Änderungsbedarf am Stadthallenprojekt

Am 26.10.2023 beschäftigte sich der Stadtrat erneut mit der Stadthallensanierung. Die Verwaltung beantragt, dem überarbeiteten Betriebskonzept zuzustimmen, den OB zu beauftragen, Fördermittelanträge zu stellen und die Kostenobergrenze für die Sanierung auf rund 51 Millionen Euro zu erhöhen.

Deshalb reichen wir einen Änderungsantrag ein. Statt das Betriebskonzept zu bestätigen, wollen wir es nachbessern lassen. Der Bedarf an gesellschaftlichen und nichtkommerziellen Kulturveranstaltungen soll ebenso ermittelt werden wie die aktuelle Marktlage. Das fehlt bislang. Ebenso wie eine Stärken-Schwächen-Analyse für alle Sparten. Desweiteren wollen wir vom OB eine klare Aussage zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Wie bekommen wir die Bausumme gewuppt, wie finanziert sich der Betrieb dauerhaft? Und schließlich wollen wir, dass die Rechtsaufsicht den Prozess eng begleitet. Diesen Antrag begründet Fraktionsvorsitzender Mike Altmann mit folgendem Beitrag (es gilt das gesprochene Wort):

 

Es ist zu beachten, dass die Stadt Görlitz nicht verpflichtet ist, die Stadthalle als Veranstaltungsstätte und Tagungszentrum wieder zu errichten und bereitzustellen. Gesamtsanierung und Betrieb erfolgen aufgrund des öffentlichen Bedürfnisses und der Leistungsfähigkeit. Darauf weist u.a. das städtische Justiziariat hin.

Zum Bedarf

Zu prüfen ist durch uns, ob für die einzelnen Sparten eine öffentliche Notwendigkeit besteht, vor allem wenn sie Defizite erwirtschaften. Dann müssen wir prüfen, ob andere Einrichtungen diese Leistungen bereits ausreichend bereitstellen.

Es ist nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, auf dem privaten Markt der Tagungen, Messen und Unterhaltungsveranstaltungen tätig zu sein. Ein Grund kann es sein, dass man durch Überschüsse in diesen Sparten Dinge ermöglicht, die der städtischen Gesellschaft derzeit fehlen. (Außer in der Sparte „Tagungen und Kongresse“ gibt es laut Betriebsplan jedoch überall Verluste.)  Da geht es immer wieder um eine „Halle für alle“, in der wir eine Renaissance der Geselligkeit erleben. Fakt ist, dass deutlich mehr kommerzielle Veranstaltungen geplant sind als solche für die Stadtgesellschaft (105:87).

Aber selbst bei diesen Veranstaltungen müssen wir doch schauen, ob sie zusätzlich sind oder von anderen Häusern abgezogen werden. Da bin ich bei Jugendweihen, Abifeiern, Vereinsveranstaltungen – die finden doch jetzt auch schon statt. Wandern sie ab? Und ist das gewollt?

Es fehlt eine aktuelle Marktanalyse zum Angebot. (Was gibt es schon?) Für Veranstaltungen über 400 Personen besteht in Görlitz kein großes Angebot. Für kleinere Formate, speziell bis 200 Gäste, ist es wichtig, dass wir unsere lokalen und regionalen Mitbewerber kennen. Leider findet sich dazu keine Analyse im Betriebskonzept. Keine Aussagen zum Senckenberg-Campus mit Audimax für 200 Leute, zu Schlesischem Museum, Kinosaal, Siemens Innovation Campus, WERK 1, …)

Es fehlt auch eine Analyse des Bedarfes. Das können Interviews nicht ersetzen. Nur wer die wirtschaftlichen Parameter kennt, gibt fundierte Aussagen zur eigenen potenziellen Nutzung einer sanierten Stadthalle. Als Veranstalter einer Messe wäre es unwirtschaftlich. Für eine zweitägige Messe plus Aufbautag kalkuliert der Kulturservice Einnahmen aus Miete und Dienstleistungen von rund 40.000 Euro. In Löbau kostet das Paket deutlich weniger bei doppelt so viel Fläche und mehr Nutzungstagen für Auf- und Abbau.

