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Stadtratsblog#14: 17.12.2020

Letzte Sitzung im Krisenjahr 2020. Mit Stollen vom Jesus-Bäcker und vielen guten Wünschen Nachdem die Ansteckungszahlen im Kreis Görlitz unaufhaltsam klettern, gibt es von der Fraktion Bürger für Görlitz kurzfristig den Versuch, die Sitzung abzusagen und im Januar digital nachzuholen. Aufgrund einiger wichtiger Themen entscheidet sich unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne gegen eine komplette Absage. Wir schlagen als Kompromiss eine Verkleinerung des Rates auf die Hälfte vor. Damit wir die Risikogruppen schützen. Dafür bedarf es aber der Zustimmung aller Fraktionen. Die AfD lehnt ab. Also sind wir gezwungen mit voller Kapelle anzutreten, bis auf unseren Rekonvaleszenten Andreas Kolley.

Was funktioniert, ist das Eindampfen der Tagesordnung. Wir nehmen unseren Antrag von der Tagesordnung, der den schönen Titel trägt „Ausnahmegenehmigungen für das Parken von Gewerbetreibenden in Zonen mit Bewohnerparken“. Grund: Die Verwaltung hat uns kurz vor der Sitzung mitgeteilt, dass sie bereits an einem Antragsformular für die Erteilung von entsprechenden Ausnahmegenehmigungen arbeitet. Es soll in Kürze auf der Homepage der Stadt Görlitz veröffentlicht und kann dann auch von Gewerbetreibenden genutzt werden. Damit ist das Ziel des Antrages erreicht. Die Görlitzer Gewerbetreibenden haben nun wie ihre Kollegen in vielen anderen Städten Deutschlands endlich die Möglichkeit, auf einfachem Weg ein Antragsformular zu finden. Am Ende trifft natürlich die Stadtverwaltung die Entscheidung und diese wird nur in besonderen Härtefällen positiv ausfallen, da die Gesetzeslage nur wenig Spielraum gibt. Danke an die Verwaltung für die schlussendlich unkomplizierte Lösung.

Die Verwaltung nimmt zwei Vorlagen von der Tagesordnung – allerdings nicht ausschließlich  wegen Corona. Die Satzungsänderungen zur Bürgerschaftlichen Beteiligung etwa waren sehr umstritten. In der Vorlage fehlen zudem die Hinweise aus dem Ausschuss Kultur, Bildung, Soziales und Migration. Aus unserer Sicht hätte der Antrag deshalb ohnehin nicht behandelt werden dürfen, da wichtige Informationen zur Entscheidungsfindung nicht zur Verfügung standen: https://fraktion-motor-gruene-spd.de/wie-wichtig-ist-ob-ursu-buergerbeteiligung/ Auf ein Neues 2021. Dann leider ohne die langjährige Koordinatorin für Bürgerbeteiligung im Rathaus. Silke Baenisch verlässt beruflich die Stadtverwaltung. Ein weiterer schwerer Verlust, für den nicht erkennbar nach Ersatz gesucht wird. Unsere Fraktion wünscht Frau Baenisch alles Gute, wir bedanken uns für die hervorragende Zusammenarbeit.

Als zweite Vorlage zieht die Verwaltung den Antrag zurück, mit dem der Startschuss für die Entwicklung des ehemaligen Schlachthofgeländes zu einem Zivilschutzzentrum inklusive Neubaus der Berufsfeuerwehr erfolgt wäre. Der Stadtrat sollte eine entsprechende Machbarkeitsstudie bewilligen. Da im Vortrag zu diesem Beschluss die Zukunft des Clubs Nostromo auf dem Schlachthofgelände offen in Frage gestellt wurde, regte sich Widerstand in der freien Szene. Dies und weitere offene Fragen führten im Technischen Ausschuss zwei Tage vor dem Stadtrat dazu, dass die große Mehrheit empfahl, diesen Beschlussantrag zurückzuverweisen. Damit ist die Kuh nicht vom Eis aber ein deutliches Zeichen, dass die Stadtgesellschaft einen etablierten Ort der Basiskultur nicht kampflos aufzugeben gedenkt. Spätestens im Frühjahr wird das Thema wohl wieder aufgerufen. Mit Blick auf die Finanzlage der Stadt ist es schwer vorstellbar, jetzt ein weiteres Riesenprojekt in Angriff zu nehmen. Doch dazu gleich mehr.

