Subjektiver Bericht aus dem Stadtrat vom 6.3.2025
Erneut wird der Stadtrat mit einer übersichtlichen Tagesordnung eingeladen. Den meisten Raum nimmt die Information des Stadtwerkes-Vorstandsvorsitzenden Matthias Block zum
Fernwärme-Projekt mit Zgorzelec
ein. „United Heat“, so heißt das Projekt, genießt europaweit Aufmerksamkeit, seitdem im Sommer 2020 eine erste Willenserklärung beider Städte unterzeichnet wurde (unser Bild zeigt dieses Ereignis, Matthias Block ist ganz links zu sehen).
Dass sich zwei Nachbarstädte aus zwei Ländern aufmachen, um eine gemeinsame Fernwärmeversorgung aufzubauen, ist aufsehenerregend. Knapp 200 Millionen Euro sind bis 2030 dafür veranschlagt, 50 Prozent kommen über europäische und nationale Förderung. Auf deutscher Seite wird deutlich mehr gebaut (Anteil 70% am Invest). Das hängt damit zusammen, dass in Görlitz vier getrennte Fernwärmegebiete verbunden werden müssen. In Zgorzelec gibt es nur ein großes Netz, an das etwa die Hälfte aller Bewohner angeschlossen ist. In Görlitz gibt es bislang nur 20% Fernwärmekunden. Matthias Block hofft auf Wachstum. Die Kosten für die Kunden sollen konstant bleiben.
United Heat soll ab 2030 Görlitz-Zgorzelec mit Fernwärme versorgen. Autark und klimaneutral, wie SWG-Chef Block betont. Was kommt aus der Leitung? Hauptsächlich wird Biomasse verbrannt (48%), also Holzhackschnitzel und Biomethan. Das liegt vor allem an der polnischen Seite. In Deutschland sind nur 25% Biomasseanteil erlaubt. 33% der Wärme liefern Wärmepumpen und 17% kommt aus Solarthermie. Hierbei wird der Berzdorfer See angezapft. Wärme aus dem See kommt über Leitungen nach Weinhübel. Keine Angst, der Berzi wird dadurch nicht kälter. Experten rechnen mit 0,1 Grad weniger Wassertemperatur. Flora und Fauna erleiden keinen Schaden. Die restlichen Wärmequellen sind mit je 1% Abwärme und Power to Heat.
Unser Energieexperte in der Fraktion ist Danilo Kuscher. Ihm bereitet der hohe Biomasseanteil Bauchschmerzen. Die Fernwärmeversorgung sei wohl mehr regenerativ als klimaneutral. Danilo verweist außerdem darauf, dass der Biomassemarkt jetzt schon stark umkämpft ist. Fachleute gehen von einer Limitierung der Biomasse beim Gesamtanteil der Energieträger aus. Er möchte wissen, wie hoch das Risiko für Lieferengpässe und steigende Preise ist. Matthias Block wirft uns Beruhigungsmittel ins Tagungsgetränk (Wasser, Medium): Er sieht diese krasse Verknappung nicht und auch keinen drohenden Preisdruck. Das sei in einer Machbarkeitsstudie alles geprüft worden. Der hohe Biomasseanteil in Polen ist damit zu begründen, dass es in Zgorzelec 120 Grad Vorlauftemperatur braucht. Perspektivisch gibt es einen großen Investitionsbedarf auf Zgorzelecer Seite. Um diese schlechte Energieeffizienz zu verbessern, muss man an die Hausanschlüsse ran. Dafür sind weitere dreistellige Millionensummen nötig.
Viele Details sind zum heutigen Zeitpunkt noch unklar. Wie etwa die konkrete Belieferung zwischen beiden Seiten, die Preisgestaltung, etc. Es gibt in beiden Ländern unterschiedliche Regeln zusammen. Dass dennoch zusammengearbeitet wird, hat Vorbildwirkung für Europa. Und ist einer Europastadt absolut würdig. Wir müssen in vielen Themen mehr miteinander planen, statt parallel.
Hier gibts mehr Infos zum Projekt „United Heat“.
Fragestunde für Stadträte
Parken und Umleitungen in der Nikolaivorstadt
Die Verkehrslage in der Nikolaivorstadt wird weiter diskutiert. Zunächst geht es ums Parken. Seit 1. März dürfen keine Autos mehr auf den Parkplatz an der alten Volltuch gestellt werden. Die Stadtverwaltung ist mit den Eigentümern im Gespräch, um zumindest das Parken auf eigene Gefahr zu ermöglichen. Ausgang offen. Allein dort sind 90 Stellplätze weggefallen, nachdem das Landratsamt mit seinem Jobcenter aus dem Objekt ausgezogen ist.