Diese Dienstleistungen ziehen sich durch fast alle Veranstaltungen und wirken sich auf die Einnahmeerwartungen aus. Hier finden sich extreme Unterschiede zum ersten Betriebskonzept. Vor zwei Jahren wurden knapp 500.000 Euro Einnahmen für Dienstleistungen kalkuliert. Jetzt Verdopplung auf eine Million Euro. An den Zahlen haben wir erhebliche Zweifel.

Zur Leistungsfähigkeit

Baukosten werden mittlerweile auf 51 Millionen Euro taxiert. Das sind 8 Millionen Euro mehr als vor zwei Jahren. Ohne dass der Bau begonnen hat. Für die Sanierung fehlen laut Prognose die nötigen Eigenmittel und Risikokosten ab 2025, nicht förderfähige Kosten sind gar nicht kalkuliert. Ab 2025 hat die Stadtkasse keine Rücklagen mehr. Die Stadthalle wird somit zu Lasten anderer bereits geplanter Vorhaben gehen. Was fällt weg? Stadion Biesnitz, barrierefreie Haltestellen, Jahnsporthalle, Entwicklung Schlachthofgelände, Umbau des neuen Volkshochschul-Standortes, Erschließung von Deutsch-Ossig und Verbesserung der Infrastruktur Nordoststrand, Geräte für Spielplätze, Pflege für Grünanlagen?

Wie finanzieren wir eigentlich die Betriebskosten bei einem jährlichen strukturellen Defizit von bis zu 15 Mio Euro? Natürlich können wir erstmal einen Förder-Antrag einreichen – aber irgendwann muss jemand unterschreiben, dass wir uns den Betrieb leisten können. Wir werden in Kürze ein „Haushaltsstrukturkonzept“ erarbeiten müssen. (Das ist ein euphemistischer Begriff für Rotstift ansetzen.)

Zu den Kosten kommen noch gar nicht eingepreiste Positionen hinzu: Straßenbau, Parkhausbau, Gestaltungsarbeiten rund um die Stadthalle, Stadthallengarten, zusätzliche Kosten für die Begleitung der sich deutlich verspäteten Sanierung durch Kulturservice (jährlich ca. 200.000 Euro), zusätzliche Kosten für das Jahr vor der Eröffnung (Personal muss schon teilweise am Start sein für Projektentwicklung, Marketing und Akquise – es gibt aber noch keine Einnahmen).

In Anbetracht der erheblichen wirtschaftlichen Risiken und der rechtssicheren Ausgestaltung des Stadthallenprojektes auf Fördermittelbasis sollte die Rechtsaufsicht einbezogen werden. Wir bitten um Zustimmung für unseren Antrag.

(Unser Antrag wird abgelehnt. Die Mehrheit aus AfD, CDU und BfG stimmt mit großer Mehrheit für die Vorlage der Verwaltung.)

Stadthallenprojekt im finanziellen Blindflug

Der Görlitzer Stadtrat hat einen Antrag zur finanziellen Planung eines späteren Stadthallenbetriebs mit den Stimmen von AfD, CDU und Bürger für Görlitz abgelehnt. Mit der Vorlage wollte die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne frühzeitig klären, wie die jährlichen Kosten von einer Million Euro für Betrieb und Werterhalt erwirtschaftet werden. Somit hätte es vor einem endgültigen Baubeschluss ein langfristiges Finanzierungskonzept für den Betrieb gegeben.

Mit dem Beschlussantrag nahm Motor Görlitz/Bündnisgrüne einen Hinweis aus dem Amt für Stadtfinanzen auf. Die Stadt Görlitz gibt jährlich zwischen fünf und sieben Millionen Euro mehr aus, als sie einnimmt. Zu diesem Defizit wird rund eine Million Euro für die Stadthalle kommen. Für diese zusätzlichen Kosten sollten geeignete Konsolidierungsmaßnahmen ergriffen werden. Der Betrieb der Stadthalle wird finanzielle Folgen haben. Welche das konkret sind, sollte herausgearbeitet und offen kommuniziert werden.

