Stadtratsblog #50: 25.1.2024

Was hat es mit dem „Wohnen auf Probe“ auf sich? Werden wir bald eine neue Schwimmhalle bauen? Und warum legt die Stadt kein Sparkonzept vor, obwohl sie dazu von der Rechtsaufsicht verpflichtet wurde? Nur drei von vielen weiteren spannenden Fragen aus dem letzten Görlitzer Stadtrat, den der Autor diesmal via Livestream verfolgen musste.

Stadtratsblog #49: 21.12.2023

In der Fragestunde für Bürger geht es hoch her. Architekt und Stadtführer Frank Vater thematisiert die Häuser Salomonstraße 13/14. Sie werden Teil des neuen Landratsamtes. Nachdem die Fassaden sichtbar sind, geht eine Aufschrei durch die Sozialen Netzwerke. Fotos vor den Bauarbeiten zeigen stuckverzierte Fassaden. Jetzt sind sie glatt wie ein Babypo. Vater möchte wissen, wer dafür verantwortlich ist. Wir auch.

Stadtratsblog #48: 30.11.2023

Potenzial erneuerbarer Energien in Görlitz ermitteln, so heißt unser Antrag in dieser Sitzung. Der Inhalt ist recht simpel: Wir wollen eine Analyse, welches Potenzial wir über Photovoltaikanlagen auf Dächern von Gebäuden im städtischen Besitz sowie auf Flächen wie z.B. Parkplätzen haben. Die Mehrheit lehnt den Antrag ab, auch die Verwaltungsspitze winkt ab. Das ganze Drama im Rückblick.

Wir brauchen einen Plan

Am 30. November tagt der Görlitzer Stadtrat. Auf der Tagesordnung ist eine Beschlussvorlage unserer Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne, mit der wir das Potenzial erneuerbarer Energie untersuchen lassen wollen. Warum das wichtig ist und welche weiteren spannenden Themen auf der Agenda stehen, haben Mike Altmann und Danilo Kuscher in einem Podcast besprochen.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Stadtratsblog #47: 26.10.2023

Subjektiv gefärbter Bericht aus dem Stadtrat vom 26.10.2023

Es beginnt still und nachdenklich. Schweigeminute für die Opfer der Hamas-Verbrechen in Israel. OB Octavian Ursu versichert, dass Görlitz an der Seite der jüdischen Gemeinschaft steht. Unser Kulturforum Neue Synagoge, die Ehrenbürgerschaft für Schlomo Graber und die zahlreichen Stolpersteine in der Stadt sind nur einige Beispiele für eine lebendige Kultur der Erinnerung, des Respekts und des Austausches.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Dann steigen wir mit Infos des OB in die Sitzung ein.

Herr Ursu berichtet von einem Besuch bei der Mitteldeutschen Medienstiftung in Berlin. Beim 25. Geburtstag habe er für Görlitz geworben. Die Stadt habe in der Branche einen guten Ruf. Auch die Film-Akademie wirke positiv. So schön das klingt: Bislang hat sich noch keine dauerhafte Finanzierung dieses Bildungsangebotes gefunden. Wenn es den Bedarf gibt, müsste sich das auch in finanziellem Engagement der Branche äußern.

 

Persönlich eingesetzt hat sich Herr Ursu für den Erhalt der Zeemann-Filialen. Auslöser waren Presseberichte, dass sich die Handelskette komplett aus Görlitz zurückzieht. Daraufhin, so die Erzählung, gab es ein Telefonat des OB mit Zeemann. Er hat das Potenzial der Stadt aufgezeigt, über die Wirtschafsförderer der EGZ zusätzliche Informationen bereitgestellt und somit die Zeemänner und Zeefrauen überzeugt. Zumindest die Filiale an der Ecke Wilhelmsplatz/Jakobstraße bleibt erhalten. Ich muss dann wohl auch mal dort einkaufen, wenn sogar der OB darum kämpft. Nichts mehr tun kann der OB für die Filiale im Neiße-Park. Sie wird geschlossen.

 

Bürgermeister Benedikt M. Hummel berichtet kurz über Ergebnisse der ersten Saison am Berzdorfer See mit Parkautomaten. 90.000 Euro Einnahmen, das ist etwa doppelt so viel wie prognostiziert. Obwohl die Automaten ziemlich verspätet an den Start gingen. Das von AfD und CDU jahrelang prophezeite Chaos ist ausgeblieben. Demnächst wird es eine tiefere Analyse geben.

//

Die Bürgerfragestunde wird endlich mal wieder gut genutzt.

Sarah Bräunling und Mario Härtig wünschen sich eine städtische Lösung zum Melden von Gefahrenstellen für Radfahrer. Beide berichten von zu wenig Abstand, auch Unfälle habe es gegeben. Meldungen bei der Polizei seien zu zeitaufwendig. Das mag sein, aber wenn etwas passiert ist, sollte man schon die Polizei einschalten, rät der OB. Für Hinweise auf Gefahren ist der Mängelmelder zu empfehlen. Bürgermeister Hummel ergänzt, dass dieses Thema in die Fortschreibung des Verkehrskonzeptes einfließt. Erst vor ein paar Tagen habe es eine Befahrung kritischer Stellen für Radfahrer im Stadtgebiet gegeben.

Maik Fey,  möchte wissen, wann die umstrittenen Sondernutzungsgebühren für lokale Gastronomen während städtischer Feste geklärt werden. Die letzte Sitzung dazu fand im Mai statt. Vereinbart wurde damals, dass die gesamte Finanzierung des Altstadtfestes im Verwaltungsausschuss besprochen werden sollte. Am Ende ist es eine politische Entscheidung, ob ansässige Gastronomen entlastet werden bei den Festivitäten. Leider gibt es seitdem keine Bewegung. Das Thema wird trotz regelmäßiger Erinnerung nicht im Ausschuss auf die Tagesordnung gesetzt. Bürgermeister Hummel erklärt, dass er in Kürze zu einer neuen Runde mit Gastronomen und Kulturservice einladen möchte. Im Gespräch bleiben ist prima, aber man darf sich dabei nicht im Kreis drehen. Beide Seiten haben ihre Argumente ausgetauscht. Die Gesellschaft samt Aufsichtsrat hat sich aus wirtschaftlichen Gründen gegen eine Entlastung der Görlitzer Gastronomen entschieden, wenn diese beim Altstadtfest ihre Außenfläche nutzen wollen. Insofern muss die politische Ebene entscheiden. Hierfür fehlen aber die Gesamtzusammenhänge. Ich weiß nicht, was das Altstadtfest für Einnahmen und Ausgaben hatte in den letzten Jahren.

Danach tritt eine junge Frau ans Mikro und beklagt den Kiesabbau in Hagenwerder sowie das intransparente Verfahren durch das Oberbergamt. Die Genehmigung zum Abbau sei ohne Beteiligung von Betroffenen erteilt worden. Unklar sind Folgen für Umwelt, Anwohner und Tourismus. Angeblich dürfe die Firma Heim nun auch tiefer abbauen. Und zwar bis unter die Grundwasserlinie. Die junge Frau erinnert an das schwere Unglück in Nachterstedt, als die Ortschaft absank. Ein weiteres Thema ist die Staubbelastung, die bis zum Hotel Insel der Sinne reiche. Die Ranch in Hagenwerder leide, Pferde würden an Husten erkranken. Die Stadtspitze zeigt sich bei dieser Frage hilflos. Seit Beginn der Debatte vor zwei Jahren verweist sie auf fehlende Einflussmöglichkeiten, da hier Bergrecht gelte. Ich denke, es ist höchste Zeit, sich intensiver damit zu befassen und herauszufinden, wie tief und wie weit die Abbauarbeiten tatsächlich reichen sollen. Es handelt sich um eine sensible Stelle. Nah an Wohnhäusern, Gärten, Gewerbebetrieben und unserem touristischen Zentrum Berzdorfer See. Es gibt auch eine Petition, die ihr unterstützen könnt: https://www.kiesabbau-goerlitz.de

//

 

Es folgen die Fragen von Stadträten.

Trinkwasserprobleme
Mein Fraktionskollege Andreas Kolley erkundigt sich, ob die Verschmutzung des Görlitzer Trinkwassers mittlerweile aufgeklärt ist. Seit einigen Tagen gab es Warnungen, da das Wasser teilweise übelriechend aus der Leitung kam. Der OB wiederholt die Erkenntnisse des Vortages. Die Stadtwerke haben erklärt, dass keine Gefahr bestand und besteht, selbst wenn vom Trinken des Wassers zwischenzeitlich abgeraten wurde. Die Ursachenforschung hält an. Eine Herausforderung für die Kommunikation der Stadtwerke. Die, wie ich finde, nicht optimal gelöst ist. Bei solch elementaren Dingen wie der Trinkwasserversorgung braucht es mehr als routinemäßige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Saisonende für Berzdorfer See
Ich möchte wissen, wie die Stadtverwaltung zu Sondergenehmigungen außerhalb der Saison auf dem Berzdorfer See steht. Am 31. Oktober endet die Saison auf dem See. Wer trotzdem mit Boot aufs Wasser will, etwa für touristische Rundfahrten, muss das beantragen. Beteiligt an den Verfahren sind neben Görlitz auch LMBV und Landratsamt als zuständige Behörde. Der OB meint, dass die Stadt solche Sondernutzungen nicht forcieren möchte. Es wird im Einzelfall geprüft, aber das Rathaus stehe dem kritisch gegenüber. Ich denke, wenn die Naturschutzbehörde und die Wasserschutzbehörde nichts dagegen haben, sollte die Stadtverwaltung bei Einzelanträgen folgen. Dauerhafte Sonderfälle sollten von der Landesdirektion geregelt werden.

Gespräche im Klinikum
Lutz Jankus von der AfD fragt, ob es Bewegung gibt im Streit zwischen Klinikum und ausgegliedertem Medizinischen Labor. Wir erinnern uns: In der letzten Sitzung wurde OB Ursu um Unterstützung gebeten, damit das Labor wieder ins Klinikum eingegliedert wird. Es geht um Arbeitsbelastung, Schichtdienste, Bereitschaftszeiten, Personalmangel und auch schlechtere Bezahlung. OB Ursu erklärt, dass es mittlerweile ein Gesprächsangebot der Klinikchefin gibt. Mehr kann man noch nicht sagen.

Dunkler Puschmann-Weg
Motor-Stadtrat Danilo Kuscher bringt eine Frage ein, die wir von einer Görlitzerin kurz vor der Sitzung erhielten. (Das ist jederzeit möglich. Schreibt uns über die Social-Media-Kanäle oder per Mail an kontakt@fraktion-motor-gruene.de). Sie wünscht sich Beleuchtung für den Else-Puschmann-Weg. Der verbindet seit kurzem die Lüders-Straße und die Rauschwalder Straße. Eine schnelle Lösung gibt es leider nicht. Frau Poost vom Bauamt erläutert, dass die Beleuchtung erst mit dem nächsten Bauabschnitt kommt. Die erste Baustufe war vorgezogen worden, gemeinsam mit den Stadtwerken, die Medien verlegt haben.

//

 

Der Neue aus der AfD
Wir vereidigen einen neuen Stadtrat. Nachdem Alexander Lehmann von der AfD vor die Tore der Stadt gezogen ist, muss ein Nachrücker her. Ralf Klaus Kaufmann heißt er, Ex-Diplomat. 137 Stimmen reichen ihm nun für den Einzug in den Rat. Bereits der vierte Nachrücker bei der AfD. In die Fraktion wird er aber nicht gehen. Laut SZ-Bericht ist Herrn Kaufmann die AfD zu links, weshalb er sie verlassen habe. Er nimmt neben Jens Jäschke Platz, den die AfD-Fraktion schon vor Jahren offiziell ausschloss. Ralf Klaus und Jens – die Lümmel von der letzten Bank.

//

 

Elisabethplatz
Der Stadtrat vergibt den Auftrag für die Tiefbauarbeiten auf dem Elisabethplatz an Steinle Bau. Im November soll es endlich losgehen mit der Neugestaltung.

//

 

Wirtschaftsplan Friedhof 2023
Wir haben Ende Oktober aber noch immer keinen genehmigten Haushalt. Die Reparatur der Einäscherungsanlage kann nicht aufgeschoben werden. Deshalb braucht es einen sogenannten Mittelvorgriff in Höhe von 150.000 Euro. Die Anlage ist verschlissener als ihr Alter eigentlich vorsieht. Ursachen sind in den Coronajahren zu finden. Deutlich mehr Tote, deutlich mehr Einäscherungen. Wir stimmen zu. Ebenso dem Wirtschaftsplan 2023.

//

 

Betriebskonzept, Sanierungskosten und Förderanträge Stadthalle
Noch vor der Pause wird die Stadthalle als Tagesordnungspunkt aufgerufen. Wir sollen dem Betriebskonzept zustimmen, den OB beauftragen, Fördermittelanträge zu stellen und die Kostenobergrenze für die Sanierung auf rund 51 Millionen Euro erhöhen.

Bürgermeister Hummel führt ins Thema ein. Die Terminschiene wird vorgestellt. Fertigstellungstermin ist noch nicht fixiert. Es soll auf 2028/29 hinauslaufen. Nicht zu sehen oder zu hören bekommt die Öffentlichkeit die wichtigsten Zahlen aus dem Betriebskonzept. Keine Info, dass der Zuschussbedarf im ersten Jahr bei knapp einer Million Euro liegt. Keine Angabe zu den geplanten Veranstaltungen, zum Preismodell oder zu den Einnahmen. Sinnbildlich dafür ist eine illustrierende Powerpoint-Folie des Fach-Bürgermeisters. Zunächst erscheint das Wort „Risiko“. Sehr klein und kaum erwähnenswert. Man wisse nie vorher genau, was etwas schlussendlich kostet. So. Dann fliegt ein neues Wort ein. CHANCEN. Deutlich größer als die Risiken. Appelle an Zuversicht, Mut und Sekundärtugenden. Fakten, Abwägungen, Risikobewertungen und gesamtstädtische Perspektive fehlen.

Extra für euch ergänze ich deshalb den Vortrag von Benedikt Hummel und stelle einige wenige exemplarische Zahlen aus dem Betriebskonzept 2.0 vor. Macht euch selbst dazu Gedanken. Ich nehme das dritte Betriebsjahr, weil es dort aus städtischer Sicht die besten Annahmen gibt. Nicht dass mir noch jemand vorwirft, ich würde das Projekt schlechtreden mit Zahlen aus den Aufbaujahren.

  • Anzahl Veranstaltungstage: 192
  • Erwartete Einnahmen:  2,3 Millionen Euro
  • Personal: 20 Vollzeitstellen
  • Gesamtkosten: 2,9 Mio Euro
  • jährlicher Zuschussbedarf: 640.000 Euro

Klingt erstmal gar nicht so schlimm? Richtig. Aber ist das realistisch? Schauen wir uns die Einnahmeerwartungen an. 192 Veranstaltungen in einem Jahr sind stattlich. Muss man erstmal hinbekommen. So der Tenor aus der Veranstalterbranche. Je mehr ich die Zahlenreihen studiert habe, umso mehr Zweifel kamen.

Beispiel 1: 900.000 Euro Mieteinnahmen
Die Mieteinnahmen beruhen auf der hohen Auslastung und den gehobenen Preisen. Für den großen Saal werden 5.400 Euro aufgerufen, ohne Ränge 3.700 Euro. Der Kleine Saal kostet 1.200 Euro. Im modernen Anbau finden sich kleinere kombinierbare Säle zu Preisen zwischen 200 und 1.800 Euro. Wer die ganze Stadthalle exklusiv nutzen möchte, zahlt 9.000 Euro. Das soll etwa durch Kongresse gelingen. Gleich vier soll es davon geben mit 600 Teilnehmern.

Beispiel 2: 1 Million Euro aus Dienstleistungen
Wie kommt es, dass der Stadthallenbetreiber mehr durch Dienstleistungen als durch Vermietung einnimmt? Weil es sich um rein kalkulatorische Annahmen handelt. Zu fast jeder Veranstaltung errechnet sich der Kulturservice Zusatzeinnahmen für Lichttechniker, Tontechniker, Präsentationstechniker und Projektmanager. Stundensatz zwischen 60 und 120 Euro. Mal sehen, wie viele regionale Nutzer sich das leisten werden. Ein Abi-Ball erwirtschaftet laut Kalkulation 800 Euro Miete, 1.860 Euro für Licht. Ton und Projektion, 800 Euro für Projektmanagement. Trotz 80% Mietrabatt müssten die Abiturienten 4.100 Euro auftreiben, da die kalkulierten Preise netto sind. Da ist noch kein Buffett, kein Begrüßungsgetränk und kein DJ bezahlt. Wie realistisch ist das?

Beispiel 3: 180.000 Euro aus Catering-Provisionen
Die Einnahmeposition geht davon aus, dass der externe Caterer über 1,2 Millionen Euro Jahresumsatz macht. Davon sollen 15 Prozent in die Kasse des Betreibers fließen. Mit wem ich aus der Branche auch sprach: Es gibt erhebliche Zweifel an der Umsatzerwartung. Kenner meinen, dass es schwer werden könnte, überhaupt einen regionalen Anbieter zu finden, der das leisten kann.

Unsere Fraktion hatte beim ersten Entwurf vor knapp zwei Jahren noch bemängelt, dass uns die Einzelpositionen fehlen, wir die Kalkulation nicht nachvollziehen können. Das war nun viel besser möglich. Leider haben die Tabellen unsere Bedenken nicht genommen. Im Gegenteil. Und wir sind damit nicht allein. Ich hatte vor und nach einer Stadtratssitzung noch nie so viele Anrufe und Nachrichten von Leuten, die sich zur Stadthalle äußerten. Die uns den Rücken stärkten. Die aus völlig verschiedenen Peergroups stammen. Das ist keine homogene Bubble aus Stadthallenskeptikern. Es sind gestandene Persönlichkeiten, Unternehmer, Kulturmanagerinnen, Gastronomen – Leute, die rechnen und Risiken einschätzen können. Genau das fehlt dem Betriebskonzept: Es geht von der besten Annahme aus und lässt die Risiken außer Acht.

Deshalb reichen wir einen Änderungsantrag ein. Statt das Betriebskonzept zu bestätigen, wollen wir es nachbessern lassen. Der Bedarf an gesellschaftlichen und nichtkommerziellen Kulturveranstaltungen soll ebenso ermittelt werden wie die aktuelle Marktlage. Das fehlt bislang. Ebenso wie eine Stärken-Schwächen-Analyse für alle Sparten. Desweiteren wollen wir vom OB eine klare Aussage zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Wie bekommen wir die Bausumme gewuppt, wie finanziert sich der Betrieb dauerhaft? Und schließlich wollen wir, dass die Rechtsaufsicht den Prozess eng begleitet.