Parkplatzmangel gibt es aber nicht erst seit 1. März in der Nikolaivorstadt. Seit vielen Jahren wird eine Zone für Bewohnerparken gefordert. Doch erneut lehnt die Stadtverwaltung ab. Begründet wird dies seit fünf Jahren mit einem Satz aus einem Kommentar zur STVO, wonach es untersagt sei, Bewohnerparkzonen auszuweisen, wenn die Parkplätze nicht für alle Bewohner in ausreichender Anzahl verfügbar seien.
Ich sehe das anders nach Lektüre von Fachartikeln: Es gibt seit Ende 2024 eine Novellierung der STVO. Diese räumt auch beim Bewohnerparken den Kommunen einen neuen Spielraum ein. So muss es nicht mal mehr einen Parkplatzmangel geben. Eine Bewohnerparkzone kann auch eingerichtet werden, wenn diese aus städtebaulicher und verkehrsplanerischer Sicht nötig ist. Nötig ist eine intensive Beschäftigung mit den Auswirkungen und Möglichkeiten der neuen STVO im Technischen Ausschuss. Die Nikolaivorstadt ist ein Wohngebiet, das von Berufspendlern (u.a. der nahen Stadtverwaltung) ebenso frequentiert wird wie von Altstadt-Besuchern. Kein Wunder, ist doch die Nikovorstadt eine Gratisparkinsel inmitten von Bewohnerparkzonen und Bezahlparkplätzen. Insofern sind aus meiner bescheidenen Sicht auf die novellierte StVO alle Voraussetzung fürs Bewohnerparken gegeben.
Hier findet man die Auffassung des AFDC zur StVO-Novelle.
Klar, das würde auch nicht alle Probleme lösen. Wir benötigen mehr Parkraum am Eingang zur Altstadt, um den Verkehr zu lenken und Autos von der Straße zu bekommen. Entsprechende Überlegungen aus den Jahren 2020/21 ruhen und sollten wieder aufgenommen werden. Das sieht auch Bürgermeister Benedikt Hummel so, der einen Tag vor der Stadtratssitzung bei einer Veranstaltung des Bürgerrates in der Bierblume anwesend war und glaubhaft vermitteln konnte, an einer guten Lösung interessiert zu sein.
Anderer Meinung als viele Bewohner der Lunitz ist Bürgermeister Hummel beim Thema Wohnmobilhafen. Hier wünscht er keine Änderungen am geplanten Projekt. Aus dem Bürgerrat kam die Idee, Gespräche mit den Stadtwerken aufzunehmen, um den Wohnmobilhafen auf dem Gelände des alten Gaswerkes zu verkleinern. Stattdessen sollten zusätzliche Parkplätze für Anwohner entstehen. Hummel hält das für eine schlechte Idee, das touristische Projekt sei bereits auf gutem Weg.
Mein Fraktionskollege Silvio Minner (SPD) hat auch Fragen zur Nikolaivorstadt. Er möchte wissen, wann die baufällige Treppe Neugasse-Hirschwinkel repariert wird. Aufgrund des Parkplatzmangels weichen Anwohner auf die Neugasse aus und müssen wegen der gesperrten Treppe weite Umwege in Kauf nehmen, um „nach unten“ in die Nikolaivorstadt zu kommen. Bürgermeister Hummel erklärt, die Verkehrssicherheit sei nicht gewährleistet, deshalb muss weiter gesperrt werden. Aber es gibt nun ein Sanierungskonzept. Wann das umgesetzt wird, steht auf einem anderen Blatt. Geld, Zeit, personelle Ressourcen spielen dabei eine Rolle. Und die Frage, wie wichtig ist dieses Projekt der Stadtverwaltung bei der Priorisierung.
Wegen der Bauarbeiten am Nikolaigraben und einer dreimonatigen Straßensperrung haben Teile der Nikolaivorstadt mit deutlich mehr Verkehr zu tun. Davon betroffen sind auch Kita und Grundschule. Silvio Minner wünscht sich Beschränkungen, zumindest regelmäßige Geschwindigkeitskontrollen. Benedikt Hummel sagt zu, dass dort mehr kontrolliert wird. Eine generelle Einschränkung durch veränderte Einbahnstraßenregelungen o.ä. Maßnahmen sieht er nicht.
