze berichtet Sophia Keil, Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Prorektorin Bildung und Internationales über den Wandel an der Hochschule. „University for future“ heißt der Beteiligungsprozess. Was wünschen sich junge Leute, die hier studieren, von der Hochschule der Zukunft? Wie sehen das die Beschäftigten, die Professorinnen und Professoren? Und welche Wünsche und Ideen kommen aus dem Umfeld, den Unternehmen, der Gesellschaft? Sophia Keil möchte keine umzäunte Hochschulinsel. Sie möchte schnell und effizient Innovationen aus der Hochschule und Forschungseinrichtungen ins echte Leben transferieren. „Innovations-Hub“ nennt sich das heute.
HSZG als Impulsgeberin
In einer sich rasant wandelnden Welt ist es wertvoll, wenn man eine Hochschule in der Stadt hat. Die HSZG unterstützt nicht nur, sie gibt Impulse. Beispiel Digitalisierung: Im Labor SCO-TTi, angesiedelt im Wirtschaftsingenieurwesen, werden Dinge entwickelt, die sofort in der Wirtschaft eingesetzt werden können. Mit Hilfe moderner Technik werden Produktionsumgebungen digitalisiert, so dass stets „Exkursionen“ in die Arbeitswelt möglich sind, ganz unabhängig von Ort und Zeit. Virtuelle Welten sind ebenso interessant, wenn es um das Trainieren von Wartungen über große Entfernungen geht. Im Blickpunkt stehen auch Mensch-Maschine-Themen. Die reichen von tiefgreifenden ethischen Fragen bis zu ganz pragmatischen Untersuchungen: Wie fühlt sich eine VR-Brille für einen Monteur im Arbeitsalltag an? Sophia Keil sagt aber auch: „Nicht jede technische Innovation ist in jedem Oberlausitzer Unternehmen nötig.“
Was kann „die Stadt“ tun?
Dr. Jana Krauß, Vorsitzende der Stadtratsfraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne, lässt gar keinen Zweifel aufkommen, wie wichtig die HSZG für Görlitz und die Region ist: „Die Hochschule passt zu uns, sie ist praktisch ausgerichtet. Hier bilden wir Spitzenleute für die Region aus.“ Sie sieht die Hochschule für die Zukunft gut aufgestellt, da viele Transformationsthemen bereits abgebildet sind. „Görlitz als Stadt kann daran arbeiten, damit sich mehr Leute für Transformationsthemen interessieren.“ Orientieren könne man sich am Projekt TRUST, wo ganz unterschiedliche Akteure aus der Stadtgesellschaft gemeinsam daran arbeiten, wie konkret eine klimaneutrale Stadt entsteht.
Hausaufgaben erledigen
Einig ist sich die Runde, dass wir für einen erfolgreichen Strukturwandel Hausaufgaben lösen müssen. Das Thema „Lehrermangel“ nimmt den Raum ein. Die Sorge ist greifbar, dass Görlitzer Kinder benachteiligt werden, weil selbst wichtige Fächer wie Mathe in Größenordnungen ausfallen. „Wenn wir den Lehrermangel nicht angehen, brauchen wir über Strukturwandel nicht weiter reden. Wissenschaftsfamilien kommen nicht, wenn Mathe und Physik ausfallen und es einen massiven Bildungsnachteil gibt“, sagt Prof. Sophia Keil.
Als Macherin arbeitet sie an Lösungen. Eine davon sind „Zukunftslernorte“, an denen junge Leute für MINT-Themen begeistert werden. Teils in stationären Laboren, wie ab 2025 die Junior Academy in den Zittauer Mandauhöfen. Teils als mobile Angebote. Auch in Görlitz wünscht sich die HSZG ein Zukunftslabor. In Abstimmung mit den Forschungseinrichtungen CASUS und DZA soll es um das I in MINT gehen – Informatik. Aktuell hapert es an Rahmenbedingungen. Die Hochschule bekommt keine zusätzlichen Flächen genehmigt. Die Stadt müsste helfen und eine entsprechende Fläche anmieten. Das wäre nur fair, schließlich unterstützt die Hochschule den Görlitzer OB seit 2019 bei der Umsetzung von Projekten. Nicht nur der Zukunftslernort (früherer CDU-Arbeitstitel: „Experimentierhaus“) als auch die bereits tätige Film-Akademie wäre ohne die HSZG nicht denkbar.
Lehrerausbildung in Görlitz
Klar ist, dass die Zukunftslernorte allein nicht den Stundenausfall kompensieren. Genauso wenig wie die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern an der Hochschule Zittau-Görlitz. Dennoch ist dieser Studiengang mit großer Hoffnung verbunden. Prof. Martin Goldfriedrich hat dafür an der Hochschule den Hut auf. Das Thema bewegt die HSZG schon länger. Knackpunkt war immer, dass es sich beim Lehramtsstudium um eine universitäre Ausbildung handelt. Es braucht eine Partner-Uni (und Rückenwind von der Politik). Seit rund eineinhalb Jahren geht es endlich besser voran. Es gibt konkrete Vorstellungen. Angeboten wird ein Lehramtsstudium für Oberschule mit den Fächern Deutsch, Mathematik, Biologie und WTH. Man hat sich am Bedarf und den eigenen Kompetenzen orientiert aber auch an der Attraktivität für Studentinnen und Studenten. So wird man in Görlitz Sonderpädagogik (Förderschule mit Förderschwerpunkt Lernen) belegen können. Für die Umsetzung der guten Konzepte braucht es Ressourcen. Klappt es damit, könnte der Startschuss im Wintersemester 25/26 erfolgen.
Fishbowl sieht Bildungskrise
In der zweiten Halbzeit bleibt es zwar beim Thema „Bildungskrise“ aber körperlich kommt Bewegung in die Runde. Beim Fishbowl-Format gibt es einen freien Sessel im Podium. Wer einen Beitrag hat, gesellt sich in die Runde. Die Runde macht klar, was sie besonders bewegt: Die Bildungschancen der Görlitzer Kinder und Jugendlichen. Dass dabei Zukunftsthemen der Hochschule etwas kurz kamen, zeigt, dass hier der Schuh besonders drückt. Prof. Martin Goldfriedrich gelingt es, einen Bogen zu schlagen, von der Betrachtung unserer Defizite zu den Möglichkeiten der Technologie: „Künstliche Intelligenz kann Lehrerinnen und Lehrer dabei unterstützen, die Kinder und Jugendlichen ganz individuell zu fördern.“ Wir haben viel zu tun. Und sind nicht allein. Ist es nicht beneidenswert, in einer Zeit des Wandels eine Hochschule in der Nachbarschaft zu haben?
Text: Mike Altmann
Foto: Paul Glaser