Unseren Antrag begründe ich in der Sitzung mit einem längeren Redebeitrag:

Es ist zu beachten, dass die Stadt Görlitz nicht verpflichtet ist, die Stadthalle als Veranstaltungsstätte und Tagungszentrum wieder zu errichten und bereitzustellen. Gesamtsanierung und Betrieb erfolgen aufgrund des öffentlichen Bedürfnisses und der Leistungsfähigkeit. Darauf weist u.a. das städtische Justiziariat hin.

Zum Bedarf
Zu prüfen ist durch uns, ob für die einzelnen Sparten eine öffentliche Notwendigkeit besteht, vor allem wenn sie Defizite erwirtschaften. Dann müssen wir prüfen, ob andere Einrichtungen diese Leistungen bereits ausreichend bereitstellen. Es ist nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, auf dem privaten Markt der Tagungen, Messen und Unterhaltungsveranstaltungen tätig zu sein. Ein Grund kann es sein, dass man durch Überschüsse in diesen Sparten Dinge ermöglicht, die der städtischen Gesellschaft derzeit fehlen. (Außer in der Sparte „Tagungen und Kongresse“ gibt es laut Betriebsplan jedoch überall Verluste.)  Da geht es immer wieder um eine „Halle für alle“, in der wir eine Renaissance der Geselligkeit erleben. Fakt ist, dass deutlich mehr kommerzielle Veranstaltungen geplant sind als solche für die Stadtgesellschaft (105:87).

Aber selbst bei diesen Veranstaltungen müssen wir doch schauen, ob sie zusätzlich sind oder von anderen Häusern abgezogen werden. Da bin ich bei Jugendweihen, Abifeiern, Vereinsveranstaltungen – die finden doch jetzt auch schon statt. Wandern sie ab? Und ist das gewollt?

Es fehlt eine aktuelle Marktanalyse zum Angebot. (Was gibt es schon?) Für Veranstaltungen über 400 Personen besteht in Görlitz kein großes Angebot. Für kleinere Formate, speziell bis 200 Gäste, ist es wichtig, dass wir unsere lokalen und regionalen Mitbewerber kennen. Leider findet sich dazu keine Analyse im Betriebskonzept. Keine Aussagen zum Senckenberg-Campus mit Audimax für 200 Leute, zu Schlesischem Museum, Kinosaal, Siemens Innovation Campus, Werk1,…)

Es fehlt auch eine Analyse des Bedarfes. Das können Interviews nicht ersetzen. Nur wer die wirtschaftlichen Parameter kennt, gibt fundierte Aussagen zur eigenen potenziellen Nutzung einer sanierten Stadthalle. Als Veranstalter einer Messe wäre es unwirtschaftlich. Für eine zweitägige Messe plus Aufbautag kalkuliert der Kulturservice Einnahmen aus Miete und Dienstleistungen von rund 40.000 Euro. In Löbau kostet das Paket deutlich weniger bei doppelt so viel Fläche und mehr Nutzungstagen für Auf- und Abbau.

Diese Dienstleistungen ziehen sich durch fast alle Veranstaltungen und wirken sich auf die Einnahmeerwartungen aus. Hier finden sich extreme Unterschiede zum ersten Betriebskonzept. Vor zwei Jahren wurden knapp 500.000 Euro Einnahmen für Dienstleistungen kalkuliert. Jetzt Verdopplung auf eine Million Euro. An den Zahlen haben wir erhebliche Zweifel.

Zur Leistungsfähigkeit
Baukosten werden mittlerweile auf 51 Millionen Euro taxiert. Das sind 8 Millionen Euro mehr als vor zwei Jahren. Ohne dass der Bau begonnen hat. Für die Sanierung fehlen laut Prognose die nötigen Eigenmittel und Risikokosten ab 2025, nicht förderfähige Kosten sind gar nicht kalkuliert. Ab 2025 hat die Stadtkasse keine Rücklagen mehr. Die Stadthalle wird somit zu Lasten anderer bereits geplanter Vorhaben gehen. Was fällt weg? Stadion Biesnitz, barrierefreie Haltestellen, Jahnsporthalle, Entwicklung Schlachthofgelände, Umbau des neuen Volkshochschul-Standortes, Erschließung von Deutsch-Ossig und Verbesserung der Infrastruktur Nordoststrand, Geräte für Spielplätze, Pflege für Grünanlagen?

Wie finanzieren wir eigentlich die Betriebskosten bei einem jährlichen strukturellen Defizit von bis zu 15 Mio Euro? Natürlich können wir erstmal einen Förder-Antrag einreichen – aber irgendwann muss jemand unterschreiben, dass wir uns den Betrieb leisten können. Wir werden in Kürze ein „Haushaltsstrukturkonzept“ erarbeiten müssen. (Das ist ein euphemistischer Begriff für Rotstift ansetzen.)

Zu den Kosten kommen noch gar nicht eingepreiste Positionen hinzu: Straßenbau, Parkhausbau, Gestaltungsarbeiten rund um die Stadthalle, Stadthallengarten, zusätzliche Kosten für die Begleitung der sich deutlich verspäteten Sanierung durch Kulturservice (jährlich ca. 200.000 Euro), zusätzliche Kosten für das Jahr vor der Eröffnung (Personal muss schon teilweise am Start sein für Projektentwicklung, Marketing und Akquise – es gibt aber noch keine Einnahmen).

In Anbetracht der erheblichen wirtschaftlichen Risiken und der rechtssicheren Ausgestaltung des Stadthallenprojektes auf Fördermittelbasis sollte die Rechtsaufsicht einbezogen werden. Wir bitten um Zustimmung für unseren Antrag. (Ende des Statements im Stadtrat.)

Bürgermeister Hummel sieht die vorgebachten Punkte als grundsätzliche Kritik und erwähnt mehrfach, dass er doch alle unsere Fragen beantwortet habe. An dieser Stelle ein kleines Verständnisstück. Wir arbeiten in der Fraktion nach dem Schema FVE. Fragen. Verstehen. Entscheiden. Die Beantwortung von Fragen ersetzt nicht unser Einordnen in den Gesamtzusammenhang und die Entscheidung.

Dann darf Prof. Joachim Schulze ans Mikrofon. Das grüne Mitglied der Fraktion Bürger für Görlitz geht zunächst auf meine Forderungen nach einer konkreten Bedarfsanalyse ein. Das erinnere ihn an früher. An Diskussionen ums Werk 1. Da gab es die gleiche Masche, dass die Kritiker immer neue Analysen zum Bedarf haben wollten, so Schulze.

Ich war glühender Anhänger des WERK1. Den Bedarf haben die Jugendlichen damals selbst artikuliert. Als sie die Stadtratssitzung im Jahr 2011 enterten. Es geht heute auch um mehr Geld. Faktor zehn könnte ungefähr hinkommen.

Joachim Schulze zitiert sich jetzt selbst. Pathetische Sätze aus einer eigenen Rede von 2011, die die SZ unter der Überschrift „Ohne Stadthalle hätte Görlitz den Welterbetitel nicht verdient“ komplett abdruckte. Origineller Einstieg. Vielleicht etwas Ich-bezogen. Aber das darf ein Professor, der sein Berufsleben lang vor wissbegierigen jungen Menschen performt hat.

Ich bleibe weiter frohgestimmt und lächle. Das mag der Professor offenbar nicht. Er kündigt mir quer durch den Saal an, dass ich schon bald nicht mehr lächle. Nun bin ich erst recht gespannt.

Herr Schulze verweist darauf, dass mögliche Mitbewerber aus einem großen Umkreis bis nach Polen und Tschechien befragt wurden. Dass es keine Angst vor Konkurrenz gibt. Im Gegenteil große Vorfreude und Kooperationsbereitschaft. Als Mann der Wissenschaft weiß Professor Schulze, dass bei solchen Erhebungen die Einordnung wichtig ist. Das fehlt in seinem engagierten Vortrag leider. Ich ergänze gern: In Polen und Tschechien wurden 14 Einrichtungen kontaktiert. Fünf antworteten. Drei Einrichtungen aus Liberec und Jelenia Gora können sich eine Zusammenarbeit vorstellen. In einer zweiten Befragung wurden deutsche Einrichtungen interviewt. Hier ging es um grenzüberschreitende Erfahrungen. Bis auf die Hillersche Villa Zittau und Fürst Pückler Bad Muskau finden sich keine regionalen Akteure. Beteiligung: 5 von 12 Angefragten. Interviews, ausschließlich zu grenzüberschreitenden Aspekten, sollen eine Marktanalyse ersetzen? Damit habe ich Schwierigkeiten.

Jede Menge Fantasie zeigt Prof. Schulze, als er die Folgen an die Wand malt, wenn wir das Stadthallenprojekt stoppen. Dann könnte Görlitz zur Sanierung gezwungen werden. Der Bau würde dann 70 bis 80 Millionen Euro kosten, die wir aus der eigenen Tasche zahlen müssten. Das ist Görlitzer Science-Fiction. Niemand kann eine Kommune dazu zwingen. Außerdem ist das Gebäude gesichert.

Anschließend werden durch den erfahrenen Stadtrat Schulze Sekundäreffekte aufgeführt. Also zusätzliche Einnahmen durch Besucher der Stadthalle in Hotels, Geschäften, Kneipen. Nur: Diese „Umwegrentabilität“ ist in den letzten zehn Jahren nicht untersucht worden. In der letzten Untersuchung von Drees & Sommer aus dem Jahr 2012 wurde sie mit 2,1 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Davon stammen 80 Prozent aus Kompensationseffekten. Auf deutsch: Die Stadthalle zieht Veranstaltungen aus anderen Locations ab. Wie groß ist dieser Effekt aus heutiger Sicht? Ohne fundierte Betrachtung lässt sich das nicht einschätzen.

Diskussionswürdig ist die Sicht von Prof. Schulze, dass wir Görlitz zum Gespött machen in Dresden und Berlin, wenn wir „kleingeistig“ an solche Projekte herangehen. Wird nicht andersrum ein Schuh draus? Ruinieren wir nicht viel mehr unseren Ruf, wenn wir ohne ausreichende Marktanalyse, ohne Risikobewertung, ohne finanzielle Sicherheit ein 60-Millionen-Euro-Förderprojekt an die Wand fahren?

 

Die Rede von Joachim Schulze löst große Begeisterung aus bei der Stadthallenmehrheit. Sie wird zum Benchmark. Kein Wortbeitrag von Verwaltung, AfD, CDU und BfG setzt sich anschließend mit betriebswirtschaftlichen Inhalten auseinander. Jana Lübeck von den Linken kritisiert, dass keine Antworten auf unsere berechtigten Fragen kommen. Außer: Das werden wir sehen, wenn es so weit ist. Das werden wir im Prozess klären. Das wird schon passen. Geld wird schon da sein. Wer kritisch nachfragt, ist nicht gegen die Stadthalle. Dass man sowas tatsächlich in einem Stadtrat betonen muss, ist schon bedenklich.

Die Herren Ursu und Hummel reagieren angefasst, werden emotional. Meine Kollegin Jana Krauß stellt klar, dass wir keine Emotionen brauchen, sondern Klarheit. Wie können wir das Projekt in der Praxis umsetzen? Wie finanzieren wir es mit Blick auf die gesamte Stadt? Die Liquidität ist ab 2025 nicht vorhanden.

Es folgen noch einige Argumente aus den Fraktionen von AfD, CDU und Bürger für Görlitz. Hier die schönsten Motivationssprüche für deine Kühlschranktür:

„Es mag Risiken geben. (…) Wir werden das stemmen und müssen das auch stemmen.“ Lutz Jankus, AfD

„Ich verstehe die Mutlosigkeit und Verzagtheit nicht. Die Stadthalle kann eine Erfolgsgeschichte werden, wenn wir es alle nur wollen.“ Dr. Hans-Christian Gottschalk, Bürger für Görlitz

„Wer will, findet Lösungen. Wer nicht will, findet Gründe.“ Michael Mochner, AfD

„Mut gehört dazu. Wir können zweifeln, ob wir in allen Punkten richtig liegen. Aber wir fragen auch nicht nach dem Wetterbericht in fünf Jahren.“ Dieter Gleisberg, CDU

„Das wird schon werden. Die Wahrscheinlichkeit ist bei weitem höher, dass es gut wird als die Wahrscheinlichkeit, dass es in die Hose geht.“ Torsten Koschinka, AfD-Fraktion

„Ich möchte Freude vermitteln und nicht nur immer diese Bedenkenträger haben.“ Gabi Kretschmer, CDU

Diese unbeliebten Träger sind wohl wir. Sieht auch OB Ursu so. Schlimmer noch. Er geht aus dem Sitzungsleitersattel und wirft uns Respektlosigkeit vor. Weil wir angeblich die Fachkompetenz aller Beteiligten in Frage stellen. Jana Krauß kontert: Erst durch intensive Beschäftigung mit den Konzepten entstehen Fragen und Zweifel. Das ist ein Ausdruck von Respekt vor der Leistung der Menschen, die daran gearbeitet haben.

Es kommt schließlich zur Abstimmung. Unser Änderungsantrag fällt erwartungsgemäß durch. Der Beschluss wird mit großer Mehrheit angenommen. Wie seit Jahren stimmen AfD, CDU und BfG dafür, Die Linke und Motor/Grüne sind dagegen.

//

 

Danach ist Pause.
Hin und wieder werde ich gefragt, wie man nach einer emotionalen Debatte miteinander umgeht. Ich kann nur für mich sprechen: Direkt zum Beginn der Pause läuft mir der Stadthallenfördervereinspräsident Thomas Leder über den Weg. Handschlag, Plauderei über die guten alten Zeiten. Am Imbiss Schnack mit OB Ursu. Wir tauschen nochmal locker die Sichtweisen aus. Ich will damit sagen, dass ein vernünftiger Umgang miteinander wichtig ist, auch nach harten Auseinandersetzungen. Dazu sind vielleicht nicht alle Stadträte in der Lage. Aber die überwiegende Mehrheit.

//

 

Bettensteuer
Direkt nach der Pause kommt das nächste dicke Brett. Wir sollen die Satzung für die Beherbergungssteuer beschließen, die im Volksmund Bettensteuer heißt. Das ist eine Steuer, die Übernachtungsgäste zahlen. Für die Stadt eingenommen wird sie von den Hotels, Pensionen, Privatunterkünften. Der Erlös fließt direkt in den Haushalt. Die Steuer ist nicht zweckgebunden für den Tourismus.

Gegen diese Bettensteuer rebellieren seit Jahren sowohl die IHK als auch der Tourismusverein. Aufgrund des Drucks, den in den letzten Tagen vor der Entscheidung vor allem durch den Tourismusverein entstand, wurde die ursprüngliche Vorlage verändert. Die Steuer soll nicht schon zum 1.1. sondern erst zum 1.4.2024 eingeführt werden. Für das erste Jahr liegt der Satz bei 3% vom Übernachtungspreis, ab 2025 sind es dann 5%. Die Abrechnung müssen die Betriebe nicht mehr in zwei Wochen erledigen, sie bekommen sechs Wochen Zeit.

Dieses Entgegenkommen ist lobenswert. Wir bringen weitere Änderungswünsche ein. Sehr am Herzen liegt uns, dass beruflich bedingte Übernachtungen von der Steuer befreit werden. Ebenso junge Leute, die wegen der Ausbildung bei uns schlafen. Was sind wir für eine Filmstadt, wenn wir beim Drehteam für jede Übernachtung zusätzlich die Hand aufhalten? Was für eine Botschaft senden wir in die Welt, wenn wir zwar um Kongressteilnehmer werben, diese aber direkt mit Aufschlägen verärgern. Die Mehrheit lehnt diesen Antrag jedoch ab. Begründung: Erhöhter Aufwand. Den sehe ich nicht wirklich, da diese Bettensteuer von den Beherbergungsbetrieben eingenommen und abgerechnet wird. Ob ich ein Formular ausfüllen lasse für Touristen und ein anderes für Geschäftsreisende ist ähnlich aufwändig.

Darum geht es am Ende nicht. Es stellt sich die grundlegende Frage, ob wir eine solche Steuer möchten. Nach einem Meinungsaustausch beantragt die AfD-Fraktion geheime Abstimmung. Überraschenderweise gibt es dafür eine Mehrheit. Unsere Fraktion enthält sich. Nach Auszählung der Stimmen kommen wir zum Ergebnis: Nur 12 Ja-Stimmen. 16 Stadträte sagen Nein. Drei enthalten sich. Damit ist die Satzung für die Beherbergungssteuer abgelehnt. Dies kann Folgen haben, da die Einnahmen aus der Steuer ab 2024 in den Haushalt eingeplant wurden.

Und doch ist das Ergebnis nicht überraschend. Die Ursachen reichen ins Jahr 2021 zurück. Nahezu parallel kamen damals Anträge von Bürger für Görlitz und unserer Fraktion. BfG will eine Bettensteuer, wir eine Gästetaxe. Vorteil Gästetaxe: Die Einnahmen müssen zwingend für touristische Dinge ausgegeben werden. Damit entsteht eine Vorteilsübersetzung bei Herbergsvätern und -müttern und deren Kunden. Man kann eine Geschichte erzählen, was aus der Steuer finanziert wird. Feste Toiletten am See zum Beispiel. Einig waren wir uns damals mit der EGZ und der Stadtverwaltung, die beiden Modelle in Ruhe zu vergleichen. Bürger für Görlitz hatten jedoch den Ehrgeiz, schnell entscheiden zu lassen. Es ging plitzplautz. Die Finanzverwaltung war erkennbar für die Bettensteuer. Nachvollziehbar. Da kann niemand reinreden, was mit dem Geld passiert. Trotz aller Warnungen und Bitten von Verbänden und Betrieben wurde abgestimmt. Mit einer Stimme Mehrheit ging der Grundsatzbeschluss für eine Bettensteuer damals durch.

Ich war der felsenfesten Auffassung, dass durch den anschließenden Unmut des Tourismusvereins ein Lernprozess einsetzt. Dass die Verwaltung rechtzeitig in die Satzungserarbeitung einsteigt und sich bei der Ausgestaltung mit den Profis aus den Beherbergungsbetrieben abstimmt. Die sollen schließlich die Steuer für uns einnehmen. Umso erstaunter war ich, als ich den Satzungsentwurf das erste Mal las. Der wurde aus bestehenden Satzungen der Großstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz übernommen. Ohne die Tourismuswirtschaft frühzeitig einzubeziehen. Kann man machen – muss man aber mit Konsequenzen rechnen. Diese lag für mich darin, der Vorlage nicht zuzustimmen. Diesen Umgang mit Leistungsträgern in der Stadt kann ich nicht unterstützen. Das würde langfristig mehr Schaden anrichten als die nun nötigen Umfinanzierungen. Nach wie vor ist unsere Fraktion der Auffassung: Wenn schon eine Abgabe dann als Gästetaxe, deren Einnahmen ausschließlich dem Tourismus zugutekommen. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

 //

 

Gute Nachrichten aus Hagenwerder
SKAN wächst und gedeiht und kauft ein weiteres Grundstück. Der Stadtrat stimmt natürlich zu.

