Stadtratsblog #29: 31.3.2022

Die Sitzung beginnt mit Informationen des OB zur Situation der ukrainischen Flüchtlinge. Da die Sonderzüge von Polen statt Görlitz nun über Cottbus fahren, geht die Zahl der Ankommenden zurück. Die Situation kann sich aber jederzeit ändern. Nach Aussage von Herrn Ursu laufen die Vorbereitungen für Notunterkünfte und Zuweisungen in Kitas und Schulen. Ein Problem bleibt die schleppende Registrierung im Landkreis. Sie ist Voraussetzung für alle weiteren Hilfen (Geld, Arbeitsmöglichkeiten, Schule, medizinische Versorgung etc.). Er hofft durch die personelle Aufstockung in der Ausländerbehörde auf mehr Tempo. Octavian Ursu bedankt sich bei allen Privatinitiativen für „eine beeindruckende Hilfsbereitschaft, die uns gut zu Gesicht steht.“

Über eine Tagung der Arbeitsgemeinschaft Historische Städte in Görlitz berichtet Bürgermeister Michael Wieler: Zur AG gehören neben Görlitz Stralsund, Meißen, Lübeck, Bamberg und Regensburg. Pro Jahr gibt es drei Treffen. Themenschwerpunkt in Görlitz war die Verbesserung der Energieeffizienz in historischen Städten. Ziel es ist, die Städtebauförderung in Richtung Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln. Photovoltaikanlagen sind auf Dächern denkmalgeschützter Gebäude nicht möglich. 90% der Objekte in Görlitz werden mit Gas befeuert. Auf der anderen Seite ist die größte Energieeinsparung nicht zu bauen, sondern Bestand zu erhalten. Genau das soll als Nachhaltigkeit bei der Städtebauförderung berücksichtigt werden. Ein weiteres verbindendes Thema: In keiner der historischen Städte ist es technisch möglich, Straßenlaternen zu E-Ladesäulen aufzurüsten.  Auch hierauf soll es Antworten zu möglichen Alternativen geben. Dr. Wieler schwärmt von der wertvollen Netzwerkarbeit und dem fachlichen Austausch auf kurzem Weg. (Bitte behaltet im Hinterkopf, wie wertvoll Arbeitsgruppen sein können.)

Fragestunde für Einwohner

OB a.D. Matthias Lechner hält einen langen Vortrag zu Petitionen in Sachen Stadtreinigung, die auf der Tagesordnung stehen. Jeder andere wäre auf die Regeln bei der Bürgerfragestunde hingewiesen worden (kurzfassen, Fragen stellen, keine Statements). Oberbürgermeister Ursu lässt ihn gewähren. Vielleicht aus Respekt vor einem seiner Amtsvorgänger. Kann ich nachvollziehen, auch wenn Regeln für alle gelten sollten.

Fragestunde für Stadträte

Yvonne Reich (BfG) erkundigt sich zum Stand der Sanierung der Turnhalle Cottbuser Straße und will wissen, ob aus diesem Budget Gelder zum zuletzt gesperrten Sportplatz Hirschwinkel gelenkt werden können. Das verneint Herr Wieler. Das Hirschwinkel-Areal wurde bereits aus Städtebaufördermitteln errichtet. Erschreckend hoch sind die Summen, die er nennt. Eine halbe Million Euro sollen nötig sein, um den Sportplatz Hirschwinkel wieder in Schuss zu bringen. Wir werden uns nächste Woche im Sportausschuss ebenfalls damit beschäftigen. Wenn wir keine Komplettsanierung hinbekommen, sollten wir die nötigsten Reparaturen machen, damit dort wieder Sport getrieben werden kann. Zurück zur Turnhalle Cottbuser Straße. Wird auch eine größere Baustelle als gedacht. Der jetzige Vorbau ist zu klein für den vorgeschriebenen Standard bei Sanitär- und Umkleideräume. Wir brauchen einen Ersatzbau dafür. Das wird allerdings nicht gefördert. Somit heißt es: Neu planen. Es wird Abstriche bei der Turnhalle geben, damit die Umkleiden und Toiletten bezahlt werden können. Wir sind eine sehr arme Stadt.