Im Zusammenhang mit dem Nostromo meldet sich Gerd Weise (CDU) mit einer persönlichen Erklärung zu Wort. Er bittet um Entschuldigung, dass er das Nostromo im Februar in einer Stadtratssitzung als „dunklen Diskoklub“ bezeichnet habe. Da ich Gerd diesbezüglich kritisiert habe und ihm dabei das Zitat „dunkles Diskoloch“ zuschrieb, möchte ich die Gelegenheit nutzen und Teile seiner persönlichen Erklärung veröffentlichen, um das Gesagte richtigzustellen: „Ich sagte nicht, wie ich falsch und irreführend zitiert werde‚ ‚dunkles DiskoLOCH‘, sondern – und das können Sie im öffentlich zugänglichen Protokoll der Stadtratssitzung vom 27.02.2020 lesen, ‚dunkler Diskoclub‘ – aber auch das kann falsch verstanden werden. Es war von mir nicht so gemeint, aber leider so ausgesprochen. Der Kontext meiner unglücklichen Formulierung war die ärgerliche und nicht nachvollziehbare Absage der Stadtverwaltung, eine helle, gewärmte Turnhalle für eine sehr wichtige Krisensitzung der Elternschaft im Februar nutzen zu dürfen. Als Kontrast mussten die Eltern notgedrungen in eine zu dem Zweck improvisierte, ‚dunkle‘, kühle Halle ohne ausreichende Sitzmöglichkeit ausweichen. Ich wollte keine Kritik an den Räumlichkeiten des Nostromos üben, sondern die unverständliche Haltung der Verwaltung kritisieren und verfehlte mich im Vergleich. Dem Nostromo gebührt ausdrücklich der Dank für die spontane Gastfreundschaft im Februar 2020, die das bürgerliche Engagement am Leben erhielt. Deshalb verzeihen Sie mir bitte die unglückliche Formulierung. Niemals möchte ich das geleistete Bürgerschaftliche Engagement diskreditieren. Vielen Dank.“ Danke für die Entschuldigung, lieber Gerd. Dazu gehört auch Größe.

Und damit zum Thema des Tages. Als Information war uns angekündigt worden: „Eckwerte zum Entwurf Haushalt 2021/22“. Zu unserer Überraschung versucht Oberbürgermeister Ursu ausgerechnet dieses wichtige Thema der Öffentlichkeit vorzuenthalten und bietet wegen der Corona-Situation an, die Information nur in schriftlicher Form zur Verfügung zu stellen. Ohne den fachlichen Vortrag der Görlitzer Finanzchefin Birgit Peschel-Martin sind viele der Zahlen aber nicht verständlich. Deshalb spricht sich meine Kollegin Kristina Seifert auch gegen das Ansinnen des OB aus. Damit muss der Vortrag stattfinden. Und das ist auch gut so, wie sich zeigt.