//

Straßenreinigungssatzung
Die geht ebenfalls klar durch. Leider werden sich die Preise erhöhen. Weil unser Dienstleister deutlich mehr Kohle haben will. BfG und unsere Fraktion mahnen an, dass die Verwaltung zügig mit der Suche nach alternativen Möglichkeiten beginnt, damit wir in spätestens zwei Jahren nicht vor demselben Problem stehen. In dem Zuge sollte das Rathaus auch überlegen, wie wir die Verwaltungsgebühren senken. Stolze 170.000 Euro schlagen zu Buche.

//

 

Sternwarte und DZA
Die CDU-Fraktion möchte den OB beauftragen, mit dem im Aufbau befindlichen Deutschen Zentrum für Astrophysik zu reden, um zu fragen, ob sie Geld für die Sternwarte aufbringen können. Über ein gemeinsames Projekt. Wir sind Fans von Sternwarte und DZA. Lehnen aber dennoch ab. Für uns ist dieser Antrag zu flach. DZA und OB reden regelmäßig miteinander. Es braucht nicht immer einen Stadtratsbeschluss, um Dinge zu bewegen. Die Vorlage wird dennoch von der großen Mehrheit des Rates angenommen.

//

Kulturraumfinanzierung
Im letzten Tagesordnungspunkt beantragt die CDU Änderungen im Entscheidungsprozess zur Kulturraumförderung. Fördert der Kulturraum Projekte oder Institutionen, so wird ein Sitzgemeindeanteil fällig. Wenn diese Summe 75.000 Euro im Jahr übersteigt, soll künftig der Verwaltungsausschuss einbezogen werden, um die finanziellen Aspekte im Gesamtkontext zu bewerten. Das betrifft bislang nur die drei institutionell geförderten Häuser Tierpark, Musikschule und WERK 1 (Second Attempt e.V.).

In der Debatte gibt es mehr Fragen als Antworten. Unklare Formulierungen, unklare Folgen. Deshalb bittet Stephan Bley von den Bürgern für Görlitz um Vertagung der Angelegenheit. Einen Monat Zeit nehmen, die Vorlage schärfen, offene Fragen klären. Das unterstützen wir. Doch die CDU zieht gemeinsam mit der AfD durch. Der Antrag auf Vertagung wird abgelehnt. Am Ende stimmen 19 Stadträte für den unausgegorenen Antrag, darunter auch Karsten Günther-Töpert und Prof. Joachim Schulze von der BfG-Fraktion. Das ist deshalb überraschend, weil die CDU in der Antragsbegründung die neu hinzugekommene Kulturraumförderung für das WERK 1 explizit benennt und die AfD-Fraktion in der Debatte ihre Zustimmung klar signalisiert. Können Nachtigallen zu leise trapsen?

Die Linke will den Beschluss von der Rechtsaufsicht prüfen lassen. Eine sehr bewegte und emotionale Sitzung, die dem OB bisweilen aus den Händen gleitet, könnte das eine oder andere Nachspiel haben. Feierabendbier auf dem Untermarkt. Görlitz ist schön.

 

Text und Foto: Mike Altmann

 

Stadtratsblog #46: 28.9.2023

Subjektiv gefärbter Bericht aus dem Stadtrat 28.9.2023

Die Sitzung beginnt mit einer Information von Oberbürgermeister Octavian Ursu zur Stadthalle. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte am Vormittag grünes Licht für eine Aufstockung der Förderung gegeben. Zu den bereits seit 2018 gebunkerten 18 Millionen Euro könnten weitere 4,8 Millionen Euro hinzukommen. Da der Freistaat die Förderung des Bundes in gleicher Höhe beisteuert, stünden 45,6 Millionen Euro zur Verfügung.

Konsequenter Konjunktiv deshalb, weil die Stadt diese avisierten Gelder noch beantragen muss. Das werden wir sehr ernst nehmen und kritisch begleiten. Für uns eine Selbstverständlichkeit bei einer Gesamtinvestition von mindestens 50,7 Millionen Euro und einem folgenden Betrieb, der über mindestens 20 Jahre wirtschaftlich zu sichern ist.

Wir sehen viele offene Fragen in der Finanzierung der Eigenanteile. Zwar wurden rund fünf Millionen Euro in die Finanzplanung aufgenommen für mögliche Kostensteigerungen. Ob diese zehn Prozent ausreichen, ist aber angesichts einer Denkmalsanierung, einem Anbau im Hochwasserschutzgebiet sowie der allgemeinen Preisentwicklung eher fraglich. Straße, Parkplätze, Stadthallengarten kommen ohnehin noch obendrauf.

Zum Geld kommen ungeklärte rechtliche Fragen, die ein schlüssiges und nachvollziehbares Betriebskonzept beantworten sollte. Wir verstehen darunter ein ganzheitliches Konzept zur Bewirtschaftung und zum rechtssicheren Betrieb, einschließlich aller Finanz- und Rechtsfragen für den Zeitraum der Bindefrist der Fördermittel.

Wir sind verpflichtet, ganz genau hinzuschauen und abzuwägen. Zur Erinnerung: Ab 2025 gibt es keinerlei Rücklagen mehr. Jeder Euro Mehrkosten muss aber aus diesen Rücklagen finanziert werden. Das geht nur, wenn bereits geplante Vorhaben zurückstecken. Da rede ich nicht über Neubauten. Sondern über Werterhalt. Rund 8 Millionen Euro Investitionsstau hatten wir zuletzt gemeldet bekommen von den Fachämtern. Das wird sich künftig summieren. Reparaturen in Kitas, auf Spielplätzen und in Sportstätten, dringende Modernisierungen von Feuerwehr, Rathaus und Schwimmhalle konkurrieren um die weniger werdenden Investitionsmittel mit der Stadthalle. Wie wir diese Abwägung treffen, darüber sollten wir dringend im Stadtrat beraten. Bis Ende des Jahres soll bereits der Förderantrag gestellt werden.

//

Weitere Info des OB: Die Deutsche Telekom bekennt sich zum Standort Görlitz. Hurra, möchte man rufen. Ein Staatskonzern kommt nach jahrelangem Zaudern mit seiner Infrastruktur in die Diaspora. Von Bonn aus betrachtet. Dann heißen wir Magenta herzlich willkommen. In den nächsten drei Jahren soll Glasfaser verlegt werden. Den Auftakt machen Königshufen und die Südstadt. Wegen der Buddelei wird es immer wieder zu kleineren und größeren Behinderungen kommen. Dafür gibt’s stabiles Internet. Wichtig für Görlitz als Standort für Forschungseinrichtungen und technologiefreudige Unternehmen.

Post hat der OB von Schülerinnen und Schülern des Curie-Gymnasiums bekommen. Sie wollen die Grünfläche des Wilhelmsplatzes für ihre Pausen nutzen. Herr Ursu lässt das prüfen. Eventuell müssen wir dafür die Grünflächensatzung ändern. Wir sind schon ein kompliziertes Land. Denn außerhalb der Schulzeit können die Jungs und Mädels auf den Rasen, ohne dass die Satzung etwas dagegen hätte. Aber es gibt sicherlich eine erhellende Erklärung, warum das nötig sein soll.

//

Bürgermeister Hummel berichtet abschließend von einer Begehung der Berliner Straße. Stadtrat Mike Thomas von den Bürgern für Görlitz hatte mehrfach moniert, dass es für Sehbehinderte ein gefährlicher Slalomlauf sei, durch wild aufgestellte Werbetafeln und Außenmobiliar zu kommen. Bei einem Termin mit Stadtrat Thomas und dem Landratsamt waren allerdings 90 Prozent der Bestuhlung und Aufsteller regelkonform platziert. Wo das nicht der Fall war, wurden die Verantwortlichen sofort angesprochen. Die Verwaltung prüft, ob man eine einheitliche Seite festlegen kann, auf der Aufsteller und Co. stehen dürfen. Bedingung: Es braucht drei Meter Abstand zu den Gleisen.

//

Regelmäßig bekommen wir Informationen aus städtischen Betrieben oder besonderen Abteilungen. Diesmal berichtet Siegfried Hoche aus dem Ratsarchiv. Schon seit fast 750 Jahren DER Wissensspeicher der Stadt. Es ist sehr zu empfehlen, sich bei einer der Führungen aus erster Hand informieren zu lassen. Die Zukunftsaufgaben des Archivs liegen zum einen in der Digitalisierung, für die es entsprechende technische Ausstattung bedarf. Zum anderen ist der Bauzustand kritisch. Wie das gesamte ehrwürdige Rathaus braucht das Archiv mehr als einen frischen Anstrich. Beschäftigen müssen wir uns auch mit der Frage von geeigneten Räumlichkeiten für Magazinflächen. Die vorhandenen sind statisch nicht ausreichend ausgelegt, so dass die Hälfte der Fläche nicht nutzbar ist. Fehler aus der Zeit um 2000.

//

Fragestunde für Einwohner

Die Betriebsratsvorsitzende der MedLab Klinikum GmbH bittet um Unterstützung. Worum geht’s? Die Kolleginnen und Kollegen des MedLab befinden sich im Warnstreik. Sie wollen nach Tarif bezahlt werden, wie die Mitarbeiter des Klinikums.

Das Labor war bereits vor vielen Jahren ausgegliedert worden. Die 25 Beschäftigten sind von der Lohnentwicklung im Krankenhaus abgekoppelt. Hinzu kommen unattraktive Dienste an Wochenenden und nachts. Damit findet das Unternehmen kaum noch Mitarbeiter. Das kann bittere Konsequenzen haben. Die Hälfte der Belegschaft ist über 60, ein Drittel gesundheitlich nicht in der Lage, Nachtdienste zu bestreiten. Damit wird die Personaldecke dünn. Ohne Labor mit Bereitschaftsdienst ist die gesamte regionale Gesundheitsversorgung gefährdet. Die MedLab Klinikum GmbH versorgt auch das Carolus, das Emmaus und das DRK in den Bereitschaftszeiten. Aus Weißwasser kam bereits eine weitere Anfrage.

Dem Betriebsrat stellt sich nun die Frage, warum 1.400 Klinikumsmitarbeiter nach Tarif bezahlt werden, 25 wichtige Stellen im Labor aber davon ausgenommen sind. Ihr Vorschlag: Wieder eingliedern in den Klinikumsbetrieb. Es gibt bereits ein Labor im Klinikum, das zur Pathologie gehört. Dort verdienen die Kolleginnen und Kollegen 350 Euro mehr als ein Gebäude weiter. Ohne, dass sie Zusatzdienste machen müssen.

Der OB erklärt, dass er die Geschäftsführerin des Klinikums bereits gebeten habe, ergebnisoffene Gespräche zu führen. Wir bleiben ebenfalls am Thema dran. Der Hilferuf war eindeutig.

//

Es folgt die Fragestunde für Stadträte.

In der letzten Sitzung hatte der fraktionslose Stadtrat Jens Jäschke von der AfD Probleme mit der Redezeit. Zunächst mit der eigenen, dann mit der für die Linken. Das hielt auch nach der Sitzung an. Via Facebook erläuterte er der staunenden Öffentlichkeit eine spektakuläre Interpretation einer Redezeitordnung für Fraktionen. Zitat: „Es war eine Einzelrede der linken Stadträtin und somit hätte sie bei einer Fraktionsredezeit von 8 Minuten exakt 2.40 Minuten Redezeit gehabt und nicht 3.14 Minuten, wie sie bekommen hat. Weil Mathematik auch nicht für alle gleich leicht ist, hier die Erklärung dazu. Acht Minuten Fraktionsredezeit durch drei Stadträte, ergibt 2.40 Minuten.“

Um die kreativen Rechenleistungen einzuordnen, bittet meine Kollegin Jana Krauß das Justiziariat, die entsprechende Passage der Geschäftsordnung zu erläutern. Diese ist seit 2019 allen Stadträten bekannt und regelt eindeutig, wer wie lange das Wort hat. Je Tagesordnungspunkt stehen Fraktionen bis zu acht Mitgliedern mindestens acht Minuten zu. Für jedes weitere Mitglied gibt es eine Minute obendrauf. Einzelstadträte wie Herr Jäschke haben zwei Minuten zur Verfügung. Eine Teilung der Redezeit durch die Mitglieder ist nicht vorgesehen.

//

Ich möchte der Rathausspitze gern einen positiv aufgeladenen Ball zuspielen und frage nach dem aktuellen Stand der sagenumwobenen Tischtennisplatte auf dem Lutherplatz. Leider kennt Bürgermeister Hummel den aktuellen Stand nicht. Aufmerksamen Internetnutzern war bereits vor Tagen aufgefallen, dass der Bürgerrat parallel zur Stadtratssitzung die feierliche Eröffnung durchführt. Damit konnte die Platte deutlich früher aufgestellt werden, als befürchtet. Ursprünglich war von bis zu sieben Monaten die Rede. Jetzt haben wir es in fünf geschafft. Immer noch viel zu lange – aber wir sollten uns auch an den kleinen Dingen erfreuen. Erklärungen für den langen Zeitraum gibt es. Neben nötigen Abstimmungen, u.a. mit dem Denkmalschutz, gab es zunächst Lieferengpässe und danach Personalmangel. Nun ist alles fertig und die westliche Innenstadt hat einen weiteren kleinen Anziehungspunkt. Chinesisch auf dem Luthi. Ganz neue Perspektiven.

//

Eine Frage habe ich aus Hagenwerder mitgebracht. Es geht um den Kiesabbau. Zuletzt war bekannt geworden, dass die Genehmigung am bestehenden Ort um zwei Jahre verlängert wird. Marianne Thiel von der Ranch am See berichtet in Social Media Foren, dass ein neuer Hauptbetriebsplan vom Oberbergamt genehmigt worden sei. Der Abbau soll sich demnach weiter Richtung Norden erstrecken. Der Stadtverwaltung ist dazu nichts bekannt, sie geht dem Thema aber nach.

//

Jana Lübeck von den Linken erkundigt sich nach dem Stand des Projekts „BauLustOffensive“, dass bereits Ende 2021 genehmigt wurde. Auf Initiative der CDU-Fraktion soll es darum gehen, leerstehenden Gründerzeithäusern neues Leben einzuhauchen. Dafür soll bei Familien geworben werden, Wohneigentum zu bilden. Entsprechende Beratungen sind ebenfalls vorgesehen. Nur kommt das Projekt nicht aus der Hüfte. 2022 war der Fördermittelgeber noch nicht so weit. Jetzt hat Görlitz noch keinen genehmigten Haushalt und darf somit die Fördermittel nicht abrufen. Mal sehen, wie das ausgeht. Und ob das Projekt eine spürbare Wirkungen entfalten kann.

//

Es folgt eine Petitionsangelegenheit. Dabei geht es um eine Unterschriften-Aktion zur Herstellung eines Durchgangsverkehrs von der Käthe-Kollwitz-Straße zur Görlitzer Straße.

Wir befinden uns also am westlichen Zipfel von Görlitz. Rauschwalde, Richtung Ortsausgang. Worum geht’s? Es wurden 200 Unterschriften unter folgendem Text gesammelt:

„Wir Anwohner plädieren für eine verkehrstechnische Anbindung westlich der Helmut-von-Gerlach-Straße an die Görlitzer Straße in Görlitz-Rauschwalde. (…) In mehreren Gesprächen mit Bürgern in Görlitz-Rauschwalde wurde deutlich, dass der Wunsch nach einer westlichen Anbindung der Helmut-von-Gerlach-Straße an die Görlitzer Straße mit Durchgangsverkehr bereits über einen langen Zeitraum besteht. Aus diesem Grunde führen wir Anlieger des Wohnquartiers (…)  eine Unterschriftensammlung durch, um für unser Anliegen Öffentlichkeit und Unterstützung erreichen zu können.“

Wir sind sehr für Bürgerbeteiligung. Allerdings nur, wenn es sich um nachvollziehbare Wünsche von Betroffenen geht. Daran haben wir bei dieser Unterschriftensammlung unsere Zweifel. Von mehreren Anliegern der Helmut-von-Gerlach-Straße gab es Hinweise, dass sie weder über die Unterschriftensammlung Kenntnis hatten noch dass sie deren Ziel unterstützen. Handelt es sich also um ein Einzelinteresse, das mithilfe von Unterschriften aus dem gesamten Stadtgebiet Druck durchgesetzt werden soll?

Wir bringen unsere Bedenken zum Ausdruck, enthalten uns letztlich. Die große Mehrheit stimmt zu. Ein Umsetzungsbeschluss ist es ohnehin nicht. Der OB wird lediglich beauftragt, Anregungen aus der Petition zu berücksichtigen und Umsetzungsmöglichkeiten zu prüfen.

Gegenüber dem Initiator der Unterschriftensammlung hätten wir deutlicher werden müssen: Das Projekt hat angesichts der knappen Gelder keine realistische Chance auf Umsetzung in absehbarer Zeit. Der Oberbürgermeister sagt zu, dass es demnächst einen Plan geben wird, mit dem Straßenbauprojekte priorisiert werden.

//

Drei Dienstleistungen vergeben wir.

Rahmenzeitvertrag für Straßen- und Kanalunterhaltungsarbeiten für vier Jahre im Stadtgebiet Görlitz

Die SKS Straßendienst- und Kommunalservice GmbH bekommt den Zuschlag. Pro Vertragsjahr beträgt die Rahmensumme durchschnittlich 550.000 EUR brutto. Damit sind wir ca. 17 Prozent über den geschätzten Kosten gelandet. Zu den Unterhaltsarbeiten gehören neben Straßen und Kanälen auch Ampeln und Fahrbahnmarkierungen.

//

Vergabe der Leistungen der Straßenreinigung und Straßenablaufreinigung für die Jahre 2024-2025 mit Option der Verlängerung für das Jahr 2026

Hier bekommt die Veolia Umweltservice Ost GmbH den Zuschlag. Gesamtpreis 1.6 Millionen Euro. Die Kostenschätzung lag eine halbe Million darunter. Aufgrund der immer teurer werdenden Angebote in diesem Sektor, wurde die Leistung nur noch für zwei Jahre ausgeschrieben. Bis zum Ende der Vertragslaufzeit müssen wir nun Alternativen prüfen. Bürgermeister Hummel gibt zu verstehen, dass man sich auch mit einer Rekommunalisierung beschäftigen wird und dazu Gespräche mit benachbarten Gemeinden aufgenommen werden. Das ist der richtige Weg. Selbst wenn er in eine Sackgasse führen sollte, müssen wir nun alle Möglichkeiten prüfen, wie wir aus dem Teuerungsstrudel herauskommen.

//

Als drittes vergeben wir die Dienstleistungskonzessionen der öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung

Die Stadtwerke Görlitz bleiben unser Wasserunternehmen. Die Laufzeit geht bis 2044. Ich trinke also sauberes SWG-Wasser bis zum 70. Lebensjahr. Das ist mal eine beruhigende Nachricht. Spannend wird freilich die Preisgestaltung.

