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Stadtratsblog #43: 29.6.2023

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Weitere Informationen

Letzte Sitzung vor der Sommerpause. Sie beginnt mit der Verleihung des Bauherrenpreises der Arbeitsgemeinschaft Historische Städte. Ausgezeichnet werden hervorragende Sanierungen im historischen Stadtkern. Über eine Anerkennung und 500 Euro dürfen sich freuen: Das Projekt Obersteinweg 7 und der Güterbahnhof, der zur Waldorfschule umgebaut wurde. Der Bauherrenpreis, dotiert mit 1.500 Euro, geht an Mark Eidam und das Görlitzer Architekturbüro Beyer + Brussig für die Sanierung der Lunitz 6c. Das Haus, etwas zurückgesetzt in einer Flucht, führte lange ein Schattendasein. Nun wertet es die Nikolaivorstadt weiter auf. Herzlichen Glückwunsch allen Preisträgern.

 

Informationen des OB:

Octavian Ursu verkündet Positives: Der Kauf des Schlachthofgeländes ist in trockenen Tüchern. Das innerstädtische Gelände wurde von KommWohnen übernommen. Notartermin ist durch. Damit ist das Nostromo gerettet und wir haben einen Ort für Stadtentwicklung hinzugewonnen.

Neuigkeiten in Sachen Stadthalle erfährt die Öffentlichkeit von Baubürgermeister Benedikt Hummel. Da die avisierten Fördergelder in Höhe von 36 Millionen Euro nicht reichen (Baukosten werden auf über 50 Millionen Euro taxiert), wurde ein zusätzlicher Förderantrag im Programm KulturInvest gestellt. Dem Vernehmen nach erhofft sich die Stadtverwaltung 10 Millionen Euro für ein „Erweiterungsmodul Nachhaltigkeit“. Ob der Antrag Erfolg hat, wissen wir frühestens im Herbst.

 

Regelmäßig berichten uns im Stadtrat die Geschäftsführerinnen der städtischen Gesellschaften. Diesmal ist Ines Hofmann vom Städtischen Klinikum an der Reihe. Anlass sind die geplanten Gesetzesänderungen zur Krankenhausfinanzierung. Unser Städtisches Klinikum ist aktuell Schwerpunktversorger mit 550 Betten. Das soll nach dem neuen Sächsischen Krankenhausplan so bleiben. Görlitz hofft auf eine Ausweitung der Betten in der Tagesklinik (von 84 auf 91). Außerdem möchte das Klinikum das Leistungsspektrum um Palliativmedizin und Infektiologie erweitern und als Onkologisches Zentrum aufgenommen werden.

Ob sich die Wünsche erfüllen, ist fraglich. Derzeit warten alle gespannt auf das neue Krankenhausgesetz von Gesundheitsminister Lauterbach. Die Gespräche mit den Ländern gestalten sich zäh. Klar scheint: Es wird eine Einstufung der Krankenhäuser nach Leistungsgruppen geben. Nur wer festgelegte Qualitätskriterien erfüllt, bekommt bestimmte Behandlungen finanziert. Ines Hofmann geht davon aus, dass das Städtische Klinikum eine Level 3-Einstufung erhält (höchste Notfallstufe und viele Leistungsbereiche). Knackpunkt für zusätzliche Leistungsbereiche wird neben Investitionen in Großgeräte das Personal. Zwar ist das Haus im Görlitzer Norden breit aufgestellt. Es fehlt jedoch in der Tiefe an Ärzten und Pflegekräften. Auch beim Nachwuchs stockt es derzeit. Seit langer Zeit gehen die Bewerbungen deutlich zurück. Deshalb plädiert Ines Hofmann im Stadtrat dafür, Zuwanderung offensiv und positiv zu gestalten. „Wir brauchen ausländische Fachkräfte, auch Azubis, müssen sie und ihre Familien gut bei uns aufnehmen. Sonst wird es eng mit der Versorgung.“ Gut merken, wird später noch wichtig.

Ansonsten können wir auf kommunaler Ebene wenig tun. Vieles hängt am Land (Finanzierung von Investitionen und Förderung von Nachhaltigkeitsprojekten wie PV-Anlagen) und am Bund (noch immer werden die Leistungen nicht ausreichend bezahlt, die Bürokratie wird weiter zunehmen).

Bei allen Herausforderungen versteht es Ines Hofmann, Optimismus zu verbreiten. Unser Klinikum ist nicht in Gefahr, erbringt hervorragende Leistungen und ist als medizinischer Versorger im Kreis Görlitz nicht wegzudenken. Herzlichen Dank an die Chefin und ihr engagiertes Team im Krankenhaus am Rande der Stadt.

 

In der Fragestunde für Einwohner wünscht sich Kurz Bernert einen stärkeren Ausbau von Fernwärme in der westlichen Innenstadt. OB Ursu verweist auf einen späteren Tagesordnungspunkt, der sich mit dem Thema Wärmeplanung befasst.

Auch der Bürgerrat Weinhübel ist diesmal vertreten. Die Abordnung erkundigt sich, ob der Fußweg an der ehemaligen Schule Landheimstraße saniert wird. Das bestätigt Bauamtsleiter Torsten Tschage.

 

Es schließt sich die Fragestunde für Stadträte an.

Meine Kollegin Kristina Seifert (Bündnisgrüne) freut sich, dass die Bürger bei der Suche nach neuen Fahrradständerstandorten direkt beteiligt werden. Sie bittet darum, noch besser zu erläutern, wie mitgemacht werden kann. OB Ursu sagt zu, dass noch mehr informiert und geworben wird. Auf unserer Seite gibt es eine kleine Anleitung für die Fahrrad-Parker-Aktion.

Lutz Jankus (AfD) gibt die besorgte Anfrage eines Bürgers weiter und möchte wissen, ob Görlitzer Kinder nicht in ihrer Wunschschule aufgenommen werden, weil es Kontingente für Ukrainer geben soll. Der Oberbürgermeister erläutert, dass das Landesamt für Schule und Bildung (Lasub) zuständig ist. Unter deren fachlicher Verantwortung stellen die Schulen ihre Kriterien auf, in welcher Reihenfolge die Wünsche erfüllt werden. Da spielen zum Beispiel Geschwisterkinder eine Rolle. Fakt ist: Da die Schulen mehr als ausgelastet sind, ist es nicht möglich, allen Kindern einen Platz in ihrer favorisierten Schule zu garantieren.

Jana Lübeck (Die Linke) entlastet mich und stellt eine Frage, die ich auch auf dem Zettel hatte: Wie ist der Stand des Projektes „Bau.Lust.Offensive“? Das Vorhaben ging auf eine Initiative der CDU-Fraktion zurück. Bereits Anfang 2022 bekam Görlitz einen Förderbescheid. Bis 2025 sollen vor allem Familien für die Sanierung von innerstädtischen Gebäuden und die Bildung von Eigentum gewonnen werden. Doch zu sehen oder zu hören ist nichts. Bürgermeister Hummel begründet: Das Gesamtprojekt ist immer noch in Abstimmung, die Zeitschiene beim Fördermittelgeber in Verzug geraten. Aktuell wurden die Ausschreibungen vorbereitet. Es heißt also auch bei der Baulust: Geduldig sein.

Jens Jäschke (vereinzelter AfD-Stadtrat) möchte mehr Schatten auf der Freizeitanlage Brautwiesenbogen. Herr Ursu informiert ihn, dass Bäume Zeit brauchen, um zu wachsen. Ob zusätzlich Sonnensegel installiert werden können, müsse man sich anschauen, so der OB. Außerdem kritisiert Jäschke, dass man nicht mehr auf den Turm der Landeskrone kommt und somit nicht den Ausblick genießen kann. OB Ursu wiederholt, was bekannt ist: Der neue Pächter möchte umfangreich sanieren. Außerdem gibt es fortlaufende Gespräche mit der Naturschutzbehörde wegen der hoch gewachsenen Bäume. Freie Sicht auf das Görlitzer Panorama scheint wohl nicht so einfach umzusetzen sein.

 

Weiter geht’s mit einem Zahlensalat, der nicht unbedingt bekömmlich ist. Finanzchefin Birgit Peschel-Martin bringt offiziell den Doppelhaushalt 2023/24 ein. Ich gehe nur auf einige Eckdaten ein. Die große Diskussion und den Beschluss gibt es erst Ende August.

Der Haushalt 23/24 ist ein Sonderfall in der jüngeren Stadtgeschichte. Durch die einmalige Sonderzahlung von Birkenstock (Gewerbesteuer für Verkaufserlöse) im Jahr 2021 gilt Görlitz 2023 offiziell als reich. Fachbegriff: abundante Kommune. Das bedeutet, dass wir keine Schlüsselzuweisungen vom Freistaat bekommen und mehr Geld abdrücken müssen an den Kreis und für die Kulturumlage. 65 Millionen Euro hatten wir 2022 auf dem Konto. Diese Rücklage reicht bis Ende 2024. Ab 2025 hat Görlitz keine Reserven mehr. Das ist gerade jetzt blöd. Denn die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht weiter auseinander. Pro Jahr machen wir ab 2024 rund 10 bis 15 Millionen Euro pro Jahr Miese. Tendenz steigend.

Trotz angespannter Haushaltslage wollen wir investieren. Worin genau, auch das ist Thema unserer Diskussionen im August. Die Verwaltung plant vor allem mit Hilfe von Fördermitteln Gesamtinvestitionen 2023/24 in Höhe von 45 Millionen Euro. Das werden spannende Haushaltsdiskussionen.

Der Haushaltsentwurf ist übrigens wieder online abrufbar. Meine Kollegin Jana Krauß (Bündnisgrüne) bittet in der Sitzung darum. Zwar ist die offizielle Frist für die „Auslegung“ vorbei. Die Görlitzer können aber bis 5. Juli noch Einwände geltend machen. So lange soll das Dokument nun auch abrufbar sein.

 

Es folgen die Beschlussfassungen.

Zunächst stimmen wir einer Vorschlagsliste für Schöffen in der Stadt Görlitz zu. Reine Formalie. Das Amtsgericht prüft die Bewerbungen und trifft die finale Entscheidung. Danke an die über 100 Frauen und Männer, die sich für den Zeitraum 2024-2028 zur Verfügung stellen wollen.

 

Wahl einer Protokollführerin für die Schiedsstelle 3
Kerstin Irmscher wird mit sofortiger Wirkung für die Dauer von fünf Jahren als Protokollführerin der Schiedsstelle 3 der Stadt Görlitz gewählt. Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank fürs Engagement.

 

Vorfristige Mittelfreigabe für die Planungsleistungen zur Umsetzung der FöriGanzInvest
Hinter „FöriGanzInvest“ steckt ein Förderprogramm, mit dem Infrastruktur für Ganztagsangebote finanziert wird. Die Stadtverwaltung hat drei Module vorbereitet, die an den Landkreis gemeldet werden. Dieser wiederum reicht eine Vorhabenliste beim zuständigen Ministerium ein. Bis zur Förderung ist es ein weiter und unsicherer Weg. Was haben wir vor:

  1. Schallschutz verbessern (Melanchthon-Grundschule und Grundschule August-Moritz-Böttcher)

Das pädagogische Personal klagt über Lärmbelastung. Insgesamt acht Räume in den Grundschulgebäuden, die durch die Horteinrichtungen „CityKids“ und „Melanchthon-Hort“ in Doppelnutzung sind, sollen verschiedene Schallschutzmaßnahmen erhalten.

  1. Umgestaltung der Schulhöfe Diesterwegschule und Nikolaischule

Hier sollen die schlechten Zustände behoben und die Unfallgefahren beseitigt werden. Natürlich braucht es für Ganztagsangebote auch attraktive Flächen. Es liegen bereits erste Konzepte vor, die beispielsweise einen kleinen Fußballplatz, Grünflächen, Klettergerüste, Trampolins und einen Turm mit Rutsche vorsehen.

  1. Erneuerung der Außensportanlage am Hirschwinkel

Das derzeit gesperrte Freizeitareal (Bolzplatz und Basketball) soll saniert werden und anschließend für Grundschulen als Ganztagsort zur Verfügung stehen. Das lässt sich mit der „privaten“ Nutzung gut vereinbaren. Die Schulangebote enden im Regelfall gegen 15.30 Uhr. Leider ist das Projekt zeitlich spät eingeordnet. Sanierung im Jahr 2026. Damit würde die Anlage weitere drei bis vier Jahre gesperrt bleiben. Zwar sollen die Tore fürs Fußballspielen vom Bolzplatz auf das Rasenstück an der Turnhalle verlegt werden. Es fehlt aber speziell an Basketballplätzen, insbesondere in der Altstadt und Nikolaivorstadt. Unsere Fraktion hofft, dass wir im Zuge der Haushaltsdiskussionen noch eine Möglichkeit finden, den Sportplatz am Hirschwinkel zeitlich nach vorn zu ziehen.

Unsere Idee, Ballspielplatten als kostengünstige Variante auf dem verschlissenen Untergrund zu verlegen, wird von der Stadtverwaltung nicht empfohlen. Zu unsicher aufgrund der großen Fläche und des unebenen Untergrunds, sagen Ingenieurbüros.

Der Beschluss wird mit wenigen Enthaltungen einstimmig gefasst.

 

Baubeschluss „Gesamtsanierung Förderschulzentrum Königshufen 5. BA“
Wir arbeiten weiter daran, unsere Schulen zu modernisieren. Nächstes Haus ist das Förderschulzentrum „Mira Lobe“ in Königshufen. Im März 2024 soll mit der Gesamtsanierung begonnen werden. Dafür werden die Schüler in den Winterferien ein Ausweichobjekt in Weinhübel beziehen. Ähnlich funktionierte das bereits mit der Grundschule Königshufen. Die Fertigstellung ist im September 2025 geplant. Somit könnte in den Herbstferien das frisch sanierte Objekt wieder bezogen werden.

7 Millionen Euro kostet die Sanierung, knapp 3 Millionen Euro sind städtische Gelder. Den Rest zahlt der Freistaat. Dafür gibt’s jede Menge Modernisierung: Dach, Regenentwässerung, energetische Sanierung (Dämmung und Außenjalousien), Heizung, Sanitär und Elektro, Digitalisierung, Bodenbeläge, Akustik, Brandschutz in Klassenzimmern, kleiner Aufzug vom Hof zum Erdgeschoss für Kinder mit Behinderung, breitere Türen, höhere Geländer, Verdunklungen, etc.

Nicht enthalten in den Arbeiten ist eine Photovoltaikanlage. Mein Kollege Danilo Kuscher (Motor Görlitz) bittet darum, dies nicht aus den Augen zu verlieren. Vor allem weil wir es hier mit einer großen Dachfläche außerhalb von denkmalgeschützten Arealen zu tun haben. Bürgermeister Hummel sagt das zu. Eine solche Anlage wäre nachrüstbar. Es ist ihm ebenfalls wichtig, dass wir diese Fragen stärker beachten.

 

Aufhebung der Ausschreibung Straßenreinigung und Neuausschreibung der Leistungen
Ab 2024 brauchen wir einen neuen Vertragspartner, der unsere Straßen reinigt. Dafür hatte die Stadtverwaltung eine europaweite Ausschreibung für einen Zeitraum von fünf Jahren durchgeführt. Leider gab es nur ein Angebot, was viel zu teuer war. Deshalb soll die Ausschreibung wiederholt werden. Diesmal nur für zwei Jahre plus ein Jahr Verlängerungsoption.

Wir stimmen zu. Knirschen aber mit den Zähnen. Jana Krauß erinnert daran, dass unsere Fraktion bereits im Dezember 2022 vorgeschlagen hatte, die Laufzeit zu verkürzen und ggf. auch mehrere Lose auszuschreiben, getrennt nach maschinellen und manuellen Arbeiten. (Nachzulesen im Protokoll unter Punkt 3.4) Damit wollten wir die Chance auf mehr wirtschaftliche Angebote erhöhen. Das wurde damals verworfen bzw. – und das ist das eigentlich Ärgerliche – nicht weiter untersucht. „Wir machen uns wirklich Gedanken und werfen nicht einfach etwas in den Raum, um zu stören“, sagt Jana. Bürgermeister Benedikt Hummel sieht es etwas anders. Unsere Hinweise seien aufgenommen worden, man habe sie diskutiert, sei aber zu anderen Schlüssen gekommen.

Wie auch immer. Jetzt heißt es Daumen drücken, dass die neue Ausschreibung ein gutes Ergebnis bringt. Perspektivisch müssen wir uns ohnehin damit befassen, wie wir diese Dienstleistungen künftig absichern. Zittau etwa macht das mit seiner eigenen Gesellschaft. Auch das ist eine Option, wenn die Preise der Dienstleister weiter in den Himmel schießen.

Bei vier Enthaltungen wird die Vorlage angenommen.

 

Vorbereitung einer Kommunalen Wärmeplanung für die Stadt Görlitz
Ein Antrag der Fraktion Bürger für Görlitz, zu der Prof. Joachim Schulze von Bündnis90/Die Grünen gehört. Er verweist darauf, dass die Kommunale Wärmeplanung als gesetzliche Vorschrift kommen wird. Auch wenn wir heute noch nicht alle Einzelheiten kennen, sollten wir uns auf den Weg machen. Das ist klug. Wenn für alle Kommunen eine solche Wärmeplanung zur Pflicht wird, werden die Ressourcen knapp. Für viele fachliche Fragen braucht es externe Unterstützung. Also jetzt loslegen und recherchieren, was wir an Ressourcen benötigen, wie die Finanzierung ausschaut, welcher Zeitplan realistisch ist und wie wir die Bürgerschaft beteiligen können. Mit Hilfe dieser Angaben können wir konkret werden mit der Wärmeplanung. Etwa ein halbes Jahr dürften diese vorbereitenden Dinge dauern. In der Zwischenzeit wird es ein Bundesgesetz geben und wir haben Klarheit über die Förderlandschaft.

Erwartungsgemäß machen die Blauen daraus eine ideologische Veranstaltung. Jens Jäschke zeigt auf Kohlekraftwerke in China und will deshalb nicht zustimmen. (Dass China uns bei Erneuerbaren meilenweit voraus ist, ist offensichtlich noch nicht bis in seine gute Stube durchgedrungen.) Er stellt einen Änderungsantrag. Die Wärmeplanung soll es nur für städtische Gebäude geben. Als käme der Vorschlag direkt aus Absurdistan. Entsprechend fällt die Zustimmung sehr überschaubar aus.

Eine Stimme der Vernunft ertönt aus der CDU-Fraktion. Matthias Schöneich erklärt, dass wir uns längst auf den Weg gemacht haben, und verweist auf das Vorhaben einer   grenzüberschreitenden Versorgung von Görlitz und Zgorzelec. Wärmeplanung sei keine Vorschrift, eher eine Hilfe.

Mirko Schultze (Die Linke): Wärmeplanung gängelt nicht, sondern unterstützt bei Investitionsplanungen (u.a. auch unsere Gesellschaft Kommwohnen).

Jana Krauß (Motor Görlitz/Bündnisgrüne): Das ist ein wichtiges Instrument der Stadtentwicklung. Eine Förderung ist zu 100% vorgesehen. Wir müssen uns an die sich verändernde Welt anpassen. Das bedeutet, dass wir künftig nicht nur Energie zum Heizen, sondern auch zum Kühlen benötigen werden.

Karsten Günther-Töpert (BfG): Es wird fünf bis sechs Monate dauern, bis wir überhaupt vorbereitet für Förderanträge sind.

Oberbürgermeister Ursu bekommt einen ergänzenden Passus in den Beschluss. Somit ist festgeschrieben, dass wir nicht über gesetzlich verordnete Maßnahmen hinausgehen und es zu keiner Mehrbelastung kommt. Eigentlich unnötig an der Stelle. Das ist Thema für den nächsten Schritt. Da es aber auch nicht wirklich schadet, übernimmt BfG den OB-Vorschlag und wir stimmen ab.