Dies sah die Stadtratsmehrheit anders. Dabei gab es kaum inhaltliche Argumente. Vielmehr wurde der einreichenden Fraktion eine generelle Verweigerungshaltung gegenüber der Stadthalle vorgeworfen. Dazu stellt die Fraktionsvorsitzende Jana Krauß fest: „Mit unserem Antrag akzeptieren wir die Mehrheitsmeinung, die sich eine schnellstmögliche Wiedereröffnung der Stadthalle wünscht. Bund und Land geben ihre Fördermillionen für die Sanierung aber nur, wenn die Stadt Görlitz alle Folgekosten absichern kann. Wie wollen wir das rechtssicher zusagen, ohne uns vorher damit zu beschäftigen?“

Die Diskussion wurde letztlich abgewürgt durch einen Antrag aus den Reihen der CDU auf Ende der Debatte. 21 Stadträte von AfD, CDU und BfG stimmten schließlich gegen die Vorlage von Motor Görlitz/Bündnisgrüne. Neun waren dafür. Co-Fraktionsvorsitzender Mike Altmann fasste noch im Stadtrat zusammen: „In dem Moment, wo es unangenehm wird, wo man keine Antworten mehr hat, wird Ende der Debatte beantragt. Das ist kein gutes Miteinander. Ich stelle fest, dass weiterhin eine große Mehrheit des Stadtrates im Blindflug an die Stadthallensanierung und einen späteren Betrieb herangeht, ohne jegliche Kenntnis davon, wie man sich das zukünftig finanziell leisten wird.“

Hoher Aufwand – wenig Ertrag

Die Begleitung der Stadthallensanierung durch die Görlitzer Kulturservicegesellschaft mbH hat von Mai 2020 bis Dezember 2021 insgesamt 321.554 Euro gekostet. Knapp 300.000 Euro sind Personalkosten. Das antwortet die Stadtverwaltung auf eine Anfrage der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne. Demnach wurde vom Kulturservice das Budget komplett verbraucht, bis auf rund 3.600 Euro Sachkosten im Jahr 2020. Nicht benötigtes Geld fließt in den städtischen Haushalt zurück.

Im April 2020 beschloss der Stadtrat mehrheitlich, die städtische Gesellschaft als künftige Betreiberin mit der Begleitung der Sanierung zu betrauen. Da Geld fehlte, wurde bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft KommWohnen GmbH eine außerplanmäßige Gewinnausschüttung vorgenommen. Spätestens im 4. Quartal 2020 sollte der Kulturservice das Betriebskonzept für die Stadthalle vorlegen. Bislang erhielten die Stadträte lediglich ein „vorläufiges Betriebskonzept“. Das Arbeitsmaterial wurde Ende 2021 als hochwertige Broschüre hergestellt. Reine Druckkosten für 100 Exemplare: 1.100 Euro. Hinzu kommt die Arbeitszeit für Kreativleistungen wie Texte und Grafik.

Zwischenbilanz nach knapp zwei Jahren Stadthallensanierungsbegleitung durch den Kulturservice: Finanzieller Aufwand und Nutzen stehen bislang in keinem guten Verhältnis. Es liegt noch immer kein Betriebskonzept vor. Fundierte Zahlen zu geplanten Veranstaltungen, Bedarfen und Marktlage fehlen. Durch die Verzögerung der Sanierung verteuert sich auch deren Begleitung, da zum geplanten Vertragsende 2025 die Stadthalle nicht fertig sein wird.

 

Foto: Fraktion

Stadthalle Görlitz

Stadthalle ohne Parkplätze?

Für die Görlitzer Stadthalle gibt es kein aktuelles Parkplatz-Konzept. Das ergab eine Anfrage der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne an den Oberbürgermeister. In der Antwort der Stadtverwaltung heißt es, dass die Parkraumkonzeption aus dem Jahr 2012 stammt. Dieses sieht zum einen die Einbindung des Parkhauses City Center und des Parkplatzes Lüders-Straße mit Hilfe von Shuttle-Bussen vor. Außerdem ist ein Parkhaus für 300 PKW an der Brückenstraße/Heynestraße vorgesehen. Die Baukosten wurden 2012 auf 2,3 Millionen Euro geschätzt. Eine aktuelle Kostenschätzung gibt es nicht. Geplant sei, „für das Parkhaus Mittel aus der Strukturförderung zu akquirieren.“

Unsicherheit besteht, ob der geplante Stadthallen-Anbau genehmigt wird. Grundsätzlich ist das Bauen im Überschwemmungsgebiet verboten. Die nötige Ausnahmegenehmigung kann erst mit dem Bauantrag eingereicht werden. Auch die Zufahrt zur Stadthalle über die Furtstraße führt durch Überschwemmungsgebiet. Nach Aussagen der Stadtverwaltung gab es ein Gutachten zur Trassenführung unter Beteiligung der Landestalsperrenverwaltung. Allerdings liegt das mehr als zehn Jahre zurück.