Mit dem Beschluss geht eine sechsjährige Hängepartie mit zahlreichen juristischen Auseinandersetzungen mit dem Landkreis als Dienstaufsichtsbehörde zu Ende.

//

Einige rein formale Beschlüsse überspringe ich jetzt, da sonst die Einschlafgefahr ansteigt. Ganz interessant sind zwei Grundstücksverkäufe: KommWohnen bekommt das Grundstück im ehemaligen Werk1 des Waggonbau, wo sich PKW- und Busparkplatz befinden. Das Wohnungsunternehmen bewirtschaftet die Parkplätze schon lange. Das Grundstück kann KommWohnen aber erst mit Ende einer Bindefrist kaufen. Solche eine Bindefrist besteht, wenn man Fördermittel in Anspruch nimmt.

OB Octavian Ursu ist in bester Laune. Er motiviert die Stadträte: „Wir verkaufen noch ein Grundstück, dann machen wir Pause.“

Jetzt geht es um eine Firmenerweiterung. Die Pla.to GmbH kauft eine Fläche hinzu. Sie braucht eine zweite Halle. Das Unternehmen von Heinz Schnettler liefert weltweit Reinigungsanlagen für wirtschaftliches Altkunststoffrecycling. Investitionsvolumen rund 1,7 Millionen Euro. Gutes Gelingen.

//

 Nach der Pause beschließen wir die Ausschreibung, mit der wir einen Betreiber der öffentlichen Straßenbeleuchtung suchen.

Wir kritisieren, dass das Görlitzer Beleuchtungssystem nicht für eine integrierte Ladesäuleninfrastruktur genutzt wird. Danilo Kuscher kennt sich aus als Elektriker. Mit gutem Willen ließen sich die bestehenden Vorrichtungen einfach umrüsten, meint er. Der Kabelquerschnitt sei erfreulich groß. Ein hinzugezogener Spezialist erläuterte uns in der Fraktion, „dass wohl jemand extrem schlechte Werte ermitteln wollte.“ Klar, die Interessen zwischen Energieproduzenten und Kommune können schon mal auseinandergehen.

Da die Ausschreibung für Ladepunkte noch extra erfolgen soll, stimmen wir zu. Danilo regt an, dass wir uns schnell auf den Weg begeben und verschiedene Möglichkeiten prüfen, auch in Richtung Genossenschaft. Wir wollen das Feld nicht Konzernen überlassen, die bislang Öl und Diesel verkaufen.

//

Dann kommt es zum Höhepunkt aus unserer Sicht: Beschluss zur Klimaneutralität der Stadt Görlitz

Einen solchen Beschluss hatten wir bereits Ende 2022 initiiert. Der OB sollte ihn eigentlich im März vorlegen. Nun hat es etwas länger gedauert. Das ist nicht wirklich nachvollziehbar, da es sich um einen Grundsatzbeschluss handelt, dem jegliche konkreten Maßnahmen fehlen.

Der Beschlusstext kommt entsprechend dünn daher:

  1. Der Stadtrat bestätigt die Zielsetzung, die Klimaneutralität der Stadt Görlitz anzustreben und bestenfalls bis zum Jahr 2030 zu erreichen.
  2. Alle Maßnahmen auf diesem Weg müssen wirtschaftlich sinnvoll, technologisch realisierbar und bürgerschaftlich mehrheitsfähig sein. Der Stadtrat appelliert an alle Akteure der Stadtgesellschaft, durch breites Engagement auf das Ziel der Klimaneutralität hinzuarbeiten.
  3. Um das Ziel Klimaneutralität zu erreichen, wird die Stadt Görlitz nötige Ressourcen sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene einfordern

Mein Kollege Andreas Kolley erkundigt sich zunächst, was unter „bürgerschaftlich mehrheitsfähig“ zu verstehen ist. Soll es zu jeder einzelnen Maßnahme einen Bürgerentscheid geben? Nein, betont der OB. Gemeint ist, dass man im Rahmen der Bürgerbeteiligung gezielt Veranstaltungen in den Stadt- und Ortsteilen durchführt. Natürlich bleibt der Stadtrat das Entscheidergremium.

Vorhersehbar läuft die Diskussion von rechts. AfD-Fraktionsführer Lutz Jankus hat Temperaturschwankungen und fragt uns: „Wissen wir, dass es wirklich wärmer wird? Oder wird es kälter?“ Dass Menschen ihre Finger im Spiel haben, glaubt er nicht. Für ihn ist Klima Wetter. Und Wetter wird von der Sonne gemacht. Und Magnetismus spielt noch eine Rolle. Das wars dann aber. Wie gut, dass Herr Jankus nicht vor Schulklassen steht.

Erhellendes kommt auch nachfolgend nicht von ihm. Er behauptet, dass für den Klimaschutz Bäume sterben und verweist auf die hundert Seiten starke Vorlage. Dazu muss man freilich sagen, dass jeder Stadtrat beim Rathaus papierlose Unterlagen erhält, wenn gewünscht. Nutzt unsere Fraktion seit ihrer Gründung im Juni 2020. Es ist nicht der Klimaschutz der Bäume tötet. Es ist der Unwille zur Veränderung.

Aus dem Reigen der faktenfernen Jammerei über angebliche Umerziehung und Verfolgung Andersdenkender (ja, es wurde von „Ungläubigen“ und „Konterrevolutionären“ fabuliert) möchte ich nur einen Beitrag herausgreifen. Er zeigt exemplarisch, wie in öffentlichen Stadtratssitzungen Behauptungen von der AfD aufgestellt werden, die maximal von der Wahrheit entfernt sind. Jens Jäschke möchte begründen, warum Klimaschutzbemühungen in Görlitz oder Deutschland gar nichts fürs Weltklima tun. Zitat: „Selbst wenn wir es in Deutschland schaffen würden, klimaneutral zu werden –  drei Jahrzehnte unserer Klimaneutralität haut China in 24 Stunden raus.“

Hierfür brauchen wir einen Faktencheck. Nach statistischen Zahlen für 2021 betrug der Jahresausstoß Chinas 12,5 Milliarden Tonnen CO2. Deutschland verbuchte 0,66 Milliarden Tonnen. Macht in Deutschland in 30 Jahren rund 20 Milliarden Tonnen CO2. Wir könnten uns leicht im Kopf ausrechnen, dass diese mögliche Einsparung keineswegs an einem durchschnittlichen chinesischen Tag erreicht werden kann. Denn dann müsste China 750-mal so viel CO2 ausstoßen, wie heute.

Ich weiß auch nicht, warum China jeweils der Maßstab ist. Strebt man nach deren Luftqualität? Und wenn man schon den asiatischen Riesen heranzieht, müsste man nicht im selben Atemzug aufzählen, wie rasant das Land in grüne Technologien investiert? Auch wenn es mit Abstand der größte Luftverschmutzer ist, hat sich der zentralistische Staat auf die Fahnen geschrieben, eine weltweite Führungsrolle bei umweltfreundlichen Technologien und nachhaltigen Lösungen einzunehmen.

Der Experte für Energiefragen in der Fraktion, Danilo Kuscher (Motor Görlitz), kritisiert die faktenferne Diskussion der AfD. „Natürlich werden wir in Görlitz nicht das Weltklima verändern. Die CO2-Bepreisung wird über internationale Abkommen geregelt. Das hat Einfluss auf die künftigen Energiekosten, die wir über höhere Gebühren auf die Bürger umlegen müssen, wenn wir nicht reagieren. Es liegt im ureigenen Interesse der Stadt, die Zukunftstrends nicht zu verschlafen.“

Meine Co-Fraktionsvorsitzende Dr. Jana Krauß (Bündnis 90/Die Grünen) betont, dass es wichtig ist, den OB bei seinem vor vier Jahren ausgerufenen Ziel zu unterstützen. „Wir brauchen keine Angst vor der Zukunft haben. Wandel treibt Innovationen an. Görlitz wird daran partizipieren.“

Am Ende stimmen alle Fraktionen bis auf die AfD dem Antrag zu. Das ist ein wichtiges Signal. Der Grundsatzbeschluss hat aus unserer Sicht Einfluss auf alle künftigen Investitionsvorhaben in Görlitz. Sie sind hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Klimaziele der Stadt zu überprüfen. Damit sollte es künftig auch möglich sein, städtische Aufträge nicht nur an den billigsten Anbieter zu vergeben, sondern Aspekte der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes einfließen zu lassen.

Wir erwarten nun eine Konkretisierung. Benötigt wird eine Maßnahmenliste. Dazu gehören nicht nur Projekte und Investitionen, sondern auch die Erarbeitung einer smarten Struktur im Rathaus, die diese anspruchsvollen Prozesse steuert. Da wir den schon hohen Personalbestand nicht einfach aufstocken können, sind die nötigen Ressourcen im Rahmen eines Personalentwicklungskonzeptes zu erörtern. Der Einstieg in diese Arbeit sollte noch 2023 erfolgen.

//

Zum Abschluss gibt es noch einen überflüssigen AfD-Antrag. Die Blauen wollen eine Bestandsinventur der Städtischen Sammlungen. Ermittelt werden soll der Wert der einzelnen Stücke, die in Museen und Magazinen lagern. In Vorberatungen in Ausschüssen haben wir von den Fachleuten der Sammlungen gehört, dass diese Aufgabe unnötig und auch mit dem vorhandenen Personal nicht leistbar ist. Kai Wenzel erläutert in der Sitzung nochmals, dass eine Bewertung im Zuge der Eröffnungsbilanz durchgeführt wurde. Hinzukommendes Gut wird regelmäßig erfasst, der „Schatz“ wächst und neue Zahlen werden aktuell gehalten. Hinsichtlich eines möglichen Versicherungsschadens durch eine Katastrophe meint Wenzel, dass ein Totalverlust unwahrscheinlich sei. Die Kulturgüter befinden sich verteilt in vielen Gebäuden. Im Zuge der Sanierung gab es zudem umfangreiche Sicherungsmaßnahmen.

Mirko Schultze von den Linken erwähnt zurecht, dass der Wert von Kulturgütern der Sammlungen theoretischer Natur ist. Sie gelten als unverkäuflich. Kommen sie abhanden oder werden zerstört, gibt es keinen Ersatz. Insofern könnte man ihren Wert auch auf den symbolischen Euro stellen, sagen Leute aus der Szene.

Karsten Günther-Töpert (Bürger für Görlitz) fragt die AfD, warum sie trotz der ausführlichen Stellungnahmen in den Ausschüssen beim Antrag bleibt. OB Ursu bedauert, dass die AfD kein Vertrauen in die städtischen Fachleute hat. Dem schließe ich mich an. Der Antrag ist zudem handwerklich schlecht. Es fehlen die Kosten, die eine solche Inventarisierung verursacht. Wäre es der AfD ernst damit, hätte sie vor einem Monat bei den Haushaltsverhandlungen beantragt, eine entsprechende Summe einzuplanen. Da kam nichts. Insofern ist zu vermuten, dass dieser Antrag in die Reihe der Panikmache gehört. Die Gesellschaft soll glauben, dass alles erodiert, nichts mehr sicher ist. Selbst die Görlitzer Schätze nicht.

Der gesamte Stadtrat bis auf die AfD lehnt ab.

//

Zum Abschluss noch eine Personalie: Die AfD verliert einen weiteren Stadtrat. Alexander Lehmann scheidet aus, da er vor die Tore der Stadt zieht. Seinen Nachrücker bekommen wir im Oktober präsentiert. Das wird aber nur eine Randnotiz werden – im Oktober steht die Stadthalle im Zentrum.

 

Text: Mike Altmann

Foto: Paul Glaser

Stadtratsblog #45: 12.9.2023

Subjektiver Bericht aus dem Sonderstadtrat vom 12.9.2023

Außer der Reihe kommen wir zu einer Sondersitzung zusammen. Beantragt von der AfD-Fraktion. Gemäß unserer Geschäftsordnung ist das jederzeit möglich: „Der Stadtrat ist unverzüglich einzuberufen, wenn es ein Fünftel der Stadträte unter Angabe des Verhandlungsgegenstandes beantragt.“

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Dieser Verhandlungsgegenstand wurde uns eine Woche vor der Sitzung übermittelt: „Veränderung der Sicherheitslage in der Stadt Görlitz wegen der stark zunehmenden illegalen Einreise von Nicht-EU Ausländern“

Wir sollen als Stadtrat feststellen, dass die Aufnahmekapazitäten erschöpft sind. Bis auf Ukrainer können wir niemanden mehr aufnehmen, so der AfD-Antrag. Die Stadt Görlitz verfüge über keine geeigneten weiteren Gemeinschaftsunterkünfte. Und dann kommts: Jede weitere Zuweisung gefährde die Ordnung und Sicherheit und das friedliche Zusammenleben in Görlitz.

Den Antrag begründet AfD-Stadtrat Sebastian Wippel. Das ist der Mann, der Oberbürgermeister von Görlitz werden wollte. Glücklicherweise ist dieser Kelch mit blauem Würger an uns vorbeigegangen. Ich habe selten einen Redebeitrag im großen Saal des Rathauses gehört, in dem meine Heimatstadt derart schlecht geredet wurde.

Wippel erwähnt besonders den Vorfall vor dem L2 Club und einen Angriff auf dem Marienplatz. In beiden Fällen ermittelt die Polizei. Außerdem geht es um einen Mann, der vor einigen Wochen Passanten vor dem Landratsamt und am Busbahnhof geschlagen haben soll. Und dann folgen Berichte, die Herrn Wippel zugetragen wurden. Hörensagen würde man es vor Gericht nennen. Keine einzige belastbare Zahl. Nichts aus dem eine veränderte Sicherheitslage zu erkennen wäre.

Wippel hat eine ganz eigene Wahrnehmung von der Stadt, in der er lebt. Ein Görlitz, das so unsicher ist, dass Frauen nicht mehr allein zur Arbeit gehen. „Weil frühmorgens vor der Bäckerei, in der sie arbeiten, eine Gruppe Frischeingereister sitzt.“ Wippel zeichnet das Zerrbild einer Stadt, in der Eltern sich sorgen, wenn die Zöglinge in der Innenstadt unterwegs sind. „Kann ich meine Kinder noch alleine unterwegs lassen? Kommen Sie nach Hause? Geraten sie in Streit? Kriegen sie nur eine Backpfeife, wie wir früher?“, fragt er. Wippel relativiert danach in rechter Manier und erklärt, dass in Görlitz Messerstechereien nicht an der Tagesordnung sind. „Noch nicht.“ Angeblich würde es Eltern geben, die ihre Kinder gar nicht mehr rauslassen. Oder sich mit anderen Eltern zusammenschließen, um abends gemeinsam in die Stadt zu gehen. „Falls etwas passiert.“ Oh ja, ich verstehe, dass nationale und internationale Medien diese gruseligen Geschichten lieben und aufgreifen. Gänsehautmomente für Abonnenten und Gebührenzahler.

Was das für den Ruf von Görlitz bedeutet, wird uns Oberbürgermeister Octavian Ursu deutlich machen.

Zunächst ordnet der OB die Gewaltvorfälle vor dem L2 Club ein, verurteilt sie scharf. Viele Bürger erwarten rechtliche Konsequenzen. „Diejenigen, die bei uns Schutz suchen, müssen sich an unsere Regeln und Gesetze halten. Wer unsere Regeln und Gesetze nicht beachtet, ist hier nicht willkommen.“ Viele Menschen seien bereit zu helfen. Gewaltvorfälle wie die vor dem L2 Club gefährden diese Willkommenskultur.

Ursu geht danach auf Zahlen ein. Im Landkreis Görlitz sind rund 1.800 Asylbewerber untergebracht. Davon leben etwa 190 in Görlitz. Die mit Abstand größte Stadt beherbergt also derzeit gut ein Zehntel der Asylbewerber. 60 Flüchtlinge sollen am Flugplatz in einer Unterkunft hinzukommen. Der OB stellt klar, dass der Bund in Flüchtlingsfragen zuständig ist. Kommunen und Kreise sind rechtlich verpflichtet, entsprechende Gesetze umzusetzen.

Direkt nach dem L2-Vorfall gab es Sicherheitsgespräche beim OB. Inzwischen fanden mehrere solcher Runden teil. Trotz bereits hoher Präsenz soll es künftig mehr sichtbare Uniformen geben an innerstädtischen Brennpunkten wie dem Marienplatz und der Berliner Straße. Mit Präventionsmaßnahmen will Ursu zudem das Sicherheitsgefühl verbessern.

Ein paar Worte verliert der OB auch zu den Demonstrationen am Montag. Er hält das Demonstrationsrecht hoch, gibt aber zu bedenken, welches Bild von den Zügen ausgeht. Ursu beschäftigt die Art, die Lautstärke und einige Aussagen, die von Rednern zu hören sind. „All das beschädigt das Ansehen unserer Stadt.“ Denn Görlitz ist in vielen Feldern auf Fachleute aus dem Ausland.

Da wird gern auf Forschungsinstitute verwiesen. Das ist aber nicht immer gut greifbar. Bereits jetzt ist zum Beispiel unser Klinikum auf internationale Ärztinnen und Ärzte aber auch Pflegepersonal angewiesen. Eine Stadt, in der Sebastian Wippel und Co. montags auf Emporen stehen und den Leuten das Lied von der Angst spielen, ist sicherlich nicht anziehend. Zumal das Thema nun auch in die internationalen Medien schwappt. Nach dem Wall Street Journal kommt die Financial Times. Auch sie interessiert sich nicht für die aufstrebende Stadt, sondern für rechte Prediger, die ihre Heimatstadt schlechtreden.

Abschließend begründet der OB, warum der AfD-Antrag abzulehnen sei: Zum einen hat Görlitz keinen Einfluss auf die großen Flüchtlingsbewegungen und muss zum anderen seine gesetzlichen Pflichten erfüllen. Auch weil wir uns in der Region solidarisch verhalten wollen. Mit dem Beschluss würde Görlitz die Gemeinden im Landkreis im Stich lassen.

 

Es folgen Statements aus den Fraktionen.

Für die CDU erklärt Matthias Urban, dass die Sicherheitslage durchaus eine andere sei als vor zehn, zwanzig oder gar dreißig Jahren. Es werde aber darauf reagiert. Urban verweist auf Maßnahmen des sächsischen Innenministeriums zu Schleierfahndung und höherer Präsenz der Landespolizei. Der OB habe ebenfalls reagiert. Stichworte sind der Präventionsrat und die Sicherheitskonferenz. Die Bundesregierung solle den Zustrom abbremsen. Also das schaffen, was unter vielen Jahren CDU-Kanzlerschaft nicht gelang.

Recht hat Urban freilich, dass die Finanzausstattung der Kommunen schlecht ist. Dort wo Flüchtlinge leben und bestenfalls integriert werden, gibt es Probleme bei den personellen und finanziellen Ressourcen. Kommunen werden alleingelassen.