Quintessenz: Görlitz hat schwere finanzielle Zeiten vor sich. Durch Corona sinken die Steuereinnahmen. Gleichzeitig steigen coronabedingte Ausgaben. Der Freistaat ändert sein Finanzausgleichsgesetz zulasten der kreisangehörigen größeren Städte (Plauen, Zwickau, Görlitz) und die Kreisumlage steigt. Das führt in Summe dazu, dass für 2021 derzeit ein Defizit von rund 10,6 Millionen Euro in Aussicht steht. 2022 wären es gar 11,8 Millionen. Bereinigt um das pandemiebedingte Defizit (dafür besteht Hoffnung auf Ausgleich durch Bund und Land) müssen wir nach jetzigem Stand in beiden Jahren 5-6 Millionen Euro einsparen im Vergleich zum bestehenden Planansatz. Bedeutet: Bereits jetzt sind nicht alle geplanten Projekte finanzierbar. Neue können nicht hinzukommen. Es wird eine Prioritätensetzung brauchen in den kommenden Monaten. Der OB verbreitet Hoffnung in der Weihnachtszeit. Es sei noch nicht alles entschieden, die Zahlen könnten noch besser werden und er hoffe darauf, dass Görlitz Kredite aufnehmen darf, um Eigenmittel für Investitionsvorhaben aufbringen zu können. Viel Konjunktiv… Gut wäre es, sich schnell ehrlich zu machen und nicht  nur im Stadtrat, sondern in der gesamten Stadtgesellschaft zu diskutieren: Was ist uns besonders wichtig und worauf können wir notfalls noch warten oder gänzlich verzichten, wenn es nicht bezahlbar ist. Es stellt sich ein Unwohlsein ein bei den zahlreichen Beschlüssen der letzten Monate, in denen wir bereits auf den Haushalt 21/22 vorgegriffen haben. Uns wurde jeweils von der Verwaltung erklärt: Macht euch keine Sorgen, die Verluste werden ausgeglichen, wir kommen mit einem blauen Auge durch die Krise. Wusste man wirklich nicht früher, was auf uns zukommt?

 

Anschließend informiert der OB zu verschiedenen Punkten:

Zu Silvester hat die Verwaltung überall dort Böller-Verbote ausgesprochen, wo es möglich ist – also rund um die Altstadtbrücke. Er appelliert an alle, auf Feuerwerk zu verzichten. Es geht um die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems und unser solidarisches Miteinander. Richtig.

Aufgrund der Corona-Lage wird der Stadtrat fast den kompletten Januar pausieren. Es soll auch keine Ausschusssitzungen geben. Erst zum Monatsende wieder, wenn der Stadtrat ansteht. Ich hoffe, dass die Verwaltung den Januar nutzt, um die technischen Voraussetzungen für Videokonferenzen zu schaffen. Diese Tagungsmöglichkeit ist durch den Landtag am Mittwoch beschlossen worden. Das sollten wir nutzen – schließlich will Görlitz Stadt der Zukunft werden.

Gute Nachrichten gibt es vom ZVON. Der regionale Verkehrsverbund unterstützt unsere Görlitzer Verkehrsbetriebe bei der Anschaffung von Stadtbahnwagen finanziell.

Gar nicht gut sieht es dagegen in Sachen „alternative Stellplätze für Stadtrundfahrten“ aus. Die Verwaltung teilt uns mit, dass sowohl der ehemalige Busbahnhof am Kaisertrutz als auch der Postplatz nicht geeignet wären. Man bleibt der Einfachheit halber beim eigenen Vorschlag, das bestehende Kuddelmuddel 2021 auf Obermarkt, Fleischerstraße, Untermarkt und Klosterplatz zu verteilen. Mit einer entsprechenden Vorlage dürfen wir uns im Januar beschäftigen und unsere Änderungsvorschläge einbringen.

Anschließend verabschieden wir Helmut Goltz. Er hat das 65. Lebensjahr erreicht und darf deshalb als Stadtrat zurücktreten. Das nimmt er wahr. Herzlichen Dank an Helmut für seine vielen Jahre im Ehrenamt. Ihm folgt Heiko Romsdorf, ein neues Gesicht in der CDU, tätig als Polizeihauptkommissar bei der Bundespolizei.

 

Folgende Beschlüsse fassen wir:

Über die bereits im November gewählte Geschäftsführerin des Klinikum Görlitz wird nochmals abgestimmt. Ein Stadtrat hatte seine Befangenheit nicht erklärt, darum eine Wiederholung. Einstimmig bestätigt der Stadtrat Ines Hofmann.

Aufgrund der Corona-Situation beschließen wir einen ÖPNV-Notfallbetrieb. Dieser gilt ab 19.12. bis zur Wiederaufnahme des Schulbetriebs.

Für eine Neuordnung der Tarife der Stadtwerke im Bereich Trinkwasser/Abwasser für 2021-2023 erfolgt eine breite Zustimmung.