Bei drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen ist eine große Mehrheit dafür. Darunter – etwas überraschend – auch Lutz Jankus (AfD).

 

Beschlussantrag auf Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels für die Große Kreisstadt Görlitz Die AfD will den OB beauftragen, einen qualifizierten Mietspiegel bis Jahresende zu erstellen. Damit soll das bestehende Gesetz, das zum 1.1.23 in Kraft getreten ist, umgesetzt werden. Und das ist der Knackpunkt: „Einen OB zur Einhaltung der Gesetze zu verpflichten, ist eigenartig“, stellt der Behindertenbeauftragte Michael Hannich (CDU) fest. Zumal Octavian Ursu erklärt, dass die Stadtverwaltung bereits mit der Erarbeitung eines qualifizierten Mietspiegels beschäftigt sei. Zur Frage der Finanzierung führe er Gespräche mit Dresden. Entgegen den Aussagen der AfD gebe es keinen Automatismus für die Kostenübernahme. Insofern ist der Antrag überflüssig, wie meine Kollegin Jana Krauß feststellt.

Ein stückweit kann ich den Ärger der AfD verstehen. Deren Vertreter Gerald Rosal hatte sich mehrfach nach einem Görlitzer Mietspiegel erkundigt. Aussagekräftige Antworten gab es nicht. Es folgte der Antrag. Erst einen Tag vor der Stadtratssitzung informierte uns der Oberbürgermeister über den aktuellen Stand. Dafür sind die Ausschusssitzungen da.

Der Antrag wird von allen Fraktionen außer der AfD abgelehnt. Nun muss die Verwaltung liefern.

 

Aufzeichnung und Speicherung von Stadtratssitzungen
Mit unserem Antrag wollen wir Bürgerfreundlichkeit und Transparenz erhöhen. Görlitz ist Vorreiterin bei Liveübertragungen. Viele Interessierte können sich aber nicht an einem Donnerstag ab 16.15 Uhr vor das Endgerät setzen und mehrere Stunden Stadtrat verfolgen. Wir schlagen vor, die Stadtratssitzung einen Monat lang als Aufzeichnung in einer „Mediathek“ anzubieten. Die Zeit sollte ausreichend sein, um sich über die jüngste Sitzung zu informieren. Die zusätzlichen Kosten für diese Dienstleistung wären überschaubar. Der Effekt umso größer.

Ein Knackpunkt in der Diskussion sind die Datenschutzregeln. Dabei ist in unserer Vorlage die gesetzliche Grundlage klar beschrieben. Egal ob Livestream oder Mediathek – für jede einzelne Verwendung der Aufnahmen braucht es die schriftliche Einwilligung aller im Raum befindlichen Personen. Die Aufgabe besteht schon heute, da wir einen Livestream zeigen.

Es würde keinen Mehraufwand geben, wenn wir zusätzlich die Zustimmung zur Aufzeichnung einholen. Kann alles auf ein Formular.

Die Diskussion ist teilweise schräg. Lutz Jankus von der AfD wirft uns vor, Transparenz nur vorzuschieben. Nicht alle seien rhetorisch geschickt. Die „leisen Stimmen“ könnten verstummen, wenn es eine Aufzeichnung der Sitzung gebe. Gerichtsverhandlungen würden auch nicht übertragen. Mich überrascht diese Argumentation. Rückblick, April 2020. Auf der Tagesordnung ein AfD-Antrag mit dem Titel „Dauerhafte Speicherung der Übertragung der Sitzungen des Stadtrates und Veröffentlichung“(zum Nachlesen: Beschlussvorlage-AfD_Mediathek_April2020) Aus dem Protokoll: „Herr Jankus erläutert die Beschlussvorlage inhaltlich. Der Fraktion gehe es dabei um die Transparenz für die Bürger, insbesondere dann, wenn sie aus zeitlichen Gründen den Livestream nicht zur Übertragungszeit sehen können.“ Na sowas.

Skepsis auch in der CDU. Dieter Gleisberg, Fraktionsvorsitzender, behauptet, dass sich das nicht viele Leute ansehen würden. „Wer sich wirklich dafür interessiert, schaut den Livestream.“

Verständnis habe ich für Stadträte, die sich unwohl fühlen beim Gedanken, als ASkteur in einer Aufzeichnung verfügbar zu sein. Wobei die Protokolle aller Sitzungen bereits heute abrufbar sind. Ich denke, dass es nichts Unmittelbareres geben kann, als eine Sitzung im Original zu sehen. Ohne jede Einordnung. Ganz objektiv. Im Gegensatz zu diesem Rückblick.

Einer spannenden Debatte folgt das knappste mögliche Abstimmungsergebnis. 13 sind dafür. 13 sind dagegen. Vier Enthaltungen. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt. Im Nachgang finde ich es positiv. Einem solchen Beschluss sollte eine große Mehrheit folgen. Vielleicht gelingt es im nächsten Jahr. Der dann neu gewählte Stadtrat muss ohnehin darüber befinden, ob es weiterhin Übertragungen gibt.

 

Brücken zwischen Görlitz und Zgorzelec
Mit einem Grundsatzbeschluss wollen wir die politische Stimmungslage klären. Ist der Görlitzer Stadtrat grundsätzlich für weitere Brücken, vor allem für Fußgänger und Radfahrer? Wir werben dafür. Wenn wir in zehn Jahren, zum 35. Jubiläum der Europastadt, eine neue Brücke haben wollen, müssen wir heute beginnen, darüber zu sprechen. Mit unserem Antrag wollen wir fortsetzen, was 2015 endete. Nach einer erfolgreichen Unterschriftensammlung gegen das Vorhaben einer Brücke am Lindenweg wurde das Vorhaben beerdigt (offiziell aus finanziellen Gründen). Seitdem sind Brücken im Brückenpark kein Thema der öffentlichen Debatte.

Im Mai 2022 beschlossen die Stadträte von Zgorzelec und Görlitz in einer gemeinsamen Sitzung, die Planungen für eine Autobrücke im Norden der Städte voranzutreiben. Diese soll den Verkehr in beiden Städten entlasten, ist aber keine Lösung, um Radfahrern und Fußgängern Wege in die Nachbarstadt zu verkürzen.

Im Antrag benennen wir keine möglichen Standorte, geben keine Zeitpläne vor. Aus einem einfachen Grund: Nach positivem Grundsatzbeschluss überlegen Görlitz und Zgorzelec gemeinsam, prüfen Standorte, legen Prioritäten fest. Und nehmen dabei die Bürgerschaft mit auf den Weg, damit sich niemand überrumpelt fühlt. Ziel: Wenn eine der beiden Städte eine Möglichkeit für ein Förderprojekt sieht, haben wir einen Plan in petto.

Die Diskussion beginnt vorhersehbar. Jens Jäschke erklärt, dass wir ausreichend Brücken haben. Ein neues Bauwerk würde keine Entlastung bringen. Deshalb sei der Antrag aus Kostengründen abzulehnen. Jetzt wird’s lustig: Jens Jäschke beantragt nach seinem Hinweis auf die Kosten, dass doch geprüft werden solle, ob die historisch erbauten und 1945 gesprengten Brücken mit Hilfe von europäischen Geldern wieder errichtet werden können. Da fällt dir nichts mehr ein.

Die CDU tut sich auch schwer. Vielleicht hätte ich Volker Bandmann in meine einführenden Worten einbauen sollen. Der ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete hatte gegen alle Widerstände die Altstadtbrücke durchgesetzt. Seine Parteikollegen zeigen wenig von diesem europäischen Geist. Matthias Urban hat zwar nichts gegen eine grundsätzliche Zustimmung zu weiteren Brücken. Mit der polnischen Seite darüber sprechen, gar in konkrete Überlegungen eintreten möchte er nicht. Da wir ziemliche Finanzprobleme haben, wie er anmerkt. (Erinnerung: Wir reden über eine Dekade Vorlauf.) Neue Brücken seien unrealistisch, wir würden bei den Bürgern nur falsche Erwartungen wecken.

CDU-Fraktionsboss Dieter Gleisberg sekundiert: „Wir sind für Brücken.“ Es folgt der Verweis auf Volker Bandmann. Er tritt aber nicht in seine Fußstapfen. Dieter Gleisberg findet, dass wir uns die Vorlage komplett sparen können. Wir hätten schließlich erst letztes Jahr über Brücken geredet. (Erinnerung: Da ging es um die Autobrücke im Norden. Gänzlich anderer Charakter und anderes Preisregal.) Außerdem sollten wir erstmal die polnische Seite fragen, was sie davon hält. (Brauchen wir nicht zuerst Klarheit, ob wir für Brücken sind, bevor wir die polnische Seite befragen? Diesen Weg schlagen wir vor.) Ich habe das Gefühl, dass Dieter Gleisberg nicht viel Vorbeitungszeit hatte. Er kennt unseren Antrag nicht. Bemerkenswert ist zudem, dass von der CDU in den Ausschüssen keinerlei Argumente kamen. Herr Gleisberg kritisiert oft und gern, wenn erst im Stadtrat diskutiert wird.

Aus CDU-Sicht ausgerechnet Mirko Schultze von den Linken nimmt das Bandmann-Bild auf: „Hätte Volker Bandmann so operiert, dass man erst loslegt, wenn alles klar ist, wäre die Altstadtbrücke nie gebaut worden.“ Mehr Brücken. Mehr Bürgerbeteiligung. Mehr Europastadt. Ja, das hat Schulle treffend zusammengefasst.

Jana Krauß nimmt uns mit auf einen Spaziergang, entlang am wunderschönen Neißeufer. Wir sollen uns vorstellen, dass man auf einer Seite hochläuft, zum Beispiel bis zum Viadukt und auf der anderen Neißeseite zurück. „Ich verstehe gar nicht, wie man dagegen sein kann.“

Auch Rolf Weidle (BfG) geht in die Bütt. Der dienstälteste Stadtrat wundert sich über die verzagte Diskussion, die nicht zu einer Europastadt passt. Er verweist auf Regionalplaner Dr. Zathey und den großen Applaus nach seinem Vortrag bei der gemeinsamen Stadtratssitzung, als er auch über zusätzliche Brücken sprach. Außerdem erinnert Dr. Weidle an den Vortrag unserer Klinikumschefin. Internationalität ist gefragt. Wozu sind wir Europastadt?

Es zeichnet sich ein Patt ab. Oberbürgermeister Ursu baut der CDU eine Brücke. Er schlägt vor, dass wir unseren Antrag präzisieren. Im Zuge der Fortschreibung des Gesamtverkehrskonzeptes soll eine gemeinsame Konzeption mit Zgorzelec erarbeitet und mögliche Standorte mit Prioritäten untersetzt werden. Dabei soll konkret der Standort am Viadukt untersucht werden.

Damit geht der OB deutlich über unseren Antrag hinaus. Die Bauchschmerzen der CDU müssten stärker werden. Passiert aber nicht. Im Gegenteil. Dieter Gleisberg haut einen raus. Erst durch die Ergänzung des OB sei der „inhaltslose“ Antrag überhaupt abstimmungsfähig. Entscheidend ist das Ergebnis. Deshalb lassen wir Gleisbergs Aussage stehen und genießen die Abstimmung. Nur eine Gegenstimme und fünf Enthaltungen aus der AfD.  24 Stimmen gibt es für neue Brücken zwischen Görlitz und Zgorzelec.

Ich finde, das ist eine sehr gute Botschaft, die von dieser Stadtratssitzung ausgeht. Ein prima Start in die kommunalpolitische Sommerpause.

 

Text und Foto: Mike Altmann

Stadtratsblog #32: 23.6.2022

Der Stadtrat steuert auf die Ferienpause zu – die Tagesordnung ist sommerlich luftig. Am Ende werden wir fast alle Beschlüsse einstimmig fassen. Dennoch gibt es Aha-Erlebnisse und Aufreger.

Zunächst informiert uns Oberbürgermeister Octavian Ursu über interessante Dinge. Er entscheidet sich diesmal für ein Potpourri der interkommunalen Zusammenarbeit. Wir erfahren, dass er sich mit Nieskys Oberbürgermeisterin Kathrin Uhlemann in Sachen Eisenbahntestring TETIS getroffen hat und das Vorhaben unterstützt. (Es ist allerdings sehr weit von einer Umsetzung entfernt, da es derzeit niemanden gibt, der die Investitionen bezahlen will.) Mit Ostritz wird es konkreter: Wir beschließen im weiteren Verlauf der Sitzung die Erweiterung des Gewerbegebietes auf dem alten Kraftwerksgelände Hagenwerder. Auch den Zittauer OB Thomas Zenker traf Ursu und berichtet von einer intensiveren Zusammenarbeit bei Ausstellungen aber auch bei der Unterstützung der Hochschule. In Kürze soll es auch Gespräche mit Löbau geben. Überregional war der OB ebenfalls unterwegs und hat sich mit dem polnischen Botschafter getroffen, um über grenzüberschreitende Projekte mit Zgorzelec zu berichten.

In der Fragestunde für Einwohner kritisiert Kurt Bernert die vielen Zigarettenstummel vor Görlitzer Lokalen und in Gullis. Er fragt, ob die Verwaltung die Gastronomen dazu bringen kann, Aschenbecher vor ihren Häusern aufzustellen. Die Rathausspitze sagt zu, dass die EGZ in ihrer nächsten Gastro-Runde das Thema anspricht. Der Wunsch von Kurt Bernert (und anderen) nach mehr 30er Zonen in Görlitz wird möglicherweise noch schneller erfüllt: Im nächsten Stadtrat gibt es dazu eine Vorlage der Verwaltung.

Mehr Fragen gibt es nicht aus der Bürgerschaft. Nun kommen die Stadträte an die Reihe.

Andreas Kolley (Motor Görlitz) fragt, wie es mit dem Mobilitätskonzept weitergeht. Vor zweieinhalb Monaten fand ein Workshop mit Bürgerinnen und Bürgern statt. Wie werden die Ergebnisse kommuniziert und wann entscheiden wir? Bürgermeister Michael Wieler berichtet, dass sich das Verfahren etwas verzögert hat. Den Teilnehmern wurde zugesagt, dass sie ein Protokoll inkl. Schlussfolgerungen erhalten, das allerdings noch nicht fertig ist. Da nun die Sommermonate anstehen, gehe ich davon aus, dass es erst im Herbst weitergeht mit der Arbeit am Verkehrs- und Mobilitätskonzept. Tempo 30 ist gut und schön, aber nicht bei einem so wichtigen Thema. Da darf mehr Geschwindigkeit rein.

Mirko Schulze (Die Linke) fragt, ob es zum Rollsplit auf der Bahnhofstraße keine Alternative gab. Das kann niemand aus der Verwaltung beantworten. Der zuständige Fachmann ist nicht da. Das gilt auch für die Beantwortung der zweiten Frage: Warum kann man seit einiger Zeit auf dem Parkplatz Hugo-Keller-Straße nicht mit Karte zahlen?

Andreas Zimmermann (CDU) erkundigt sich, ob es nicht doch eine Chance gibt, die Kraftwerksstraße durchs Industriegebiet Hagenwerder für den öffentlichen Verkehr freizugeben (um damit Tauchritz zu entlasten). Das verneint Dr. Wieler. Das zuständiges Landesamt hat erklärt, dass dafür ein umfangreiches Gutachten nötig wäre. Bezahlen müsste es Görlitz. Damit sind die Fronten klar.

Peter Stahn von der AfD möchte wissen, ob an den Gerüchten etwas dran sei, dass der Ausbau des alten Kondensatorenwerks für das CASUS-Institut auf Eis gelegt wurde. Das kann der OB nicht bestätigen.

Ich frage nach zur Situation des Nostromo. Tags zuvor gab es eine Gerichtsverhandlung zur Räumungsklage des Schlachthof-Besitzers Gausepohl. Damit droht das Ende des Clubs nach mehr als 20 Jahren. Genau das sollte doch eigentlich durch die Verhandlungen der Stadtspitze verhindert werden. Ich frage nach, warum man über Grundstückskäufe verhandelt, ohne dass der Rechtsstreit zumindest ruhend gestellt wurde? Warum der Eigentümer mit Samthandschuhen angefasst wird, obwohl er das Grundstück mitten in der Stadt seit mehr als zwei Jahrzehnten stiefmütterlich behandelt (ohne das Nostromo-Team wäre der Zustand wohl deutlich schlechter)? Außerdem möchte ich wissen, ob in den Verhandlungen berücksichtigt wurde, dass ein Freundeskreis bereit ist, Teile des Grundstückes für 200.000 Euro zu erwerben, um das Nostromo zu erhalten.

Der OB und sein Beigeordneter geben sich zurückhaltend. Im öffentlichen Teil der Sitzung erklären sie, dass es weiterhin Gespräche gibt und die Klage eine Sache zwischen Herrn Gausepohl und dem Schall und Rauch e.V. als Betreiber des Nostromo sei. Außerdem wäre meine Ansicht falsch, dass das Grundstück vernachlässigt wurde. Dr. Wieler erinnert daran, dass Herr Gausepohl in vergangenen Jahren offen für Initiativen auf seinem Gelände war und diese teilweise auch finanziell unterstützte. Außerdem habe er auch selbst Ideen eingebracht, denen aber aus Stadtentwicklungssicht nicht zugestimmt wurde.

Zur Situation des Nostromo sagt der OB: „Die Diskussion ging los bei der Vorlage zum Katastrophenschutzzentrum. Das Nostromo war nur im Vortrag erwähnt. Da hätte man darüber reden können. Das war aber nicht mehr möglich, weil die Diskussion in eine völlig andere Richtung gelaufen ist. Das hat der Sache nicht gut getan. Es ist müßig, jetzt weiter darüber zu sprechen. Wir sollten nach vorne schauen. Es ist ein Grundstück, das wir brauchen in der Stadt.“

Ich hoffe nicht, dass die Betroffenen nun den Schwarzen Peter zugeschoben bekommen. So nach dem Motto: Wärt ihr mal leise und brav geblieben.“ Erinnern wir uns: Im Dezember 2020 sollte der Stadtrat eine Machbarkeitsstudie für ein Katastrophenschutzzentrum auf dem alten Schlachthofgelände in Auftrag geben. In der Vorlage, verfasst von Bürgermeister Michael Wieler, stand folgender Satz: „Rückzubauen ist in jedem Falle das momentan durch das Nostromo genutzte Gebäude, auf dessen Grundfläche der Kopfbau der Berufsfeuerwehr mit den für den ersten Abmarsch erforderlichen Stellplätzen entstehen könnte.“ Öffentlich, für jeden einsehbar, auch für die Leute vom Nostromo. Was hätten sie anderes tun sollen, als darauf ebenfalls öffentlich aufmerksam zu machen und zu protestieren. Lesen konnte die Vorlage auch Herr Gausepohl, der Eigentümer. Nur wenige Tage später, am 28.12.2020, flatterte dem Schall und Rauch e.V. die Kündigung ins Haus. Angeblich wegen des Protestes. Eine merkwürdige Verkehrung von Ursache und Wirkung, der sich städtische Vertreter nicht anschließen sollten. Derzeit bleibt uns nichts anderes als die Daumen zu drücken, dass bis zur Urteilsverkündung am 6.7. die Räumungsklage noch abgewendet werden kann.

Seinem Ruf gerecht wird Stadtrat Jens Jeschke (AfD-Mitglied, fraktionslos). Er möchte wissen, warum eine ausrangierte Drehleiter der Berufsfeuerwehr der Ukraine geschenkt wird und nicht unsere Nachbargemeinden damit unterstützt werden. Die Neiddebatte geht ins Leere. Denn die ausrangierte Drehleiter darf gar nicht mehr innerhalb der EU benutzt werden. Für die Ukraine kann das voll funktionstüchtige Gerät aber noch wertvolle Dienste leisten.