Da es keine Zuständigkeit der Stadt Görlitz gibt, könne dem AfD-Antrag nicht zugestimmt werden. „Der Antrag bewirkt nichts, außer dass das Flüchtlingsthema benutzt wird, um die Sicherheit und Ordnung infrage zu stellen.“ Das sei nicht richtig. Die Sicherheit ist gewährleistet. Das Altstadtfest habe gezeigt, so Urban, dass mit entsprechenden Konzepten auch friedliche Großveranstaltungen möglich sind.

Karsten Günther-Töpert spricht für die Fraktion der Bürger für Görlitz. Der Bundespolizist erläutert, dass Görlitz eine Grenzstadt ist und entsprechend betroffen von zunehmenden Grenzübertritten und Schleusungen. Die Neißestadt sei für die absolute Mehrheit der Fälle eine reine Durchgangsstation. Die Entscheidung über die Einreise, über Grenzkontrollen und die Bearbeitung von Grenzübertritten sind zudem keine Angelegenheit der Stadt Görlitz. Die Stadt Görlitz hat nach dem Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz als kreisangehörige Gemeinde die Pflicht, die nach dem Königsteiner Schlüssel gesetzlich zugewiesenen unterzubringenden Ausländer aufzunehmen. Sie ist Vollzugsbehörde unter der Fachaufsicht und dem Weisungsrecht des Landkreises.

Eine generelle Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Zusammenhang mit dem Thema Asyl ist für die BfG-Fraktion nicht erkennbar. Das schließt nicht aus, für bestimmte Orte Maßnahmen zu ergreifen.

Fraktionskollege Prof. Joachim Schulze (Grüne) ergänzt, dass auf der zuständigen Kreisebene in Kürze ein Konzept für die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen beschlossen wird. Es wäre klug, auf dieses Konzept zu warten. Denn es regelt die Zuweisung von Flüchtlingen auf die kreisangehörigen Gemeinden und bestimmt Standards für Gemeinschaftsunterkünfte.

Unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne teilt sich die Redezeit. Es beginnt meine Co-Vorsitzende Jana Krauß von den Bündnisgrünen. Sie prägt das Bild des Abends als sie sagt: „Mit dem AfD- Antrag in dieser Sonderstadtratssitzung soll ein Elefant namens ‚Bedrohung‘ in den Raum gestellt werden; ein extra aufgeblasener Elefant soll es werden, der die klare Sicht verstellt. Wir fühlen uns in unserer Stadt nicht beeinträchtigt oder gar bedroht. Ordnungskräfte sind präsent und wir haben Vertrauen in die Arbeit unserer Polizei und Justiz.“

Jana betont, dass es uns um ein friedliches Miteinander aller Menschen in der Stadt geht. Das bedeutet dauerhafte, nie endende Arbeit. Es bedeutet Anstrengung, Nachdenken, wohlwollende Kritik und konstruktiven Diskurs. Es bedeutet dazulernen zu wollen, die eigene Meinung zu hinterfragen und sie nötigenfalls zu korrigieren. „Pauschale, willkürliche Gruppenzuweisungen und Verurteilungen, Verachtung von Menschen, Verachtung von Kultur und gesellschaftlichem Engagement, Rassismus – all dies können keine Gestaltungselemente eines friedvollen Miteinanders sein“, sagt Jana. „Führen wir den Elefanten im Raum ruhig nach draußen – er ist klein und wir brauchen ihn hier nicht.“

In meinem Redebeitrag gehe ich auf den Vorfall vor dem L2 ein. Aufgrund der Intensität und der Umstände wurde das Sicherheitsempfinden in Görlitz in dieser Nacht empfindlich getroffen. Absolut richtig war es vom Oberbürgermeister, direkt mit den Sicherheitsbehörden die Ereignisse auszuwerten, um Schlussfolgerungen zu ziehen.

Warum aber wurde von der AfD nicht unmittelbar nach der Schlägerei ein Antrag eingereicht? Und in den normalen Geschäftsgang gegeben? „Normale“ Anträge werden in Fachausschüssen gemeinsam mit Fachleuten behandelt, vorberaten, bevor sie zur Abstimmung in den Stadtrat kommen. Wem es um echte Lösungen geht, wählt diesen Weg.

Wollte die AfD nicht. Ihr geht es um die Inszenierung. Aber selbst mit beide Augen zudrücken kann dem Antrag der AfD nicht zugestimmt werden. Weil wir feststellen sollen, dass die Aufnahmekapazitäten für nichtukrainische Asylbewerber und Flüchtlinge erschöpft sind. Woran sollen wir das festmachen? Es liegt keine belastbare Zahl auf dem Tisch. Wo sind die Fakten der AfD, um diese Feststellung treffen zu können?

Die AfD erklärt in ihrer Begründung, dass „jede weitere Zuweisung Ordnung und Sicherheit und das friedliche Zusammenleben in Görlitz gefährden“. Was ist das? Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung?

Die Sicherheitslage in Görlitz ist gewiss ein Thema, dem wir uns stellen müssen. Der Marienplatz mit seinen Trinkgelagen und daraus resultierenden Gewaltausbrüchen ist in der Tat kein einladender Ort. Darum müssen wir uns kümmern. Dafür braucht es aber mehr als eine eindimensional inszenierte Sondersitzung. Denn selbst wenn ab morgen kein einziger Flüchtling mehr nach Görlitz käme – an der Situation auf dem Marienplatz würde das überhaupt nichts verändern.

Die Anträge der AfD kann man nur ablehnen. Weil sie keinen Beitrag zur Sicherheit in Görlitz leisten.

Das sieht auch Jana Lübeck von den Linken so. Die Sondersitzung sei der bisherige Höhepunkt dessen, was die AfD anzubieten habe. Show, Populismus, keine Belege. Dabei wäre es für einen Landtagsabgeordneten wie Sebastian Wippel einfach, an belastbare Informationen heranzukommen. Jana Lübeck kritisiert die Dystopie Wippels scharf. Der AfD gehe es nicht um ein friedliches Miteinander. Sonst würde sie nicht versuchen, Projekten und Einrichtungen das Geld zu kürzen, die sich genau dafür einsetzen. Exemplarisch erwähnt werden Rabryka, Partnerschaft für Demokratie, Engagierte Stadt und ESF-Projekte in der Innenstadt.

 

Die Sitzung endet mit einem vorhersehbaren Abstimmungsergebnis. Lediglich die neun anwesenden AfD-Stadträte sind dafür. Die große Mehrheit von 22 Stadträten aus den anderen Fraktionen lehnt ab. Showveranstaltung vorbei, die Aufgaben in punkto Sicherheit bleiben. Denn das friedliche Zusammenleben in einer Stadt ist – wie meine Kollegin Jana Krauß so schön sagte – nie endende Arbeit.

Eine Randnotiz sei mir zum Abschluss noch gestattet. Diese ist dem fraktionslosen AfD-Stadtrat Jens Jäschke gewidmet. „Der liebe Jens“, wie er gern Beiträge auf Facebook unterschreibt, zeigt deutliche Wissenslücken bezüglich unserer Geschäftsordnung. So eine Geschäftsordnung ist vergleichbar mit Spielregeln beim „Mensch ärgere dich nicht“. Wir regeln darin auch die Redezeiten. „Der liebe Jens“ ist ganz erstaunt, als er bereits nach zwei Minuten seines Beitrages vom OB auf eben jene Redezeit hingewiesen wird. „Ich habe drei Minuten“, behauptet er selbstbewusst. Der OB empfiehlt die Lektüre der Geschäftsordnung. Dort steht, dass fraktionslose Stadträte pro Tagesordnungspunkt nur zwei Minuten Redezeit haben.

Jens Jäschke wäre aber nicht Jens Jäschke, würde er es damit bewenden lassen. Beim Beitrag der Linken springt er nach drei Minuten auf. Geschäftsordnungsantrag. Die Redezeit der Linken sei längst vorbei, moniert er. OB Ursu muss ihm zum zweiten Mal mit dem Inhalt der Geschäftsordnung aushelfen. Jede Fraktion hat mindestens acht Minuten Redezeit. Nicht zwei oder drei. Wir überlegen, ob wir „dem lieben Jens“ demnächst eine gebundene Ausgabe der Geschäftsordnung spendieren. Vielleicht sogar in Sütterlin.

 

Text und Foto: Mike Altmann

Stadtratsblog #44: 31.8.2023

Subjektiver Bericht aus dem Stadtrat vom 31.8.2023

„Was für uns keinen Mehrwert hat, kann weg.“ – Ein erhellendes Zitat aus einer ereignisreichen Sitzung, in der es um den Haushalt für die Jahre 2023/24 geht. Ich komme darauf zurück.

Los geht’s wie immer mit Neuigkeiten des OB.
Herr Ursu hat gute Nachrichten aus dem Klinikum. Das Krankenhaus am Rande der Stadt erhält vom Freistaat knapp drei Millionen Euro. Davon wird ein zweiter Linksherzkathetermessplatz angeschafft. Mit dem Gerät untersucht man Herzkranzgefäße. Für die schnelle Versorgung von Herzinfarkt-Patienten ein Gewinn. Eine Auszeichnung gab es für die Pflegekräfte der Station A1 in der Unfallchirurgie und Orthopädie. Sie sind Sachsen-Sieger im Wettbewerb „Deutschlands beliebteste Pflegeprofis“. Herzlichen Glückwunsch.

Positive Nachrichten auch für Görliwood. Aktuell ist ein Filmteam in der Stadt. Gedreht wird „Die Schule der magischen Tiere“ derzeit im ehemaligen Kaufhaus. Octavian Ursu berichtet von Gesprächen mit Produzenten und Regisseuren vor Ort. Görlitz wird als Produktionsstandort geschätzt. Die Möglichkeiten der Filmakademie haben sich herumgesprochen. Film wird ein Wirtschaftsfaktor in der Stadt.

Ein Anlass zur Freude ist auch jedes Jahr die Begrüßung der neuen Azubis und Studenten. Darunter ist in diesem Jahr eine Studentin für Digitale Verwaltung. Sehr gut, dass das Rathaus Fachleute für Digitales selbst ausbildet. Zwei Absolventen dieses Studienfachs bleiben der Stadtverwaltung erhalten. Sie widerstanden den Lockrufen der großen weiten Welt.

Danach befassen wir uns mit dem Haushalt.

Oberbürgermeister Ursu erläutert die besonderen Umstände des spät fertig gestellten Etats. Er ist geprägt von den Auswirkungen der unerwarteten Gewerbesteuermillionen aus dem Birkenstockverkauf 2021. Die sorgten dafür, dass Görlitz für kurze Zeit als reiche Kommune galt. Reiche Kommunen bekommen keine Schlüsselzuweisungen vom Land und müssen kräftig an den Kreis und arme Gemeinden blechen. Sagenhafte 38 Millionen Euro hat Görlitz als Kreisumlage hingeblättert. 10 Millionen mehr als noch 2022. Außerdem wurden Kredite abgelöst, um Spielraum für die Zukunft zu haben. Den Rest brauchen wir, um das strukturelle Defizit auszugleichen. 2024 werden über 13 Millionen Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Für die Folgejahre sieht es ähnlich verheerend aus. Keine Frage, wir brauchen ein Sparkonzept, um dieses strukturelle Minus anzugehen. Das Landratsamt hatte vor zwei Jahren schon angemahnt, dass der Personalbestand der Stadtverwaltung „kritisch zu hinterfragen“ sei. Dazu ist vom OB leider nichts zu vernehmen. Stattdessen kündigt er an, dass Abgaben und Gebühren neu berechnet werden müssen.

Die Stadt Görlitz nutzt den Spielraum, den es jetzt noch gibt. Es wird investiert. Begonnene Projekte werden fortgeführt, wie die Sanierung der Grundschule Königshufen und der Bau des Gewerbegebietes Schlauroth. Ja, auch die Stadthalle zählt dazu. Sie allein bindet 10 Millionen Euro Investitionsmittel bis zum Jahr 2027. Und niemand weiß, ob das überhaupt reichen wird.

Neue Vorhaben gibt es auch:

  • Das Förderschulzentrum Königshufen wird saniert.
  • Wir bleiben dran am Bau einer neuen Oberschule mit Turnhalle auf dem Schlachthofgelände. Der OB hofft auf Fördermittel im nächsten Jahr. Die Eigenmittel von gut zwölf Millionen Euro sollen über einen Kredit finanziert werden.
  • Die Sanierung des Elisabethplatzes beginnt nun endlich.
  • Ebenfalls auf der Agenda steht die Sanierung der Außensportanlage Hirschwinkel, die allerdings nicht vor 2026 fertig sein dürfte. Spannend wird auch sein, wann die Dachreparatur der Jahnsporthalle erfolgt.
  • Kleinere Maßnahmen dürften auch für Aufatmen sorgen. Etwa die lange geforderte Stützwand für die Friedersdorfer Straße, Schallschutz an Görlitzer Schulen, Umgestaltung von Schulhöfen oder der barrierefreie Umbau der Haltestellen.
  • Ein positives Husarenstück ist die Sanierung der Pließnitzbrücke in Hagenwerder. Sie erfolgt ohne Fördermittel. Seitdem die Brücke gesperrt werden musste, sind die Hagenwerdaer abgeschnitten vom Friedhof und dem Sportplatz. Weite Umwege sind die Folge. Der Ortschaftsrat setzte sich durch: Nicht ewig warten auf Fördermittel, sondern die kostengünstigste Variante selbst in Angriff nehmen. Das wird nun eine Fußgänger-Brücke. Für Radler ein Extraschuss Adrenalin, wenn sie zukünftig illegal über die Bohlen brettern.

Nachdem die Verwaltung den Etat präsentiert hat, reden die Fraktionen. Das sind grundsätzliche Dinge. Je nach Ausrichtung. Bei der AfD gibt’s viel Bundespolitik, selbst die Zinspolitik der EZB wird aufgegriffen. Fraktionsführer Jankus braucht ein wenig, bis er im Ätz-Modus ist und allen anderen Fraktionen vorwirft, sie hätten lediglich Sandmännchen-Anträge eingereicht, mit denen den Leuten Sand in die Augen gestreut wird, die aber nichts verbessern.

Matthias Urban vertritt CDU-Fraktionschef Dieter Gleisberg. Er sieht die Welt schon deutlich bunter als Herr Jankus und freut sich, dass trotz aller Schwierigkeiten an Projekten drangeblieben wird. Wertvoll finde ich seinen Hinweis, dass ein weiterer Personalaufwuchs nicht machbar ist, da wir sonst handlungsunfähig werden. Er kündigt an, dass dazu eine Initiative der CDU kommt.

Für die Bürger für Görlitz geht das Duo Yvonne Reich/Karsten Günther-Töpert ans Mikro. Die Fraktionsvorsitzenden betonen, dass gewachsene Strukturen gepflegt werden und nennen beispielhaft Tierpark, Musikschule, Familienbüro und soziokulturelles Zentrum. Mit Blick auf Änderungsanträge der AfD sagt Frau Reich: „Wir müssen nicht aushalten, dass Projekte, die dem Zusammenleben in der Stadt dienen, torpediert werden.“ Für sie ist Görlitz eine Leuchtturmstadt, die positiv in die Region strahlen soll.

Karsten Günther-Töpert erläutert, dass die BfG-Fraktion diesmal keine großen Anträge eingereicht hat. So würde sie gern ein Außenbecken für die Schwimmhalle in Angriff nehmen. Nur ist dafür keine Finanzierung in Sicht. Mit Blick auf das Theater fordert er vom Landkreis und der Stadt Zittau als Gesellschafter den nötigen Zuschuss zu erhöhen, wie wir das als Stadt Görlitz mit diesem Haushalt praktizieren.

Jana Lübeck von den Linken bedauert in ihrer Haushaltsrede, dass erst in den letzten Tagen vor der Sitzung Anträge eingingen und diskutiert wurden. Sie habe dafür keine Energie, da sie noch nicht verrentet ist und sich in vielen Projekten engagiert. Die Schelte geht ins Leere, weil die Linken völlig ohne eigene Verbesserungsvorschläge für den Haushalt kommen. Taktisch vielleicht etwas suboptimal. Unterschreiben kann ich dennoch einige ihrer Worte. Etwa zum Thema Stadthalle, den sie als Eisberg bezeichnet, auf den die Stadt zusteuert.

Ich habe ebenfalls das Vergnügen für die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne vor dem Stadtrat eine Haushaltsrede zu halten. Dabei setze ich auf Optimismus. Die Ausgangslage von Görlitz für die künftige Entwicklung ist besser als uns einige weismachen wollen. Wir wachsen. Vor zwei Jahren, als wir den letzten Haushalt diskutierten, waren wir noch 1000 Menschen weniger im Städtchen. Görlitz genießt einen guten Ruf, wird überregional immer bekannter, die Gästezahlen steigen. Ansiedlungen wie die des Deutschen Zentrums für Astrophysik – DZA – werden langfristig einen unschätzbaren Impuls geben, auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Fachleute, Wissenschaftler aus dem In- und Ausland brauchen eine intakte Stadt. Da sind wir nicht optimal aufgestellt. Wir schieben Wartungen in Millionenhöhe vor uns her. In Kitas und Schulen, auf Sportstätten und Spielplätzen, in öffentlichen Einrichtungen und dem Rathaus. Rathaus? Ja klar. Das fällt bald auseinander, dennoch traut sich niemand ran, weil wir so viele andere Baustellen haben. Aber wir müssen loslegen. Wie wollen wir sonst im Wettbewerb um Fachkräfte bestehen, wenn nicht nur der Blick aus dem Fenster, sondern auch der Arbeitsplatz selbst mittelalterlich anmutet? Positiv: Es ist ein Paradigmenwechsel erkennbar. Für Werterhalt wurde mehr Geld eingeplant.

Kritisch sieht unsere Fraktion weiterhin das Projekt Stadthalle. So wünschenswert eine moderne Veranstaltungshalle ist, bleibt die Frage unbeantwortet, wie wir den Betrieb finanzieren – zusätzlich zu den vielen freiwilligen Aufgaben. Die Sanierung bindet mittlerweile städtisches Geld von 10 Millionen Euro bis 2027. Stadthallengarten, Straßenbau und Parkhaus kommen noch obendrauf. Geld, das uns zum Beispiel fehlt, unseren Strand am Berzdorfer See auf ein mitteleuropäisches Sanitärniveau zu bringen oder die Jahn-Turnhalle zu sanieren.

Unser großer Dank geht an die Kolleginnen und Kollegen der Stadtverwaltung. Sie stehen uns nicht nur im Rahmen der Haushaltsberatungen mit ihrem Wissen zur Seite. Wir werden weiter an uns arbeiten, um auch in heißen Diskussionen mit der nötigen Wertschätzung aufzutreten. Auch wenn wir bisweilen unterschiedlicher Meinung über den Weg sind, eint uns das Ziel: Eine gute Zukunft für unser Görlitz.