Der Wochenmarkt wird ab Februar von der Deutschen Marktgilde betrieben. Der Stadtrat stimmt der Vergabe der Konzession zu. Es gab insgesamt drei Bewerber, darunter auch den langjährigen Betreiber. Die Marktgilde konnte aber als einzige Bieterin vollständige Unterlagen vorlegen und war somit ohne Konkurrenz bei der Entscheidung. In den kommenden drei Jahren kann die Marktgilde sich nun beweisen. An dieser Stelle bedanke ich mich bei Francois Fritz und seiner Mannschaft. Auch wenn es immer Verbesserungen geben kann: Er hat es geschafft, für Frieden und Stabilität auf dem Eli zu sorgen, nachdem der Wochenmarkt über viele Jahre ein Fall für die Gerichte war.

Gesprächsbedarf gibt es bei der Vorlage „Änderung des Geltungsbereiches für den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 40 – Umbau Kaufhaus Görlitz“. Eigentlich eine Formalie. Investor Winfried Stöcker möchte zwei Grundstücke (Postplatz 5/6) in die Planung einbeziehen. Das ist jederzeit möglich und bedeutet nicht, dass man damit etwa einem Abriss von denkmalgeschützten Gebäuden zustimmen würde. Unsere Fraktion ist dem Kaufhaus gegenüber nicht negativ eingestellt. Uns ist jedoch wichtig, dass das Verfahren sauber läuft. Darum gibt es Fragen von Dr. Jana Krauß und Danilo Kuscher zur Beteiligung der Öffentlichkeit. Im Aufstellungsbeschluss von 2018 ist explizit eine „frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 1 Baugesetzbuch“ enthalten. Gab es diese? Nein, sagt Bürgermeister Wieler. Und es wird auch nach Hinzunahme der beiden Grundstücke in den B-Plan keine solche Beteiligung geben. Herr Wieler vertritt die Ansicht, dass das erst nach der Auslegung des Bebauungsplans erfolgt, da es derzeit gar keinen ausgereiften Plan gebe, mit dem man sich beschäftigen könnte. Wie passt das aber mit einem Dokument zusammen, dass Danilo Kuscher im Ratsinformationssystem gefunden hat? Es stammt aus dem Herbst 2018 und dokumentiert just eine „frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit“ mit dem Kaufhaus-Projekt. Der zuständige Amtsleiter Hartmut Wilke kann sich das in der Sitzung nicht erklären und empfiehlt aufgrund dieser offenen Frage, den Beschluss zu vertagen. Dagegen spricht sich sein Vorgesetzter Michael Wieler aus, wie auch die Mehrheit des Stadtrates. AfD, Bürger für Görlitz und CDU beschließen danach und mitten in der spannenden Diskussion ein Ende der Debatte. Nicht das erste Mal, dass die Mehrheit im Rat genutzt wird, um den sachlichen Austausch zu unterbinden. So kommt es, dass drei Leute aus unserer Fraktion gegen die Vorlage stimmen und ich mich enthalte – obgleich wir mit dem formalen Akt eigentlich keine Probleme hatten. Wenn aber der Eindruck entsteht, es wird etwas unter den Tisch gekehrt, werden wir hellhörig. Die große Mehrheit stimmt letztlich der Erweiterung des B-Planes zu, bei 5 Gegenstimmen und drei Enthaltungen. Wir werden die offen gebliebenen Fragen zur Beteiligung der Öffentlichkeit weiter untersuchen.

Die öffentliche Sitzung endet mit einer Neuwahl von Ausschüssen. Damit vollzieht die AfD den Rauswurf von Jens Jäschke. Er ist nun in keinem Ausschuss mehr vertreten. Ein gutes Ende des kommunalpolitischen Jahres 2020.

Ich bedanke mich bei euch allen für das Feedback im vergangenen Jahr, bei der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit, beim gesamten Stadtrat für die zumeist konstruktive Atmosphäre und bei den Mädels und Jungs von der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne: Es macht große Freude mit euch zusammenarbeiten zu dürfen. Frohe Festtage euch allen und bis zum Januar 2021.

Text: Mike Altmann

Stadtratsblog#4: 30.1.2020

Erste Sitzung im neuen Jahrzehnt. Auf meinem Platz begrüßt mich ein Magazin „Für Liebhaber und Entdecker“. Die neue Görlitz-Illustrierte der Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH. Mir macht das Durchblättern Lust – den Besuchern unserer Stadt wird das Magazin ein guter Begleiter sein.