Aufbruch ins neue digitale Zeitalter: Wir bekommen für die Beschlusskontrolle keine Excel-Tabellen mehr. Stattdessen ist der Bearbeitungsstand demnächst über ein Modul im Ratsinformationssystem abrufbar. Das entlastet die Mitarbeiter, die die ewig langen Tabellen erstellen mussten. Der OB berichtet, dass nach Auskunft der beauftragten Firma Görlitz absoluter Vorreiter auf diesem Gebiet ist. Eine gute Nachricht und Ansporn, auch auf anderen Feldern bei der Digitalisierung aufzuholen.

Dann fassen wir Beschlüsse:

Änderung der Friedhofssatzung
Es erfolgt eine Aktualisierung aus rechtlichen Gründen, veraltete Paragrafen wurden überarbeitet.

 

Gebührensatzung zur Friedhofssatzung
Sterben wird teurer. Das überrascht vermutlich niemanden bei den allgemeinen Preissteigerungen. Friedhofschefin Evelyn Mühle erläutert uns die Kalkulation für die nächsten fünf Jahre. Sie braucht von der Stadt künftig rund 20.000 Euro mehr pro Jahr (entspricht ca. 20 Prozent). Wie hoch die Gebühren für die Bürger steigen, lässt sich nicht pauschal sagen. Das hängt vom jeweiligen „Paket“ ab. Im Vergleich mit anderen Städten nimmt Görlitz einen Mittelplatz ein.

 

Benutzungs- und Entgeltordnung für Schulen und Sportstätten
Aus zwei Satzungen wurde eine gemacht. Das ist vernünftig. Auch hier mussten die Gebühren neu kalkuliert werden. Grundlage sind die Gebäude und Anlagen. Sie sind seit der letzten Kalkulation 2005 zumeist im Wert gesunken. Damit werden von vielen Vereinen auch weniger Gebühren erhoben. Aber nicht alle profitieren. So zahlen die Leichtathleten im Stadion der Freundschaft deutlich mehr, weil durch die Sanierung dessen Wert gestiegen ist. In Summe ist es aber verkraftbar, vor allem wenn es auf die einzelnen Athleten heruntergerechnet wird. Neu: Ab Januar müssen Vereine 19% Mehrwertsteuer bezahlen. Das kommt als Kostenblock dazu (ein Irrsinn, was uns hier aufgebürdet wird vom Bund – aber das ist wieder ein anderes Thema). Ich bedanke mich als Mitglied des Sportausschusses in einem kurzen Redebeitrag beim Amtsleiter Alexander Eichler für seine Ausarbeitungen zum Zustand unserer Sportstätten, die allen Fraktionen als internes Material vorliegt. Mein Wunsch für den nächsten Haushalt: Wir müssen überfraktionell mehr Geld für den Werterhalt einplanen. Es kann nicht sein, dass es in unsere Sporthallen einregnet.

 

Dann lösen wir zwei Sanierungsgebiete auf.
In der Nikolaivorstadt und der Historischen Altstadt wurden die Sanierungsziele erreicht. Wir alle sehen jeden Tag staunend, wie schön unsere gute Stube geworden ist. Dank des Engagements vieler Bauherren, der Stadt und von Fördermittelgebern. Zur Sanierung in der Nikolaivorstadt heißt es z.B. in einem Vortrag der Stadtverwaltung: „In 25 Jahren Sanierungstätigkeit wurden rund 17 Millionen Euro Städtebaufördermittel im Gebiet eingesetzt. Dieser Anreiz löste ein vielfach höheres Gesamtinvestitionsvolumen im privaten Bereich aus. Bei den Gebäuden ist ein Sanierungsstand von rund 95 Prozent zu verzeichnen. Die Nikolaivorstadt hat sich zu einem bevorzugten Wohnstandort entwickelt. Ablesbar ist das an der gestiegenen Bevölkerungszahl auf 1.179 Einwohner, das bedeutet einen Zuwachs von rund 52 Prozent. Mit einem Durchschnittalter von 42 Jahren zählt die Nikolaivorstadt mit zu den jüngsten Stadtteilen.“ Ebenfalls imposant sind die Ergebnisse nach 30 Jahren Sanierungsgebiet „Historische Altstadt“: „44 Plätze und Straßen wurden nach historischem Vorbild saniert. Stadtmauern und Stützmauern wurden instandgesetzt, ebenso wie alle Grünanlagen innerhalb der Stadtbefestigung (Ochsenbastei, Nikolaizwinger). Nahezu alle historischen Gebäude wurden saniert (darunter 197 Privatgebäude). Heute ist die Historischen Altstadt das zweitjüngste Wohngebiet der Stadt und hat wieder 2.600 Bewohner.“

Um die erreichten Sanierungsziele zu sichern, wird für ausgewählte Bereiche ein Bebauungsplan aufgestellt.

 

Anpassung der Finanzierung des Bürgerhauses im OT Schlauroth
Das Bürgerhaus in Schlauroth ist – wie fast alle Baumaßnahmen – teurer geworden als geplant. Wir schichten 62.000 Euro um und nehmen 12.000 Euro aus den Rücklagen. Das ist ein Paradigmenwechsel. Bislang sollten die Rücklagen (mit 64 Millionen Euro gut gefüllt aufgrund der Gewerbesteuersonderzahlung von Birkenstock) nicht angetastet werden, um für die Folgejahre, wo es wenig bis gar keine Landeszuschüsse gibt, gewappnet zu sein. Meine Kollegin Jana Krauß (Bündnisgrüne) fragt nach: Was hat das für Folgen? Unsere Finanzchefin Birgit Peschel-Martin erklärt, dass es künftig weitere solche Vorlagen geben wird, da angefangene Baumaßnahmen deutlich teurer werden. Ohne Griff in die Rücklagen lassen sie sich nicht zu Ende bringen. Glück im Unglück aus ihrer Sicht: „Wir können in die Kasse greifen, andere Kommunen nicht.“ Freilich nicht ohne Auswirkungen auf die Folgejahre.

 

Verkauf von Teilflächen im Gewerbegebiet Hagenwerder
Wir verkaufen insgesamt 7.200 m² an die hedue GmbH, Mönchengladbach. Der Kaufpreis beträgt vorläufig 79.200 Euro, wird jedoch noch genau ermittelt durch den Verkehrswert. Das Unternehmen stellt vorrangig Messgeräte her. In Görlitz soll eine Gewerbehalle mit Lager, Büro und Werkstatt entstehen. Elf Arbeitsplätze will hedue schaffen. Für Irritationen sorgten Pressemeldungen, dass die hedue GmbH auch in Zittau ein Grundstück erwerben möchte. Werden wir hier gegeneinander ausgespielt? Bürgermeister Wieler hat keinen Zweifel, dass das Unternehmen nach Görlitz möchte. Das sei auch nochmals in einem Gespräch bestätigt worden. Wir werden sehen, wie das ausgeht. Ein großes Risiko gibt es nicht. Falls die hedue Gmbh auf dem Grundstück nicht innerhalb einer festzulegenden Zeit baut, geht es zurück an die Stadt. Es handelt sich auch nicht um ein „Filetstück“.

 

Entwicklung des „Gewerbe- und Industriegebiets Ostritz-Görlitz“
Nach vielen Jahren Vorlauf geht es nun endlich los: Wir entwickeln gemeinsam mit Ostritz das ehemalige Kraftwerksgelände in Richtung Süden weiter. In einem ersten Schritt wird der bestehende Bebauungsplan verändert. Das zusätzliche Gelände umfasst zwischen 80 bis 100 Hektar Bruttofläche. Wieviel davon tatsächlich für Ansiedlungen genutzt werden kann, wird sich in der bald folgenden Planung zeigen. Nach einer Veröffentlichung zu diesem Thema in der SZ wird diskutiert, ob das denn sinnvoll sei, weitere Industrie- und Gewerbebetriebe in der Nähe des Sees anzusiedeln. Und ob die Stadt noch mehr Schwerlastverkehr verträgt, da es keine Ortsumfahrung nach Hagenwerder gibt. Fangen wir mit Letzterem an: Wenn die Stadt Görlitz einen gestiegenen Bedarf nachweist, könnte in das Thema Südumfahrung neue Bewegung kommen. Die Vereinbarkeit von Wirtschaft und Erholung ist gegeben. Schon heute arbeiten in der Nähe des Sees viele Betriebe. Mir ist nicht bekannt, dass sie Touristen oder Ausflügler stören würden. Was man nicht vergessen darf: Die Nähe des Berzdorfer Sees könnte ein wichtiges Argument für die Ansiedlung von Unternehmen sein.

 

LEADER-Entwicklungsstrategie 2023 – 2027

Etwas überraschend gibt es hier emotionale Diskussionen. Dabei ist alles recht einfach: Görlitz ist Teil der regionalen LEADER-Familie. Über LEADER fördert die EU Projekte im ländlichen Raum. Dazu zählen die Görlitzer Ortsteile Hagenwerder/Tauchritz, Kunnerwitz/Klein Neundorf, Schlauroth und Ludwigsdorf/Ober Neundorf. Von LEADER-Geldern profitierte etwa das Bürgerhaus Schlauroth. Bis Ende Juni müssen wir die Entwicklungsstrategie bestätigen, sonst ist die Stadt raus aus dem Programm. Dazu besteht Einigkeit. Bis Andreas Zimmermann, CDU-Stadtrat und Ortsvorsteher von Hagenwerder/Tauchritz nachfragt, wer die Stadt im LEADER-Programm vertritt. Die Antwort von Bürgermeister Wieler überrascht: Stadtrat Karsten Günther-Töpert wurde als Ortsvorsteher von Ludwigsdorf/Ober-Neundorf angesprochen und würde diese Funktion übernehmen. Das führt zu großem Hallo bei der AfD. Günther-Töpert sei parteiisch, was sich in Diskussionen auf Facebook zeige, sagt Sebastian Wippel. Es geht eine Weile hin und her. Der OB bietet an, dass sich die Ortsvorsteher zu der Personalie abstimmen und einen Vorschlag unterbreiten. Das begrüße ich am Saal-Mikro. Die Art und Weise der Benennung des städtischen Vertreters war zumindest unsensibel. An der Integrität von Karsten Günther-Töpert gibt es für unsere Fraktion aber keine Zweifel.  Meiner Bitte, dass wir trotz dieser Personaldiskussion der regionalen LEADER-Strategie möglichst breit zustimmen und damit ein starkes Signal ins Umland senden, wird entsprochen. Am Ende beschließen wir die Vorlage einstimmig. Und auf einen Vertreter von Görlitz werden wir uns sicherlich auch einigen.

 

Benennung Elisabethplatz
Die CDU-Fraktion möchte, dass der zur Elisabethstraße gehörende Platz einen eigenen Namen bekommt. Im Volksmund heißt er schon immer Elisabethplatz. Das soll nun auch offiziell werden. An den beiden flankierenden Straßenseiten ändert sich nichts. Das bleibt die Elisabethstraße. Mein Kollege Andreas Kolley signalisiert unsere Unterstützung für den Antrag und hofft, dass mit derselben Energie wie bei den vielfältigen Straßenbenennungen auch andere Themen bearbeitet werden. Denken wir an Bildung, den Berzdorfer See oder die Jugendbeteiligung. Die Vorlage wird als einzige nicht einstimmig beschlossen. 18 Ja-Stimmen, 6-mal Nein und 4 Enthaltungen gibt es. Die Benennung des Platzes erfolgt nicht sofort, sondern erst nach der Sanierung des oberen Teils.

Es endet der öffentliche Teil. Was die Stadtgesellschaft nicht sieht: Wir tagen hinter verschlossenen Türen weitere zwei Stunden. Worum es da ging, ist derzeit noch geheim. In den nächsten Wochen kann ich euch mehr darüber berichten. Es bleibt spannend für Görlitz.

 

Autor: Mike Altmann

Foto: Blick ins Nostromo. Im Club stecken mehrere hunderttausend Euro an Arbeitsleistung und Material vom Schall und Rauch e.V.

 

 

Stadtratsblog#26: 16.12.2021

Letzte Sitzung vor der Weihnachtspause. Stollen und Oberbürgermeisterschreiben liegen als Zeichen der Jahresendzeit auf jedem Tisch. Vielen Dank an die Bäckerei Tschirch und Octavian Ursu für Gebäck und Worte. Zu Beginn ergreifen Dieter Gleisberg (CDU) und Prof. Joachim Schulze (Bündnis90/Grüne, Fraktion BfG) das Wort. In ihren persönlichen Erklärungen kritisieren sie eine Veröffentlichung der AfD-Fraktion auf Facebook. Darin werden Hinweise gegeben, wie man sich im Falle einer Anzeige verhält, in Verhandlungen auftritt. Gratis gab es Formulierungshilfen für Lügen und Hinweise, wie die Justizbehörden am besten lahmgelegt werden.

In Abstimmung mit meiner Fraktion gebe ich auch eine Erklärung ab. Hier der Wortlaut:

Zur Bedienungsanleitung der AfD-Stadtratsfraktion, wie man als Teilnehmer an einer illegalen Versammlung die Justizbehörden am besten lähmt, kann man nur sagen: Was will man erwarten von einer destruktiven Kraft? Meine Herren ganz Rechtsaußen: Sie können 1000 Jahre lang Kerzen aufstellen, eine Friedensbewegung wird nicht aus Ihnen. Wie schrieb Thomas Mielke von der Sächsischen Zeitung heute zu den Corona-Protesten? „Noch schlimmer sind diejenigen, die auf den Zug aufspringen. Ihnen geht es gar nicht um Corona und die Auswirkungen von Spritzen, Schulschließungen, Kurzarbeit oder Insolvenzen. Es geht ihnen darum, die Gesellschaft zu destabilisieren. Aus niederen Beweggründen und nicht, weil sie einen besseren Plan hätten.“ Deshalb möchten wir gar nicht weiter auf diesen Kniefall einer Stadtratsfraktion vor Regelbrechern eingehen, sondern uns bedanken.

Danke ihre Krankenpflegerinnen und Altenpfleger, Ärztinnen und Ärzte. Danke, dass ihr schon so lange durchhaltet. Wir wissen, dass es mehr braucht als Klatschen – diese Entscheidungen liegen nicht in der Hand von Stadträten.

Danke den Kindern und Jugendlichen, die unglaubliche Entbehrungen auf sich nehmen. Wenn jemand demonstrieren sollte, dann seid ihr es.

Danke an Trainer, Betreuerinnen, ehrenamtlich Engagierte, dass ihr insbesondere der jungen Generation auch in diesen schwierigen Zeiten zur Seite steht und Abwechslung ermöglicht. Dass ihr für die Alten, Schwachen und Einsamen da seid.

Danke an alle Unternehmer, Händlerinnen, Gastronomen, die durchhalten und dort sachlich kritisieren, wo es nötig ist.

Danke den Eltern, die im Nebenberuf Lehrerin und Lehrer geworden sind und trotz der Anspannung den Kindern eine angenehme Zeit schenken.

Ohne Großeltern würde dennoch vieles zusammenbrechen. Danke, dass ihr da seid, auch wenn ihr immer zu viele Süßigkeiten erlaubt.

Der Dank geht an alle Berufsgruppen, ohne die unser Alltag zusammenbrechen würde. Ob ihr uns in Straßenbahnen von A nach B fahrt, unseren Müll wegräumt, uns die Pakete und lecker Essen bringt oder die Haare schön macht.

Wir danken den Leuten bei Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten für den Schutz der Gemeinschaft.

Danke an Lehrerinnen und Erzieher, dass ihr in dieser schwierigen Zeit für unsere Kinder da seid und das bestmögliche versucht, ihnen gute Begleiter zu sein.

Ein Dank geht an alle Künstlerinnen und Künstler, die uns aufgeheitert haben, als alles dicht war und wir zumindest online Kultur genießen durften, obwohl ihr es seid, die mit am meisten unter den Beschränkungen leiden.

Danke an alle Unerwähnten.

Zum Abschluss noch: Danke Deutschland – es tut gut in einem Land zu leben, das Menschen und Unternehmen nicht allein lässt in der Krise. Auch wenn man vieles besser machen kann – wir fühlen uns sicher und wohl bei dir. 

 

Abschied: Dann wird es emotional. Die langjährige Schulamtsleiterin Dr. Petra Zimmermann wird in den Ruhestand verabschiedet. Mit Bürgermeister Michael Wieler hat sie in den letzten 14 Jahren besonders intensiv zusammengearbeitet, deshalb kommen persönliche Abschiedsworte von ihm. OB Octavian Ursu schließt sich an. Die Fraktionen applaudieren. Vielen Dank und eine gute Zeit, liebe Frau Dr. Zimmermann. Ihrem Nachfolger Alexander Eichler wünsche ich einen guten Start im Januar.

Informationen des OB

Corona: Die Intensivstationen sind voll. Bis auf zwei Ausnahmen liegen in Görlitz (zu diesem Zeitpunkt) ausschließlich Menschen auf IST, die nicht geimpft sind. Man kann daraus Schlüsse ziehen.

Silvester: Der OB erklärt das Knaller-Verbot. Es gibt Ausnahmen. Das Abbrennen von Feuerwerk ist auf privaten Grundstücken erlaubt (falls jemand Reste zu Hause hat). Octavian Ursu appelliert an den gesunden Menschenverstand. Ich halte den Umgang mit Feuerwerk für nicht nachvollziehbar. Schon in „Normalzeiten“ mag ich es nicht – aktuell, bei den bekannten Belastungen unseres Gesundheitswesens, ist es für mich fahrlässig.

Waggonbau Görlitz: Alstom hat kurz vor Weihnachten erklärt, dass 400 Jobs gestrichen werden sollen. Mit diesem französischen Konzern in der Hauptrolle könnte man den DEFA-Klassiker „Das kalte Herz“ neu interpretieren. Der OB informiert, dass es Verhandlungen zwischen Unternehmen und Betriebsrat gibt. Bund und Land sind eingeschalten und suchen mit nach Lösungen, da mehr Schienenverkehr gewünscht ist. Ich freue mich, dass der neue starke Mann im Bundeswirtschaftsministerium, Staatssekretär Michael Kellner (Bündnisgrüne) seine erste Dienstreise nach Görlitz unternahm, wo er sich gemeinsam mit Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) mit dem Betriebsrat unterhielt. Ein starkes Zeichen. Für Görlitz ist der Kampf um den Waggonbau eine Chance zusammenzurücken. Hier haben wir Einigkeit. Lasst sie uns im neuen Jahr den französischen Bossen zeigen.

Stadthalle: Von unserer Fraktion mehrfach gefordert, liegen nun Unterlagen zum Betriebskonzept auf dem Tisch. Warum das interne Arbeitsmaterial als gebundene Farbbroschüre daherkommt, möchte AfD-Stadtrat Torsten Koschinka wissen. Mir erschließt sich das auch nicht. Unserer papierlosen Fraktion wäre ein PDF am liebsten gewesen. Das Geld mag aus dem Budget des Kulturservice stammen, wie Bürgermeister Wieler begründet. Zur Wahrheit gehört, dass nicht verbrauchtes Geld zurück in den Haushalt geht und für sinnvolle Dinge verwendet werden kann. Die Farbbroschüre steht sinnbildlich für den großzügigen Umgang mit Steuergeld bei der Stadthalle. Im ersten Quartal 2022 werden wir vermutlich die endgültige Entscheidung treffen. Beantragen wir die Fördermittel für die Sanierung? Das ist nur möglich, wenn wir uns den späteren Betrieb leisten können. Bürgermeister Wieler schätzte erstmals öffentlich die jährliche Gesamtbelastung für den Görlitzer Haushalt auf 1.000.000 Euro. Diese Million käme zu den freiwilligen Kosten hinzu, die wir bereits jetzt kaum stemmen können. Denn Görlitz gibt jährlich rund sechs Millionen mehr aus als eingenommen werden.

