Das Verständnis der Stadtratsfraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne von kommunalpolitischer Arbeit wird offenbar als Provokation verstanden. Wir nehmen den heute erschienenen Artikel in der Sächsischen Zeitung mit dem Titel “Wie Hass aus dem Netz in die reale Welt schwappt”, verfasst von Sebastian Beutler, als Gelegenheit, für Klarheit zu sorgen.
Ja, wir sind forsch. Ja, wir stellen Fragen. Fragen dienen – so lautet jedenfalls unser Verständnis – der Klärung, dem Begreifenkönnen, dem Analysieren; ihre Beantwortung bietet den Raum für Transparenz und Lernen und damit für Entwicklung. Ohne Fragen keine Grundlage für Entscheidungen. Darin können wir nichts Ungewöhnliches finden. Irritierend ist jedoch, dass unsere Fragen als Provokation verstanden werden, dass sie uns übelgenommen werden, dass uns Gegnerschaft zur Stadtverwaltung unterstellt wird und dass man uns vorwirft, wir würden uns nicht als Partner der Verwaltung verstehen. Was für ein autoritäres Weltbild liegt in der Forderung, Fragen und Kritik aus Partnerschaften auszuklammern?
Stadtrat und Politik
Viele Grundsätze in der Stadtratsarbeit entsprechen parlamentarischen Gepflogenheiten, beispielsweise Frage- und Rederecht, Fraktionsbildung, Beteiligung an der Willensbildung des Stadtrats durch die Arbeit in beratenden und beschließenden Ausschüssen. Hierin liegt – neben der Verwaltungstätigkeit – die politische Arbeit begründet. Wir haben natürlich auch politische Ziele: Eine der Zeit angemessene Mobilität, eine Verbesserung der Beteiligung von Bürger:innen an der Gestaltung des Stadtlebens, eine angemessene Würdigung und Unterstützung des kulturellen Lebens sind Beispiele. Aus dieser politischen Arbeit entspringen Streit und Vorwürfe der Profilierung; das ist normal. Auch die Konsequenzen sind, wie dieser SZ-Artikel belegt, manchmal unschön, aber durchaus normal und gehören daher zur Stadtratsarbeit dazu. Dessen sind wir uns bewusst, wir mögen zwar die „Neuen“ im Stadtrat sein, aber wir sind weder naiv noch ohne Lebenserfahrung.
Von Kontexten und Umdeutungen
An Herrn Beutlers Ausführungen fallen uns mehrere Dinge auf: Mike Altmann wird vorgeworfen, er hätte einen Ausspruch von Gerd Weise aus dem Kontext gerissen. Gleichzeitig reißt Herr Beutler selbst einen Facebook-Kommentar aus dem Kontext. Sollte es denn in der Presse nicht üblich sein, Quellen anzugeben, um dem Vorwurf der schnöden Behauptung zu entgehen? Wie soll sich der Leser oder die Leserin ein objektives Bild machen, wenn – wie im Fall von Danilo Kuscher – ein aus dem Kontext gerissenes Zitat im Artikel Verwendung findet und der dazugehörige Diskussionsstrang aufgrund der direkt erfolgten Sperrung von Danilo Kuscher nicht nachlesbar ist? Und warum werden die Einordnung und Entschuldigung, die er an Herrn Beutler schrieb, von diesem einfach nicht anerkannt? Was bleibt von einem Vorwurf an Mike Altmann übrig, wenn der zitierte Gerd Weise öffentlich eingesteht, er hätte sich nicht so despektierlich über das Nostromo äußern sollen und um Entschuldigung bittet? Wir nennen das Größe; Mike Altmann hat das auch in seinem Bericht zur letzten Stadtratssitzung so geäußert: „Danke für die Entschuldigung, lieber Gerd. Dazu gehört Größe.“ Herr Beutler wirft uns also gezielte Umdeutung vor und deutet doch selbst gezielt um.