Außerdem möchte Frau Reich wissen, wie es um den seit Ewigkeiten geplanten Präventionsrat steht. Das kann der OB nicht beantworten, da die dafür nötige Stelle noch nicht besetzt ist. Eine Ausschreibung hat es gegeben. Nun werden die Bewerbungen ausgewertet. Der Stadtrat selbst hat den Präventionsrat noch gar nicht beschlossen.

Unser See-Beauftragter in der Fraktion Andreas Kolley erkundigt sich, was nötig ist, um die Toiletten am Nordoststrand zu öffnen. Amtsleiter Torsten Tschage erläutert: Die Technik wird vor dem Winter abgebaut (Frostgefahr). Weil im Betriebshof durch einige Ausfälle Personalmangel herrscht, wurde eine Firma mit dem Einbau beauftragt. Das ist mittlerweile geschehen, die Reinigungsarbeiten wurden auch vergeben. Die Toilettenanlage soll bereits am Wochenende zur Verfügung stehen.

Zweite Frage von Andreas: Im November 2020 wurde uns der Leitfaden „Klimaneutrale Stadt 2030“ präsentiert. Im nächsten Schritt sollte gemeinsam mit der Stadtgesellschaft ein Masterplan zur Umsetzung entwickelt werden. Wie ist der Sachstand? Antwort OB Ursu: Wir sind nicht dazu gekommen. Corona, andere wichtige Aufgaben, Ausfälle im Personal.

Auch Matthias Schöneich (CDU) erkundigt sich nach dem Stand von Beschlüssen. Auf seine Initiative gab es ebenfalls schon im November 2020 einen Beschluss, mit dem der OB aufgefordert wurde, die Musterresolution „2030 – Agenda für Nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene gestalten“ zu unterzeichnen, eine Strategie zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele zu erarbeiten und hierfür eine Personalstelle über Förderprogramme zu schaffen. Auch hier Abarbeitungsstau. Der OB berichtet, dass die Unterzeichnung geplant war aber wegen fehlender Rückmeldungen von Stadträten verschoben wurde. (Wir suchen noch fieberhaft nach der Einladung.) Der gewünschte Nachhaltigkeitsmanager ist bislang nicht eingestellt worden. Es gibt einen Förderantrag, der im Oktober 2021 eingereicht wurde, erst im März gab es eine Rückmeldung vom zuständigen Fördermittelverwalter. Es sollen noch einige Fragen zum Antrag beantwortet werden. Im besten Fall startet die Fachkraft für Nachhaltigkeit im Juni 2022. Laufzeit zwei Jahre. Scheitert der Fördermittelantrag, dann wird es wohl auch nichts mit der Nachhaltigkeitsstrategie.

Mein Fraktionskollege Danilo Kuscher berichtet von erheblichen Problemen bei Trägern von ESF-Projekten. Die Vereine haben teilweise massive Liquiditätsengpässe, weil die Stadtverwaltung monatelang die Mittelabrufe nicht abgearbeitet hat (Personalprobleme auch hier). Da man bei ESF-Projekten in Vorleistung geht, kommt es zu finanziellen Schwierigkeiten, denn die Kosten laufen weiter. Nächstes Problem: Die neue ESF-Förderperiode sieht vor, dass statt 10% nun 15% Eigenmittel nötig sind. In Görlitz zahlen die Träger dieses Eigenanteile selbst, obwohl sie keine Einnahmen mit diesen Projekten erzielen. Das Geld steuern Vereinsmitglieder bei oder es gibt Querfinanzierungen. Eine Erhöhung der Eigenmittel kann sich kaum ein Verein leisten. Unterm Strich stehen Projekte vor dem Aus, sind Arbeitsplätze junger Mütter und Väter in Gefahr. Wie weiter, möchte Danilo wissen, der ausdrücklich das Engagement des neuen Amtsleiters für Soziales Alexander Eichler lobt. Bürgermeister Wieler erklärt zunächst, dass es keine dauerhafte Förderung von Projekten über den ESF gibt. Der Großteil sei zum 31.12.21 abgeschlossen worden, bis auf einige Ausnahmen. Die Stadt bereitet nun einen Rahmenantrag mit interessierten Trägern vor. Der Freistaat hat erst einen Tag vor der Stadtratssitzung die neue Richtlinie herausgegeben. Bis die neue Förderperiode greift, braucht es eine Zwischenfinanzierung, die aber nicht in der Haushalts-Planung vorgesehen ist. Im April soll ein Grundsatzbeschluss vorgelegt werden. Der Stadtrat entscheidet, welche Projekte fortgesetzt werden und ob auch Eigenmittel für externe Träger übernommen werden. Amtsleiter Eichler berichtet über erheblichen Personalmangel in seinem Ressort. Um die Anträge und Mittelabrufe zu stemmen, bittet er um personelle Unterstützung bei SAB und Staatsregierung. Erste Träger haben vorgeschlagen, dass die Stadt zumindest die höheren Eigenmittel übernimmt. Wir werden unterstützen. Die Projekte leisten eine wertvolle Arbeit, vor allem im sozialen Bereich. Bricht das weg, wird es keinen Ersatz geben. Die Stadtkassen sind leer.