Förderprojekt: Unter dem Namen „BauLustOffensive“ soll in den nächsten vier Jahren der leerstehenden Gründerzeit neues Leben eingehaucht werden. Im Fokus steht die Bildung von Wohneigentum. Ich beglückwünsche die Stadtverwaltung zum positiven Förderbescheid und bitte darum, dass künftig solche Dinge vorab in den Fachausschüssen besprochen werden. Das Programm des Bundesbauministeriums hätte auch andere inhaltliche Schwerpunkte erlaubt. Wie die Stärkung des innerstädtischen Handels etwa. Mehr miteinander reden – mein Wunsch auch für 2022.

Synagoge: Sensationell ist das Auftauchen eines Teils der seit 1938 verschwunden geglaubten Thorarolle aus der Synagoge. Die Medien haben bereits ausführlich berichtet. Vom Kunnerwitzer Pfarrer Uwe Mader wurden die Thora-Teile dem Ratsarchiv übergeben. Ich hoffe, dass sich Stadt und Jüdische Gemeinde auf gutem Weg verständigen, was damit geschehen soll. Erklären sollte die Stadt, warum keine jüdischen Vertreterinnen und Vertreter bei der Übergabe der Thora-Teile zugegen waren.

Fragestunde für Einwohner: Es geht es um die Ausstellung „Görlitzer Art“. Wie sich die Kosten zusammensetzen und was noch geplant ist, möchte ein Gast wissen. Bürgermeister Wieler erläutert: Für jedes Kunstwerk wurden rund 9.000 Euro für die Realisierung kalkuliert. Das sind Kosten für Material, Transport, Aufbau und ähnliches. Dazu kommt jeweils ein Honorar von 2.000 Euro. 2022 soll es im Barockhaus eine Ausstellung mit weiteren Werken der bei „Görlitzer Art“ vertretenen Künstlerinnen und Künstler geben. Michael Wieler bedauert, dass die „Görlitzer Art“ vom Streit um „Die Kulisse“ von Lisa Maria Baier überschattet wird. Das Werk entsprach nach Ansicht Wielers nicht dem von der Jury ausgewählten Entwurf und musste abgebaut werden. Mittlerweile schwelt ein Rechtsstreit. Wieler will für Görlitz die 9.000 Euro Produktionskosten von Lisa Maria Baier zurückhaben. Sie ihrerseits den Bürgermeister verklagen und sammelt dafür öffentlichkeitswirksam Kohle. Das alles kostet Zeit, Geld und Ruf. Kluge Bürgermeister sehen sowas voraus und über eine provozierte Grenzüberschreitung hinweg. Dr. Wieler ist sehr klug. Welche Motivation ihn in diesem Fall antreibt, weiß ich nicht. Görlitz kann es nicht sein.

Fragestunde für Stadträte: Meine Kollegin Kristina Seifert lobt die gute Organisation der Impfstation im ehemaligen Waggonbau. Wissen möchte Kristina, wie die Zusammenarbeit mit Landkreis und Kassenärztlicher Vereinigung läuft, da weiterhin Personal knapp ist. Der OB hat dazu keine konkreten Informationen, bestätigt aber das personelle Problem, was dazu führte, dass die Impfstation verspätet ans Netz ging. Mittlerweile komme man voran. Mit 150 Impfungen täglich wurde begonnen. Nun sind es bis zu 350 pro Tag. Die Impfstation soll während der Pandemie bestehen bleiben. (Ich konnte mich am Freitag beim Boostern von der exzellenten Organisation überzeugen. Vielen Dank an alle Helferinnen und Helfer.)

Es folgt eine Auftragsvergabe: Die Elektroinstallation für die Sanierung der Grundschule Königshufen übernimmt die ELLOs GmbH aus Zittau für rund 600.000 Euro. An solchen Aufträgen sieht man, wie viel Geld aus Görlitz ins Umland, den Kreis, die Oberlausitz fließt.

Moderner Nahverkehr: Kritik gab es zuletzt aus dem Umland am Görlitzer ÖPNV-Modellprojekt, das über Kohlegelder finanziert wird. Dieses Vorhaben ist mittlerweile vom Bund genehmigt und steht somit vor der Umsetzung. Da es aber dauern wird, bis die Fördergelder auf dem GVB-Konto sind, beschließen wir ein kommunales Darlehen. Mit der Zwischenfinanzierung können neue Straßenbahnen angeschafft werden, die nach europaweiter Ausschreibung in Leipzig produziert werden. Manch einer fragt sich, warum nicht bei Alstom in Görlitz und Bautzen gebaut wird. Weil wir uns das nicht aussuchen können. Solche Vergaben laufen nach strengen Richtlinien. Am Ende gewinnt das wirtschaftlichste Angebot. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass Görlitz kleinster Partner im Trio mit Leipzig und Zwickau ist. Die drei Städte haben sich für diese Ausschreibung zusammengeschlossen, um bessere Preise zu erzielen. Ich freue mich, dass das Geld in Sachsen bleibt. Was immer wieder erwähnenswert ist: Die Straßenbahnen sind nur ein Teil des ÖPNV-Modellprojektes.

Machbarkeitsstudie Schlachthof: Das Schlachthofgelände bleibt ein sensibles Terrain. Vor rund einem Jahr sorgte eine Formulierung von Bürgermeister Wieler in einer öffentlichen Beschlussvorlage dazu, dass das Nostromo in Frage gestellt wurde. Es folgte eine Kampagne des Nostromo-Teams und daraufhin Stress mit dem Eigentümer Gausepohl. Das gipfelte in einer Räumungsklage. Nachdem Michael Wieler nicht weiter kam in den Verhandlungen, übernahm OB Ursu. Er scheint einen Weg gefunden zu haben. Liegt er im Erwerb der Fläche durch die Stadt? Antworten soll eine „Machbarkeitsstudie zur Feststellung kommunaler Entwicklungsoptionen auf dem ehemaligen Schlachthofgelände“ bringen. Ausdrücklich unter Erhalt des Nostromo. Untersuchen lassen will das Rathaus in erster Linie einen Neubau der Berufsfeuerwehr. Unsere Fraktion möchte eine solche Eingrenzung vermeiden. Mit einer offenen Studie bekommen wir verschiedene Optionen vorgestellt, die wir inhaltlich, rechtlich und finanziell bewerten. So würden neben der Feuerwehr weitere Themen beleuchtet. Bis hin zu dringend benötigten Vorhalteflächen für Ansiedlungen von Forschungseinrichtungen, Start-ups und weiteren Unternehmen. Aus einem für mich nicht nachvollziehbaren Grund, bittet der OB darum, den Beschlusstext unverändert zu lassen. Jede Änderung würde die Voraussetzungen eines späteren Erwerbs verschlechtern, heißt es nebulös. Vor allem aus Rücksicht auf das gefährdete Nostromo ziehen wir unseren Änderungsantrag zurück. In den nächsten Monaten werden wir darüber wachen, dass keine reine Feuerwehrstudie beauftragt wird.

Hundesteuersatzung: Bereits im Rahmen der Haushaltsdiskussion im Juni wurden die Gebühren für Hundebesitzer erhöht. Betrifft mich persönlich, ist nicht schön, geht nicht anders. Der Satzungsbeschluss ist der formale Vollzug. Diskutiert wird über einen Vorschlag der Bürger für Görlitz. Sie möchten Hunde aus dem Tierheim Görlitz für zwei Jahre (statt für ein Jahr) von der Steuer befreien. Damit sollen Anreize geschaffen werden, sich einen Hund aus dem Tierheim zu holen. Unsere Fraktion schlägt vor, Tierschutzeinrichtungen des Landkreises Görlitz ebenfalls mitaufzunehmen. Das sieht allerdings die Verwaltung kritisch und wird deshalb nicht aufgenommen. Einen zweiten Vorschlag von uns übernimmt BfG allerdings: Die Steuerbefreiung gibt es nur für Hunde, die mindestens sechs Monate im Tierheim verbracht haben. Ein Anreiz, um „schwer vermittelbare“ Tiere zu übernehmen. Süße Welpen bringen somit keinen Steuervorteil. Nach angeregter Diskussion wird die Hundesteuersatzung mit der Änderung von einer Mehrheit beschlossen (19 zu 11).

Schwimmhalle: Wegen Corona beklagt die Schwimmhalle Einnahmeausfälle. Wir beschließen einen Zuschuss an den Zweckverband „Neiße-Bad Görlitz“ von 105.000 Euro. Görlitz macht keinen Verlust. Es gibt Einsparungen durch die geringere Nutzung von Vereinen und Schulen, die dafür Zuschüsse bekommen hätten.

Außengastronomie: Auch 2022 werden keine „Sondernutzungsgebühren“ für das Aufstellen von Tischen und Stühlen erhoben. Eine Hilfe für die gebeutelte Gastrobranche. Wichtiger Hinweis von Mike Thomas (SPD): Der erblindete Stadtrat appelliert, dass bei der Gestaltung der Außenflächen an Menschen mit Beeinträchtigungen gedacht wird und das Ordnungsamt entsprechend kontrolliert.

Sportstättennutzung: An dieser Stelle soll die „Benutzungs- und Entgeltordnung für Schulen und Sportstätten“ folgen. Allerdings wurde versäumt, den Kreissportbund und den Sportausschuss einzubeziehen. Nach einigen internen Diskussionen nimmt OB Ursu die Vorlage wieder runter. Gut so. Wir können auch in Corona-Zeiten nicht ohne die Betroffenen agieren. Dem Kreissportbund danke ich sehr für die Erarbeitung einer kritisch-konstruktiven Stellungnahme, die noch kurz vor Sitzungsbeginn einging. Fortsetzung im neuen Jahr.

Firmenumzug: Konsulstraße 23 wird neues Domizil für eine Görlitzer Firma. Das Unternehmen mit rund 100 Mitarbeitern muss umziehen, nachdem der Vertrag für das bisherige Objekt gekündigt wurde. (Name ist nichtöffentlich, sorry.) Dafür haben wir den Erbbaurechtsvertrag geändert. Darin war als Zweck ein „Wohnprojekt für junge Leute“ festgehalten. Das Projekt platzte aber, da es kaum Interesse von Berufsschülern gab. Zwischenzeitlich belebte die Waldorf-Schule als Interimslösung das Objekt.

Bildungscampus: Wir beschließen vorgezogene Maßnahmen zur Sicherung und Instandsetzung von Dach und oberer Geschossdecke auf der Rauschwalder Straße 73. Das einsturzgefährdete Haus soll später u.a. das „produktive Lernen“ beherbergen. Spannend wird es zu Jahresbeginn 2022. Dann soll uns die Entwurfsplanung für die neue Oberschule vorgestellt werden.

Zusammenschluss: Die AfD beantragt eine Fusion von Seniorenbeirat und Behindertenbeirat. Viele Inhalte und Aufgaben würden sich doppeln, so die Begründung. Jana Krauß aus unserer Fraktion hält dagegen: Beiräte sind ein wichtiges Element der Bürgerbeteiligung. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum die jeweiligen Perspektiven beschnitten werden sollen. Sie regt an, die Beiräte stärker als bisher einzubinden. Die Vorsitzenden des Behinderten- und Seniorenbeirates sind ebenso gegen den Antrag wie die Familienbeauftragte. Klare Sache. Nur acht Stimmen gibt es für den AfD-Antrag.

Familien und Kinder: Auf Antrag der Fraktion Bürger für Görlitz soll der Stadtrat ein Re-Audit „Familiengerechte Kommune“ und die Erstellung eines Familienberichts beschließen. Bestehendes sichtbar machen und Zukunftsaufgaben definieren, das ist das große Ziel. Görlitz hatte sich unter OB Deinege auf den Weg gemacht zur familienfreundlichen Kommune. Gutes ist entstanden, wie das Familienbüro auf dem Demianiplatz. Zuletzt wurde es etwas still um das Thema. Die Stadtbewegung Motor Görlitz gab einen neuen Anstoß. Görlitz sollte „kinderfreundliche Kommune“ werden, so der Vorschlag, der von unserer Fraktion aufgenommen und beantragt wurde. In Ausschüssen und bilateralen Gesprächen gab es einen Kompromiss, für den ich mich insbesondere bei Yvonne Reich (BfG) als Vorsitzender des zuständigen Ausschusses bedanke. Kindergerechtigkeit und Kinderfreundlichkeit sind nun zentrale Themen im Re-Audit und Familienbericht. Somit bekommen wir eine gute Grundlage, wie es um diese Fragen in Görlitz bestellt ist und welche Aufgaben sich ableiten. Wir ziehen unseren eigenen Antrag zurück und stimmen für die Vorlage der BfG-Fraktion, die einstimmig angenommen wird mit einigen Enthaltungen aus der AfD.

Das ist ein schöner Abschluss des Stadtratsjahres 2021. Ich bedanke mich bei euch fürs Mitlesen, Kommentieren und Teilen. Die Berichte aus dem Stadtrat sind anachronistisch lang und weitgehend unbebildert. Ich ziehe meinen Hut vor euch. Für Statistikfreunde: 2021 gab es 11 Berichte mit rund 28.000 Wörtern und 198.0000 Zeichen. Das entspricht etwa 132 Seiten eines Buches, das die Läden hüten würde.

Frohe Weihnachten euch allen und einen guten Start ins neue Jahr.

Text: Mike Altmann

Stadtratsblog#20: 27.5.2021

Eine kurze Tagesordnung verspricht einen frühen Feierabend. Am Ende ein Trugschluss. Doch beginnen wir von vorn.

Zunächst nimmt OB Ursu eine Vorlage zum Helenenbad von der Tagesordnung. Wir sollten 30.000 Euro für die Subventionierung der Kinder-Badelandschaft beschließen. Da es noch keinen Haushalt gibt, wäre das ein Vorgriff auf den Etat 21/22. Das ist für eine solche freiwillige Aufgabe eigentlich nicht möglich. Deshalb wurde der Punkt vermutlich runtergenommen. Offiziell heißt es in der Sitzung: Der Betreiberverein AUR kann vorfinanzieren und hofft auf eine positive Entscheidung bei den Haushaltsverhandlungen.

Dann gibt es Blumen und einen Theatergutschein. Meine Kollegin Kristina Seifert wird vom OB zum Geburtstag gratuliert. Happy Birthday, liebe Tina. Auf der Nebenbank frotzelt Torsten Ahrens (Die Linke), dass sie den Gutschein schnell einlösen soll – solange es das GHT noch gibt.

 

Informationen des OB

Octavian Ursu informiert uns über einen Besuch mit MP Kretschmer beim Helmholtz-Institut in Rossendorf. Thema war der Bundeswettbewerb um zwei Großforschungsinstitute, die in den Kohlerevieren angesiedelt werden sollen. Görlitz ist als Standort interessant, einige Bewerber waren bei Herrn Ursu zum Gespräch. Der OB hofft, dass eine Forschungseinrichtung oder ein Teil davon an die Neiße kommt.

Dauerbrenner in der Lokalzeitung: Roberto Petrucci, die Spettmanns und Görlitzer Schrottimmobilien. Mehrere Gebäude wurden zuletzt von den Spettmanns im Namen des ominösen Römers ersteigert. Darunter die Bahnhofstraße 54. Als am 19. Mai der Verteilungstermin anstand, fehlte der Nachweis für die Überweisung der Kaufsumme. Es folgten wilde Spekulationen, wonach im Falle eines Betrugs die Stadt Görlitz auf den Kosten für Sicherungsmaßnahmen sitzenbleibt. Im Stadtrat klingt es eher nach Happy End: Der Betrag sei am 18. Mai an die Landesjustizkasse überwiesen worden. Die Summe soll nun an die Gläubiger gezahlt werden. Damit wären die Forderungen der Stadt Görlitz komplett ausgeglichen. Selbst wenn nicht gezahlt worden wäre: Die Stadt hätte dennoch Zugriff auf das Objekt behalten, erläutert uns ein Mitarbeiter. Paragraf 130 des Zwangsversteigerungsgesetzes regelt, in welcher Reihenfolge nach einem Zuschlag Eintragungen in einem Grundbuch erfolgen.

 

Fragestunde für Bürger

Die Bürgerfragestunde verliert an Anziehungskraft. Ende April gab es gar keine Frage. Jetzt ist es eine. Zwei Anwohner der Jahnstraße möchten wissen, ob man das Radfahren entgegen der Einbahnstraße an der Ecke Jahnstraße/Hohe Straße prüfen kann. Es sei sehr gefährlich für alle Seiten. Sie zweifeln generell an, dass solche Regeln gut für die Sicherheit seien. Bürgermeister Michael Wieler sagt, dass das keine Görlitzer Erfindung ist. Bundesweit wird Radverkehr gefördert, auch indem Radler einen Vorrang bekommen und Einbahnstraßen in beiden Richtungen nutzen können. Diese Lösungen wurden bislang positiv durch eine Verkehrskommission bewertet. Er sagt zu, den konkreten Hinweisen nachzugehen.

 

Fragestunde für Stadträte

Für die geplanten Baugrundstücke an der Ladenstraße in Weinhübel wird es komplizierter als gedacht. Wir erfahren, dass die Landestalsperrenverwaltung (LTV) Einwände erhoben hat. Es wird erwartet, dass künftig deutlich mehr Wassermengen bei Hochwasser auftreten. Am konkreten Standort wären es 80 Zentimeter bei einem sogenannten HQ100-Ereignis. (Das ist ein ziemlich hohes Hochwasser.) Es werden nun Maßnahmen diskutiert, um dennoch die Pläne umsetzen zu können. Kommwohnen als Eigentümerin hält daran fest, dass dort gebaut werden soll. Bis Jahresende veröffentlicht die LTV die neuen Modelle. Bis dahin wird es wohl keine Baugenehmigungen geben.

Der traurige Zustand der Stadtmauer an der Altstadtbrücke wird sich erstmal nicht verändern. Es gibt keine Fördermittel und im Haushalt klafft bereits ein riesiges Loch.

Zum Schlachthofgelände gibt es keine Neuigkeiten. Das Verkehrswertgutachten ist noch nicht fertig. Erst auf dessen Grundlage gibt es konkrete Verhandlungen zwischen dem Besitzer und dem bislang anonymen Kaufinteressenten. Für das Nostromo besteht derzeit keine akute Gefahr, so Bürgermeister Wieler.

Die Bürgerbeteiligung zum Verkehrskonzept wird wohl kleiner ausfallen als erhofft. Da es bislang keine Fördermittel für ein ausgewachsenes Format gibt, soll es „normale“ Beteiligungsveranstaltungen geben. Darüber „will man sich in der zweiten Jahreshälfte Gedanken machen.“

Ein Verkauf der Waage auf dem Untermarkt steht nicht zur Debatte. Bürgermeister Wieler erteilt einer solche Anfrage eine Absage – selbst wenn die Haushaltslage angespannt ist. Die Historie des Hauses sei zu wichtig. Das Rathaus möchte für das Gebäude eine Perspektive entwickeln, die langfristig trägt.