Wie hoch die Gesamtkosten für die Sanierung der Stadthalle und den Anbau ausfallen, kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand sagen. Die aktuelle Planung liegt bei knapp 43 Millionen Euro, enthält aber nicht die dramatischen Baukostensteigerungen. Dem Stadtrat sollen vor einer Entscheidung die Risikokosten vorgelegt werden. Eine solche Risikobewertung wird durch den Bund als Fördermittelgeber gefordert.

Alle Zahlen auf den Tisch

Mike Altmann, Vorsitzender der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne erklärte dazu: „Es wird Zeit, dass der Stadtrat endlich alle Zahlen, Daten und Fakten auf den Tisch bekommt. Die Stadthalle muss im Gesamtkomplex betrachtet werden. In die Entscheidung einzubeziehen sind alle Kosten, einschließlich der benötigten Infrastruktur und der voraussichtlichen Zuschüsse für den Betrieb. Dass sich die Stadtverwaltung bei der wichtigen Frage des Parkens auf eine veraltete Studie beruft, ist erstaunlich. Ebenso, dass es keine seriöse Idee gibt, wie das bezahlt werden soll. Das Parkhaus mit Geldern für den Strukturwandel zu finanzieren, dürfte bei den anderen Kommunen im Landkreis Görlitz für Stirnrunzeln sorgen und auch nicht genehmigungsfähig sein, da Parkplätze zum Projekt Stadthalle gehören.“

 

Hier finden Sie die komplette Antwort der Stadtverwaltung Görlitz: 2021-08-05_Antworten_Stadthalle

Stadthalle: Fragen zu „frohen Botschaften“

Am Freitag gab es eine Pressekonferenz mit MP Kretschmer und OB Ursu zur Stadthallensanierung. Ergänzend zur Berichterstattung der SZ („Frohe Botschaft für die Görlitzer Stadthalle“) beleuchten wir kritische Fragen. Dazu zitieren wir Passagen aus dem Original-Beitrag.

Die SZ schreibt: MP Kretschmer hat Wort gehalten, die 18 Millionen Euro von Sachsen ergänzen die ebenfalls 18 Millionen Euro vom Bund. Mit diesen Fördermitteln von Bund und Land sowie den städtischen Eigenmitteln sind 40 Millionen Euro von geschätzten 43 Millionen Euro Gesamtbaukosten abgedeckt. 

Wer hat eigentlich den Hut auf für diese Förderung?
Die entscheidenden 18 Millionen Euro kommen aus dem Etat der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM), Monika Grütters. Sachsen sichert weitere 18 Millionen Euro als Kofinanzierung über seinen Landesetat ab. Platzt allerdings die Bundesförderung, sind die sächsischen Millionen auch weg. Nicht vergessen darf man, dass im September gewählt wird. Eine neue Bundesregierung setzt möglicherweise andere Prioritäten.

 

Wie teuer wird die Sanierung und wer bezahlt höhere Baukosten?
Nach aktuellen Plänen liegen Sanierung und Glasanbau bei rund 43 Millionen Euro. Allerdings mahnte die Görlitzer Finanzchefin Birgit Peschel-Martin schon vor Monaten, die Baukostensteigerungen einzupreisen. Bis zum Abschluss der Arbeiten dürfte es weit teurer werden, wie man derzeit bei den Materialpreisen sieht. Steigerungen um 10 Prozent sind realistisch. Wenn die Stadthalle am Ende um die 50 Millionen Euro kostet, zahlt Görlitz alles selbst, was über die 36 Millionen Euro Förderung hinausgeht. Damit können aus einst geplanten 4 Millionen schnell 14 Millionen Euro werden. Die wir nicht haben. Ab 2023 sind alle Rücklagen aufgebraucht.