Wasser marsch!
Über den Stand beim „Brandschutzbedarfsplan“ informiert uns der Leiter der Görlitzer Feuerwehr Uwe Restetzki. Bei der Berufsfeuerwehr ist personell alles im Lot, der Standort Krölstraße bleibt weiterhin die „Baustelle“. Bereits 2001 wurden erhebliche Mängel durch die Unfallkasse festgestellt. Aktuell läuft eine Machbarkeitsstudie, ob sich das ehemalige Schlachthofgelände für einen Neubau eignet. Ein neues Domizil ist für die Freiwillige Feuerwehr Stadtmitte aktuell im Bau. Es entsteht an der Cottbuser Straße zwischen Hammer-Markt und der ehemaligen Schule. Die FFW Stadtmitte hat als einzige in Görlitz ausreichend Feuerwehrleute. Größtes Sorgenkind ist die Ortsfeuerwehr Weinhübel. Dort gibt es aktuell nur noch 5 Kameraden. Im Jahr 2019 waren es noch 24. Wer sich berufen fühlt und es mit Familien- und Arbeitsleben in Einklang bringen kann, ist bei allen Ortswehren herzlich willkommen. Dass die Feuerwehren mehr machen als Brände löschen, zeigen sie am 7. Mai ab 8 Uhr. Dann wird an der Neiße die neue mobile Hochwasserschutzwand aufgebaut zwischen altem Kondensatorenwerk und Altstadtbrücke. Sicher ein spektakuläres Ereignis.

Es ist der vorerst letzte Auftritt von Uwe Restetzki als Feuerwehrchef. Er übernimmt die verwaiste Position des Ordnungsamtsleiters. Dafür wünscht ihm unsere Fraktion gutes Gelingen.

Neuer Rechtsaußen
Gerald Rosal wird als neuer AfD-Stadtrat vereidigt, nachdem der Kunnerwitzer Wirt Sven Vetter nicht mehr wollte. Etwa fünf Minuten später tritt Rosal erstmals ans Rednerpult, weil er sich diskriminiert fühlt. Was war geschehen? CDU-Mann Matthias Schöneich hatte in einer persönlichen Erklärung Einblicke in sein Seelenleben gewährt. Wegen der Nachbesetzung im Stadtrat gibt es personelle Änderungen in den Ausschüssen. Eigentlich eine Formsache. Vielen von uns fällt es aber schwer, den Arm zu heben für Menschen, die eine Partei repräsentieren, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Das bringt Matthias Schöneich in einer persönlichen Erklärung zum Ausdruck und kündigt an, dass er zwar die demokratischen Spielregeln anerkenne, sich aber dennoch enthalten werde. Großes Wehklagen ganz rechts. Neustadtrat Gerald „Rosi“ Rosal eilt ans Mikrofon. Weil er sich diskriminiert fühlt. (Im weiteren Verlauf der Sitzung verdichtet sich der Eindruck, dass dieser Neuzugang ein Garant für Heiterkeit werden könnte.)