Wir haben auch ein paar Fragen. Jana Krauß möchte, dass der OB in öffentlicher Sitzung erklärt, warum die beschlossenen drei Millionen Euro für den Neubau der Oberschule nicht im aktuellen Haushaltsentwurf stehen. Der Beschluss vom April lautete: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, drei Millionen Euro für die Umsetzung ‚Bau einer neuen Oberschule‘ in das Haushaltsjahr 2023/24 einzustellen.“ Warum die Millionen nicht im Etat stehen, begründet der OB so: „Jetzt behandeln wir den Doppelhaushalt 21/22. Um es im Haushalt 21/22 sichtbar zu machen, hätte man einen Antrag stellen müssen auf Einstellung der Gelder in die mittelfristige Planung. Sie können das in der Haushaltsverhandlung nochmals tun. Sie kennen aber meine Position. Es würde uns nicht viel weiterbringen. Die Zahlen im Haushalt sehen auch nicht gut aus. Das würde die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts nicht verbessern, wenn wir das ZUSÄTZLICH aufnehmen. Überlegen Sie deshalb gut, ob Sie das machen wollen.” Eine verräterische Aussage. Sie macht klar, dass der OB einen mehrheitlich gefassten Beschluss mit einem billigen Auslegungstrick kassiert hat. Was unsere Fraktion davon hält, steht in einer Stellungnahme (https://fraktion-motor-gruene-spd.de/wo-sind-die-oberschul-millionen/)

Andreas Kolley erkundigt sich neuerlich, wann wir endlich die Strandpromenade widmen wollen, um den Anrainern in Deutsch Ossig Baurecht zu ermöglichen. Zuvor sollte es einen Testbetrieb mit Parkscheinautomaten geben. Corona verhinderte das. Bürgermeister Wieler verweist darauf, dass im Technischen Ausschuss eine Variante vorgestellt wurde, wie die Strandpromenade künftig gestaltet werden soll. (Hier stehen wir mal wieder vor einem Dilemma. Da solche Informationen in letzter Zeit in nichtöffentlichen Sitzungen gegeben werden, darf ich nichts darüber erzählen. Transparenz?) Die Verwaltung möchte sich nun im Komplex mit den Fragen Parken und Widmung beschäftigen. Im übernächsten Technischen Ausschuss sollen wir informiert werden. Ich hoffe öffentlich.

Ich bringe eine Frage von Bürgern ein, die sich nach dem Fortgang der Arbeiten auf dem Senckenberg-Campus (Bahnhofstraße/Jakobstraße) erkundigt haben. Es sei lange nichts vorangegangen, heißt es. Die Verwaltung kann dazu keine Informationen geben, da es sich um eine sächsische Baustelle handelt. Eine Antwort wird nachgereicht.

Große Begeisterung gab es in der vergangenen Woche für das Kunstwerk an der Schenckendorff-Sporthalle. Es zeigt die Görlitzer Fußballstars Dixie Dörner und Michael Ballack bei der Arbeit. Da es Fragen gibt, ob man nicht weitere Görlitzer Sportler verewigen kann, gibt es Erläuterungen vom Rathaus. Beim Dörner-Ballack-Bild handelt es sich um temporäres, gestiftetes Kunstwerk. Anlass ist die Aufnahme der beiden Fußballer in die Hall of Fame. Das Wandbild hat inklusive Anbringung 10.000 Euro gekostet (da gestiftet keine Belastung für die Stadtkasse). Es wird in dieser Qualität etwa ein Jahr halten. CDU-Mann Matthias Urban, von dem heute nochmals die Rede sein wird, regt eine Arbeitsgruppe an, die verdiente Sportler auswählt. (Im Fraktions-Chat meldet Kollege Andreas Kolley Ansprüche auf ein eigenes Bild an. Er sei ein passabler Billard-Spieler, schreibt er. Er braucht nur einen passenden Ort. Danilo Kuscher schlägt direkt den Dicken Turm vor. Brüller.)

Wir kommen zu den Beschlüssen:

Spende für Davidstern

Wir nehmen dankbar eine Spende in Höhe von 70.000 Euro an. Sie ist offiziell „anonym“. Herzlichen Dank an alle, die ehrlichen Herzens Geld gespendet haben.

Görlitz tritt Gleichstellungscharta bei

Um es vorwegzunehmen: Dieses Abstimmungsergebnis ist ob der Zusammensetzung des Görlitzer Rates eine Sensation. Mit 18:17 Stimmen entscheidet sich der Stadtrat für den Beitritt von Görlitz zur „Europäischen Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene“. Es ist ein Sieg der guten Argumente. Die Gleichstellungsbeauftragte Katja Knauthe kämpft wie eine Löwin und fragt die Skeptiker in den Reihen von CDU und AfD: „Welche Nachteile gehen davon aus?“ Auch der OB und die frisch gekürte Familienbeauftragte Ines Mory unterstützen das Vorhaben. Worum es geht, erklärt Geburtstagsfrau Kristina Seifert in einem Statement: „1.700 Kommunen in 35 Ländern sind der Charta seit 2006 beigetreten. Warum sollten wir das nicht tun? Weil wir nicht sicherstellen wollen, dass es gleichen Lohn bei gleicher Arbeit gibt? Weil wir keinen Handlungsrahmen für die Schaffung von mehr Gleichheit auf kommunaler Ebene benötigen? Weil es bei uns keine geschlechtsbezogenen Entgeltunterschiede gibt und wir in Politik und Wirtschaft ausreichend durch Frauen repräsentiert sind? Oder vielleicht existiert hier kein starres, in Familie, Medien, Arbeitswelt und Bildung herrschendes Stereotypdenken, welches die Ungleichheiten verstärkt?  Das sind nur wenige Beispiele für Bereiche, in denen wir Handlungsbedarf sehen. Als Kommune stehen wir den Bürgerinnen und Bürgern am nächsten und können daher unmittelbar Maßnahmen ergreifen, die zu einer Verbesserung der Gleichstellung von Frauen und Männern führen. Wir würden von der Charta profitieren, die Aktions-Pläne ermöglichen uns eine Verbesserung des Ist-Zustandes sowie eine Beteiligung an einem Evaluationsprozess, um unsere Fortschritte zu beurteilen.“

Erwartungsgemäß gibt es sehr viel Gegenwind von rechts. Der Fraktionsvorsitzende der AfD fühlt sich an seinen Polit-Unterricht bei der NVA erinnert und möchte den Görlitzern Angst einjagen. „Diese Charta ist gefährlich.“ Aha. Sehr ausführlich begründet danach CDU-Stadtrat Urban seine Ablehnung. Es sei einfach zu viel zu tun, als dass wir uns jetzt mit einem Aktionsplan für Gleichstellung beschäftigen können. Zu wenig Personal. Zu wenig Geld. Sanierung und Bau von Schulen und Feuerwehr, die Anschaffung neuer Straßenbahnen, die Kosten für den ÖPNV insgesamt, das Ziel einer klimaneutralen Kommune bis 2030 – all das wird aufgeführt, um den Beschluss zu verhindern. Dass der Israel-Palästina-Konflikt und die unklare Situation der Deutschen Fußballnationalmannschaft vor der EM nicht ebenfalls angesprochen wurden, enttäuscht mich etwas. Am Ende ist es Urbans CDU-Fraktion, die die Abstimmung entscheidet. Einzelne Mitglieder haben eine eigene Meinung zum Thema. Und so kommt es zum sehr überraschenden Beitritt von Görlitz zur Charta. 18 x Ja, 17 x Nein, 2 Enthaltungen.

Neue Beiträge für Kita & Co.

Solche Beschlüsse fasst niemand gern. Die Elternbeiträge für Krippe, Kita und Hort müssen erhöht werden. Finanziert wird die Kinderbetreuung grundsätzlich durch den Freistaat Sachsen, die Stadt Görlitz und die Eltern. Zur prozentualen Beteiligung der Eltern gibt es eine rechtliche Vorgabe des Freistaates:

– Krippe (inkl. Kindertagespflege): mind. 15 bis 23 Prozent

– Kindergarten: mind. 15 bis 30 Prozent

– Kinder im letzten Kindergartenjahr und Hortkinder: max. 30 Prozent

Weil der alte Stadtrat 2019 (aus wahltaktischen Gründen?) keine Anpassung der Beiträge beschloss und die Kosten in den letzten Jahren explodiert sind, ist Görlitz bei den Krippen bereits unter die Mindestbeteiligung gerutscht (2019 lag der Elternanteil nur noch bei 14.9 Prozent). Hinzu kommt die Haushaltslage. Dementsprechend lautet das vorgegebene Ziel der Verwaltung: Eine Million Euro zusätzliche Einnahmen sollen erzielt werden. Dafür werden die Elternbeiträge neu festgesetzt. Grundlage ist die bereits 2017 beschlossene prozentuale Beteiligung an den Betriebskosten (20% Krippe/27% Kita/27% Hort). Dieser Ansatz wurde am Tag vor der Stadtratssitzung von einer Mehrheit im Verwaltungsausschuss auf 19/30/30 verändert (Beobachter vermuten, dass es eine Mehrheit aus CDU und AfD war – aber auch hier handelte es sich um eine nichtöffentliche Sitzung). Die Fraktion „Bürger für Görlitz“ bringt einen Alternativvorschlag ein: 17/28/30. Das deckt sich stark mit der Intention unserer Fraktion, die Beiträge für Krippenplätze nicht ganz so stark zu erhöhen. Jana Krauß erklärt in ihrem Beitrag: „Eine Erhöhung bei den Krippenplätzen trifft besonders diejenigen, die dabei sind, eine Familie zu gründen. Das sind die jungen Eltern, die wir gern hierbehalten wollen. Sie haben ohnehin durch Corona einen schweren Stand. Es ist klug, dass im Beschluss Prozente angegeben werden. Damit haben wir die Möglichkeit, jedes Jahr auf Grundlage einer Betriebskosten-Abrechnung nötige Anpassungen vorzunehmen. Damit gibt es keine so großen Sprünge mehr.“ Gleichzeitig holen wir das Thema aus der politisch aufgeheizten Haushalts-Diskussion heraus. Die ist auch diesmal zu verfolgen. Der Stadtrat verhakt sich. Linke wollen gar keine Kita-Beiträge, AfD eiert rum. Die CDU möchte den Beschluss des Verwaltungsausschusses umsetzen und das Maximum herausholen. Am Ende gibt es weder für den Vorschlag aus dem VA (20/30/30) noch für den der BfG (17/28/30) eine Mehrheit. OB Ursu ruft eine Pause aus und wirbt um einen Kompromiss. Dieser sieht so aus: Krippe 18%, Kita 29%, Hort 30%. Ein bisschen wie auf dem Basar, nicht wirklich eine Sternstunde aufgeräumter Stadtratsarbeit – aber eben ein Abbild gelebter Willensbildung in einer öffentlichen Sitzung. Eine große Mehrheit stimmt dem Kompromissvorschlag zu. Nächster Schritt: Die Satzung der Elternbeiträge wird im Juli mit den neuen Beiträgen beschlossen. Danach tritt sie zum 1.1.2022 in Kraft. Was heißt das in Zahlen? Wie viel kostet die monatliche Betreuung und wie hoch ist der Anstieg?

Krippe (9h): 231,85 €, Erhöhung um 40,46 €

Kiga (9h): 155,64 €, Erhöhung um 36,39 €

Hort (6h): 86,94 €, Erhöhung um 17,18 €

Die Absenkungssätze für Alleinerziehende und Geschwister bleiben bestehen. Wichtig zu wissen: Für Eltern mit wenig Geld springt das Sozialamt ein und übernimmt die Gebühr bzw. Teile davon. Dennoch ist es ein harter Beschluss, da er die Kosten auf einen Schlag enorm anhebt. Insofern macht es Sinn, regelmäßig die Gebühren an die Betriebskosten anzupassen.

Umrüstung Parkscheinautomaten auf GPRS

Dieser Beschlussantrag steht sinnbildlich für den Umgang des Rathauses mit Zukunftsthemen, aber auch mit seinem Stadtrat. Wir sollen 68.000 Euro vorzeitig freigeben, um unsere Parkscheinautomaten mit einem neuen GPRS-Modul auszustatten. Zur Begründung heißt es: Ein Großteil der derzeit 75 im Einsatz befindlichen Parkscheinautomaten wurde im Jahr 2002 beschafft. Die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung liegen bei etwa 700.000 € pro Jahr. Alle Parkscheinautomaten sind über Mobilfunknetz mit einem Steuerrechner vernetzt. Hierfür wird

das Datenübertragungsverfahren Circuit Switched Data (CSD) genutzt, welches zum Jahresende 2020 von den Mobilfunkprovidern aufgekündigt wurde. Damit kann der Parkscheinautomat nicht mehr mit dem Zentralrechner kommunizieren. Ist er voll oder defekt, merkt es niemand. Deshalb hat man zuletzt bereits Mitarbeiter der Stadtverwaltung für Kontrollfahrten eingesetzt. Abhilfe schaffen sollen Ersatzteile, mit denen die Automaten auf das Datenübertragungsverfahren General Packet Radio Service (GPRS) umgerüstet werden. Auch ein ganz alter Standard, der aber ausreicht und noch einige Jahre seinen Dienst tun soll, laut Netzbetreibern.

Über 900 Euro pro Ersatzmodul?  Unser Technik-Spezialist Danilo Kuscher fragt nach, ob man das nicht günstiger lösen kann. Im Internet finden sich Platinen zum Einbau für knapp 15 Euro. Geht nicht, sagt die Verwaltung. Es handelt sich um spezielle Ersatzteile für Parkscheinautomaten. Anderes könne man nicht verbauen. Kann es eine Kooperation mit den Stadtwerken geben? Die SWG betreiben ein eigenes Netz (LoRaWAN), das sich eignet, um Maschinen auszulesen und mit dem man auch Sensoren für eine Parkraumsteuerung einführen könnte. Wieder eine negative Auskunft von der Verwaltung: LoRaWAN decke nicht alle Gebiete ab, in denen Parkscheinautomaten stehen. Dann wird Druck aufgebaut. Es seien nur noch sehr wenige Ersatzteile verfügbar, erklärt uns die Verwaltung. Es geht um wenige Tage und Wochen, sonst gehen wir leer aus. (Ich hoffe, dass der zuständige Verwaltungsmitarbeiter nicht auf diesen Trick hereinfällt, wenn er seinen nächsten Urlaub bucht.) Alles nicht so richtig überzeugend. Zumal der Technische Ausschuss, als zuständiges Gremium für TECHNISCHE Lösungen gar nicht beteiligt wurde. Und obwohl die Thematik seit Mitte letzten Jahres im Rathaus bekannt war, gab es dazu keine Infos in den Ausschüssen. Nun, kurz dem angeblichen Ausverkauf aller Ersatzteile, wird mal wieder Druck gemacht. Kein feiner Umgang mit dem Stadtrat, aber leider fast schon Alltag. Danilo Kuscher stellt den Antrag, den Beschluss in die Ausschüsse zurückzuverweisen. Das hat keine Chance. Die große Mehrheit des Stadtrates möchte die 68.000 Euro in die alten Automaten sofort investieren. Geld, das für die bevorstehende Neuanschaffung von Parkgeräten fehlen wird.

Geld für Ortschaften und Stadtteile

Keine großen Diskussionen gibt es beim folgenden Beschluss. Aus dem Pauschalengesetz 2021 (was es nicht alles gibt) verteilen wir 70.000 Euro. 30.400 Euro werden für die Errichtung des Bürgerhauses Schlauroth verwendet. Dort sind die Baukosten gestiegen und der Eigenanteil an der Förderung erhöht sich entsprechend. Insgesamt 26.400 Euro teilen sich die Ortschaften Hagenwerder, Kunnerwitz und Ludwigsdorf auf (entsprechned Einwohnerzahl). Die städtischen Beteiligungsräume bekommen insgesamt 13.200 Euro. Das kommt obendrauf zu den Pro-Kopf-Zuweisungen, die die Bürgerräte verantworten.

Finanzielle Sicherheit für GVB

Das Beste zum Schluss: Die Görlitzer Verkehrsbetriebe werden auf finanziell sichere Füße gestellt. Es erfolgte eine Neuberechnung der „Sollkostenprognose“. Das ist vereinfacht gesagt eine Kalkulation bis 2028, die angibt, wieviel Geld die GVB benötigt, um den Nahverkehr in Görlitz zu betreiben. Davon gehen die Einnahmen der GVB ab. Das Delta schließt die Stadt. Für 2021 sind 3,1 Millionen Euro im Haushalt darzustellen. Noch bei der Gründung der Gesellschaft ging die Stadt davon aus, dass man mit rund 1,8 Millionen Euro pro Jahr auskommt. Hat ja beim Vorgänger VGG auch gereicht. Nur: Die VGG gehörte zum Veolia-Konzern. Viele Tätigkeiten, die die VGG im Rahmen dieser Struktur auslagern konnte, muss die GVB mit eigenem Personal selbst leisten. Hinzu kam ein Kaputtsparen der Infrastruktur. Es war dem Stadtrat offensichtlich nicht wichtig, in Gleisanlagen, Fahrzeuge, Haltestellen und Automaten zu investieren. Die Folgen sind überall sichtbar. Wer mehr als zehn Jahre einen Investitionsstau verursacht, darf sich über die hohen Folgekosten nicht beschweren.

Wir sehen unseren Nahverkehr auf einem guten Weg. Die Beschaffung neuer Niederflur-Stadtbahnwagen ist angeschoben, der Auftritt des Unternehmens positiv, ab August gibt es wieder die geliebte 4-Fahrten-Karte und mit etwas Glück wird ein großer Förderantrag für nötige Investitionen genehmigt, der den ÖPNV in Görlitz spürbar verbessern wird. Unser Dank geht an den kürzlich ausgeschiedenen Geschäftsführer Andreas Trillmich und das gesamte Team, die (nicht nur wegen Corona) unter sehr schwierigen Bedingungen einen erstklassigen Job gemacht haben. Bei fünf Enthaltungen der AfD wird der Beschluss einstimmig angenommen.

So endet diese Stadtratssitzung sehr positiv. Mit dem frühen Feierabend wird es freilich nichts. Die gelebte Demokratie fordert zeitlichen Tribut. Nach knapp fünf Stunden treten um 21 Uhr die Stadträte ihren Heimweg an.

 

Text: Mike Altmann

Stadtratsblog#19: 29.4.2021

Ich darf wieder rein. Nachdem mich eine Kontaktpersonenquarantäne an der Teilnahme der Sondersitzung zur Oberschule hinderte, freue ich mich auf ein paar Stunden Kommunalpolitik. Unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne legt zu Beginn der Sitzung ausnahmsweise den Rückwärtsgang ein. Unser Antrag, mit dem wir die Bahnstation Weinhübel retten wollen, geben wir zurück in die Ausschüsse. Es gibt noch einigen Redebedarf. Dazu informieren wir demnächst auch ausführlich.

OB Ursu verkündet anschließend einige wichtige Punkte. Neben der erfreulichen Übergabe der Rettungswache am Berzdorfer See gibt es schlechte Nachrichten von der GVB. Geschäftsführer Andreas Trillmich muss aus gesundheitlichen Gründen aufhören. Ein herber Verlust für die junge Verkehrsgesellschaft. Die Lücke füllen soll zunächst Prokurist Sven Sellig. Beratend zur Seite stehen wird ihm Ex-OB Siegfried Deinege, um insbesondere die Beschaffung der neuen Stadtbahnen zu organisieren. Danke Andreas Trillmich, alles Gute für die Zukunft, insbesondere gesundheitlich. Toi, toi, toi ans neue Führungsteam und die gesamte GVB.