 

Die SZ schreibt: Die Stadt hofft, dass das Finanzamt ihr ein Vorsteuerrecht einräumt. Dadurch würde aus den 40 Millionen Euro eine Nettosumme, die brutto deutlich höher liegt. So könnten die drei Millionen Euro gedeckt werden.

Auf welches Modell hofft die Rathausspitze?
Es geht ums Zuwendungsrecht. Dieses kennt nur Netto- oder Bruttoförderung. Im Fall der Görlitzer Stadthalle handelt es sich um eine Bruttoförderung, wie wir aus dem Haushaltsausschuss des Bundestages wissen. Bedeutet: Görlitz kalkuliert die Bruttokosten für die Sanierung und bekommt diese finanziert, inklusive der zu zahlenden Umsatzsteuer (auch bekannt als „19% Mehrwertsteuer“) an beauftragte Firmen. Da der Bund die Umsatzsteuer bereits mitbezahlt, darf man sie sich nicht vom Finanzamt zurückholen. Logisch. Die Rathausspitze argumentiert allerdings mit einer Aussage aus dem Hause der BKM. Demnach dürfe Görlitz sich die Vorsteuer trotz der Bruttoförderung ziehen (also sich die „Mehrwertsteuer zurückholen) und in die Eigenmittel stecken. Nur: Über Steuern entscheidet das Bundesfinanzministerium. Wer seine Finanzierung auf einem solch wackligen Modell aufbaut, lebt gefährlich. Würde kein privater Bauherr machen. Und selbst wenn dieser Schachzug gelingt: Es bleibt fraglich, ob die zusätzlichen Mittel die Baukostensteigerungen abfangen können und welche Konsequenzen durch das Vorsteuer-Modell für den Betrieb der Stadthalle entstehen.

 

Die SZ schreibt: Nachdem im März auch der Görlitzer Stadtrat den neuen Entwürfen für die Stadthalle zugestimmt hatte, stehen der Sanierung im Grunde keine Hürden mehr im Weg. Außer etwas Gegenwind von der Fraktion Motor Görlitz, die die Stadthallensanierung zugunsten einer neuen Oberschule opfern würde.

Wie ist der weitere Zeitplan?
Korrekt heißt die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne. Dass es keine „Hürden“ mehr gibt, ist ebenso ungenau. Zunächst muss über den Haushalt entschieden werden. Die Stadthallensanierung ist so teuer, dass mehr als jeder vierte Euro für Baumaßnahmen (Hochbau) bis 2025 in dieses eine Objekt fließt. 4,7 Millionen Euro Eigenmittel sind geplant. Wie oben beschrieben, werden sie nicht reichen. Insofern muss Ende Juni der Stadtrat entscheiden, ob es nicht klug wäre, das Projekt jetzt zu beenden, da jeder weitere Tag Geld kostet. Aber selbst das ist noch nicht die letzte Entscheidung. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen bekommt der Stadtrat erst nach dem Haushalt das Betriebskonzept zu sehen. Darin steht dann, wieviel Zuschuss die Stadthalle jährlich kosten wird, wenn sie wieder eröffnet ist. Man darf von einer Summe zwischen 700.000 und 1.000.000 Euro ausgehen. Der Stadtrat muss anhand des Betriebskonzeptes entscheiden: Können wir uns den Betrieb leisten? Bestätigt der Stadtrat die Pläne, wird der Förderantrag an den Bund gestellt. Lehnt der Stadtrat ab, ist das Projekt beendet. Entscheidung voraussichtlich im August.

 

Die SZ schreibt: An Kritiker wie sie (Motor Görlitz) wandte sich Michael Kretschmer am Freitag auch. Er mahnte eindringlich, das Projekt nicht zu zerreden, so eine „gewaltige Chance“ käme nie wieder. „Und es wird auch gelingen – wenn viele mitmachen.“

Wer trägt das finanzielle Risiko?
Allein Görlitz. Höhere Baukosten zahlt die Kommune. Später ist die Stadt auch für den Betrieb verantwortlich. Zuschüsse dafür sind weder vom Kreis noch von Land, Bund oder EU in Sicht. Insofern ist es nicht Aufgabe des Ministerpräsidenten, in die Entscheidungshoheit der Kommune einzugreifen. Allerdings hat das schon Tradition. Vor zwei Jahren, als es um den Grundsatzbeschluss zur Stadthallensanierung ging, war Kretschmer in allen Fraktionen, um das Projekt durchzubringen. Nun also der öffentliche Appell, dieses „Geschenk“ gefälligst anzunehmen. Demokratische Kultur a la Sachsen-CDU. Jene Partei, die seit 1990 regiert und für die schlechte finanzielle Grundausstattung der Kommunen verantwortlich ist.