Wahlen mit Hindernissen
Die Nachbesetzungen mit AfD-Stadträten in den Ausschüssen gehen reibungslos über die Bühne. Unsere Fraktion enthält sich ebenso wie Matthias Schöneich und Die Linke. Danach sollen zwei „sachkundige Bürger“ in Ausschüsse gewählt werden. Es gibt außer ihren Namen keinerlei Informationen. Meine Bitte an die AfD-Fraktion, die beiden Kandidaten kurz vorzustellen, wird abgelehnt. Neben Kopfschütteln sorgt das für ein schwaches Wahlergebnis. Nur 16 Stadträte wählen in offener Abstimmung eine Frau namens Manuela Matthes in den Ausschuss Kultur, Bildung, Soziales und Migration. 8 sind dagegen, 9 enthalten sich. Das reicht nicht für eine absolute Mehrheit der Stadträte. Im zweiten Wahlgang würde die einfache Mehrheit reichen. Torsten Koschinka von der AfD möchte nun unbedingt eine geheime Wahl. Daraufhin setzt OB Ursu die noch offenen Nachbesetzungen von der Tagesordnung. Wir wählen im April. Möglicherweise gibt es dann Gegenkandidaten zu den ominösen AfD-Vorschlägen.

Es folgen Beschlüsse:

Aufhebung Sanierungssatzung Innenstadt Nord
Wir haben einen Sanierungsgrad von 90% erreicht, damit ist das Ziel mehr als erreicht (liegt bei 70%). Die Privilegien für Bauvorhaben im Sanierungsgebiet entfallen nun. Wildwuchs wird es nicht geben. Sanierungs-Bebauungspläne sorgen dafür, dass das Stadtbild nicht verschandelt wird.

Neufassung der Satzung zur Bürgerschaftlichen Beteiligung
Nach eineinhalb Jahren Beratung kommen wir zum Ziel. Eigentlicher Auslöser: Die Wahlen für die Bürgerräte sollten besser geregelt werden. Daraus erwuchs eine weitreichende Überarbeitung der Satzung. Wesentliche Änderung: Bürgerräte werden künftig nicht für drei Jahre gewählt (bislang waren es zwei Jahre). Damit soll mehr Kontinuität in die ehrenamtlichen Gremien. Für Stadträte gibt es eine freiwillige Selbstverpflichtung: Wir dürfen uns zwar wählen lassen, sollen aber anderen Einwohnern den Vortritt lassen, die nicht unsere weitreichenden Beteiligungsmöglichkeiten haben. Unserer Fraktion ist wichtig, dass die Bürgerbeteiligung aktiv gelebt wird. Nachdem 19 Änderungsanträge der AfD-Fraktion abgelehnt sind, stimmt der Stadtrat der neuen Satzung zu. Sie tritt ab Mai in Kraft. Somit kann sie für die anstehenden Wahlen in den Bürgerräten angewendet werden.

Ins Abseits filibustert sich AfD-Rat Koschinka. Er doziert über das generische Maskulinum und behauptet, dass eine Satzung nicht lesbar ist, wenn immer die männliche und weibliche Form benannt wird. Außerdem sieht er das Weltklima in Gefahr, weil das mehr Tinte und Papier verbraucht. Nach 12 Minuten ist die Redezeit für seine Fraktion vorbei. Die AfD-Spezialisten können nur noch persönliche Erklärungen zu diesem Tagesordnungspunkt abgeben. Es wird aber nicht gehaltvoller.

Aufwertung des Oder-Neiße-Radweges: Neubau eines Rastplatzes in Klingewalde und Befestigung des Abschnittes zwischen Klingewalde und Ludwigsdorf
Wir freuen uns vor allem über den Neubau eines Rastplatzes für Radler. Denn er wird auch den Klingewaldern als Treffpunkt für mehrere Generationen mit Sitzgelegenheiten und Spielgeräten zur Verfügung stehen. Damit endet ein jahrelanger Kampf des Görlitzer Stadtteils erfolgreich.