 

Welterbe-Bewerbung

Bürgermeister Michael Wieler berichtet zum Stand der Bewerbung für das UNESCO-Welterbe. Rückblick: 2014 war die Görlitzer Bewerbung zurückgestellt worden. Die Jury gab den Hinweis, sich nicht nur auf die Hallenhäuser und die Altstadt zu fokussieren. Vielmehr sollte Görlitz seine ganz eigene Geschichte erzählen. Diese heißt nun „Ein Architekturensemble von Kaufleuten an der Via Regia“. Dargestellt wird das zentraleuropäische Handelswesen in der frühen Neuzeit. Also die Entwicklung des Fernhandels, in deren Folge die Hallenhäuser entstanden. Görlitz wird die Bewerbung in den kommenden Tagen beim Freistaat abgeben. Im Herbst gehen die Vorschläge an den Bund – hier ist Görlitz in jedem Fall dabei, da die ursprüngliche Bewerbung 2014 nicht abgelehnt, sondern zurückgestellt wurde. Erst im Herbst 2023 entscheidet die deutsche Kultusministerkonferenz welche Projekte auf die UNESCO-Vorschlagsliste kommen. Michael Wieler ist optimistisch, dass es klappt. Schließlich hat man sich einen internationalen Experten an die Seite geholt, der bereits neun erfolgreiche Welterbe-Bewerbungen begleitet hat. Das Gebiet des geplanten UNESCO-Welterbes umfasst übrigens die Altstadt bis zum Kaisertrutz und reicht bis in die Nikolaivorstadt. Begleitet werden soll die Görlitzer UNESCO-Bewerbung durch eine Ausstellung in der Galerie auf der Brüderstraße. Drücken wir die Daumen. Der Welterbe Titel wäre unschätzbar für die Entwicklung von Görlitz als touristische Destination und verdienter Lohn für den Schutz und Wiederaufbau des historischen Stadtkerns. Müssen wir Angst haben, dass es als UNESCO-Welterbestätte keine Entwicklung mehr gibt? Nein, sagt Michael Wieler und verweist auf Stralsund und Lübeck, wo mit Ozeaneum und Hansemuseum zwei moderne Objekte in Abstimmung mit der UNESCO errichtet wurden. In Görlitz könnte dies auch geschehen, wenn man an das Kondensatorenwerk an der Neiße denkt, das künftig für das CASUS-Institut umgebaut werden soll. Die Bewerbung von Görlitz als UNESCO-Welterbestätte kostet pro Jahr etwa 100.000 Euro. Ein sinnvolles Investment, wie ich finde.

Premiere bei der Bürgerfragestunde: Es gibt keine Fragen. Dafür haben die Stadträte einiges auf dem Herzen.

Yvonne Reich (BfG) möchte vor dem Beschluss zum Haushalt einen Zuschuss für die Helenenbad-Betreiber. Die Kinderbadelandschaft muss vorbereitet werden. Bislang bekam der AUR e.V. als Betreiber einen Jahreszuschuss von 30.000 Euro. Das ist auch für 21/22 im Haushaltsentwurf eingeplant. Allerdings wird der Etat nicht vor dem Sommer genehmigt sein. Einziger Weg ist ein sogenannter Mittelvorgriff, den der Stadtrat beschließen kann. Wenn das rechtlich möglich ist, stehen wir dem Vorschlag positiv gegenüber. Vor allem für Familien mit kleinen Kindern ist es ein schöner Erholungsort in der Stadt. Vielleicht sind wir in der Mai-Sitzung schon schlauer.

Fraktionskollege Danilo Kuscher (Motor Görlitz) erkundigt sich nach der Verzögerung bei der Fußgängerbrücke auf der Blockhausstraße. Diese soll während der Brückenbauarbeiten die Verbindung von und zur Goethestraße sichern, kommt nun aber mit zehn Wochen Verzögerung. Glück im Unglück: Da die gesamten Bauarbeiten deutlich später starten, wird sich dieses Problem von selbst lösen. Heißt: Anwohner müssen nicht über einen Kilometer Umweg in Kauf nehmen, um etwa von der Bahnhofstraße zum Arzt auf der Goethestraße zu gelangen. Ursache für die Lieferschwierigkeiten der Fußgängerbrücke ist die Lage auf dem Rohstoffmarkt. Engpässe und explodierende Preise  – wie stellt sich die Stadtverwaltung darauf ein, wenn es um künftige Bauvorhaben geht, möchte Danilo wissen. Bürgermeister Wieler sieht wenig Optionen. Im Vorfeld von Ausschreibungen gibt es aktuelle Kostenschätzungen. Mehr könne man nicht machen.

Nachdem es im März nicht mit einer konkreten Antwort geklappt hatte, wiederhole ich meine Frage, wann der OB ein Personalentwicklungskonzept vorlegt. In einer der nächsten Sitzungen des Verwaltungsausschusses soll es soweit sein. Ich bin gespannt.

Wieviel kostet eigentlich der Betrieb einer öffentlichen WC-Anlage? 12.000 Euro. Teurer kann es werden, wenn Vandalen hausen. Wie immer wieder in der Apothekergasse. Dort ist seit einiger Zeit schon „Eintritt frei“. Die Versuche von Dieben, an die Münzen zu kommen, haben so hohe Schäden verursacht, dass es günstiger ist, erst gar keine Einnahmen zu erzielen. Traurige Welt.

 

Dann kommen wir zu den Beschlüssen:

Einstimmig beschließen wir, dass die Kita Samenkorn im Haus Wartburg mit Hilfe von Fördermitteln saniert und umgebaut wird.

Für den Bau der Kita Fichtestraße geht der Auftrag an die TBN Terminbau Niesky GmbH.

Das fortgeschriebene Einzelhandelskonzept (EHK) wird ebenfalls mit großer Mehrheit angenommen. Der Titel führt in die Irre. Es handelt sich nicht um ein Entwicklungs-Konzept. Eher um einen Stadtplan, der zeigt, in welchen Gebieten von Görlitz welche Verkaufseinrichtungen angesiedelt werden können.

Mit Spannung erwartet wurde vor der Sitzung die Wahl des oder der Beauftragten für Kinder, Jugend und Familie. Neben dem seit fast zehn Jahren amtierenden Eugen Böhler bewarb sich Dr. Ines Mory. Sie stammt aus Pasewalk und lebt seit einigen Jahren in Görlitz. Ines Mory ist promovierte Theologin und arbeitet jetzt als Lehrerin in Herrnhut. In geheimer Abstimmung wird sie zur neuen Beauftragten gewählt. Frau Mory erhält 19 Stimmen, Eugen Böhler 16. Meine Kollegin Kristina Seifert (Bündnisgrüne) bedankt sich namens unserer Fraktion beim bisherigen Familienbeauftragten für sein Engagement und wünscht der Nachfolgerin viel Erfolg. Außerdem regt sie an, dass wir das Verfahren ändern. Eine solch wichtige ehrenamtliche Position sollte demnächst öffentlich ausgeschrieben werden, damit auch alle Interessierten davon Kenntnis bekommen und sich bewerben können. Bei der nun abgeschlossenen Berufung von Frau Mory gab es ein internes Verfahren, bei dem die Fraktionen Vorschläge unterbreiten konnten. Leider war selbst das Lokale Bündnis für Familie nicht eingebunden.

Es folgt eine längere Prozedur, bei der Ausschüsse und Gremien neu besetzt werden müssen aufgrund der Wechsel in der AfD-Fraktion.

Höhepunkt der politischen Debatte ist die Frage: Übernachtungssteuer oder Gästetaxe? Zwei ähnlich gelagerte Anträge liegen vor. Bürger für Görlitz wollen eine „Kulturförderabgabe“, Motor/Grüne eine „Gästetaxe“. Dahinter steckt jeweils der Plan, dass Görlitz von Übernachtungsgästen Geld einnimmt. Warum solche Anträge nicht im Vorfeld abgestimmt werden, so dass nicht zwei zum selben Thema vorliegen? Man muss davon wissen. Deshalb reicht unsere Fraktion ihre Anträge nicht nur bei der Verwaltung ein, sondern informiert parallel alle Fraktionen. Bei diesem Thema waren BfG „schneller“, haben aber diese Information nicht weitergegeben. Somit gab es einige Tage später einen zweiten Antrag unserer Fraktion. Anfang April erklärten die Beteiligten den Willen, sich Zeit zu nehmen, in Ausschüssen zu beraten und sich auf einen Antrag zu verständigen, der im Stadtrat behandelt wird. Davon ist wenig später nichts mehr zu spüren. Die BfG ändern ihren Antrag inhaltlich. Kulturförderabgabe steht nur noch in der Überschrift. Etikettenschwindel. Es geht ihnen um eine reine Übernachtungssteuer, die sie auch unbedingt im April beschließen möchten. Somit stehen die zwei Anträge auch auf der Tagesordnung.

Um es vorwegzunehmen: Gegen die Empfehlungen von Tourismusverbänden und IHK beschließt der Görlitzer Stadtrat mit 18:17 die Einführung einer Übernachtungssteuer ab 2022. Eine Gästetaxe, wie von Motor Görlitz/Bündnisgrüne vorgeschlagen, ist damit durchgefallen. Gemeinsames Ziel beider Anträge: zusätzliche Einnahmen im Umfang von etwa 500.000 Euro pro Jahr. Wesentlicher Unterschied: Die Übernachtungssteuer fließt komplett in den Haushalt und kann somit auch für Bürobedarf der Verwaltung ausgegeben werden. Der Erlös aus einer Gästetaxe ist dagegen zweckgebunden und darf nur für touristische Zwecke ausgegeben werden.

In der Debatte betont unsere Fraktion, dass wir Einnahmen von Übernachtungsgästen wollen. Dass Hotels und Pensionen für uns dieses Geld einnehmen sollen. Die Akzeptanz für einen solchen Aufwand steigt, wenn man weiß, dass das Geld in touristische Angebote fließt. Ohne diese Akzeptanz bekommen wir schlechte Stimmung. Darauf hatten mehrere Seiten im Vorfeld der Sitzung hingewiesen. Die IHK schrieb in einer Stellungnahme, dass sie grundsätzlich eine Übernachtungssteuer ablehnt, „da sie in den allgemeinen Haushalt fließt und eine Belastung der Beherbergungsbetriebe darstellt, die in keinem Verhältnis zu den ökonomischen Effekten für den Tourismus steht.“ Wenn überhaupt, so die IHK, wäre man zu einem späteren Zeitpunkt und bei frühzeitiger Einbindung der touristischen Anbieter mit einer Gästetaxe einverstanden. Auch der Tourismusverein hatte gefordert, dass man gemeinsam mit den touristischen Anbietern die unterschiedlichen Ansätze umfassend prüft und bewertet. Diesen Gesprächswünschen hätte der Stadtrat leicht zustimmen können. Allerdings lehnte eine Mehrheit unseren Antrag ab, beide Vorlagen in die Ausschüsse zu verweisen. In der entscheidenden Abstimmung votieren dann 18 Stadträte für die Übernachtungssteuer der BfG, 17 sind dagegen. Die entscheidende Stimme für die Übernachtungssteuer kommt von Oberbürgermeister Octavian Ursu (CDU).

Die Debatte ist bemerkenswert. Zum einen umgeht die Verwaltung ihre Pflicht, den Stadträten umfassende Informationen für ihre Entscheidung zur Verfügung zu stellen. Ausführlich reden darf nur der Mitarbeiter aus dem Amt für Stadtfinanzen, der die Übernachtungssteuer empfiehlt. Nicht zu Wort kommt jedoch die fachlich zuständige Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH. Weil sie sich für eine Gästetaxe ausspricht? Bemerkenswert auch einige Redebeiträge. Bürgermeister Michael Wieler verweist darauf, dass die Stadt seit 15 Jahren Millionen für die EGZ einsetzt, „ohne dass die Tourismuswirtschaft hier einen Cent direkt dazu beiträgt.“ Über die EGZ werde an 365 Tagen im Jahr eine Tourist-Info betrieben. „Wenn wir jetzt darüber nachdenken wollen, wie wir ein paar hunderttausend Euro für den Tourismus verwenden wollen, dann sind wir etwas fehlgeleitet. Wir haben viel für den Tourismus getan, wir haben die Stadt attraktiv gemacht, gemeinsam mit privaten Investoren und das können wir den Hoteliers und Gastronomen sagen.“ Starke Worte in Richtung einer Branche, die wie kaum eine andere durch die Corona-Pandemie gebeutelt wurde.

In ein ähnliches Horn stößt Prof. Joachim Schulze von der BfG-Fraktion. Er bezeichnete die Ablehnung der Übernachtungssteuer durch den Landestourismusverband als Lobbyismus: „Es geht letztlich um die Kontrolle der Einnahmeverwendung, die man gern im eigenen Tätigkeitsfeld haben möchte. Eine Privilegierung einer Branche für die Mitbestimmung erschließt sich mir nicht.“ Hundebesitzer dürften schließlich auch nicht entscheiden, wofür die gezahlte Hundesteuer verwendet wird. Unpassender Vergleich. Zur Hundesteuer gibt es keine rechtliche Alternative. Zur Übernachtungssteuer schon. Mit der Gästetaxe können Kommunen den Erlös zweckgebunden verwenden. Ob für die Tourismus-Information oder neue Toiletten, ob für Investitionen am Berzdorfer See oder Veranstaltungen wie das ViaThea – das Geld fließt in touristische Infrastruktur und Angebote. Mit klugen Beteiligungsverfahren hätten wir Akteuren aus dem Tourismus ein Mitspracherecht ermöglichen können, etwa im Rahmen eines Beirates. Dass ausgerechnet Prof. Schulze als ein geistiger Vater der Bürgerbeteiligung in Görlitz darin eine Beschneidung des Stadtrates  sieht, ist erstaunlich.

Ein weiteres Argument von Herrn Professor Schulze: Die Gästetaxe sei ein „Bürokratiemonster“. Erstaunlich, dass dennoch 53 sächsische Kommunen eine Gästetaxe haben. Nur in Dresden gibt es eine Übernachtungssteuer. Handelt es sich denn tatsächlich um „Bürokratie“? Es geht eher um kaufmännische Pflichtaufgaben. Was bieten wir in Görlitz den Touristen an? Was kostet das? Zu welchem Anteil werden die Angebote von Gästen genutzt? Das ist keine Bürokratie, sondern notwendige Basis für die strategische Entwicklung des Tourismus. Und zwar völlig unabhängig davon, ob man eine Gästetaxe einführen möchte. Dies war ein wesentlicher Punkt warum sich die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne für das Modell entschieden hatte. Einer Übernachtungssteuer, die ohne Gegenleistungen für Gäste und Tourismusbetriebe eingezogen wird und im großen Haushaltstopf landet, werden wir auch zukünftig nicht zustimmen.

 

Zum Abschluss wird es heiter. Wir beschäftigen uns mit einem Antrag der Fraktion Die Linke. Sie möchte SZ-Abos für alle Stadträte. Es ist eine Vorlage mit Augenzwinkern, die eigentlich thematisiert, dass man wichtige Infos der Verwaltung häufig zuerst aus der Zeitung erfährt. Meine Co-Fraktionsvorsitzende Dr. Jana Krauß schätzt ein, dass das Thema sicherlich interessant ist für eine Debatte aber „die nötige Tiefe“ für einen Beschlussantrag fehlt. Am Ende stellt sich die Frage, ob denn zumindest die zwei anwesenden Räte der Linken ihrem eigenen Antrag zustimmen. Das erledigen sie tapfer. Mehr Befürwortung gibt’s nicht.

Und nochmal Die Linke. Sie beantragen, dass sich die Verwaltung mit der Frage beschäftigt, ob man das Schlachthofgelände kaufen könne. Auch um das Nostromo langfristig zu erhalten. Die Entwicklung hat den Antrag überholt. Es gibt mittlerweile einen ominösen Kaufinteressenten, der wohl im Interesse von Stadt und Nostromo das Areal erwerben möchte. Der Tanztempel würde einen langfristigen Pachtvertrag bekommen, die Stadt wiederum ein Vorkaufsrecht für das Gelände. Bislang kennt niemand den Namen des „Weißen Ritters“. Und das wird auch noch so bleiben, bis der Vertrag in trockenen Tüchern ist. Aktueller Stand: Verkehrswertgutachten Schlachthof ist in Arbeit, das bildet Grundlage für Vertrag, Gespräche werden fortgesetzt. Die Linke zieht ihren Antrag zurück. Notfalls kann er wieder ausgepackt werden, falls der Verkauf nicht zustande kommt. Ausdrücklich unterstützt unsere Fraktion die in der Vorlage gewünschte bürgerschaftliche Beteiligung bei der Frage: Wie soll das alte Schlachthofgelände künftig genutzt werden? Ein Katastrophenschutzzentrum mit Feuerwehr, wie zuletzt von Bürgermeister Wieler vorgeschlagen? Das bedeutet: Zaun drum. Wollen wir das an dieser exponierten Stelle in der Innenstadt? Man sollte zumindest ausführlich darüber reden – mit weit geöffneten Türen, Köpfen und Herzen. Wie über so vieles in unserer schönen Stadt. Kommt gut in den Mai.

 

Text: Mike Altmann

Stadtratsblog#17: 25.3.2021

Seit einem Jahr tagt der Stadtrat in der Sporthalle an der Jägerkaserne. Ein trauriges Jubiläum. Der Ratssaal ist zwar nicht schön und bissel muffig – aber die Sporthalle würde ich gern wieder den Vereinen und Schulen überlassen. Würfe statt Worte. Tore statt Tagesordnung. Wir erheben uns zu Beginn der Sitzung für die Toten der Pandemie in Görlitz. Stille.

Danach wird es freudig. Mein Fraktionskumpel Danilo Kuscher darf ins Theater gehen. Er bekommt vom OB einen Gutschein. Happy Birthday, Großer.

Anschließend erklärt OB Ursu, dass der Tagesordnungspunkt zum Neubau der Oberschule abgesetzt wird. Der Verwaltungsausschuss hatte empfohlen, die vielen offenen Fragen zunächst in den Ausschüssen zu klären, bevor der Stadtrat darüber entscheidet. Es gibt dazu eine Sondersitzung des Ausschusses Kultur, Bildung, Soziales und Migration am Montag. Am Dienstag beschäftigt sich der Verwaltungsausschuss nochmals damit. Nach Ostern soll es eine Sondersitzung des Stadtrates geben. Wir wollen trotz der katastrophalen Haushaltslage den Neubau nicht aufgeben, denn die vier Görlitzer Oberschulen sind jetzt schon am Limit. Hoffentlich finden wir gemeinsam eine Lösung. Es hat für uns oberste Priorität.

Nach § 52 Sächsische Gemeindeordnung ist der OB verpflichtet, den Stadtrat über alle wichtigen Dinge zu informieren, die die Stadt betreffen. Dazu gehört nach unserer Auffassung zwingend die aktuelle Haushaltslage und deren künftige Entwicklung. Leider erfolgt auch in dieser Sitzung die Information nicht. Begründung: Der Verwaltungsausschuss berät zunächst nichtöffentlich über einzelne Punkte, bevor der Haushaltsentwurf für 2021/22 in die Öffentlichkeit kommt. Das sei so Usus. Mag ja sein, dass das nicht nur in Görlitz so läuft und man es in den letzten Jahren so praktiziert hat. Allerdings gibt die Gemeindeordnung klar vor, wie der Haushalt aufzustellen ist. Die Verwaltung erarbeitet einen Entwurf. Dieser wird öffentlich ausgelegt und die Bürgerschaft hat 14 Tage Zeit, ihre Einwendungen zu machen. Damit beschäftigt sich dann der Stadtrat und verhandelt die Haushaltssatzung öffentlich. Diese Öffentlichkeitsprinzip ist ein hohes Gut. Warum? Wenn sich die Fraktionen bereits vor der Auslegung des Haushaltes auf ihre Punkte einigen, ist der Drops gelutscht. Das Paket geschnürt. Die Bürgerschaft wird mit Einwendungen kaum Erfolg haben. Sie bekommt auch die Diskussionen nicht mit, welche Schwerpunkte die Fraktionen setzen. Was ja für eine demokratische Gesellschaft nicht ganz unwichtig ist. Diese Auffassung teilt der Oberbürgermeister nicht. Deshalb bleibt der Haushalt für die Öffentlichkeit vermutlich bis Mai oder Juni eine Black Box.