PV auf Denkmaldächern
Meine Stadtratskollegin Jana Krauß (Bündnisgrüne) fragt nach, wie es mit den Genehmigungen für PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Objekten läuft. Im November 2023 wurde vom Freistaat Sachsen eine Handreichung zum Umgang mit Solaranlagen auf und an denkmalgeschützten Gebäuden herausgegeben. Sie soll als Leitfaden für die Antragstellung dienen. Jana möchte wissen: Wie viele Anträge auf Installation von PV auf/an denkmalgeschützten Objekten wurden in Görlitz seit Januar 2024 gestellt? Wie viele davon wurden genehmigt? Wie viele Untersagungen gab es? Wie viele Widersprüche sind offen? Die Verwaltung wird das noch ausführlich beantworten. In der Sitzung sagt Bürgermeister Hummel, dass er von etwa 10 solchen Anträgen weiß. Einer sei nicht genehmigungsfähig gewesen. Wir warten auf die ausführliche Antwort und bleiben bei dem Thema am Ball. Es ist von mehreren Seiten Unmut an uns herangetragen worden, wie dieses Thema von der Görlitzer Denkmalbehörde gehandhabt wird.
Fehlender Strand am Berzi
Kollege Danilo Kuscher (Motor) gibt Bürgeranfragen zum Berzdorfer See weiter: Ob es eine kurzfristige Lösung gibt, die trotz des abgetragenen Strandes am Nordostufer eine schöne Badesaison ermöglicht. Hier macht Bürgermeister Hummel wenig Hoffnung auf bequemes Planschen. Die aktuelle steinige Lösung der LMBV soll wohl für diese Saison so bestehen bleiben. Die Badeschuhindustrie wird jubeln.
Auch die zweite See-Frage kommt aus der Bürgerschaft und wird von Danilo weitergegeben: Vor einigen Wochen wurden an der Zufahrtsstraße diverse Bäume und Sträucher eliminiert. Bis heute liegt der Verschnitt auf dem eigentlich für die Fußgänger vorgesehen „Gehweg“. Wann kommt das weg? Und warum gilt außerhalb der Saison nicht weiter Tempo 30 an der Zufahrt zwischen B99 und Berzdorfer See? Bürgermeister Hummel ist offensichtlich genervt von vielen Fragen, die sich um Totholz ranken. Man wisse doch schließlich, dass immer nur bis Ende Februar abgeholzt werden darf. Dass es dann bis zum Abtransport etwas dauert, sei normal. Hummel geht davon aus, dass das Holz demnächst wegkommt. In Sachen Geschwindigkeit bekommen wir später Bescheid.
Neue Firma siedelt sich an
Eine gute Nachricht kommt vom Oberbürgermeister als Information: Mit der Mediakom GmbH siedelt sich ein Gesundheitsdienstleister auf der Berliner Straße an. 25 Mitarbeiter sollen dort starten, bis zu 190 Beschäftigte sind perspektivisch geplant. Herzlich Willkommen und Glückwunsch an die Wirtschaftsförderer der EGZ für den guten Fang.
Beschlüsse werden einige wenige gefasst.
Hauptsatzung
Einstimmig angenommen wird die neue Hauptsatzung. Darin regelt der Stadtrat den Rahmen der Arbeit. Welche Ausschüsse gibt es, wer hat welche Rechte und Pflichten, etc. Großartige Veränderungen gibt es nicht zu den Vorjahren. Interessant ist eine Reform im Ausschuss für Wirtschaft und Stadtentwicklung. Dieser wurde bislang immer vom Oberbürgermeister geleitet. Das übernimmt nun wie bei allen anderen beratenden Ausschüssen ein Stadtrat. Gewünscht hatte sich das die CDU – wir sind damit sehr einverstanden. Der OB hat genug um die Ohren – und frischer Wind tut diesem wichtigen Ausschuss gut.
Schulvereinbarung mit Zodel
Bereits seit 2011 fungiert Görlitz als Träger der Grundschule Zodel. Die Einrichtung ist wichtig für Kinder aus den nördlichen Ortsteilen Ludwigsdorf und Ober-Neundorf. Nachdem der alte Vertrag gekündigt wurde, gibt es nun einen neuen Kontrakt zwischen Görlitz und der Gemeinde Neißeaue. Darin ist hoffentlich alles zur Zufriedenheit der Beteiligten geregelt. Der Stadtrat sagt einstimmig „Ja“ zur Verlängerung der Schulehe.