Die Dramaturgie sieht vor, dass nach den Haushaltsreden die Einwände von Bürgern abgestimmt werden. Die Möglichkeit dazu hatten alle. Der Etatentwurf lag aus und war online verfügbar. 18 Leute haben das genutzt. Gleich sieben Einwände gibt es zum Thema Sauberkeit. Es werden mehr Mülleimer und Hundetütenspender gewünscht, Müllkübel sollen öfter geleert werden. Eine Sauberkeits-Kampagne soll her. Ebenso mehr Geld für öffentliche Toiletten und Müllsammelaktionen.

Alle Einwände sind berechtigt. Wir befinden uns aber mitten in einem Prozess der Bürgerbeteiligung namens „Sauberes Görlitz“ und wollen diesen erst abschließen. Ende September ist bereits die Auswertung vorgesehen. Danach können wir über konkrete Maßnahmen sprechen und die Vorschläge aufgreifen. Deshalb empfiehlt die Verwaltung, die Einwände zurückzuweisen. Dem schließt sich die große Mehrheit an.

Einen Stadthallen-Einwand gibt es diesmal auch. Aufgrund der Haushaltslage und der unklaren Finanzierung sollten die Mittel für die Stadthalle nicht verbraucht, sondern als Rücklage für die vorhandene Infrastruktur behalten werden. Damit könnten Kostensteigerungen bei wichtigen Projekten abgefedert werden. Falls das nicht möglich ist, schlägt der Einwand vor, das Projekt mit einer Ausgabensperre zu belegen, bis die Finanzierung für Bau und Betrieb feststeht. Ein sehr fundierter Beitrag, der unserer Fraktion aus der Seele spricht. Wir stimmen zu, die Linken ebenfalls. BfG, CDU und AfD sind erwartungsgemäß gegen den Einwand. Damit ist er abgelehnt.

Der letzte Einwand schlägt vor, der Telefon-Seelsorge Oberlausitz, Dienststelle Görlitz einen jährlichen Zuschuss von 1.500 Euro zu zahlen. Damit würde Görlitz es wie Bautzen handhaben. Die Verwaltung erklärt, dass die Summe aus einem vorhandenen Budget genommen werden kann. Es ist also kein zusätzliches Geld nötig. Der Einwand wird angenommen.

Pause.

Danach Änderungsanträge zum Haushalt. Die Verwaltung legt los. Wir nehmen 30.000 Euro Eigenmittel für den Dorfteich Schlauroth in den Etat auf und stocken den Ansatz für die Straßenreinigung erheblich auf – um 140.000 Euro. Die Angebote machen es nötig.

Jetzt diskutieren wir Änderungsanträge, die von mehreren Fraktionen zum selben Thema eingebracht wurden.

Tierpark

Unsere beliebteste Freizeiteinrichtung hat allen Fraktionen vorgerechnet, dass sie 165.000 Euro mehr Zuschuss jährlich braucht. Mindestlohn und Energiepreise sind wesentliche Faktoren. Macht einen jährlichen Zuschussbedarf von 630.000 Euro. Den schlagen alle Fraktionen vor – bis auf die Linke. Für uns begründet Dr. Jana Krauß (Bündnisgrüne): „Der Tierpark ist einer der Orte, wo alle Generationen Erholung finden.“ Sie lobt das Engagement für Artenschutz und Artenvielfalt. Am weitreichendsten ist der Antrag der Bürger für Görlitz, die eine jährliche Dynamisierung von 1% ab 2024 vorschlagen. Deshalb wird über diesen Antrag zuerst abgestimmt. Einstimmig angenommen.

Für die Musikschule beantragt die AfD 133.000 Euro mehr Jahreszuschuss, was abgelehnt wird. Denn die Einrichtung hat sowohl CDU als auch BfG in Gesprächen versichert, dass eine Erhöhung um 60.000 Euro auf dann 400.000 Euro jährlich ausreicht. Beide Fraktionen stellen Anträge in entsprechender Höhe. Der Stadtrat folgt einstimmig.

Auch beim Zuschuss für Ferienfahrten gibt es mehrere Anträge. Die AfD will den Etat von 8.000 Euro auf 10.000 Euro erhöhen. Die Bürger für Görlitz bieten mehr und schlagen 11.000 Euro vor. Der Stadtrat stellt sich hinter den Antrag von BfG.

Danach folgen die einzelnen Änderungsanträge der Fraktionen. Das ist eine mühsame Angelegenheit. Fassen wir zuerst zusammen, was die AfD alles möchte – und nicht durchbekommt:

Streichen möchte die AfD komplett die Gelder für:

  • Betreibung des Helenenbades
  • Soziokulturelles Zentrum
  • Projekt „Engagierte Stadt“
  • Projekt „Partnerschaft für Demokratie“
  • Zuschuss für Kleingartenverband
  • Eigenmittel für „European Energy Award“

Alles, was nicht ins Weltbild der Rechten passt oder was sie nicht verstehen, soll gestrichen werden. Lutz Jankus erklärt aus voller Brust: „Was für uns keinen Mehrwert hat, kann weg.“

Es wird deutlich, dass die AfD zumeist gar nicht weiß, was die Projekte und Einrichtungen leisten oder welche Vertragsverhältnisse es gibt. Hauptsache der Sound wummert. Der Betreiberverein des soziokulturellen Zentrums wird von Sebastian Wippel als „linksextrem“ bezeichnet. Angeblich würde es dort nur Angebote für eine Klientel geben, Ältere fänden gar nichts, monieren die Rechten. Mein Kollege Danilo Kuscher (Motor) erinnert daran, dass es zum Soziokulturellen Zentrum einen Vortrag im Ausschuss gab. Da saßen sogar Vertreter der AfD drin. Haben aber offensichtlich nicht weitergetragen, dass es eine bunte Mischung der Nutzer gibt.

Teilweise sind die Begründungen für das Streichkonzert der AfD komplett abstrus. Das Helenenbad brauche keine Zuschüsse mehr, „weil wir ab 2025 eh kein Geld mehr haben“, sagt Lutz Jankus, ehemaliger Zukunftsoptimist.

Derselbe Lutz ist es auch, der uns erklärt, warum das komplette Programm „Partnerschaft für Demokratie“ finanziell auf null gefahren werden soll: Weil das Rechnungsprüfungsamt bei einigen Trägern Fehler in der finanziellen Abwicklung monierte. Fehlerkultur a la AfD-Fraktion, deren Mitglieder bekanntlich alle eine blütenweiße Weste haben.

Als auch noch die „Engagierte Stadt“ als „unnütz“ abgetan wird, platzt meiner Kollegin Jana Krauß endgültig der Kragen: „Das ist der x-te Vorschlag, der gegen alles ist, was eine Gemeinschaft in einer Stadt ausmacht. Sie wollen das Miteinander zerstören!“

Der Stadtrat lässt das aber nicht zu. Es gibt keine einzige Stimme aus einer anderen Fraktion für einen AfD-Streichvorschlag. Das gilt auch für alle weiteren Änderungsanträge der Blauen. Wie die acht (!) zusätzlichen Stellen fürs Ordnungsamt. Oder die Kürzung der Gelder für Baumpflanzungen.

Auch die Einführung eines pauschalen Zuschusses fürs Tierheim wird abgelehnt. So sehr wir uns für Tiere einsetzen. Einfach mal zwei Euro je Einwohner ansetzen – das ist keine solide Politik. Bezahlt wird nach Bedarf, erklärt uns Ordnungsamtsleiter Uwe Restetzki. Es gibt einen Vertrag mit dem Tierheim für die Unterbringung von Fundtieren. Derzeit werden 28 Tage zu einem festen Satz bezahlt. Änderungen müssten vertraglich festgelegt werden. Eine Zuarbeit zu den Kosten des Tierheims wurde angefragt, fehlt aber noch. In jedem Fall ist es so, dass es nie einen gleichbleibenden Betrag gibt, den die Stadt ans Tierheim zahlt. Die Summe richtet sich nach der Anzahl der Tiere und der Dauer ihres Aufenthaltes.

Besonders ins Zeug legt sich Lutz Jankus schließlich, als er beantragt, rund 20.000 Euro für die Instandhaltung des Bismarck-Turmes auf der Landeskrone einzuplanen. Interessante Begründung: Bismarck vermittle Geschichte. Auf ihn geht die Gründung des Deutschen Reiches zurück, in dem wir – nach Jankus‘ Ansicht – heute noch leben. Was kommt als nächstes? Leben wir doch auf einer Scheibe?

Auf die wenig ertragreiche Vorstellung der AfD folgt die CDU mit ihren Vorschlägen.

Die Sportförderung soll um 28.000 Euro steigen auf knapp 240.000 Euro jährlich. Dazu hatten wir uns im Sportausschuss überfraktionell verständigt. Die von der Verwaltung vorgesehene Summe hätte nicht ausgereicht, um die Vereine wie in den Vorjahren anteilig zu fördern, etwa bei den Betriebskosten, bei Wettkämpfen oder Investitionen. Abstriche wären auch bei der Kinder- und Jugendpauschale nötig geworden. Der Sportausschuss war auf Kurs 220.000 Euro. Ich finde es gut, dass die CDU die Sportförderung angesichts der Kostensteigerungen zukunftsfest machen möchte und noch 20.000 Euro mehr veranschlagt hat. Bis auf die Linken sehen das auch alle anderen Fraktionen so und stimmen zu.

Ebenfalls dem Sport zugute kommen knapp 10.000 Euro. Sie werden im Neißebad benötigt, um an der sonnigen Fensterfront einen Blend- und Hitzeschutz anzubringen. Besonders in den Nachmittagsstunden ist die Sicht stark eingeschränkt – auch für das Aufsichtspersonal. Der Stadtrat stimmt einstimmig für den CDU-Vorschlag.

15.000 Euro gibt es auf Antrag der CDU für eine Studie, die für den Brandschutzbedarfsplan gebraucht wird. Unsere Feuerwehrchefin Anja Weigel, stimmlich angeschlagen, erläutert: Wir brauchen Kompensationsmaßnahmen für Klingewalde, wo es keinen Feuerwehrstandort mehr gibt. Eine externe Beauftragung verkürzt den Prozess und bietet objektive Ergebnisse.“ Auch das wird einstimmig beschlossen.

Anschließend beantragt die Fraktion Bürger für Görlitz einen jährlichen Zuschuss für den Europamarathon e.V. von 25.000 Euro. 2023 fließt das Geld anteilig. Macht rund 8.300 Euro. Es geht darum, diese Großveranstaltung auch künftig abzusichern. Man muss sich das mal vorstellen: Für den Europamarathon sind rund 200 Helfer zu koordinieren. Im Vorfeld gibt es Abstimmungen mit zig Ämtern und Behörden, mit Rettungs- und Sicherheitskräften. Diesen Aufwand ausschließlich im Ehrenamt abzudecken, wird künftig kaum noch funktionieren. Es fällt jetzt schon schwer, die in die Jahre kommenden Mütter und Väter des Europamarathon e.V. durch neue Mitglieder zu entlasten. Wir stimmen mehrheitlich dem Antrag zu. Die Linke ist dagegen. Das Geld ist an ein Konzept gebunden, das der Verein noch erarbeiten soll.

Dann ist unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne an der Reihe.

Schon lange fordern wir, dass am Nordoststrand des Berzdorfer Sees Wasser und Abwasser anliegen und die Toilettensituation an den Bedarf angepasst wird. Die Stadtverwaltung möchte diese Arbeiten erst 2026 im Rahmen eines großen Förderprojektes in Angriff nehmen. Dies hätte zur Folge, dass die derzeitige unbefriedigende Notlösung weitere Jahre anhält. Bis zur Errichtung eines festen Sanitärtraktes soll ein ausreichend großer WC-Container aufgestellt werden. Mit fließend Wasser. Das sehen alle anderen Fraktionen ebenso. Der Antrag wird einstimmig angenommen.

Als nächstes beantragen wir 15.000 Euro für eine temporäre Basketballanlage auf dem Sportplatz Hirschwinkel. Das beliebte Areal für Freizeitsportler ist wegen defekten Bodens gesperrt und soll erst in ca. drei Jahren im Rahmen eines Förderprojektes saniert werden. Ursprünglich wollten wir diese Sanierung komplett aus Eigenmitteln beantragen. Dafür fehlt schlicht die Kohle. Um zumindest das Basketballspielen zu ermöglichen, schlagen wir vor, eine kleine Anlage mit einem Korb auf der befestigten Fläche an der Turnhalle zu errichten. Bis auf die AfD finden das alle prima. Vielen Dank für die Unterstützung.

Der dritte Antrag beschäftigt sich mit den Beschäftigten der Verwaltung. Wir wollen 25.000 Euro einstellen, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu ermitteln. Das ist Basis für weiterführende Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsorganisation in der Stadtverwaltung, höhere Zufriedenheit, weniger Fluktuation. Der OB freut sich über den Vorschlag, bittet aber darum, das Budget zusätzlich für das betriebliche Gesundheitsmanagement nutzen zu können. Das wäre auch Wunsch des Personalrates. Dem wollen wir uns nicht verwehren. Eine Mehrheit sieht das genauso. Bei acht Gegenstimmen und drei Enthaltungen wird der Vorschlag angenommen.

Wir biegen in die Zielgerade ein mit unserem vorletzten Vorschlag. Die Präsentationstechnik in den großen Sälen im Rathaus und der Jägerkaserne ist hoffnungslos veraltet. Danilo Kuscher schlägt vor, die Technik zu erneuern und dafür 10.000 Euro einzuplanen. Auch hier bedankt sich der OB, erläutert aber, dass 20.000 Euro nötig sind, um beide großen Säle auszustatten. „Wenn Sie dem Antrag zustimmen wollen, so wäre meine Bitte, 20.000 Euro einzustellen“, sagt er in Richtung Danilo Kuscher.

Nun wird es wild. Sebastian Wippel meldet sich und erklärt: „Ich beantrage, dass wir über den Antrag von 20.000 Euro abstimmen und nicht über 10.000 Euro.“ Verwirrung im Saal. Denn das hatte doch wenige Augenblicke zuvor der OB bereits beantragt. Selbst wenn es in eine höfliche Bitte gekleidet war. Danilo Kuscher hat das Schlusswort (und konnte aufgrund der beschlossenen Redezeitregelung gar nicht früher auf den Oberbürgermeister reagieren). „Wir nehmen ihren Vorschlag an“, gibt er dem OB zu verstehen. Darüber wird abgestimmt. Der Rat zeigt sich bei der Frage gespalten. Entsprechend geht es aus. 13:13 bei einigen Enthaltungen. Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt.

Damit könnten wir es bewenden lassen. So geht Demokratie. Sebastian Wippel und die Juristen der AfD-Fraktion aber möchten noch unser aller Zeit vergeuden – es ist mittlerweile 22 Uhr. Sie führen ein absurdes Stück auf. Und das geht so: Nachdem der Stadtrat mehrheitlich – mit Nein-Stimmen auch aus der AfD – die 20.000 Euro für Präsentationstechnik abgelehnt hat, soll nun noch über den Änderungsantrag von Herrn Wippel abgestimmt werden. Hä? Hatte der nicht haargenau dasselbe gefordert? 20.000 Euro für Präsentationstechnik? Was soll das ganze?

Am Ende ein leicht durchschaubares Manöver. Die rechten Herren wollen uns gern vorführen. Austesten, ob wir einen gleichlautenden Antrag ablehnen, weil er von der AfD kommt. Ich gebe dem Landtagsabgeordneten Wippel zu verstehen, dass ich nicht zustimmen werde und empfehle ihm, dass er sich für seine Schauspielversuche eine Laienspielgruppe suchen soll. Das ist freilich ungerecht. Gegenüber den Laienspielgruppen. Nach endlosem Hin und Her, aufgeblasener Juristerei, Konsultationen mit dem Justiziar, kommt die Runde zur Erkenntnis, dass der abgestimmte Antrag erledigt ist. Halleluja.

Letzter Akt: Wir wollen dem Grünflächenamt mehr Spielraum verschaffen. Wegen der neuen Grünanlagensatzung braucht es viele Schilder. Damit alle wissen, was verboten ist. Dafür stehen in der Projektliste des Haushaltes 80.000 Euro für das Jahr 2024 bei Spielplätzen. Für Grünanlagen sind von 2025 bis 2027 jährlich 40.000 Euro geplant. Macht insgesamt 200.000 Euro nur für Schilder. Es nicht nachvollziehbar, dass wir 44 Spielplätze topmodern beschildern, die Plätze selbst aber aufgrund fehlender Budgets nicht in Schuss halten können. Gleiches gilt für die 70 Parkanlagen.

Deshalb beantragen wir die Aufhebung der Zweckbindung für die Gelder. Damit hat das Fachamt die Möglichkeit, eine günstigere Variante für die Beschilderung zu wählen und bekommt Spielraum für nötige Instandsetzungen bzw. Ersatzbeschaffungen auf den öffentlichen Spielplätzen und Grünanlagen. Der Stadtrat stimmt bei drei Enthaltungen zu.

Damit sind alle Änderungsanträge durch. Es ist kurz vor halb 11. Wir beschließen den Haushalt 2023/24. AfD und Linke stimmen dagegen. CDU, Bürger für Görlitz, Bündnisgrüne und Motor sind dafür. Auf die anstrengende Sitzung wird mit einem überfraktionellen Bier im Herzen der Altstadt angestoßen. Prost, Demokratie.

 

Text und Foto: Mike Altmann

Stadtratsblog #43: 29.6.2023

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Letzte Sitzung vor der Sommerpause. Sie beginnt mit der Verleihung des Bauherrenpreises der Arbeitsgemeinschaft Historische Städte. Ausgezeichnet werden hervorragende Sanierungen im historischen Stadtkern. Über eine Anerkennung und 500 Euro dürfen sich freuen: Das Projekt Obersteinweg 7 und der Güterbahnhof, der zur Waldorfschule umgebaut wurde. Der Bauherrenpreis, dotiert mit 1.500 Euro, geht an Mark Eidam und das Görlitzer Architekturbüro Beyer + Brussig für die Sanierung der Lunitz 6c. Das Haus, etwas zurückgesetzt in einer Flucht, führte lange ein Schattendasein. Nun wertet es die Nikolaivorstadt weiter auf. Herzlichen Glückwunsch allen Preisträgern.

 

Informationen des OB:

Octavian Ursu verkündet Positives: Der Kauf des Schlachthofgeländes ist in trockenen Tüchern. Das innerstädtische Gelände wurde von KommWohnen übernommen. Notartermin ist durch. Damit ist das Nostromo gerettet und wir haben einen Ort für Stadtentwicklung hinzugewonnen.

Neuigkeiten in Sachen Stadthalle erfährt die Öffentlichkeit von Baubürgermeister Benedikt Hummel. Da die avisierten Fördergelder in Höhe von 36 Millionen Euro nicht reichen (Baukosten werden auf über 50 Millionen Euro taxiert), wurde ein zusätzlicher Förderantrag im Programm KulturInvest gestellt. Dem Vernehmen nach erhofft sich die Stadtverwaltung 10 Millionen Euro für ein „Erweiterungsmodul Nachhaltigkeit“. Ob der Antrag Erfolg hat, wissen wir frühestens im Herbst.