Die „Bürger für Görlitz“ lösten die Bündnisfraktion auf
Herr Beutler geht noch weiter und treibt gezielt Keile zwischen die Stadträt:innen von Bündnis 90/Die Grünen, indem er auf Zitate von Prof. Joachim Schulze vom Mai 2020 zurückgreift. Er ignoriert dabei einen ihm hoffentlich bekannten Umstand, schließlich ist vor allem er als Journalist der Objektivität verpflichtet: Nicht wir „Neuen“ waren es, die die Bündnisfraktion beendet haben. Nein, der Vorstand des Vereins „Bürger für Görlitz“ (BfG) hatte entschieden, die Fraktion aufzulösen. Die Gründe dafür sind bitte bei den BfG zu erfragen – sofern man Fragen stellen möchte. Wichtig ist, sich über die aus der Fraktionsauflösung entstehenden Konsequenzen klar zu werden. Danilo Kuscher, der über die Liste der BfG in den Stadtrat gewählt wurde, erhielt keine Offerte seitens der BfG für einen gemeinsamen weiteren Weg. Professor Schulze formulierte den legitimen, wenn auch für die Bündnisgrünen Stadträtinnen Dr. Jana Krauß und Kristina Seifert schwierigen Wunsch, gemeinsam mit der Fraktion BfG weiterzuarbeiten. Ein Angebot an die beiden Bündnisgrünen Stadträtinnen seitens der BfG-Fraktion erging nicht; durch die Fraktionsauflösung gab es aber auch nachvollziehbarerweise kein Vertrauen mehr in eine zielführende gemeinsame Fraktionsarbeit. Sie konnten sich jedoch sehr gut vorstellen, interfraktionell mit der BfG zusammenzuarbeiten. Entsprechende Statements dazu finden sich in Artikeln der Sächsischen Zeitung vom Mai und Juni 2020. Zudem hätte eine Bündnisgrüne Dreierfraktion zur Folge gehabt, dass diese nicht mehr in beratenden Ausschüssen vertreten gewesen wären. Bündnis 90/Die Grünen hätten sich in ihrer politischen Arbeit folglich selbst beschnitten. Genauso verhielt es sich für die Stadträte von Motor Görlitz und Danilo Kuscher. Wäre das klug gewesen? Sicher nicht. Wir haben die einzig logische Konsequenz gezogen und gemeinsam die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne gebildet.
Hass im Netz oder Ehrverletzung in der SZ
Unerträglich wird es, wenn Herr Beutler einen Schritt weitergeht und Motor Görlitz/Bündnisgrüne in einen Zusammenhang von Hass im Internet, B96-Demonstranten und abschließend sogar Terroristen, die den US-amerikanischen Kongress stürmen, bringt. Das ist ehrverletzend. Und es ist absurd, denn wir sind gewählte Mandatsträger:innen und befinden uns somit im “Kongress”, um im schrägen Bild Herrn Beutlers zu bleiben.
Wählerauftrag und Partnerschaft
Wir sind zur Wahl angetreten mit dem Versprechen, Entscheidungen mit der gebührlichen Transparenz zu treffen. Wir haben einen klaren Wählerauftrag, den wir ernst nehmen. Als Stadträt:innen treffen wir Entscheidungen zur Entwicklung unserer Stadt. Wir üben eine Kontrollfunktion aus. Das ist unser Recht – und unsere Pflicht; darauf haben wir einen Eid abgegeben, der als Wille zur Partnerschaft zu verstehen ist. Wir sind weder Erfüllungsgehilfen der Stadtverwaltung noch Verhinderer. Es ist der Raum dazwischen, den wir füllen möchten. Durch Transparenz, durch Fragen, in ehrlicher Partnerschaft, vor allem durch konstruktive Vorschläge, die wir stets unterbreiten und die oftmals dankbar angenommen werden. Das werden wir weiterhin so halten, auch wenn wir damit möglicherweise liebgewordene Routinen altgedienter Stadträte stören. Uns scheint, so falsch können wir mit unseren Ansprüchen an kommunalpolitische Arbeit nicht liegen. Wir fühlen uns bestärkt.