Grundstücksverkauf an der Nieskyer Straße
Eigentlich eine Formalie: SachsenEnergie möchte neben dem Neißepark Schnelladesäulen errichten. Der Großteil der dafür benötigten Fläche gehört der Bundesrepublik Deutschland. Ein benachbarter schmaler Streifen in städtischem Besitz wurde in Abstimmung mit der Stadt Görlitz ebenfalls verkauft an die SachsenEnergie AG. Für das städtische Grundstück wurde ein Kaufpreis von knapp 180.000 Euro vereinbart. Macht rund 69 Euro pro Quadratmeter. Das entspricht in etwa dem Bodenrichtwert für Gewerbegebiete. Dazu muss man sagen, dass sich die Grundstücke teilweise im Außenbereich befinden bzw. nur eingeschränkt bebaubar sind. Es stehen auch noch Arbeiten für den neuen Eigentümer ins Haus, so dass man sagen kann, der Verkaufspreis ist für die Stadt sehr gut. Und Schnellladesäulen brauchen wir auch.
Trotzdem gibt es was zu meckern für die AfD. Stadtrat Garten berichtet uns von generellen Zweifeln an Grundstücksverkäufen. Es wird der Eindruck vermittelt, wir würden das Vermögen der Görlitzer verscherbeln. Ich verweise nochmal auf die Lage und Beschaffenheit des Grundstücks und – auf unsere finanzielle Situation. Ich möchte Herrn Garten und der AfD nichts unterstellen. Aber auf mich wirken solche Redebeiträge ideologisch und fern von Sachzusammenhängen.
Es stimmen alle 14 AfD-Stadträte gegen diesen Verkauf. Hätten sie die Mehrheit, würden wir auch die nächsten 20 Jahre mit dem Rasenmäher über die Fläche fahren und sie sich ansonsten selbst überlassen. Passt zur Abstimmung im letzten Kreistag, als große Teile der AfD-Fraktion eine Vorlage für den kostenlosen Breitbandausbau auf dem flachen Land abgelehnt haben.
Wahl von Stadträten in das Begleitgremium des Programms „Partnerschaft für Demokratie“
Im Oktober 2024 hat der Stadtrat nach heftiger Diskussion mit 21:15 beschlossen, das Projekt „Partnerschaft für Demokratie“ fortzuführen. Bedingung: Es werden zwei Stadträte in das Begleitgremium entsandt. Solche Gremienbesetzungen werden gewählt. Wer mehr als 50% der abgegebenen Stimmen bekommt, ist drin. Zur Wahl stehen für die AfD Miriam Socha. Die CDU nominiert Johann Wagner. Für die Bürger für Görlitz tritt Dr. Hans Christian Gottschalk an. Im ersten Wahlgang bekommt Frau Socha nur die 14 Stimmen der eigenen Fraktion. Auf Wagner entfallen 21 Stimmen, auf Gottschalk eine. Damit ist Johann Wagner gewählt.
In der zweiten Runde geht es nur noch um Socha und Gottschalk. Der Kinderarzt der BfG gewinnt mit 23 zu 14.
Sieht nach Absprache zwischen Fraktionen aus, wen man in welchem Wahlgang wählt? Richtig beobachtet. Funktioniert auch nicht anders, wenn man gemeinsam bestrebt ist, die am besten geeigneten Kandidaten in ein Gremium zu bekommen. Dass darüber AfD-Stadtrat Wippel enttäuscht ist, kann ich sogar nachvollziehen. Er hat aber Unrecht, wenn er anderen Fraktionen vorwirft, wir würden 43 Prozent der Görlitzer ausschließen, wenn wir die AfD nicht berücksichtigen (Nur am Rand: Das entspricht dem Stimmanteil der AfD in Görlitz bei der BUNDESTAGS-Wahl, wir sitzen aber im Stadtrat.) Undemokratisch? Im Gegenteil. Demokratie ist die Suche nach Mehrheiten. Schon immer. Im Jahr 1976 stimmten fast 49 Prozent die CDU bei der Bundestagswahl. Regiert haben SPD und FDP.
Punkt 19 Uhr ist die Sitzung zu Ende. Schon in drei Wochen gibt es die nächste Sitzung des Stadtrates. Dann soll der Haushalt beschlossen werden.
Wenn ihr Anregungen habt, mit uns unzufrieden seid oder gar die Ansicht vertretet, dass in Deutschland zu wenig gelobt wird, dann meldet euch bei uns.
Text und Foto: Mike Altmann