 

Regelmäßig berichten uns im Stadtrat die Geschäftsführerinnen der städtischen Gesellschaften. Diesmal ist Ines Hofmann vom Städtischen Klinikum an der Reihe. Anlass sind die geplanten Gesetzesänderungen zur Krankenhausfinanzierung. Unser Städtisches Klinikum ist aktuell Schwerpunktversorger mit 550 Betten. Das soll nach dem neuen Sächsischen Krankenhausplan so bleiben. Görlitz hofft auf eine Ausweitung der Betten in der Tagesklinik (von 84 auf 91). Außerdem möchte das Klinikum das Leistungsspektrum um Palliativmedizin und Infektiologie erweitern und als Onkologisches Zentrum aufgenommen werden.

Ob sich die Wünsche erfüllen, ist fraglich. Derzeit warten alle gespannt auf das neue Krankenhausgesetz von Gesundheitsminister Lauterbach. Die Gespräche mit den Ländern gestalten sich zäh. Klar scheint: Es wird eine Einstufung der Krankenhäuser nach Leistungsgruppen geben. Nur wer festgelegte Qualitätskriterien erfüllt, bekommt bestimmte Behandlungen finanziert. Ines Hofmann geht davon aus, dass das Städtische Klinikum eine Level 3-Einstufung erhält (höchste Notfallstufe und viele Leistungsbereiche). Knackpunkt für zusätzliche Leistungsbereiche wird neben Investitionen in Großgeräte das Personal. Zwar ist das Haus im Görlitzer Norden breit aufgestellt. Es fehlt jedoch in der Tiefe an Ärzten und Pflegekräften. Auch beim Nachwuchs stockt es derzeit. Seit langer Zeit gehen die Bewerbungen deutlich zurück. Deshalb plädiert Ines Hofmann im Stadtrat dafür, Zuwanderung offensiv und positiv zu gestalten. „Wir brauchen ausländische Fachkräfte, auch Azubis, müssen sie und ihre Familien gut bei uns aufnehmen. Sonst wird es eng mit der Versorgung.“ Gut merken, wird später noch wichtig.

Ansonsten können wir auf kommunaler Ebene wenig tun. Vieles hängt am Land (Finanzierung von Investitionen und Förderung von Nachhaltigkeitsprojekten wie PV-Anlagen) und am Bund (noch immer werden die Leistungen nicht ausreichend bezahlt, die Bürokratie wird weiter zunehmen).

Bei allen Herausforderungen versteht es Ines Hofmann, Optimismus zu verbreiten. Unser Klinikum ist nicht in Gefahr, erbringt hervorragende Leistungen und ist als medizinischer Versorger im Kreis Görlitz nicht wegzudenken. Herzlichen Dank an die Chefin und ihr engagiertes Team im Krankenhaus am Rande der Stadt.

 

In der Fragestunde für Einwohner wünscht sich Kurz Bernert einen stärkeren Ausbau von Fernwärme in der westlichen Innenstadt. OB Ursu verweist auf einen späteren Tagesordnungspunkt, der sich mit dem Thema Wärmeplanung befasst.

Auch der Bürgerrat Weinhübel ist diesmal vertreten. Die Abordnung erkundigt sich, ob der Fußweg an der ehemaligen Schule Landheimstraße saniert wird. Das bestätigt Bauamtsleiter Torsten Tschage.

 

Es schließt sich die Fragestunde für Stadträte an.

Meine Kollegin Kristina Seifert (Bündnisgrüne) freut sich, dass die Bürger bei der Suche nach neuen Fahrradständerstandorten direkt beteiligt werden. Sie bittet darum, noch besser zu erläutern, wie mitgemacht werden kann. OB Ursu sagt zu, dass noch mehr informiert und geworben wird. Auf unserer Seite gibt es eine kleine Anleitung für die Fahrrad-Parker-Aktion.

Lutz Jankus (AfD) gibt die besorgte Anfrage eines Bürgers weiter und möchte wissen, ob Görlitzer Kinder nicht in ihrer Wunschschule aufgenommen werden, weil es Kontingente für Ukrainer geben soll. Der Oberbürgermeister erläutert, dass das Landesamt für Schule und Bildung (Lasub) zuständig ist. Unter deren fachlicher Verantwortung stellen die Schulen ihre Kriterien auf, in welcher Reihenfolge die Wünsche erfüllt werden. Da spielen zum Beispiel Geschwisterkinder eine Rolle. Fakt ist: Da die Schulen mehr als ausgelastet sind, ist es nicht möglich, allen Kindern einen Platz in ihrer favorisierten Schule zu garantieren.

Jana Lübeck (Die Linke) entlastet mich und stellt eine Frage, die ich auch auf dem Zettel hatte: Wie ist der Stand des Projektes „Bau.Lust.Offensive“? Das Vorhaben ging auf eine Initiative der CDU-Fraktion zurück. Bereits Anfang 2022 bekam Görlitz einen Förderbescheid. Bis 2025 sollen vor allem Familien für die Sanierung von innerstädtischen Gebäuden und die Bildung von Eigentum gewonnen werden. Doch zu sehen oder zu hören ist nichts. Bürgermeister Hummel begründet: Das Gesamtprojekt ist immer noch in Abstimmung, die Zeitschiene beim Fördermittelgeber in Verzug geraten. Aktuell wurden die Ausschreibungen vorbereitet. Es heißt also auch bei der Baulust: Geduldig sein.

Jens Jäschke (vereinzelter AfD-Stadtrat) möchte mehr Schatten auf der Freizeitanlage Brautwiesenbogen. Herr Ursu informiert ihn, dass Bäume Zeit brauchen, um zu wachsen. Ob zusätzlich Sonnensegel installiert werden können, müsse man sich anschauen, so der OB. Außerdem kritisiert Jäschke, dass man nicht mehr auf den Turm der Landeskrone kommt und somit nicht den Ausblick genießen kann. OB Ursu wiederholt, was bekannt ist: Der neue Pächter möchte umfangreich sanieren. Außerdem gibt es fortlaufende Gespräche mit der Naturschutzbehörde wegen der hoch gewachsenen Bäume. Freie Sicht auf das Görlitzer Panorama scheint wohl nicht so einfach umzusetzen sein.

 

Weiter geht’s mit einem Zahlensalat, der nicht unbedingt bekömmlich ist. Finanzchefin Birgit Peschel-Martin bringt offiziell den Doppelhaushalt 2023/24 ein. Ich gehe nur auf einige Eckdaten ein. Die große Diskussion und den Beschluss gibt es erst Ende August.

Der Haushalt 23/24 ist ein Sonderfall in der jüngeren Stadtgeschichte. Durch die einmalige Sonderzahlung von Birkenstock (Gewerbesteuer für Verkaufserlöse) im Jahr 2021 gilt Görlitz 2023 offiziell als reich. Fachbegriff: abundante Kommune. Das bedeutet, dass wir keine Schlüsselzuweisungen vom Freistaat bekommen und mehr Geld abdrücken müssen an den Kreis und für die Kulturumlage. 65 Millionen Euro hatten wir 2022 auf dem Konto. Diese Rücklage reicht bis Ende 2024. Ab 2025 hat Görlitz keine Reserven mehr. Das ist gerade jetzt blöd. Denn die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht weiter auseinander. Pro Jahr machen wir ab 2024 rund 10 bis 15 Millionen Euro pro Jahr Miese. Tendenz steigend.

Trotz angespannter Haushaltslage wollen wir investieren. Worin genau, auch das ist Thema unserer Diskussionen im August. Die Verwaltung plant vor allem mit Hilfe von Fördermitteln Gesamtinvestitionen 2023/24 in Höhe von 45 Millionen Euro. Das werden spannende Haushaltsdiskussionen.

Der Haushaltsentwurf ist übrigens wieder online abrufbar. Meine Kollegin Jana Krauß (Bündnisgrüne) bittet in der Sitzung darum. Zwar ist die offizielle Frist für die „Auslegung“ vorbei. Die Görlitzer können aber bis 5. Juli noch Einwände geltend machen. So lange soll das Dokument nun auch abrufbar sein.

 

Es folgen die Beschlussfassungen.

Zunächst stimmen wir einer Vorschlagsliste für Schöffen in der Stadt Görlitz zu. Reine Formalie. Das Amtsgericht prüft die Bewerbungen und trifft die finale Entscheidung. Danke an die über 100 Frauen und Männer, die sich für den Zeitraum 2024-2028 zur Verfügung stellen wollen.

 

Wahl einer Protokollführerin für die Schiedsstelle 3
Kerstin Irmscher wird mit sofortiger Wirkung für die Dauer von fünf Jahren als Protokollführerin der Schiedsstelle 3 der Stadt Görlitz gewählt. Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank fürs Engagement.

 

Vorfristige Mittelfreigabe für die Planungsleistungen zur Umsetzung der FöriGanzInvest
Hinter „FöriGanzInvest“ steckt ein Förderprogramm, mit dem Infrastruktur für Ganztagsangebote finanziert wird. Die Stadtverwaltung hat drei Module vorbereitet, die an den Landkreis gemeldet werden. Dieser wiederum reicht eine Vorhabenliste beim zuständigen Ministerium ein. Bis zur Förderung ist es ein weiter und unsicherer Weg. Was haben wir vor:

  1. Schallschutz verbessern (Melanchthon-Grundschule und Grundschule August-Moritz-Böttcher)

Das pädagogische Personal klagt über Lärmbelastung. Insgesamt acht Räume in den Grundschulgebäuden, die durch die Horteinrichtungen „CityKids“ und „Melanchthon-Hort“ in Doppelnutzung sind, sollen verschiedene Schallschutzmaßnahmen erhalten.

  1. Umgestaltung der Schulhöfe Diesterwegschule und Nikolaischule

Hier sollen die schlechten Zustände behoben und die Unfallgefahren beseitigt werden. Natürlich braucht es für Ganztagsangebote auch attraktive Flächen. Es liegen bereits erste Konzepte vor, die beispielsweise einen kleinen Fußballplatz, Grünflächen, Klettergerüste, Trampolins und einen Turm mit Rutsche vorsehen.

  1. Erneuerung der Außensportanlage am Hirschwinkel

Das derzeit gesperrte Freizeitareal (Bolzplatz und Basketball) soll saniert werden und anschließend für Grundschulen als Ganztagsort zur Verfügung stehen. Das lässt sich mit der „privaten“ Nutzung gut vereinbaren. Die Schulangebote enden im Regelfall gegen 15.30 Uhr. Leider ist das Projekt zeitlich spät eingeordnet. Sanierung im Jahr 2026. Damit würde die Anlage weitere drei bis vier Jahre gesperrt bleiben. Zwar sollen die Tore fürs Fußballspielen vom Bolzplatz auf das Rasenstück an der Turnhalle verlegt werden. Es fehlt aber speziell an Basketballplätzen, insbesondere in der Altstadt und Nikolaivorstadt. Unsere Fraktion hofft, dass wir im Zuge der Haushaltsdiskussionen noch eine Möglichkeit finden, den Sportplatz am Hirschwinkel zeitlich nach vorn zu ziehen.

Unsere Idee, Ballspielplatten als kostengünstige Variante auf dem verschlissenen Untergrund zu verlegen, wird von der Stadtverwaltung nicht empfohlen. Zu unsicher aufgrund der großen Fläche und des unebenen Untergrunds, sagen Ingenieurbüros.

Der Beschluss wird mit wenigen Enthaltungen einstimmig gefasst.

 

Baubeschluss „Gesamtsanierung Förderschulzentrum Königshufen 5. BA“
Wir arbeiten weiter daran, unsere Schulen zu modernisieren. Nächstes Haus ist das Förderschulzentrum „Mira Lobe“ in Königshufen. Im März 2024 soll mit der Gesamtsanierung begonnen werden. Dafür werden die Schüler in den Winterferien ein Ausweichobjekt in Weinhübel beziehen. Ähnlich funktionierte das bereits mit der Grundschule Königshufen. Die Fertigstellung ist im September 2025 geplant. Somit könnte in den Herbstferien das frisch sanierte Objekt wieder bezogen werden.

7 Millionen Euro kostet die Sanierung, knapp 3 Millionen Euro sind städtische Gelder. Den Rest zahlt der Freistaat. Dafür gibt’s jede Menge Modernisierung: Dach, Regenentwässerung, energetische Sanierung (Dämmung und Außenjalousien), Heizung, Sanitär und Elektro, Digitalisierung, Bodenbeläge, Akustik, Brandschutz in Klassenzimmern, kleiner Aufzug vom Hof zum Erdgeschoss für Kinder mit Behinderung, breitere Türen, höhere Geländer, Verdunklungen, etc.

Nicht enthalten in den Arbeiten ist eine Photovoltaikanlage. Mein Kollege Danilo Kuscher (Motor Görlitz) bittet darum, dies nicht aus den Augen zu verlieren. Vor allem weil wir es hier mit einer großen Dachfläche außerhalb von denkmalgeschützten Arealen zu tun haben. Bürgermeister Hummel sagt das zu. Eine solche Anlage wäre nachrüstbar. Es ist ihm ebenfalls wichtig, dass wir diese Fragen stärker beachten.

 

Aufhebung der Ausschreibung Straßenreinigung und Neuausschreibung der Leistungen
Ab 2024 brauchen wir einen neuen Vertragspartner, der unsere Straßen reinigt. Dafür hatte die Stadtverwaltung eine europaweite Ausschreibung für einen Zeitraum von fünf Jahren durchgeführt. Leider gab es nur ein Angebot, was viel zu teuer war. Deshalb soll die Ausschreibung wiederholt werden. Diesmal nur für zwei Jahre plus ein Jahr Verlängerungsoption.

Wir stimmen zu. Knirschen aber mit den Zähnen. Jana Krauß erinnert daran, dass unsere Fraktion bereits im Dezember 2022 vorgeschlagen hatte, die Laufzeit zu verkürzen und ggf. auch mehrere Lose auszuschreiben, getrennt nach maschinellen und manuellen Arbeiten. (Nachzulesen im Protokoll unter Punkt 3.4) Damit wollten wir die Chance auf mehr wirtschaftliche Angebote erhöhen. Das wurde damals verworfen bzw. – und das ist das eigentlich Ärgerliche – nicht weiter untersucht. „Wir machen uns wirklich Gedanken und werfen nicht einfach etwas in den Raum, um zu stören“, sagt Jana. Bürgermeister Benedikt Hummel sieht es etwas anders. Unsere Hinweise seien aufgenommen worden, man habe sie diskutiert, sei aber zu anderen Schlüssen gekommen.

Wie auch immer. Jetzt heißt es Daumen drücken, dass die neue Ausschreibung ein gutes Ergebnis bringt. Perspektivisch müssen wir uns ohnehin damit befassen, wie wir diese Dienstleistungen künftig absichern. Zittau etwa macht das mit seiner eigenen Gesellschaft. Auch das ist eine Option, wenn die Preise der Dienstleister weiter in den Himmel schießen.

Bei vier Enthaltungen wird die Vorlage angenommen.

 

Vorbereitung einer Kommunalen Wärmeplanung für die Stadt Görlitz
Ein Antrag der Fraktion Bürger für Görlitz, zu der Prof. Joachim Schulze von Bündnis90/Die Grünen gehört. Er verweist darauf, dass die Kommunale Wärmeplanung als gesetzliche Vorschrift kommen wird. Auch wenn wir heute noch nicht alle Einzelheiten kennen, sollten wir uns auf den Weg machen. Das ist klug. Wenn für alle Kommunen eine solche Wärmeplanung zur Pflicht wird, werden die Ressourcen knapp. Für viele fachliche Fragen braucht es externe Unterstützung. Also jetzt loslegen und recherchieren, was wir an Ressourcen benötigen, wie die Finanzierung ausschaut, welcher Zeitplan realistisch ist und wie wir die Bürgerschaft beteiligen können. Mit Hilfe dieser Angaben können wir konkret werden mit der Wärmeplanung. Etwa ein halbes Jahr dürften diese vorbereitenden Dinge dauern. In der Zwischenzeit wird es ein Bundesgesetz geben und wir haben Klarheit über die Förderlandschaft.

Erwartungsgemäß machen die Blauen daraus eine ideologische Veranstaltung. Jens Jäschke zeigt auf Kohlekraftwerke in China und will deshalb nicht zustimmen. (Dass China uns bei Erneuerbaren meilenweit voraus ist, ist offensichtlich noch nicht bis in seine gute Stube durchgedrungen.) Er stellt einen Änderungsantrag. Die Wärmeplanung soll es nur für städtische Gebäude geben. Als käme der Vorschlag direkt aus Absurdistan. Entsprechend fällt die Zustimmung sehr überschaubar aus.

Eine Stimme der Vernunft ertönt aus der CDU-Fraktion. Matthias Schöneich erklärt, dass wir uns längst auf den Weg gemacht haben, und verweist auf das Vorhaben einer   grenzüberschreitenden Versorgung von Görlitz und Zgorzelec. Wärmeplanung sei keine Vorschrift, eher eine Hilfe.

Mirko Schultze (Die Linke): Wärmeplanung gängelt nicht, sondern unterstützt bei Investitionsplanungen (u.a. auch unsere Gesellschaft Kommwohnen).

Jana Krauß (Motor Görlitz/Bündnisgrüne): Das ist ein wichtiges Instrument der Stadtentwicklung. Eine Förderung ist zu 100% vorgesehen. Wir müssen uns an die sich verändernde Welt anpassen. Das bedeutet, dass wir künftig nicht nur Energie zum Heizen, sondern auch zum Kühlen benötigen werden.

Karsten Günther-Töpert (BfG): Es wird fünf bis sechs Monate dauern, bis wir überhaupt vorbereitet für Förderanträge sind.

Oberbürgermeister Ursu bekommt einen ergänzenden Passus in den Beschluss. Somit ist festgeschrieben, dass wir nicht über gesetzlich verordnete Maßnahmen hinausgehen und es zu keiner Mehrbelastung kommt. Eigentlich unnötig an der Stelle. Das ist Thema für den nächsten Schritt. Da es aber auch nicht wirklich schadet, übernimmt BfG den OB-Vorschlag und wir stimmen ab.

Bei drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen ist eine große Mehrheit dafür. Darunter – etwas überraschend – auch Lutz Jankus (AfD).

 

Beschlussantrag auf Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels für die Große Kreisstadt Görlitz Die AfD will den OB beauftragen, einen qualifizierten Mietspiegel bis Jahresende zu erstellen. Damit soll das bestehende Gesetz, das zum 1.1.23 in Kraft getreten ist, umgesetzt werden. Und das ist der Knackpunkt: „Einen OB zur Einhaltung der Gesetze zu verpflichten, ist eigenartig“, stellt der Behindertenbeauftragte Michael Hannich (CDU) fest. Zumal Octavian Ursu erklärt, dass die Stadtverwaltung bereits mit der Erarbeitung eines qualifizierten Mietspiegels beschäftigt sei. Zur Frage der Finanzierung führe er Gespräche mit Dresden. Entgegen den Aussagen der AfD gebe es keinen Automatismus für die Kostenübernahme. Insofern ist der Antrag überflüssig, wie meine Kollegin Jana Krauß feststellt.