Rückblick: Im Jahr 2019 wurden 520 Unterschriften gesammelt, um einen Mehrgenerationenplatz für Klingewalde zu errichten. Das ist bis heute das einzige erfolgreiche Bürgerbegehren in Görlitz. Daraus erging im Frühjahr 2019 ein Arbeitsauftrag an die Verwaltung: Geeigneten Standort finden und die Bürgerinnen und Bürger von Klingewalde an der Konzeption und Gestaltung beteiligen.

Bis März 2021 passierte recht wenig. Das vorgesehene Grundstück auf dem Gelände der Freiwilligen Feuerwehr eignete sich nicht. Ersatz war nicht in Sicht. Wir haben uns mit Bürgerrätin Madlen Röder in Klingewalde getroffen und das Thema erneut an die Verwaltung herangetragen. Die Antworten auf unsere Fragen machten zunächst wenig Hoffnung, weil es sowohl am Grundstück als auch an der Finanzierung haperte.

Ein erfolgreicher Fördermittelantrag bringt nun das Happy End. Wir bedanken uns bei der Verwaltung, insbesondere beim Sachgebiet Straßenbau und Stadtgrün für die kreative Lösung und bei den Akteuren in Klingewalde für das „Dranbleiben“. Es ist ein Musterbeispiel, dass man mit bürgerschaftlichem Engagement etwas erreichen kann. Auch wenn man bisweilen einen langen Atem braucht.

Grundsatzbeschluss zur Erneuerung des oberen „Elisabethplatzes“
Einstimmig beschließen wir, dass der obere „Elisabethplatz“ saniert wird. Es hat sich überraschend eine Förderquelle aufgetan – vermutlich die letzte Möglichkeit, das Wochenmarkt-Areal auf Vorderfrau zu bringen. Alle weiteren Fragen zur Gestaltung aber auch zum Ersatzstandort für den Markt diskutieren wir später. Da bereits in der Sächsischen Zeitung spekuliert wurde, dass der Markt während der Bauphase auf den unteren Elisabethplatz umzieht, wünscht sich mein Kollege Andreas Kolley, dass das vorher mit allen Beteiligten besprochen wird. Der untere „Eli“ dient der Oberschule Innenstadt als Pausengelände. Man würde sich außerdem noch weiter von den innerstädtischen Einkaufsmeilen entfernen. Deshalb sollen in jedem Fall auch die Händler befragt werden. Dazu bringt unsere Fraktion im April einen Beschlussantrag ein. Wir wollen erfahren, wie zufrieden die Händler sind und welche Veränderungen sie sich wünschen. Bürgermeister Wieler sagt zu, dass vor einer Entscheidung über den Ersatzstandort mit allen Beteiligten gesprochen wird.

Grundsatzbeschluss zur Durchführung des Projektes „BauLustOffensive“
Auf Antrag der CDU wurde die Verwaltung vor rund zwei Jahren beauftragt zu untersuchen, wie man junge Familien dabei unterstützen kann, Wohneigentum in der Innenstadt zu erwerben. Aus dem sehr dünnen Beschlusstext hat die Verwaltung nun einen erfolgreichen Förderantrag gezimmert. Nun soll bis 2025 die „Baulust“ in Görlitz geweckt werden. Mit einer Kampagne, einem „Baulustbüro“ und „Baulustvermittlern“. Baulustige sollen begleitet und unterstützt werden, insbesondere bei den nicht sehr einfachen Genehmigungsverfahren aber auch bei Planung und finanziellen Fragen. Hoffen wir auf viel Lust und wenig Frust.

Petitionen nicht erfolgreich
Mehrere Petitionen rund um den Deponieverkauf der Stadtreinigung 1998 werden negativ beschieden. Dem Stadtrat sind die Hände gebunden, die Fälle wurden durchprozessiert.

Entwicklungskonzept für das Quartier Innenstadt-Nord (AfD)
AfD-Mann Peter Stahn möchte eine Quartiersentwicklung in der nördlichen Innenstadt. Konkret geht es ihm zum Beispiel ums ehemalige Waggonbaugelände und das Schlachthofareal. Stadtentwicklungschef Hartmut Wilke bring ihm schonend bei, dass das schon seit den 90er Jahren erfolgt. Im Ergebnis entstand 1997 das Sanierungsgebiet Innenstadt West. Der Antrag wird entsprechend abgelehnt.

