Wo sind die Oberschul-Millionen?
Der Görlitzer Oberbürgermeister Ursu hat die am 15. April vom Stadtrat beschlossenen Investitionsgelder in Höhe von drei Millionen Euro für den Neubau der Oberschule nicht in den aktuellen Haushaltsentwurf eingearbeitet. Der Beschluss vom April lautete: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, drei Millionen Euro für die Umsetzung ‚Bau einer neuen Oberschule‘ in das Haushaltsjahr 2023/24 einzustellen.“ In der gestrigen Stadtratssitzung begründete der OB auf Nachfrage von Dr. Jana Krauß (Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne), warum er die Schulmillionen nicht in die Finanzplanung aufgenommen hat: “Jetzt behandeln wir den Doppelhaushalt 21/22. Um es im Haushalt 21/22 sichtbar zu machen, hätte man einen Antrag stellen müssen auf Einstellung der Gelder in die mittelfristige Planung. Sie können das in der Haushaltsverhandlung nochmals tun. Sie kennen aber meine Position. Es würde uns nicht viel weiterbringen. Die Zahlen im Haushalt sehen auch nicht gut aus. Das würde die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts nicht verbessern, wenn wir das zusätzlich aufnehmen. Überlegen Sie deshalb gut, ob Sie das machen wollen.”
Unklare Formulierung?
Rückblick: Der Tagesordnungspunkt zur Oberschule wurde auf Wunsch des OB in einer Sondersitzung Mitte April behandelt. Damalige Begründung: Er möchte wissen, wie sich der Stadtrat politisch zur neuen Oberschule verhält – dies habe Auswirkungen auf die Erstellung des Doppelhaushaltes 21/22. Dazu muss man wissen, dass der Haushalt 21/22 auch einen „Fünfjahrplan“ für Investitionen enthält. In der gesamten Diskussion am 15.4. wurde bei allen Pros und Contras mit dem Haushalt 2021/22 argumentiert, auch und gerade durch die Verwaltung. Es gibt keinen Zweifel, dass die Intention des Antrags darin bestand, die drei Millionen Euro im Investitionsplan für die Jahre 2023/24 einzustellen. Natürlich abgebildet im Doppelhaushalt 21/22. Bei unklar formulierten Beschluss wäre es Pflicht des Vorsitzenden des Stadtrates gewesen, also des OB, darauf hinzuweisen. Dies erfolgte nicht.
So knapp der Beschluss im April war: Eine Mehrheit war für die drei Millionen für die Oberschule. Das zählte für die Rathausspitze offenbar nicht. Sie entschied sich für einen Griff in die Trickkiste. Der möglicherweise nicht eindeutige Beschlusstext wurde sehr wörtlich genommen. Ausgeklammert wurde bei dieser Bewertung der eigentliche Willen der Stadtratsmehrheit, der sich aus der Diskussion ergeben hat. Das Ziel ist durchsichtig: Da die Position „Neubau einer Oberschule“ nun nicht im Haushaltsentwurf der Verwaltung enthalten ist, muss man als Fraktion eine Änderung beantragen, inklusive Deckungsvorschlag. Damit hebelt OB Ursu den am 15. April gefassten Beschluss faktisch aus, um seinen Haushaltsentwurf zu schönen.
Verstoß gegen Haushaltsgesetz?
Herr Ursu erklärt uns, er werde aufgrund des Beschlusstextes die drei Millionen für die Oberschule erst in den nächsten Haushalt in zwei Jahren einplanen. Damit verstößt er aus unserer Sicht gegen Gesetze. Grundlage für eine ordnungsgemäße Aufstellung des Haushaltes ist u.a. die Sächsische Kommunalhaushaltsverordnung. Im § 9 „Investitionen und Finanzplan“ heißt es in Absatz 2: „In das dem Finanzplan zugrunde zu legende Investitionsprogramm sind die im Planungszeitraum vorgesehenen Investitionen (…) nach Jahresabschnitten aufzunehmen. Jeder Jahresabschnitt soll die fortzuführenden und die neuen Maßnahmen mit den auf das betreffende Jahr entfallenden Teilbeträgen wiedergeben.“ Auf Deutsch: Wenn der OB bereits jetzt weiß, dass 2023/24 drei Millionen Euro für eine neue Schule investiert werden sollen, dann muss er diese Summe auch zwingend in das Investitionsprogramm aufnehmen. Stand jetzt würde die Rechtsaufsicht getäuscht, da beschlossene Investitionsmittel von drei Millionen Euro in den Jahren 23/24 nicht angegeben werden.
Vertrauen ist erschüttert
Das eigentlich Traurige an der Situation: Der OB setzt einen ihm missliebigen Beschluss nicht ordentlich um. Das Vertrauen ist erschüttert. Worauf können wir uns noch verlassen? Müssen wir für die Formulierung der Anträge künftig einen Rechtsbeistand hinzuziehen? Oder notariell beglaubigen lassen, welche Intention bei Beschlussfassung gemeint ist? Der Oberbürgermeister mag ja die Meinung der Verwaltung gut vertreten, den Stadtrat vertritt er an dieser Stelle nicht. Damit kommt er seiner Pflicht nur einseitig nach.