Beschenkt werden wir auch von der Fraktion Die Linke. Sie zieht einen Antrag zurück, mit dem eine Auswahl von Ehrenamtlichen kostenlos die Nutzung des Nahverkehrs ermöglicht werden sollte. Jetzt geht das Papier in die Ausschüsse. Das ist klug. Wir brauchen ein Gesamtpaket zur Förderung des Ehrenamtes.

Dann Bürgerfragestunde. Elternsprecherinnen und Lehrerinnen aus Königshufen sind da. Vom Förderschulzentrum Miras Lobe wird gefragt, ob ihre Kinder nicht die höchste Priorität genießen. Hintergrund: Während die benachbarte Grundschule komplett saniert wird, werden bei Mira Lobe „nur“ die Brandschutzmaßnahmen durchgeführt. Die Grundschul-Muttis wiederum werben dafür, die Auslagerung erst im Sommer durchzuführen und nicht innerhalb weniger Tage über die Osterferien. Und früher und besser informiert wollen sie werden. Geduldig erklären OB Ursu und Bürgermeister Wieler die Situation und die Zwänge, in denen die Verwaltung steckt. Es hat vor allem mit fehlendem Geld zu tun. Deshalb wird es auch nichts mit dem Abriss und Neubau der beiden Schulen am Windmühlenweg, wie von einer Mutter vorgeschlagen. Unklar bleibt nach den Fragen: Steht bereits im nächsten Schuljahr die bisherige Waldorfschule auf der Konsulstraße zur Verfügung, weil diese aufs Bahnhofsgelände zieht? Das jedenfalls wollen die Eltern erfahren haben und möchten nun diese Schule als Ausweichquartier, während bei ihnen saniert wird. Bürgermeister Wieler meint, dass er es für ausgeschlossen hält, dass die Waldorfschule bereits im Sommer auszieht. Es klingt noch nicht nach Wissen. Die Stadt bleibt vorerst bei ihrem Plan, die Schule an der Landheimstraße wieder fit zu machen. Da gibt’s aber keine Fördermittel. Die 1,5 Millionen Euro müssen wir allein finanzieren.

Mein Freund Kurt wirbt für Hinweisschilder an der Neiße. „Brot tötet“ könnte darauf stehen. Damit die Leute lernen, dass Backwaren keine Entennahrung sind. Der OB will prüfen, glaubt aber nicht, dass man gegen alles Schilder aufstellen kann, die eigentlich bekannt sein müssten. Stimmt auch wieder.

In der Fragestunde für Stadträte wird allerlei gefragt. Von mir auch. Ich hatte in einer Facebook-Diskussion angeboten, die Spekulationen um das ehemalige Kondensatorenwerk durch Fakten zu ersetzen. Es geht darum, ob es Denkmalauflagen für den bisherigen Besitzer gab und ob er sie erfüllt hat. Spekuliert wurde, er habe das Areal verfallen lassen und kassiere jetzt kräftig. Bürgermeister Wieler sagt, dass es keine Auflagen gab, wie sie bei Bauvorhaben üblich sind, da ja nicht gebaut wurde. Nach seiner Kenntnis wurden aber alle Maßnahmen, die der Sicherung des Denkmals dienen, erfüllt. Interessante Randnotiz: Als sich andere Stadträte danach erkundigen, wie denn die Denkmalschutzauflagen für den neuen Besitzer wären, bekommen wir zu hören, dass wir als Stadt darauf wenig Einfluss haben, weil der Freistaat Bauherr sei. Klingt für mich nach verschiedenen Rechtemaßstäben. Da es die nicht geben darf, hat sich der Bürgermeister sicherlich nur versprochen.

Dann Beschlussfassung.