Gemeinsam gegen Lehrermangel?

Wir bringen folgenden Antrag ein:

  1. Bei den zuständigen Behörden soll der OB eine mittel- und langfristige Prognose zu unbesetzten Lehrerstellen an allgemein- und berufsbildenden Schulen in der Stadt Görlitz abfordern.
  2. Gemeinsam mit dem Landkreis Görlitz sowie den Städten und Gemeinden, die Schulträger sind, soll der OB eine interkommunale Arbeitsgruppe initiieren, um gemeinsame Strategien gegen den Lehrermangel zu erarbeiten und umzusetzen.

Zu Beginn der Debatte erläutere ich für Motor Görlitz/Bündnisgrüne den Antrag:

„Eine familienfreundliche Stadt braucht erstklassige Bildungseinrichtungen. Für erstklassige Schulen benötigen wir ausreichend Personal. Das haben wir schon seit einigen Jahren nicht. Die künftige Richtung ist klar. Es geht bergab. Im gesamten Landkreis Görlitz werden Lehrer in Größenordnungen fehlen. Wir brauchen als Stadt einen Überblick zum Personalbedarf nach Schularten und Fächern. Das ist Grundlage für weitere Maßnahmen. Wir wissen, dass das Landesamt LASUB für die Einstellung von Lehrpersonal zuständig ist. Die politische Verantwortung für die Stadtentwicklung trägt freilich der Oberbürgermeister mit dem Stadtrat. Was bringen uns sanierte Schulen, moderne Fachkabinette und bestenfalls ein neuer Bildungscampus, wenn der Unterricht in Größenordnungen ausfällt? Dann verödet der Bildungsstandort. Dann wenden sich Familien mit Kindern von Görlitz ab.

Wir befinden uns längst in einem Wettbewerb der Regionen. Innerhalb Sachsens und bundesweit. Alle brauchen Lehrerinnen und Lehrer. Wir können uns nicht hinstellen und sagen: Dafür sind wir nicht zuständig. Natürlich sind wir politisch verantwortlich und müssen uns irgendwann die Frage gefallen lassen: Hat die Stadt Görlitz alles unternommen, um ausreichend Personal an den Schulen zu haben? Haben wir eine Willkommenskultur für neue Lehrerinnen und Lehrer? Sorgen wir dafür, dass sie hier Wohnraum finden, einen Kitaplatz, ärztliche Versorgung? Das wird uns kein Landesamt abnehmen und schon gar kein Kultusminister, der uns zuletzt das Märchen erzählte, in zehn Jahren hätten wir zu viele Lehrer in Sachsen.

Wenn schon nicht der CDU-Minister, sollten wir Kommunalpolitiker ehrlich sein gegenüber unserer Bürgerschaft. Wir haben auch mit dem Kreiselternrat gesprochen. Es gibt Rechenmodelle. Sie zeigen, dass aufgrund der Altersstruktur des Personals und der zu wenigen nachrückenden Absolventen unumkehrbar eine riesige Lücke auf den Landkreis zukommt. Beispiel Oberschulen: Lehrer über 55 Jahre: 300. Lehrer bis 35 Jahre: 68. Da reden wir nicht von ein bisschen Ausfall. Da wird es darum gehen in einer gemeinsamen Kraftanstrengung überhaupt noch Unterricht in allen Teilen des Kreises anzubieten. Das lösen wir nur gemeinsam oder gar nicht.

Was die langfristige Strategie angeht, sind wir uns mit dem OB und dem Kreiselternrat einig: Wir brauchen hier vor Ort eine pädagogische Ausbildung. Dazu laufen Gespräche mit der Hochschule und es ist nicht ausgeschlossen, dass es demnächst ein duales Studium für Grundschule und Oberschule im Kreis Görlitz gibt. Bis von dort aber Lehrkräfte an die Schulen gehen, verstreichen viele Jahre. Wir können bis dahin nicht die Hände in den Schoß legen. Alle Kommunen im Kreis Görlitz sind vom Lehrermangel betroffen. Dementsprechend benötigen wir regionale Lösungen und eine starke regionale Stimme gegenüber der Staatsregierung. Görlitz ist als Kreisstadt mit den meisten Bildungseinrichtungen besonders gefragt. Lassen Sie uns deshalb die Initiative ergreifen und unserem OB ein klares Mandat erteilen.“