 

Die SZ schreibt: Dass das 111 Jahre alte Gebäude sich optisch verändern wird, auch das begrüßt der Ministerpräsident. Wichtig sei, dass die Stadthalle zwar für Veranstaltungen, die aus der Stadt heraus kommen, zur Verfügung steht. Vielmehr noch aber für Veranstalter von außerhalb, Kongresse etwa – denn das bringe Geld in die Stadt. 

Wie kommen die vielen Veranstalter und Besucher von außerhalb eigentlich zur Stadthalle?
Das ist unklar. Es gibt keine bekannte Planung inkl. Finanzierung für die Zufahrt und das Parken. Dafür sind auch im neuen Haushaltsentwurf keine ausreichenden Gelder geplant. Idee der Verwaltung: Die Zufahrt für die mit Technik schwer beladenen LKW soll über die Furtstraße erfolgen. Das ist die kleine Straße, die an Hochschule und Neißegrundschule entlangführt. Der schmale Weg muss deutlich breiter werden und in einem ausreichenden Radius unter der Stadtbrücke hindurchgehen. Spätestens dort stellen sich Fragen des Hochwasserschutzes. Uns ist nicht bekannt, ob es dazu bereits Klärung mit den zuständigen Behörden gibt. Wo ausreichend Parkplätze untergebracht werden, ist ebenso offen wie deren Finanzierung.

 

Die SZ schreibt: Doch, wie geht es mit der Stadthalle konkret weiter – mit dem 43-Millionen-Euro-Projekt? Nach der Vorstellung des Betreiberkonzepts soll noch in diesem Jahr ein Fördermittelbescheid überbracht werden.

Übergibt der Bund den Förderbescheid „einfach so“?
Nein. Es gibt klare Bedingungen, die schriftlich formuliert wurden. Die Gesamtfinanzierung muss gesichert sein. Jeder Euro, den die Sanierung mehr kostet, trägt Görlitz. Weitere Voraussetzung: Sämtliche Folgekosten sind dauerhaft von der Stadt zu bezahlen. Im Klartext: Ist Görlitz nicht in der Lage, den späteren Betrieb zu bezahlen, gibt es keine Förderung.

Kann Görlitz den Betrieb der Stadthalle wuppen?
Die Haushaltsplanungen zeigen, dass Görlitz bis 2025 jährlich rund 7 Millionen Euro mehr ausgibt als reinkommt. Damit ist der Haushalt bereits jetzt überlastet. Kommt die Stadthalle als Kostenblock dazu, müssen andere Leistungen wegfallen. Andernfalls drohen Rückzahlungen von 36 Millionen Euro Fördergeldern an Bund und Land. Der Stadtrat steht dann vor der Entscheidung, wer weniger oder gar nichts mehr bekommt: Wirtschaftsförderung, Straßenbahn, Theater, Tierpark, Spiel- und Sportplätze, Grünanlagen, Musikschule, Volkshochschule, Schwimmbad, ViaThea, die Akteure in Kultur, Sport und Jugendarbeit? Wie auch immer die Entscheidung ausfällt: Sie wird Auswirkungen haben auf die nächsten 20-30 Jahre Stadtentwicklung. Schon aus diesem Grund ist es doch sinnvoll, sich mit allen Aspekten zu beschäftigen und nicht diejenigen als Störer zu begreifen, die nicht in den Jubelchor einstimmen. Oder?

 

 

 

 

Amt für Stadtfinanzen: Geld für Stadthalle fehlt

Am 25. März 2021 soll der Görlitzer Stadtrat eine Planungsanpassung für die Gesamtsanierung der Stadthalle beschließen. Dadurch verteuert sich der noch gar nicht begonnene Bau von 40 auf 42,9 Millionen Euro. Dazu erklärt Danilo Kuscher, der für die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne im Stadthallen-Ausschuss tätig ist:

Diesem Antrag können wir nicht zustimmen. Er verstößt gegen das Prinzip der Sparsamkeit im Umgang mit öffentlichen Geldern. Für 342.000 Euro sollen Teilbereiche zusätzlich geplant werden, obwohl wir bereits jetzt wissen, dass der Gesamtbau nicht zu schultern ist. Kein Privathaushalt würde so mit seinem eigenen Geld umgehen.