Änderung der Ehrungssatzung: Bislang konnte man für den Meridian des Ehrenamtes nur Leute vorschlagen, die sich „organisiert“ ehrenamtlich betätigen. Also Mitglied in Vereinen, Verbänden, etc. sind. Damit schließt man aber private Initiativen aus. Ich nenne nur mal beispielhaft Spendenfee Anne und das Projekt „Görlitz Insider“ von Conny Kahle. Das ist nun geheilt. Ab 2020 können alle Personen und Gruppen vorgeschlagen werden, die ehrenamtlich einen wertvollen Beitrag für die Stadtgesellschaft leisten. Selbstverständlich können auch weiterhin Leute aus Vereinen vorgeschlagen werden. Die Tür ist jetzt nur weiter auf.

Die Linke möchte, dass Görlitz einen Städteappell unterzeichnet der „Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen“. Gute Sache. Der OB will aber nicht. Er hat sein Rechtsamt beauftragt, einen Paragrafen zu finden, warum sich der Stadtrat mit dem Thema nicht beschäftigen darf. Wer sucht, der findet: Der Stadtrat darf sich nur mit kommunalen Dingen beschäftigen. An der Neiße stehen keine Atomsprengköpfe. Also kein Thema für uns. Unsere Bündnisfraktion bedauert diese formale Beschäftigung mit dem Thema. Die Juristen in 80 Städten und Landkreisen Deutschlands haben übrigens eine andere Auffassung oder wurden von ihren Stadtoberhäuptern vernünftigerweise nicht einbezogen. Unsere Partnerstadt Wiesbaden hat als zweite deutsche Stadt den Appell bereits vor rund einem Jahr unterzeichnet. Der Beschluss in Görlitz fällt durch – da der OB ihn ohnehin „kassiert“ hätte, enthält sich unsere Fraktion.

Überraschung dann bei der Vorlage zu mehr Parkraum in der Altstadt: Nach einigem hin und her in der Diskussion, schlägt der OB einen Kompromiss vor, der mit großer Mehrheit angenommen wird. Die Verwaltung prüft jetzt, ob und wie eine Parkgarage im Innenhof der Jägerkaserne realisiert werden kann. Das würde zusätzliche Parkmöglichkeiten für Besucher der Altstadt bringen. Vorteil: Wir vermeiden den unsinnigen Sucherverkehr durch die City. Die von Norden kommenden Autos können direkt am Eingang zur Altstadt einchecken. Die weiteren zur Prüfung vorgesehenen Standorte Teichstraße/Bautzener Straße und Elisabethplatz sind erstmal runtergenommen worden. Auch weil Teile des Stadtrats wissen wollen, wie sich die neuerlichen Pläne für eine Tiefgarage am Wilhelmsplatz einordnen. Die Bündnisfraktion hat in den letzten Monaten mantraartig für ein modernes Mobilitäts- und Verkehrskonzept geworben, bevor man Einzelmaßnahmen umsetzt. Das sehen OB und Stadtrat jetzt ebenso. Und so bereitet die Verwaltung bis zum Sommer einen Plan vor, wie man gemeinsam mit der Bürgerschaft ein solches Konzept erarbeiten kann. Das ist ein wichtiger Schritt.

Verkaufsoffene Sonntage. Der Stadtrat beschließt, wann in den nächsten vier Jahren sonntags dem Konsum gefrönt werden darf. Ich finde den Nikolaustag 2020 deplatziert. Die große Mehrheit sieht das anders. Ich kann damit leben und stelle meine persönliche Haltung hinter die Wünsche der Händler. Mit Interesse verfolge ich die in Teilen von Empathie befreite Debatte. Der Familienbeauftragte fragt, wie die Kinderbetreuung für die Beschäftigten am Sonntag organisiert werde. Antwort vom AfD-Fraktionschef Jankus: „Die sollen sich kümmern!“ Wenigstens verstellt er sich nicht. Große Mehrheit am Ende. Nicht für die soziale Kälte. Für den Einzelhandel. Ich stimme auch zu. Werde trotzdem sonntags nicht shoppen.