Nachfolgend einige Diskussionsbeiträge, die sich gegen unseren Antrag wenden:

OB Ursu (CDU): Es gibt verschiedene Maßnahmen, die sowieso laufen. Eine (interkommunale) Arbeitsgruppe halte ich nicht für geboten. Ich möchte ein Konzept zur Anwerbung von Lehrern und Ärzten gemeinsam mit der EGZ zu erarbeiten. Das halte ich für viel zielgerichteter. (Die Kommunen im Kreis nehmen das sicher interessiert zur Kenntnis. Demnächst brauchen wir sie, z.B. wenn es wieder um Abstimmungen zu Projekten im Strukturwandel geht.)

Sebastian Wippel (AfD): Allen ist klar, wie die Lage ist. Der Antrag ist populistisches Phrasengedresche. Eine Forderung von Nichts. Wir beauftragen unzuständigerweise den Oberbürgermeister. (Lage ist wie sie ist, da brauchen wir keine Zahlen?)

Karsten Günther-Töpert (BfG): An der Lösungssuche sind schon viele dran. Die sind verunsichert, warum wir nun auch noch damit anfangen. Das Thema ist wichtig aber die Arbeitsgruppe hilft nicht. Deshalb keine Zustimmung. (Wie wertvoll kommunale Zusammenarbeit ist, kann er sich von seinem Vereinsvorsitzenden Michael Wieler nochmal erläutern lassen.)

Dieter Gleisberg (CDU): Eine weitere Attraktivität der Stadt wird uns mehr helfen, als diesem Antrag zuzustimmen. Das wird uns Lehrer bringen. Wir müssen vorsichtig sein mit solchen Beschlussanträgen, die nicht zustimmungsfähig sind, weil es nicht in unsere Zuständigkeit fällt. (Wie kommt er darauf, dass wir nicht zuständig sind?)

Was auffällt: Niemand bezieht sich auf Punkt 1 des Antrags, sich Zahlen zu beschaffen. Das übernimmt meine Fraktionskollegin Jana Krauß (Bündnisgrüne): Wir haben 2,5 Jahre nicht über das Thema Lehrermangel gesprochen. Es geht um unsere Kinder und Jugendlichen. Jede Unterrichtsstunde, die ausfällt, führt zu Wissensverlust. Herr Ursu, schließen Sie sich mit den anderen Bürgermeistern zusammen und besorgen Sie eine Datengrundlage!

Fazit: Dieser Antrag sollte ein Signal senden in die Region. Stattdessen wird der Görlitzer Gartenzaun höher: Wir machen unsere eigene Kampagne. Hübschen uns auf wie Solo Sunny. Was erzählt der OB von bereits bestehender interkommunaler Zusammenarbeit? Mir ist keine bekannt. Warum verschweigt uns Herr Ursu einen Brief des Kreiselternrates, in dem angeboten wird, dem Stadtrat die Probleme darzulegen? Die Antwort von Herrn Ursu ist der Knaller: Weil der Kreiselternrat nicht explizit eine Weiterleitung gewünscht hat. Wie bitte? Dafür ist Herr Ursu als OB zuständig. Er entscheidet, was relevant für unsere Stadt ist und somit für uns Stadträte. Das Thema Lehrermangel offensichtlich nicht. Unser Antrag zum gemeinsamen regionalen Kampf gegen Lehrermangel wird mit 10:19 Stimmen abgelehnt. Die Fraktionen von CDU und Bürger für Görlitz stimmen dagegen (wie auch schon gegen den Neubau der Oberschule). Motor Görlitz/Bündnisgrüne und Linke sind dafür. Die AfD zeigt sich uneins. Es gibt zwei Ja-Stimmen. Der Großteil der Truppe um Wortführer Wippel lehnt ab.

22 Uhr endet die Sitzung. Wir genießen als Fraktion den Feierabend in Heines Kinobar. Landskron, Baguette und Thunfisch-Creme. Jammi.

 

Autor: Mike Altmann