Bund und Land haben insgesamt 36 Millionen Euro Fördermittel in Aussicht gestellt. Jeder Euro mehr muss von der Stadt Görlitz bezahlt werden. Die nun prognostizierten knapp 43 Millionen Euro werden nicht reichen. Es fehlen die Baukostensteigerungen. Darauf verweist auch die Amtsleiterin der Stadtfinanzen Birgit Peschel-Martin in einer Stellungnahme. Setzen wir eine konservative Prognose von 10 Prozent Baukostensteigerung bis zur geplanten Fertigstellung 2025 an, ergibt sich ein Gesamtvolumen von 47,3 Millionen Euro. Damit müsste Görlitz 11,3 Millionen Euro Eigenmittel zahlen. Selbst wenn davon bereits 1,6 Millionen im Jahr 2012 für Vorplanungen eingesetzt wurden, ist das nicht im Haushalt darstellbar.

Frau Peschel-Martin erklärt in ihrer Stellungnahme, dass sowohl die Verteuerung um 2,9 Millionen Euro nicht gedeckt ist als auch insgesamt Liquidität fehlt: „Der Arbeitsstand des Haushaltes zeigt, dass die Stadt Görlitz ab 2023 keine liquiden Mittel zur Realisierung der Gesamtsanierung Stadthalle hat.“ Da die Amtsleiterin auch eine Kreditaufnahme ausschließt, müssen wir konstatieren, dass das Gesamtprojekt nicht umsetzbar ist. Entsprechend verbieten sich weitere Ausgaben für Teilaufgaben.

Leider wird der Öffentlichkeit bislang die Dramatik der Haushaltsentwicklung vorenthalten. Diese Informationen finden sich derzeit nur in nichtöffentlichen Dokumenten. Wir halten das für einen Verstoß gegen das Öffentlichkeitsprinzip, das in der Sächsischen Gemeindeordnung festgeschrieben ist.

Stadthalle Görlitz

Rücktritte aus Stadthallenstiftung schaden Ruf von Görlitz

Am heutigen Tag berichtete MDR Radio Sachsen, dass Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sowie der Präsident der internationalen Beethovengesellschaft und Professor an der Akademie der Künste, Tomasz Tomaszewski aus dem Kuratorium der Stadthallenstiftung ausscheiden. Begründung ist die Berufung des Vorsitzenden der AfD-Fraktion Lutz Jankus in das Gremium. Jankus war im November 2019 in einer Listenwahl im Stadtrat mit den Stimmen der AfD-Fraktion ins Kuratorium gewählt worden. Vor einigen Monaten geriet er durch seine frühere Mitgliedschaft bei der NPD in die Schlagzeilen.

Unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne fürchtet einen Schaden für den Ruf der Stadt Görlitz, der weit über das Projekt Stadthalle hinausreicht: Wir müssen es ernst nehmen, wenn sich zwei renommierte Persönlichkeiten zurückziehen. Jetzt wollen wir klären, ob die Stadtratsvertreter im Kuratorium der Stadthallenstiftung neu gewählt werden können. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die sächsische AfD nun vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft und beobachtet wird, haben wir eine besondere Sorgfaltspflicht, wer in unseren Gremien die Stadt Görlitz vertritt. Hierzu wollen wir im Verwaltungsausschuss beraten, zunächst nichtöffentlich. Ein entsprechender Vorschlag ist an die Fraktionen und den Oberbürgermeister gegangen. In der Beratung soll auch geklärt werden, wie die Kommunikation zwischen Rathaus und den Mitgliedern des Kuratoriums verläuft. Nach unserer Kenntnis wurden weder Thierse noch Tomaszewski über die Neubesetzung des Gremiums informiert. Das wäre ein klarer Affront gegenüber zwei wichtigen Botschaftern, die überregional für das Projekt Stadthalle und somit die Stadt Görlitz werben wollten.