Ein stückweit kann ich den Ärger der AfD verstehen. Deren Vertreter Gerald Rosal hatte sich mehrfach nach einem Görlitzer Mietspiegel erkundigt. Aussagekräftige Antworten gab es nicht. Es folgte der Antrag. Erst einen Tag vor der Stadtratssitzung informierte uns der Oberbürgermeister über den aktuellen Stand. Dafür sind die Ausschusssitzungen da.

Der Antrag wird von allen Fraktionen außer der AfD abgelehnt. Nun muss die Verwaltung liefern.

 

Aufzeichnung und Speicherung von Stadtratssitzungen
Mit unserem Antrag wollen wir Bürgerfreundlichkeit und Transparenz erhöhen. Görlitz ist Vorreiterin bei Liveübertragungen. Viele Interessierte können sich aber nicht an einem Donnerstag ab 16.15 Uhr vor das Endgerät setzen und mehrere Stunden Stadtrat verfolgen. Wir schlagen vor, die Stadtratssitzung einen Monat lang als Aufzeichnung in einer „Mediathek“ anzubieten. Die Zeit sollte ausreichend sein, um sich über die jüngste Sitzung zu informieren. Die zusätzlichen Kosten für diese Dienstleistung wären überschaubar. Der Effekt umso größer.

Ein Knackpunkt in der Diskussion sind die Datenschutzregeln. Dabei ist in unserer Vorlage die gesetzliche Grundlage klar beschrieben. Egal ob Livestream oder Mediathek – für jede einzelne Verwendung der Aufnahmen braucht es die schriftliche Einwilligung aller im Raum befindlichen Personen. Die Aufgabe besteht schon heute, da wir einen Livestream zeigen.

Es würde keinen Mehraufwand geben, wenn wir zusätzlich die Zustimmung zur Aufzeichnung einholen. Kann alles auf ein Formular.

Die Diskussion ist teilweise schräg. Lutz Jankus von der AfD wirft uns vor, Transparenz nur vorzuschieben. Nicht alle seien rhetorisch geschickt. Die „leisen Stimmen“ könnten verstummen, wenn es eine Aufzeichnung der Sitzung gebe. Gerichtsverhandlungen würden auch nicht übertragen. Mich überrascht diese Argumentation. Rückblick, April 2020. Auf der Tagesordnung ein AfD-Antrag mit dem Titel „Dauerhafte Speicherung der Übertragung der Sitzungen des Stadtrates und Veröffentlichung“(zum Nachlesen: Beschlussvorlage-AfD_Mediathek_April2020) Aus dem Protokoll: „Herr Jankus erläutert die Beschlussvorlage inhaltlich. Der Fraktion gehe es dabei um die Transparenz für die Bürger, insbesondere dann, wenn sie aus zeitlichen Gründen den Livestream nicht zur Übertragungszeit sehen können.“ Na sowas.

Skepsis auch in der CDU. Dieter Gleisberg, Fraktionsvorsitzender, behauptet, dass sich das nicht viele Leute ansehen würden. „Wer sich wirklich dafür interessiert, schaut den Livestream.“

Verständnis habe ich für Stadträte, die sich unwohl fühlen beim Gedanken, als ASkteur in einer Aufzeichnung verfügbar zu sein. Wobei die Protokolle aller Sitzungen bereits heute abrufbar sind. Ich denke, dass es nichts Unmittelbareres geben kann, als eine Sitzung im Original zu sehen. Ohne jede Einordnung. Ganz objektiv. Im Gegensatz zu diesem Rückblick.

Einer spannenden Debatte folgt das knappste mögliche Abstimmungsergebnis. 13 sind dafür. 13 sind dagegen. Vier Enthaltungen. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt. Im Nachgang finde ich es positiv. Einem solchen Beschluss sollte eine große Mehrheit folgen. Vielleicht gelingt es im nächsten Jahr. Der dann neu gewählte Stadtrat muss ohnehin darüber befinden, ob es weiterhin Übertragungen gibt.

 

Brücken zwischen Görlitz und Zgorzelec
Mit einem Grundsatzbeschluss wollen wir die politische Stimmungslage klären. Ist der Görlitzer Stadtrat grundsätzlich für weitere Brücken, vor allem für Fußgänger und Radfahrer? Wir werben dafür. Wenn wir in zehn Jahren, zum 35. Jubiläum der Europastadt, eine neue Brücke haben wollen, müssen wir heute beginnen, darüber zu sprechen. Mit unserem Antrag wollen wir fortsetzen, was 2015 endete. Nach einer erfolgreichen Unterschriftensammlung gegen das Vorhaben einer Brücke am Lindenweg wurde das Vorhaben beerdigt (offiziell aus finanziellen Gründen). Seitdem sind Brücken im Brückenpark kein Thema der öffentlichen Debatte.

Im Mai 2022 beschlossen die Stadträte von Zgorzelec und Görlitz in einer gemeinsamen Sitzung, die Planungen für eine Autobrücke im Norden der Städte voranzutreiben. Diese soll den Verkehr in beiden Städten entlasten, ist aber keine Lösung, um Radfahrern und Fußgängern Wege in die Nachbarstadt zu verkürzen.

Im Antrag benennen wir keine möglichen Standorte, geben keine Zeitpläne vor. Aus einem einfachen Grund: Nach positivem Grundsatzbeschluss überlegen Görlitz und Zgorzelec gemeinsam, prüfen Standorte, legen Prioritäten fest. Und nehmen dabei die Bürgerschaft mit auf den Weg, damit sich niemand überrumpelt fühlt. Ziel: Wenn eine der beiden Städte eine Möglichkeit für ein Förderprojekt sieht, haben wir einen Plan in petto.

Die Diskussion beginnt vorhersehbar. Jens Jäschke erklärt, dass wir ausreichend Brücken haben. Ein neues Bauwerk würde keine Entlastung bringen. Deshalb sei der Antrag aus Kostengründen abzulehnen. Jetzt wird’s lustig: Jens Jäschke beantragt nach seinem Hinweis auf die Kosten, dass doch geprüft werden solle, ob die historisch erbauten und 1945 gesprengten Brücken mit Hilfe von europäischen Geldern wieder errichtet werden können. Da fällt dir nichts mehr ein.

Die CDU tut sich auch schwer. Vielleicht hätte ich Volker Bandmann in meine einführenden Worten einbauen sollen. Der ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete hatte gegen alle Widerstände die Altstadtbrücke durchgesetzt. Seine Parteikollegen zeigen wenig von diesem europäischen Geist. Matthias Urban hat zwar nichts gegen eine grundsätzliche Zustimmung zu weiteren Brücken. Mit der polnischen Seite darüber sprechen, gar in konkrete Überlegungen eintreten möchte er nicht. Da wir ziemliche Finanzprobleme haben, wie er anmerkt. (Erinnerung: Wir reden über eine Dekade Vorlauf.) Neue Brücken seien unrealistisch, wir würden bei den Bürgern nur falsche Erwartungen wecken.

CDU-Fraktionsboss Dieter Gleisberg sekundiert: „Wir sind für Brücken.“ Es folgt der Verweis auf Volker Bandmann. Er tritt aber nicht in seine Fußstapfen. Dieter Gleisberg findet, dass wir uns die Vorlage komplett sparen können. Wir hätten schließlich erst letztes Jahr über Brücken geredet. (Erinnerung: Da ging es um die Autobrücke im Norden. Gänzlich anderer Charakter und anderes Preisregal.) Außerdem sollten wir erstmal die polnische Seite fragen, was sie davon hält. (Brauchen wir nicht zuerst Klarheit, ob wir für Brücken sind, bevor wir die polnische Seite befragen? Diesen Weg schlagen wir vor.) Ich habe das Gefühl, dass Dieter Gleisberg nicht viel Vorbeitungszeit hatte. Er kennt unseren Antrag nicht. Bemerkenswert ist zudem, dass von der CDU in den Ausschüssen keinerlei Argumente kamen. Herr Gleisberg kritisiert oft und gern, wenn erst im Stadtrat diskutiert wird.

Aus CDU-Sicht ausgerechnet Mirko Schultze von den Linken nimmt das Bandmann-Bild auf: „Hätte Volker Bandmann so operiert, dass man erst loslegt, wenn alles klar ist, wäre die Altstadtbrücke nie gebaut worden.“ Mehr Brücken. Mehr Bürgerbeteiligung. Mehr Europastadt. Ja, das hat Schulle treffend zusammengefasst.

Jana Krauß nimmt uns mit auf einen Spaziergang, entlang am wunderschönen Neißeufer. Wir sollen uns vorstellen, dass man auf einer Seite hochläuft, zum Beispiel bis zum Viadukt und auf der anderen Neißeseite zurück. „Ich verstehe gar nicht, wie man dagegen sein kann.“

Auch Rolf Weidle (BfG) geht in die Bütt. Der dienstälteste Stadtrat wundert sich über die verzagte Diskussion, die nicht zu einer Europastadt passt. Er verweist auf Regionalplaner Dr. Zathey und den großen Applaus nach seinem Vortrag bei der gemeinsamen Stadtratssitzung, als er auch über zusätzliche Brücken sprach. Außerdem erinnert Dr. Weidle an den Vortrag unserer Klinikumschefin. Internationalität ist gefragt. Wozu sind wir Europastadt?

Es zeichnet sich ein Patt ab. Oberbürgermeister Ursu baut der CDU eine Brücke. Er schlägt vor, dass wir unseren Antrag präzisieren. Im Zuge der Fortschreibung des Gesamtverkehrskonzeptes soll eine gemeinsame Konzeption mit Zgorzelec erarbeitet und mögliche Standorte mit Prioritäten untersetzt werden. Dabei soll konkret der Standort am Viadukt untersucht werden.

Damit geht der OB deutlich über unseren Antrag hinaus. Die Bauchschmerzen der CDU müssten stärker werden. Passiert aber nicht. Im Gegenteil. Dieter Gleisberg haut einen raus. Erst durch die Ergänzung des OB sei der „inhaltslose“ Antrag überhaupt abstimmungsfähig. Entscheidend ist das Ergebnis. Deshalb lassen wir Gleisbergs Aussage stehen und genießen die Abstimmung. Nur eine Gegenstimme und fünf Enthaltungen aus der AfD.  24 Stimmen gibt es für neue Brücken zwischen Görlitz und Zgorzelec.

Ich finde, das ist eine sehr gute Botschaft, die von dieser Stadtratssitzung ausgeht. Ein prima Start in die kommunalpolitische Sommerpause.

 

Text und Foto: Mike Altmann

Stadtratsblog #42: 30.5.2023

Schon wieder Stadtrat? Nu. Tak. Gestern gab es die gemeinsame Stadtratssitzung von Görlitz und Zgorzelec. Letztes Jahr waren wir Görlitzer Gastgeber in der Stadthalle. Diesmal sind die polnischen Kollegen an der Reihe. Es geht ins Dom Kultury. Vorab Treff an der Stadtbrücke. Ein liebgewonnenes Ritual. Die ursprüngliche Idee: Man begegnet sich mitten auf der Brücke. Diesmal ist die Beteiligung von Stadträten etwas dünn. Es ist gar keine große Gruppe erkennbar. Warum dafür die Straße gesperrt wird, erschließt sich nicht. Es gibt Gehwege. Aber gut, ist halt Tradition.

Die gemeinsame Stadtratssitzung soll ein Höhepunkt sein in der Europastadt, die vor kurzem 25. Geburtstag feierte. Der Key Note Speaker, wie wir Oberlausitzer gern sagen, erinnert an 1998. Visionär gewesen sei die Proklamation einer Europastadt damals, sagt Dr. Maciej Zathey. Er ist Direktor des Instituts für Territoriale Entwicklung aus Breslau, Beiratsmitglied für Raumentwicklung beim Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen und forscht u.a. zum deutsch-polnisch-tschechischen Verflechtungsraum. Ein Dreiländerraum, nicht nur ein „Eck“, wie er betont. In seinem Vortrag beleuchtet Dr. Zathey Zukunftsaufgaben für die Weiterentwicklung von Görlitz-Zgorzelec. Der Wissenschaftler schlägt dabei den großen Bogen. Wo später der Vertreter der Stadtverwaltung Görlitz sehr kleinteilig über Fördervorhaben referiert, spannt Pan Zathey den Bogen weit in die Zukunft. Zielstellung müsse eine gemeinsame Planung sein. Etwa bei der Flächennutzung. Anfänge, wie bei der gemeinsamen Wärmeversorgung seien gemacht. Weitere müssten folgen. Eine Herkulesaufgabe. Schließlich sind die rechtlichen Voraussetzungen in beiden Ländern nicht vergleichbar. Dennoch ein lohnendes Ziel. Görlitz-Zgorzelec ist ein städtischer Organismus.

Dr. Maciej Zathey nimmt uns in die Pflicht. Ermahnt uns, nicht vor Herausforderungen zu kapitulieren. Sagt, dass wir natürlich weitere Brücken brauchen. In einer geteilten Stadt, wo Menschen sich begegnen, es Austausch gibt, wir zusammenwachsen wollen. Konkret spricht er die Wiedererrichtung einer Brücke für Fußgänger und Radfahrer unterhalb des Eisenbahn-Viaduktes an. Dieser Standort ist immer wieder im Gespräch, wenn es um Brücken geht. Sowohl auf deutscher als auch auf polnischer Seite. In der kommenden Sitzung des Stadtrates haben wir Gelegenheit darüber zu diskutieren. Auf Antrag unserer Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne steht eine Debatte über zusätzliche Brücken an. Wir wollen das acht Jahre andauernde Schweigen beenden, das seit dem 2015 erzwungenen Planungsende für eine Brücke am Lindenweg herrscht. Es geht zunächst um die Frage, ob es grundsätzlich eine politische Mehrheit für neue Brücken gibt. Die Umsetzung eines solchen Vorhabens ist langwierig und sollte auf einem gesellschaftlichen Konsens basieren. Wir freuen uns über inhaltliche Vorlage des Experten Dr. Maciej Zathey. Es wäre klug, ihn nochmals einzuladen und seine Thesen ausführlicher zu diskutieren. Dazu gehört auch der von ihm vorgetragene Vorschlag, eine viersprachige Europa-Universität in Görlitz-Zgorzelec anzusiedeln.

Wie schon erwähnt, wird die Flughöhe im folgenden Beitrag des Görlitzer Stadtplanungschefs Hartmut Wilke gesenkt. Hängt mit dem Thema zusammen. Wilke erläutert das gemeinsame Interreg-Projekt, „Brückenpark Teil 2“. Beidseits der Neiße soll mittels EU-Geldern der grüne Gürtel schicker werden. Zgorzelec konzentriert sich aufs Areal ums Dom Kultury. In Görlitz geht es zum Beispiel um das Weinberggelände. Die Federführung hat die Zgorzelecer Seite. Das bringt einige Vorteile mit sich. Deutschland zieht für Fördermittelempfänger die Daumenschrauben fester zu, als das die europäischen Regularien eigentlich verlangen. Anders in Polen. Dort zählt wohl das Ergebnis. Bei uns die korrekte Abrechnungsliste bis zum einzelnen Bleistift.

Zurück zur Sitzung. Die sich spürbar zieht. Vielleicht ist es nach 25 Jahren an der Zeit, gemeinsam mit den Zgorzelecern zu überlegen: Ist das Format noch zeitgemäß? Eine Abfolge aus namentlicher Begrüßung von Ehrengästen, Grußworten, auflockernden Musikstücken (das brauchen wir in jedem Fall auch weiterhin), Vorträgen und Auszeichnungen. Dauert mehr als zwei Stunden. In dieser Zeit gibt es keine echte „Debatte“. Die Stadträte sind anwesend, aber es ginge auch komplett ohne sie. Vielleicht sollte die Ratssitzung in die Feierlichkeiten zur Europastadt integriert werden. Open Air. So dass möglichst viele Menschen unkompliziert dabei sein können. Nach der Sitzung können Stadträte sich unters Volk mischen und feiern, statt im eigenen Saft am Buffet zu schmoren.

Und so sind es am Ende der Veranstaltung die Jungs und Mädels vom CYRKUS, die uns den Reformstau des Formats „Gemeinsame Stadtratssitzung“ demonstrieren. Sie trappeln vor dem Sitzungssaal mit den Füßen, sind aufgekratzt, lachen. Ihr Verein KulturBrücken e.V. bekommt heute die Europa-Medaille. Für herausragende Verdienste um die Europastadt. Seit zwei Stunden warten sie, wollen uns zeigen, was sie können. Herzerfrischend, wie CYRKUS-„Direktor“ Valentin Hacke und seine jungen Artisten fast die Veranstaltung sprengen und das Plenum nach dem Erhalt der Medaille nach draußen winken. Das Protokoll hat etwas dagegen. Erst muss die Sitzung ordnungsgemäß zu Ende gebracht werden. Da sind wir uns schon sehr ähnlich, in GörlitzZgorzelec. Dann endlich: Aufstehen, nach draußen strömen, in die beeindruckende Kuppelhalle des Dom Kultury. Wo uns die jungen Künstler des CYRKUS ihr Können zeigen.

Ich bin sehr froh, dass der Vorschlag, den KulturBrücken e.V. in diesem Jahr auszuzeichnen, vom gesamten Stadtrat mitgetragen wurde. Der Verein ist Pionier bei der dauerhaften Etablierung von deutsch-polnischen Angeboten in Görlitz und Zgorzelec. Seit mehr als 15 Jahren werden durch die Vereinsarbeit deutsche und polnische Kinder und Familien in regelmäßigen Kontakt gebracht. Die zentrale Rolle spielt dabei das Medium Zirkus. Seit März 2022 betreibt der Verein neben dem Büro in der Görlitzer Altstadt auch eine Anlaufstelle in der Warszawska-Straße 1 in Zgorzelec. Die Stadt Zgorzelec half den Raum zu finden. Damit können sich nun auch die Zgorzelecer über alle CYRKUS-Projekte für Kinder und Jugendliche informieren. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass durch die Präsenz in Polen bestehende Berührungsängste wegfallen. Eine gute Chance, noch mehr polnische Kinder und Jugendliche für die zirkuspädagogischen Angebote in der Europastadt zu gewinnen.

Herzlichen Glückwunsch auch den Preisträgern der polnischen Seite. Ausgezeichnet wird die Grundschule Nr. 2 „Jarosław Iwaszkiewicz“ Zgorzelec mit den Integrationsklassen und Partnerin der Freien Evangelischen Grundschule „Dietrich Heise“ in Görlitz.

Vielen Dank für die Organisation und die Gastfreundschaft an unsere polnischen Kollegen. Es ist schön, Europastadtrat sein zu dürfen.