Corona

Unter dem Informationspunkt bekommen wir vom OB Einschätzungen zur Lage. Herr Ursu nimmt ein Umdenken wahr, sich von Inzidenzen zu lösen, sich mehr nach Auslastung der Krankenhäuser zu richten und mit Testungen mehr möglich zu machen. Er geht davon aus, dass das nach Ostern konkreter wird. Beim Landkreis setzt er sich für die Entwicklung einer App ein, um mit negativem Test mehr Freiheit zu bekommen. Ähnlich wie die Luca-App, die aber nicht genutzt werden kann, da das Gesundheitsamt des Landkreises keine kompatible Software nutzt. In Sachen Impfungen möchte OB Ursu das Klinikum und die größeren Betriebe einbeziehen. Voraussetzung ist freilich, dass ausreichend Impfstoff verfügbar ist.

Berzi GmbH

Im September 2020 wurde auf Wunsch von OB Ursu beschlossen, die Gründung einer Gesellschaft zu planen, die die Geschäfte am Berzdorfer See bündelt. Bis zum 1. Quartal 2021 sollte die Planung vorgestellt werden. Was soll Zweck der GmbH sein, welche Aufgaben bekommt sie, wie soll sie sich strukturieren? Nun, zum Ende des 1. Quartals bekommen wir die Information, dass es noch nicht viel zu berichten gibt. Man befinde sich noch in Verhandlungen. Sechs Monate sind also vergangen ohne vorzeigbares Ergebnis. Und wir haben weiterhin unklare Zuständigkeiten.

Kaufhaus/Postplatz 5 und 6

Dem Rathaus wurde eine Petition überreicht, die das Quorum von 300 Unterzeichnern erfüllt hat. Gefordert wird der Erhalt des Gebäudes Postplatz 6, die Erarbeitung alternativer Konzepte und die Einbeziehung der Görlitzerinnen und Görlitzer. Der Stadtrat kann sich allerdings nicht damit beschäftigen, erklärt die Verwaltung, da es sich um Privatbesitz und eine private Investition handelt. Danilo Kuscher aus unserer Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne merkt an, dass dann wohl auch der OB Neutralität zu wahren hat und sich nicht beim Landesamt für den Abriss denkmalgeschützter Gebäude (Postplatz 5/6) einzusetzen.

An dieser Stelle wird es spannend: Der OB berichtet, dass das Landesamt für Denkmalschutz dem Abrissantrag von Herrn Stöcker nicht zustimmt. Herr Ursu will nun die Landesdirektion anschreiben. Sie soll über den Dissens entscheiden. Der OB ist formell Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde von Görlitz und spricht sich für den Abriss aus. Als zuletzt die Landesdirektion eine solche Entscheidung zu treffen hatte, verschwand das Wilhelmstheater und Görlitz bekam den Profanbau City Center. Bei der Entscheidung der Landesdirektion handelt es sich um einen reinen Verwaltungsvorgang. Bedeutet: Der Stadtrat hat nichts zu melden. Die Bürgerschaft bleibt außen vor. Thorsten Ahrens (Die Linke) verweist darauf, dass über das Projekt Kaufhaus/Parkhaus offiziell nichts bekannt ist und fragt, wie man sich als OB  dennoch für den Abriss einsetzen kann. Von Bürgermeister Michael Wieler erfahren wir, dass der Verwaltung durchaus Details bekannt sind. Da Herr Stöcker sie aber nicht freigibt, um daraus einen Bebauungsplan zu erstellen, sind sie nicht öffentlich. Ich spüre Unbehagen. Vom Kaufhausprojekt bin ich überzeugt. Es wird dem Einzelhandel in Görlitz guttun und ein weiterer Anziehungspunkt sein. Ich lasse mich auch gern überzeugen, dass ein größeres Parkhaus Sinn macht, wenn damit an anderer Stelle die Innenstadt entlastet wird, etwa auf dem Obermarkt. Aber Leute: Das darf doch nicht hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden. Die Energie, die der OB jetzt in die Unterstützung eines Abrissantrages stellt, sollte er darauf verwenden, Herrn Stöcker zum Aufstellen eines Bebauungsplanes zu motivieren. Das würde das Verfahren beschleunigen. Alles andere sind Versuche, eine eigene Vorstellung von Recht und Ordnung durchzusetzen. Nach dem Motto: Wer bezahlt, bestimmt die Musik. Dagegen muss sich ein Oberbürgermeister wehren. Er hat das gesamte städtische Wohl im Auge zu behalten. Dazu gehören nach meiner Auffassung transparente Verfahren. Alles andere stört den Frieden in der Stadt. Oder gibt es ähnliche Sonderregelungen auch für andere Bauherren?

Kiesabbau Hagenwerder

Endlich: Nachdem bereits Anfang 2021 das Oberbergamt der Stadt mitgeteilt hat, dass der Kiesabbau am Ortseingang Hagenwerder genehmigt wurde, erfolgt dazu eine öffentliche Information. Im Kern wird der Werdegang wiedergegeben, den unsere Fraktion Anfang März recherchiert hatte. Ich frage nach, ob die Bürger von Hagenwerder 2019 über das Genehmigungsverfahren informiert wurden. Bürgermeister Wieler erklärt dazu, dass die Verwaltung davon ausgegangen sei, es folge eine öffentliche Beteiligung. Dass es für ein Abbaugebiet dieser Größe eine solche Beteiligung nicht gibt, war der Verwaltung nicht bekannt. Deshalb kamen die Bagger im März für die Menschen in Hagenwerder wie aus heiterem Himmel. Unsere Fraktion bleibt weiter am Ball und versucht die Betroffenen zu unterstützen. Auch in diesem Verfahren ist die Transparenz mangelhaft. Das Sächsische Oberbergamt verweigert der Stadtverwaltung Görlitz, die Genehmigung zum Abbau öffentlich zu verwenden. Unglaublich eigentlich, oder?

Wochenmarkt

Es folgt eine Vorstellung des neuen Marktbetreibers „Deutsche Marktgilde“. Inklusive Diskussion dauert es rund 90 Minuten. Das zeigt, wie emotional das Thema in Görlitz behandelt wird. Die Händler sind in Teilen unzufrieden mit dem neuen Betreiber. Sie kritisieren höhere Preise (teurer als in Dresden), fehlendes Wasser und Unklarheit, was künftig der Strom kosten wird. Die Marktgilde begründet die Preise mit den hohen Nebenkosten in Görlitz und dem Aufwand, der anfällt. So müssen sechs Stromkästen in Schuss gebracht werden. Als negativ empfindet der neue Betreiber auch die Tatsache, dass an sechs Tagen in der Woche geöffnet ist. Das sei ein absolutes Novum. Montag und Mittwoch sind wohl die schwächsten Tage. Es klingt ein wenig danach, als ob hier bereits eine Kürzung auf weniger Markttage anmoderiert wird. Wie auch andere Stadträte spricht sich meine Fraktionskollegin Kristina Seifert dafür aus, dass die Corona-bedingten Sonderkonditionen, die die Marktgilde erhält, den Händlern zugutekommen. Das lehnt der Marktbetreiber ab. Ebenso wie eine Versorgung mit Frischwasser. Dafür wären die hygienischen Anforderungen zu hoch. Ob es hygienischer ist, wenn sich die Händler ihr H2O in Behältern mitbringen und es den ganzen Tag in der Sonne steht, überlasse ich den Experten. Hoffen wir mal, dass es zu einem guten Miteinander von Händlern und Betreibern kommt. Ich kann verstehen, dass sich der Markt für die Gilde rechnen muss.  Auf der anderen Seite brauchen wir aber auch Preise und Bedingungen, die für die Händler annehmbar sind.

Beendigung von Stadtratstätigkeiten

Wie schon in der Presse nachzulesen war, möchten die AfD-Stadträte Thomas Seliger und Matthias Volprich keine Stadträte mehr sein. Sie führen dafür berufliche und persönliche Gründe an. Meine Kollegin Dr. Jana Krauß spricht für unsere Fraktion. Sie kritisiert den leichtfertigen Umgang mit Wählerstimmen und errungenem Mandat. Gleichzeitig äußert Jana Verständnis für die persönliche Belastung von Selbständigen, die der Stadtratsarbeit nachgehen. Das kann sie gut beurteilen, da sie ebenfalls selbständig ist. Weiter sagt Jana: „Was aber fehlt in den Begründungen der beiden Stadträte, ist die Anerkennung der Verantwortung. Wir erleben in unserer Fraktion, die aus fünf Leuten besteht, was es heißt zusammenzustehen. Ist es denn für eine 12er AfD-Fraktion unmöglich die eigenen Kollegen so zu entlasten, dass die Ausübung des Mandats weiterhin möglich ist?“

Ich bringe an anderer Stelle meine persönliche Sicht zum Verfahren ein. Es ist für mich keine gute Regelung, dass ein ehrenamtlich arbeitendes Kollegium entscheidet, ob jemand aus den eigenen Reihen gehen darf. An dieser Stelle sollte die Gemeindeordnung verändert werden. Ich fände es gut, wenn es klare Kriterien gibt und eine zuständige Stelle von Amts wegen entscheidet. Zur Sachfrage selbst habe ich eine klare Haltung: Wer gehen will, soll gehen. Unsere Fraktion enthält sich in beiden Fällen. Die Stadträte Seliger und Volprich werden von der Mehrheit des Rates „aus der Verantwortung entlassen“. Anschließend vereidigt der Stadtrat zwei Nachrücker, die nun für die AfD mitarbeiten. Damit könnte das Thema erledigt sein. Aber leider gab es einen Formfehler. Die betroffenen Stadträte Seliger und Volprich hatten sich nicht als befangen erklärt. Das ist aber vorgeschrieben in solchen Fällen. Wenn es um dich persönlich geht, hast du dich rauszuhalten und den Platz zu verlassen. Macht ja auch Sinn. Nach einigen hektischen Minuten erklärt der OB die gefassten Beschlüsse für rechtswidrig. Also sind die Herren Seliger und Volprich offiziell weiterhin Stadträte und müssen in der nächsten Sitzung nochmal „entlassen“ werden. Kann passieren, wir sind ja alle keine Profis.*

 

Fragestunde Bürger

Mandy Kraußen von der Glückssträhne und weitere Händler fordern ein Modellprojekt nach dem Vorbild Tübingens für Görlitz, damit hier mithilfe von Tests mehr Freiheiten möglich werden. Sie wünscht sich vom OB ein Konzept, damit man loslegen kann, sobald es möglich ist. OB Ursu bietet Unterstützung an, verweist aber auch darauf, dass man Görlitz nicht mit Tübingen vergleichen kann. Mal schauen, was in Zusammenarbeit mit dem Landkreis möglich ist. Fakt bleibt: Auch Modellprojekte sind erst durchführbar, wenn die Gesamtzahl an Infizierten möglichst niedrig ist. Es kommt auf die Disziplin von uns allen an.

 

Fragestunde für Stadträte:

Danilo Kuscher hakt für unsere Fraktion nach, warum der Haushalt nicht öffentlich debattiert wird. So wie es derzeit praktiziert wird, ist es schwer zu argumentieren, da ja Details zum Haushalt unter die Verschwiegenheit fallen. Kollege Ahrens von den Linken unterstützt das und bittet um eine Handreichung, aus der hervorgeht, welche Daten zum Haushaltsentwurf kommuniziert werden dürfen. Das sagt der OB zu. Wir sind gespannt auf das Papier.

Ich möchte wissen, wie weit das Personalentwicklungskonzept gediehen ist. Bei seiner Antrittsrede im August 2019 hatte Herr Ursu eine Aktualisierung angekündigt. Da wir im Rahmen der Haushaltsdiskussion möglicherweise auch über Personalanpassungen entscheiden, wäre ein solches Konzept eine wichtige Grundlage. Ob es denn bis dahin vorliegt? Der OB beantwortet im ersten Anlauf meine Frage nicht, sondern geht nochmals auf das Verfahren der Haushaltsdiskussion ein. Ich frage nach: Liegt das Personalentwicklungskonzept zur Haushaltsdiskussion vor? Man sei auf einem guten Weg, erfahre ich. Ist er gerade losgelaufen? Oder sieht er schon die Zielflagge? Keine Ahnung. Bei solchen Antworten kann man sich die Fragestunde auch sparen.

 

Bei den Beschlüssen gehe ich auf die aus unserer Fraktionssicht spannendsten Themen ein:

Gesamtsanierung Stadthalle

Unsere Haltung zur Stadthalle ist eindeutig. Es wäre prima, wenn ein solches Haus kommt und wir es uns leisten können. Daran bestehen erhebliche Zweifel. Nachdem zumindest die Sanierung lange Zeit als gesichert schien und wir uns eher über die Zuschüsse für den Betrieb sorgten, ist nun auch die Investition selbst in Gefahr. Darauf verweist die Amtsleiterin für Stadtfinanzen in der Vorlage. Es fehlt ab 2022 an Geld für weitere Planungen und den Bau, trotz Fördermitteln. Außerdem muss von einer weiteren Kostensteigerung ausgegangen werden, da die aktuellen Zahlen aus 2020 stammen und bis zur Fertigstellung 2025 der Baukostenindex steigen dürfte. Das führt aus Sicht der Finanzverantwortlichen im Rathaus zu erheblichen Risiken. Da die Stadthalle keine Pflichtaufgabe sei, können auch keine Kredite aufgenommen werden.

Düstere Aussichten. Dennoch ist die Mehrheit des Stadtrates nicht bereit, den Planungsprozess anzuhalten. Das Prinzip Hoffnung regiert. Vielleicht möchte man auch nur nicht „schuld“ sein, wenn die Sanierung scheitert. Unsere Fraktion nutzt die Debatte, um offene Fragen zu klären. Die Finanzierungslücke von derzeit rund 3 Millionen Euro möchte die Stadt dadurch schließen, dass sie sich die gezahlte Umsatzsteuer für Planung und Bau vom Finanzamt zurückholt. Ob diese Vorsteuerabzugsberechtigung erteilt wird, verhandelt das Rathaus aktuell mit den Finanzbehörden. Ich möchte wissen, ob die Verwaltung weiß, um was für eine Art Förderung es sich handelt. Brutto oder Netto? Aus dem Zuwendungsrecht kenne ich es so: Bei einer Bruttoförderung bekommt man die 36 Millionen Euro von Bund und Land und bestreitet davon seine Brutto-Ausgaben, also inklusive der Umsatzsteuer. Ist man vorsteuerabzugsberechtigt, muss man eigentliche eine Netto-Kalkulation einreichen und bekommt auf dieser Basis eine Netto-Förderung (die dann geringer ausfällt). Gänzlich neu wäre mir, dass der Finanzminister auf rund 6 Millionen Euro Umsatzsteuer verzichtet. Genau das scheint der Knackpunkt zu sein. Klar kann die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien sagen: Nehmt mein Geld, holt euch die Vorsteuer und verbaut auch diese. Nur wird Monika Grütters nicht die Finanzprüfung durchführen. Insofern ist dieser Punkt in der Betrachtung wesentlich. Denn ohne das Vorsteuermodell bricht die gesamte Finanzierung zusammen. Ich lasse mich gern eines Besseren belehren, wenn es tatsächlich zu einer Lex Görlitz kommt und Olaf Scholz zugunsten der Stadthalle auf ein paar Millionen verzichtet.

Meine Kollegin Jana Krauß fragt, ob die zu erwartenden Baukostensteigerungen denn bereits eingepreist sind (in Sachsen stieg der Baupreisindex in den letzten fünf Jahren um 20%). Das ist nicht der Fall. Allerdings weist Dr. Wieler darauf hin, dass wir heute nicht über die endgültigen Kosten abstimmen. Diese bekommen wir erst im nächsten Schritt mit der Entwurfsplanung. Ob darin dann steigende Baukosten einkalkuliert werden? Danilo Kuscher fragt, was denn angesichts der vielen offenen Fragen dagegenspricht, diesen Beschluss im Rahmen der Haushaltsverhandlungen zu führen. Immerhin geht es um zusätzlich 342.000 Euro, die wir mit der Erweiterung der Planungsaufträge ausgeben. Bürgermeister Wieler geht auf die Frage nicht ein. Der Stadtrat soll entscheiden, ob wir an dieser Stelle die Planung aussetzen. Thorsten Ahrens kritisiert, dass damit die inhaltliche Frage nicht beantwortet sei. Außerdem möchte er gern die Fördermittelzusagen von Bund und Land sehen. An dieser Stelle wird es erneut seltsam geheimnisvoll. OB Ursu erklärt, dass diese Schreiben nicht herausgegeben werden. Begründung: Datenschutz. Das größte Investitionsprojekt seit der Wende basiert also auf Fördermittel-Zusagen, die geheim bleiben müssen? Das lassen wir in den nächsten Tagen prüfen.

In einer Sitzungspause erklärt uns Bürgermeister Wieler seine Sicht auf die Vorsteuer. Es ist ein guter Austausch. Er versichert uns außerdem, dass wir an dieser Stelle des Verfahrens lediglich die weitere Planung beschließen. Obwohl uns die 342.000 Euro dafür schmerzen, wollen wir unseren guten Willen zeigen und enthalten uns bei der Abstimmung. Spätestens im Juli/August wird es dann zum Schwur kommen, wenn wir entscheiden müssen, ob wir auf Grundlage einer Entwurfsplanung und eines Betriebskonzeptes die finanzielle Kraft für das Stadthallenprojekt haben. Aus derzeitiger Perspektive hilft nur ein Wunder. Stand jetzt ist das Vorhaben nicht umsetzbar.

Konzept für eine Digitalisierungsstrategie

Wir machen uns auf den Weg. Das ist die frohe Botschaft kurz vor 22 Uhr. Unser Antrag wird mehrheitlich angenommen. Langfristig braucht Görlitz eine Strategie, wie die Digitale Transformation in die Stadtentwicklung eingebunden wird. Das ist ein Prozess, der gut vorbereitet sein will. Als Grundlage braucht es ein Konzept, wie man das angeht, wen man als Partner ins Boot holt, wie die Bürgerschaft einbezogen wird. Inhaltlicher Leitfaden soll die nationale „Smart City Charta“ sein. Zunächst erklären OB und ein zuständiger Mitarbeiter, die Verwaltung habe keine Ressourcen für ein solches Konzept und könne es leider nicht umsetzen. Das wäre ein Offenbarungseid für die „Stadt der Zukunft“. Ich schlage vor, sich bereits für diese erste (überschaubare) Aufgabe Partner zu holen. So gibt es bei den Stadtwerken eine Abteilung, die sich ausschließlich mit Zukunftsthemen beschäftigt. Die Hochschule ist fachlich und methodisch ebenfalls vorn dabei. Das überzeugt schließlich den OB. Er bittet darum, die angestrebte Zeitvorgabe bis Oktober 2021 und die konkrete Vorgabe an den Konzeptinhalt zu streichen, um mehr Freiheit zu haben. Darauf einigen wir uns. Ein wichtiger Schritt nach vorn.

Gehölzschutzsatzung

Jana Krauß bringt eine zweite Vorlage unserer Fraktion ein: „Satzung zum Schutz und zur Pflege des Gehölzbestandes der Stadt Görlitz“. Sie soll die Aufmerksamkeit auf den Baumschutz lenken. Eine zeitgemäße Satzung ist Klimaschutz und damit Bestandteil der Umsetzung des Görlitzer Ziels, bis 2030 klimaneutrale Stadt zu werden. Unser Entwurf beschreibt einen maximalen Schutz, ist aber kein Dogma, sondern lädt zur Diskussion ein. Neu aufnehmen wollen wir den Schutz von Baumarten, die bisher nicht erfasst sind, wie Obst- und Nadelbäume. Auch den Schutz von Bäumen mit einem Stammdurchmesser von weniger als einem Meter sowie von Großsträuchern und Hecken streben wir an. Uns ist bewusst, dass dies nicht überall auf Beifall stoßen wird. Aber es gehört für uns zu einer ehrlichen Politik, auch die umstrittenen Themen anzufassen, wenn wir davon überzeugt sind, dass sie wichtig für unsere Stadt sind.