Zukünftige Betreibung der Stadthalle. Das Thema hat selbst den SZ-Lokalleiter Sebastian Beutler ins Rathaus gelockt. Er wurde hier schon lange nicht gesehen. Die Angelegenheit Stadthalle ist ein eigenes Thema. Deshalb hier nur zur Sache, die es zu beschließen gilt: Beauftragung der Kulturservicegesellschaft mit der Betreibung der Halle. Noch kurz vor der letzten Kommunalwahl vom alten Stadtrat durch einen Grundsatzbeschluss vorbereitet. Um den Prozess nicht zu verzögern. Ich frage nach, warum es dann trotzdem ein halbes Jahr gedauert hat von der schriftlichen Stellungnahme der städtischen Gesellschaften (lagen alle Ende Juni 2019 vor) bis zur Vorlage im Stadtrat im Januar 2020. Der Bürgermeister erläutert ausführlich, scheint aber meine Frage nicht verstehen zu wollen. Kollege Gleisberg von der CDU sekundiert und wundert sich mit mir, wie man mit so vielen Worten eine Frage nicht beantworten kann. Aber alles nicht kriegsentscheidend. Das kommt erst im April: Dann legt der Kulturservice einen Plan vor, wie die Betriebsgesellschaft arbeiten soll und was das bis zur Wiedereröffnung kostet. Wenn wir daraufhin den Kulturservice beauftragen, schreibt die Gesellschaft ein Betriebskonzept bis zum dritten Quartal 2020. Dann haben wir endlich realistischen Zahlen, was uns der Zuschuss jährlich kostet. Erst dann kann man gemeinsam mit der Bürgerschaft darüber debattieren, ob und wie Görlitz sich den Betrieb der Halle leisten kann, ohne dass dadurch wichtige Leistungen wegfallen. Ich bin sehr gespannt und hoffe auf frischen Wind vom patenten Team des Kulturservice. Das bisherige Verfahren rund um die Stadthalle hat mich bislang nicht überzeugt. Es wird mehr brauchen als den auch gestern wieder vielfach zitierten Mut. Ich glaube es heißt Verantwortungsbewusstsein. Genau aus dieser Verantwortung heraus hat die Bündnisfraktion einen Änderungsantrag gestellt. Der Kulturservice ist noch nicht formal beauftragt, sondern soll zunächst die Planung inklusive Zahlen vorlegen. Auf der Grundlage folgt dann die Entscheidung, ob der Kulturservice die Betreibung übernimmt.

Kritik vom Biosystem: Eine Sitzung von vier Stunden Dauer ohne Pause ist Unfug, ungesund und unproduktiv. Keine Ahnung, warum der Ältestenrat regelmäßig beschließt, keine Pause einzuplanen. Vielleicht sind die alle auf Diät. Mahlzeit.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog#3: 19.12.2019

Letzte Sitzung im Jahr 2019. Alles ist schon auf Weihnachten eingestellt. Die Leute aus der Verwaltung haben Tannengrün ausgelegt. Es gibt einen kleinen Stollen vom Jesus-Bäcker. Und Görlitz-Pins. An dieser Stelle ein herzlicher Dank an das Stadtratsbüro im Rathaus für die gute Zusammenarbeit und die Hilfsbereitschaft.

Die Sitzung beginnt mit einigen Infos und Vorträgen. Die Geschäftsführerin des Städtischen Klinikums Ulrike Holtzsch informiert über die Notarztversorgung in Görlitz. Da diese in der Stadt nicht mehr lückenlos gewährleistet ist, will das Klinikum unterstützen. Jungen Ärzten soll die Weiterbildung zum Notarzt finanziert werden, damit ein Notarzt-Pool gebildet werden kann. Gespräche mit den Krankenkassen laufen. Gut, dass wir unser Klinikum haben, kann ich immer wieder nur sagen. (Radio Lausitz berichtet bereits darüber)

Besonders spannend ist die Vorstellung des geplanten Innovations-Campus auf dem Siemens-Gelände. Christoph Scholze (Innovations-Manager bei Siemens) präsentiert eine positive Vision der Zukunft. Der Inno-Campus wird uns im Strukturwandel helfen. Start-Ups und bestehende Unternehmen können sich andocken, zukunftsfähige Produkte entwickeln oder neue Geschäftsfelder aufbauen. Drei Themen stehen im Fokus: Dekarbonisierung, Wasserstoff-Kompetenzzentrum sowie Digitalisierung und Technologien. Siemens holt dafür viel Grips an die Neiße: Fraunhofer Institut, TU Dresden, Hochschule Zittau/Görlitz und die Handelshochschule Leipzig sind mit am Start. Zu erwarten sind auch regionale Zukunfts-Lösungen, wie z.B. Mobilitätshilfen für den ländlichen Raum. Da darf man echt gespannt sein.

Wieder sehr aktiv genutzt wird die Fragestunde für Einwohner. Zu Gast sind zahlreiche Vertreter aus Schulen, die sich wegen der bevorstehenden Brandschutzsanierungen Sorgen machen. Zu Wort kommen Eltern und Schulleiter des Förderschulzentrums Mira Lobe und der Oberschule Innenstadt. Problem Nummer 1: Wohin sollen die Schulen während der Sanierung „ausquartiert“ werden? OB Ursu und Bürgermeister Wieler sagen, dass eine Lösung gesucht wird, um für die nächsten sieben bis zehn Jahre gewappnet zu sein. Im Blick ist u.a. die leerstehende Schule auf der Erich-Weinert-Straße in Weinhübel. Ob sie als Ausweichstandort ertüchtigt werden kann, ist aber auch eine Frage des Geldes, da es hierfür keine Fördermittel gibt. Ich finde gut, wie sachlich Eltern und Schulvertreter argumentieren. Aber auch die lösungsorientierte Kommunikation der Verwaltung stimmt mich hoffnungsfroh.

Mit besonderer Spannung wurde die Debatte und Beschlussfassung zum Thema „Parkplätze in der Innenstadt und Altstadt“ erwartet. Doch dazu kommt es gar nicht. Die AfD erklärt zu Beginn der Sitzung, dass sie sich nicht vorbereiten konnte. Grund: Die Änderungswünsche anderer Fraktionen seien zu spät eingearbeitet worden und in den Unterlagen fehle eine wichtige Grafik. Das ist schon ärgerlich: Ein Thema wird vorab in verschiedenen Ausschüssen beraten. So im Wirtschaftsausschuss am 5.12. und am 11.12. im Technischen Ausschuss (allein im TA sitzen vier Vertreter der Afd). Es muss doch möglich sein, die anderen Kollegen in der Fraktion zu informieren. OB Ursu ist aber in weihnachtlicher Konsensstimmung. Obwohl alle anderen Fraktionen sich in der Lage sehen, das Thema zu behandeln, nimmt er es von der Tagesordnung. Nun hat die AfD Zeit bis Januar, ihre Hausaufgaben zu machen. Die anderen Vorlagen werden zügig beschlossen, dank guter Vorarbeit der Ausschüsse.

Zum Ende der Sitzung wird es nochmal spannend: Liegen bei Andreas Kolley (Motor) und Gerd Weise (CDU) durch ihre berufliche Tätigkeit in städtischen Gesellschaften Hinderungsgründe vor, so dass sie dem Stadtrat nicht angehören dürfen? Nein, sagt die große Mehrheit. (Hintergrund: https://www.motor-goerlitz.de/news/detail/67-Andreas-Kolley-bleibt-Stadtrat) Ich freue mich sehr, dass es zu dieser klaren Entscheidung gekommen ist und keine Fraktion versucht, daraus politisch Kapital zu schlagen. Das hätte dem Gremium und den beiden Stadträten geschadet.

Jetzt geht es in die Pause. Ab 6. Januar tagen wieder die Ausschüsse.

Ich möchte mich bedanken: Bei den Kolleginnen und Kollegen der Bündnisfraktion aus Bürger für Görlitz, Bündnis90/Grüne, SPD und Motor Görlitz für das produktive Miteinander und das Aushalten von verschiedenen Meinungen. Bei den Stadträten aller Fraktionen für den (fast) durchgängig fairen und respektvollen Umgang. Und bei der Verwaltung für die nimmermüde Unterstützung, Beantwortung von Fragen und den erkennbaren Willen, miteinander Gutes für unser Görlitz zu tun. Allen frohe Weihnacht und ein erfolgreiches und gesundes Jahr 2020.

(Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)