Die Stadtverwaltung findet es prima, dass wir das Thema angehen. Im Rathaus selbst wird  auch an einer Baumschutzsatzung gearbeitet – wie wir erst nach Einreichung unseres Antrags erfuhren. Kein Problem, wir können gut mit der Verwaltung zusammenarbeiten. Erwartungsgemäß begegnet uns Skepsis von anderen Fraktionen, die die Vorgaben als zu streng empfinden. Warum sollte man denn Bäume mit Stammdurchmesser unter einem Meter schützen? An dieser Stelle habe ich den größten Erkenntnisgewinn der gesamten Sitzung, als Jana Krauß erklärt: Will man robuste Bäume, muss man die jungen Gewächse schützen. Für 80 Zentimeter Stammdurchmesser braucht ein Laubbaum zwischen 48 und 60 Jahren. Kann weg? Selbst ein Baum mit 30 Zentimeter Umfang hat ein Alter von 20 Jahren. Kann weg? Wir bleiben am Thema dran, ziehen unsere Vorlage aber zurück. Zu diesem Zeitpunkt wäre es schade, wenn sie abgelehnt wird. Wir sind froh, dass es einen Austausch mit der Verwaltung gibt und dass das Thema dort ernst genommen wird. Unsere Vorschläge bringen wir bei der Behandlung der Baumschutzsatzung der Verwaltung mit ein.

Was wurde sonst noch beschlossen (keine vollständige Aufzählung)?

Der Auftrag für den ersten Bauabschnitt des Ausbaus Rothenburger Straße wird vergeben an die Straßen- und Tiefbau GmbH See. Gebaut wird von der Kreuzung Schlesische Straße in Richtung Klingewalde.

Für die Abbrüche und das Herrichten der Geländeoberfläche im ehemaligen Schlachthofgelände beauftragen wir die Görlitzer Gleis- und Tiefbau GmbH. Mit den Arbeiten wird das Grundstück für künftige Nutzungen vorbereitet, etwa die geplante Oberschule. Die Maßnahmen im östlichen Bereich des Schlachthofes sind auch nötig, damit die Stadtwerke ihre Fernwärmetrasse für die Versorgung der Innenstadt West verlegen können.

Einstimmig beschließen wir, dass die Gastwirte bis Jahresende keine Gebühren zahlen müssen, wenn sie Tische und Stühle im Freien aufstellen. Das ist ein sehr kleiner Beitrag der Unterstützung in schwierigen Zeiten. Die Stadt verzichtet auf etwa 5.000 Euro.

Es gibt demnächst einen Kleingartenbeirat. Das hatten sich die Kleingärtner gewünscht, nachdem alle Parzellen von der Stadt an Kommwohnen verkauft werden mussten, um den Kita-Neubau Fichtestraße bezahlen zu können.

Nachdem Karin Mohr aus gesundheitlichen Gründen aus dem Seniorenbeirat ausscheiden musste, wird ihr Platz neu besetzt. Die von Motor Görlitz/Bündnisgrüne vorgeschlagene Kandidatin Ursula Geßner übernimmt. Vielen Dank und viel Erfolg.

Die Oberschule Rauschwalde nutzt seit 2015 drei Container, weil der Platz für die Schüler nicht ausreicht. Leider lassen Klimatisierung und Schallschutz zu wünschen übrig. Jetzt wird nachgebessert. Spätestens zum nächsten Schuljahr gibt es Klimaanlagen und Schallschutzwände. Verbesserungen auch in der Grundschule 1 (Schulstraße): Hier hallt es zu stark. Mit Baumaßnahmen wird das behoben. Die Lehrer halten schließlich keine Predigt.

Diskussionen gibt es wegen der vorzeitigen Freigabe von Haushaltsmitteln für die Veranstaltungen im Jubiläumsjahr „950 Jahre Görlitz„. Hier unterläuft unserem Geburtstagskind Danilo Kuscher ein Fehler. Im Eifer des Gefechts verpasst er, sich befangen zu melden. Wir holen die Beschlussfassung beim nächsten Mal nach. (Vorzeitige Freigabe deshalb, weil wir keinen beschlossenen Haushalt haben.)

Eifrig diskutiert wird um eine eher überschaubare Summe: 28.000 Euro sollen ebenfalls vorzeitig freigegeben werden für die Erstellung von Verkehrswertgutachten. Damit will das Rathaus die Preise für Grundstücksverkäufe an Kommwohnen und Gewerbeflächen in Klingewalde (Zoll, Bauen 4.0) ermitteln. Unstrittig. Dagegen gibt es Gesprächsbedarf für das gewünschte Gutachten im ehemaligen Kraftwerksgelände Hagenwerder. Um einschätzen zu können, ob und mit welchem Aufwand wir Flächen von der LEAG erwerben können, soll der aktuelle Wert ermittelt werden. Die AfD argumentiert, dass wir doch gar kein Geld haben, um uns Industrieflächen leisten zu können. Also sollten wir uns auch die Kohle für das Gutachten sparen. Kannste mal sehen. Bei einem Preis im niedrigen fünfstelligen Bereich gibt es große Bedenken. Bei sechsstelligen Planungskosten für eine Stadthalle, die ebenfalls finanziell auf tönernen Füßen steht, fordert dieselbe Fraktion, dass man jetzt nicht wackeln darf. Bemerkenswert.

Wirtschaftlich positive Nachricht: Das aus dem Waggonbau ausgegründete Unternehmen Bahn Service Görlitz GmbH kauft ein Grundstück im Gewerbegebiet Schlauroth. Bis zu 25 neue Arbeitsplätze sollen beim Bahnzulieferer entstehen. Rund 6,5 Millionen Euro werden investiert. Gutes Gelingen.

Zum Abschluss möchte die CDU-Fraktion den bestehenden beratenden Ausschuss Umwelt und Ordnung teilen. Umwelt/Klimaschutz/Nachhaltigkeit und Ordnung/Sicherheit/Prävention sollen die neuen Ausschüsse heißen. Es gibt Bedenken von unserer Fraktion aber auch von BfG. Die Idee, die beiden Ausschüsse alternierend tagen zu lassen, so dass man die Belastung nicht erhöht, klingt gut. Praktisch ist es aber so, dass ein Ausschuss nicht nur aller vier Monate tagen kann. Er wird einberufen, wenn es Vorlagen gibt, die der Ausschuss vorzuberaten hat. Unser Vorschlag, die Vorlage zurückzuziehen und generell über die Zuschneidung der Ausschüsse zu beraten, wird abgelehnt. Also Abstimmung. Knapper Erfolg für den CDU-Antrag. Um die beiden neuen Ausschüsse nun noch in der Hauptsatzung festzuschreiben, braucht es einen weiteren Beschluss und eine zwei Drittel Mehrheit. Wahnsinn, was man alles so lernt im Stadtrat.

 

*Nachtrag: Alle gefassten Beschlüsse wurden im Nachgang für ungültig erklärt. Grund ist die unübersichtliche Lage während der Entlassung der beiden AfD-Stadträte. Mitte April sollen im Rahmen einer Sondersitzung alle Vorlagen nochmals abgestimmt werden.

 

Text: Mike Altmann

Stadtratsblog#16: 25.2.2021

Die Tagesordnung der Stadtratssitzung liest sich unspektakulär. Kein Kaufhaus, keine Oberschule, kein Nostromo. Die Knallerthemen fehlen. Und doch wird es eine bemerkenswerte Veranstaltung, die uns sehr viele Stellen aufzeigt, in denen es in Görlitz schon recht stark müffelt. Wo die Säge klemmt. Wir „Herausforderungen“ haben.

Haushalt hinter verschlossenen Türen

Die Aufregung beginnt für unsere Fünfer-Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne bereits weit vorher. Auslöser ist eine Sitzung des Verwaltungsausschusses am 17. Februar. Im nichtöffentlichen Teil informiert OB Ursu über die Eckdaten des Haushaltes 2021/22 und erste Einsparvorschläge der Verwaltung. Wir fragen uns, warum eine solch wichtige Information nicht öffentlich im Stadtrat vorgetragen wird, wie es die Sächsische Gemeindeordnung vorsieht? Eine entsprechende Bitte von uns lehnt der Oberbürgermeister ab. Daraufhin wollen wir im Stadtrat einen Antrag stellen, der uns von der Verschwiegenheit entbindet. Geht aus formalen Gründen nicht, erklärt uns das freundliche Rechtsamt fünf Minuten vor der Sitzung. Es fehlt ein passender Tagesordnungspunkt. Außerdem sei es völlig unüblich, so früh die Öffentlichkeit zu informieren. Zunächst würden Verwaltung und Stadtratsfraktionen hinter verschlossenen Türen gemeinsam Eckpunkte erarbeiten, erklärt uns der OB später in der Fragestunde. Nach unserer Auffassung untergräbt dieses Vorgehen die Beteiligung der Öffentlichkeit. Der Oberbürgermeister hat einen Haushaltsentwurf vorzulegen, inkl. Finanzplan bis 2025 und Investitionsplan. Das wird öffentlich ausgelegt, die Bürgerschaft gibt Anmerkungen und macht Vorschläge. Und erst dann beginnen die eigentlichen Haushaltsverhandlungen. Wenn das vorher schon alles weitestgehend „ausgehandelt“ ist, hat die Bürgerschaft wenig Chancen, das Konsenspaket nochmal zu öffnen. Wir werden auch weiterhin versuchen, das vom Gesetzgeber gewollte Öffentlichkeitsprinzip durchzusetzen.

 

Nun zur eigentlichen Sitzung: Eine nicht ganz unwichtige Vorlage muss bereits zum zweiten Mal runtergenommen werden. Der Vergabebeschluss für den Bau der Blockhausbrücke. Es gibt Schwierigkeiten mit dem Vergabeverfahren. Dadurch drohen weitere Zeitverzögerungen.

Weiteres Leuchtturmprojekt?

Es folgen Informationen zum sogenannten „Experimentierhaus“. Dieses hatte vor einem Jahr die CDU angeregt. Der OB sollte prüfen, ob man nach dem Vorbild von IQ-LANDIA Liberec und Technorama Winterthur einen ähnlichen Anziehungspunkt zum Lernen, Forschen und Staunen in Görlitz hinbekommen kann. Die konzeptionelle Arbeit wurde von der Hochschule Zittau/Görlitz übernommen. Vielen Dank für die große Kooperationsbereitschaft, denn auch schon bei Herrn Ursus Projekt „Filmakademie“ leistet im Wesentlichen die Hochschule die inhaltliche Arbeit.  Vorgestellt wird eine erste Konzeption von der Prorektorin Forschung Prof. Sophia Keil, die ein schönes Eingangsstatement gibt: „Unsere Zukunft liegt in den Händen der Kinder und die Zukunft der Kinder liegt in unseren Händen.“ (Das merken wir uns für später.) Einbetten soll sich das Experimentierhaus in einen Oberlausitzer Zukunftslernort mit zentralen und dezentralen Werkstätten für 13- bis 20-Jährige. Ins Gesamtkonzept fließt jetzt das „Experimentierhaus“ ein. 2023 könnte man in die Umsetzungs- und Bauplanung einsteigen. Der Hochschule schwebt ein futuristischer Neubau am Hochschulcampus an der Neiße vor, der Signalfunktion hat. Inhaltlich sollen die MINT-Fächer ein Schwerpunkt sein, es aber auch Angebote entlang der Hochschul-Studienfächer und der Filmakademie geben. Der Knackpunkt wird die Finanzierung. Wenn eine fundierte Planung mit Inhalten, Marktanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung sowie Erschließung von Finanzierungsquellen vorliegt, kann man sich intensiv damit auseinandersetzen. Ich verstehe jeden, der mit einem weiteren Leuchtturmprojekt fremdelt, während wir in Görlitz den Neubau einer dringend benötigten Oberschule nicht hinbekommen. Aber bleiben wir einfach optimistisch.

Nostromo vor der Rettung

Dass hin und wieder Wunder geschehen, eröffnet uns Bürgermeister Michael Wieler bei seinem Bericht zur Situation auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofes. Dort gab es ja die traurige Nachricht, dass dem Nostromo gekündigt wurde. Nachdem das Thema in den sozialen Medien durch den Schall & Rauch e.V. als Nostromo-Betreiber bekannt gemacht wurde, hat sich nun ein „Gönner“ gemeldet. Es liegt eine schriftliche Bereitschaftserklärung vor, das Gelände zu kaufen, der Stadt ein Vorkaufsrecht einzuräumen und dem Nostromo einen Nutzungsvertrag anzubieten. Das ist eine wunderbare Nachricht, die hoffentlich zu einem Happy End in dieser Angelegenheit führt. Das Nostromo-Team und seine vielen Unterstützer haben unter Beweis gestellt, dass es hilft, die Öffentlichkeit einzubeziehen.

Ebenfalls positiv: Herr Wieler hat nunmehr auch mit potenziellen Partnern über seine Idee gesprochen, auf dem Schlachthofgelände ein „Zivilschutzzentrum“ zu entwickeln (nachdem diese aus der Zeitung davon erfuhren). Landkreis und DRK haben demnach ihr Interesse erklärt. Auch hier steht und fällt aber alles mit der Finanzierung.

Gift für Tourismus

Die Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH ist in Görlitz für Wirtschaftsförderung, Tourismus und Stadtmarketing zuständig. Die Geschäftsführerin Andrea Behr berichtet uns über die aktuelle Lage. Die Gästezahlen sind durch Corona 2020 um 40% eingebrochen. 2021 wird es nicht viel anders aussehen. Dadurch ist Görlitz auf den Stand von 2012 zurückgeworfen worden (Sachsen gar 2010). Das schlägt ins Kontor. Die EGZ hat errechnet, dass jeder Übernachtungsgast rund 130 Euro in der Stadt lässt. Tagesgäste im Schnitt 24 Euro. Fasst man alles zusammen, bescherten Touristen den Görlitzer Gewerbetreibenden 102 Millionen Euro Umsatz im Rekordjahr 2019.

Gewerbeflächen fast ausgebucht

Wirtschaftlich macht uns Andrea Behr Mut. Es gibt anhaltend viele Nachfragen von ansässigen Firmen, die sich erweitern wollen und von Unternehmen, die auf Standortsuche sind. 45 Ansiedlungsgespräche laufen derzeit. Wir brauchen Geduld, denn es vergehen nicht selten drei bis vier Jahre von der Anfrage bis zum Produktionsstart, wie z.B. bei Yellow Tec, wo es im vierten Quartal losgehen soll. Auch mit dem Zoll ist man seit vier Jahren im Gespräch. Jetzt schlägt die Bundesbehörde zu und siedelt sich im fast schon dem Tode geweihten Gewerbegebiet Nord-Ost in Klingewalde an. Stichwort Gewerbegebiete: Görlitz gehen die Flächen aus, fast alle Zipfel sind verkauft, auch in Schlauroth wird es bald voll sein. Heißt für uns: Neue Gewerbegebiete entwickeln gemeinsam mit anderen Kommunen, denn der Stadt Görlitz fehlen einfach Flächen. In jedem Fall braucht es dafür Geld im Haushalt, denn ohne Eigenmittel lässt nichts ausrichten.

Unstrukturierter Strukturwandel

Das Geld fehlt auch noch für einen „Nachhaltigkeitsmanager“. Eine Position, die das Ziel „Klimaneutrale Stadt“ koordiniert. Ein Förderantrag wurde jüngst abgelehnt, nun ist die EGZ auf der Suche nach weiteren Finanzquellen. Eine der heißesten Quellen ist der gut gefüllte Fördertopf für den „Strukturwandel“. In anderen Kommunen der Region gibt es bereits Koordinatoren, die nur dafür zuständig sind. In Görlitz hat die EGZ die größte Expertise und gute Kontakte, aber es fehlt bislang jede Struktur in der Stadtverwaltung. Wir erfahren, dass seit wenigen Tagen ein Koordinierungskreis für den Strukturwandel eingerichtet wurde. Das ist fast schon fahrlässiger Umgang mit Fördergeldern. Spätestens mit Veröffentlichung der begleitenden Förderprogramme zum Kohleausstieg hätte dieses Thema Chefsache sein müssen. Nun hoffen wir, dass nach dem sehr späten Start mit Volldampf gearbeitet wird. Der OB ist offenbar noch nicht warmgeworden mit dem Thema. „Wir ordnen die Anträge, die da sind“, ist seine Antwort auf meine Frage nach einer strategischen Koordination.

Unklarheit zur See GmbH

Ebenso unbefriedigend ist die Antwort von Herrn Ursu auf die Frage meines Kollegen Andreas Kolley. Nachdem Frau Behr das Thema Entwicklung des Berzdorfer Sees nur streift, möchte er vom OB wissen, ob er denn wie beschlossen im März seine angekündigte See GmbH vorstellt.  Antwort: „Wir arbeiten daran. Wenn alles klappt, bekommt es der Stadtrat im März vorgestellt. Wenn nicht, dann später.“ Es geht hier um einen gefassten Beschluss mit klarer Terminsetzung 1. Quartal. Der OB scheint das nicht sonderlich ernst zu nehmen.

Stress auf dem Wochenmarkt

In der Bürgerfragestunde brennt auch der Baum. Ein Imbissanbieter vom Wochenmarkt beklagt sich über die neuen Betreiber (Deutsche Marktgilde). Die Standmiete wurde von 35 Euro auf 60 Euro erhöht (die Stadt hat darauf keinen Einfluss). Bei schlechterem Service als unter Francois Fritz. So muss das Wasser jetzt von zuhause in Eimern mitgebracht werden. Der Gang zur Toilette ist auch eine kleine Weltreise und führt bis ins City Center. Echauffiert wird sich darüber im Stadtrat ausgerechnet von der AfD, die überhaupt erst Unruhe in die Wochenmarkt-Betreibung gebracht hat. Hoffentlich geht nach 20 Jahren Frieden nicht wieder der Dauerzoff auf dem Markt los.

Bürgermeister findet Containerlernen okay

Dann geht es um die Frage der Familienfreundlichkeit. Ein junger Vater schätzt ein, dass der unter Siegfried Deinege eingeschlagene Weg der familienfreundlichen Stadt verlassen wird. Aus seiner Sicht ist die geplante zeitliche Verschiebung des geplanten Neubaus einer Oberschule auf dem Schlachthofgelände (Richtung Rauschwalder Straße) nun die „Krönung“. Bereits jetzt seien die Schulen überlastet, müssen Kinder in Containern lernen. Er fragt nach den Prioritäten: „Wir kommen unseren Pflichtaufgaben nicht nach und bauen stattdessen eine Stadthalle?“ Erwartungsgemäß beschwichtigt OB Ursu. Man wolle weiterhin die Oberschule, der Bau werde nur etwas nach hinten geschoben. Wie viele Jahre sind eigentlich „etwas“? Bürgermeister Michael Wieler wiederum geht auf das Thema Container ein, die er als gar nicht so schlimm empfindet. „Die Container haben einen sehr hohen Qualitätsanspruch. Ich will das nicht schönreden, aber man kann hier guten Gewissens von einem soliden Raumangebot sprechen.“

Ich frage an anderer Stelle bei Herrn Wieler nach, wie er denn zu einem solchen Sinneswandel kommt. Noch vor einigen Monaten wurden Container für die Zeit der Sanierung der Grundschule in Königshufen von Herrn Wieler und dem Schul- und Sportamt abgelehnt. Aus der Elternvertretung wurde mir das Zitat übermittelt: „Im Winter sehr kalt, im Sommer sehr heiß, der Boden ewig dreckig. Das ist unzumutbar für Schüler und Lehrer.“ Herr Wieler kann sich nicht erinnern, dass er jemals eine solche Äußerung gemacht habe. Dafür habe ich Verständnis, sein Wortanteil in jeder Sitzung ist sehr hoch. Da haben wir was gemeinsam – auch ich erinnere mich deshalb nicht an jedes Wort.

Im März will die Verwaltung jedenfalls beantragen, den Neubau der Oberschule offiziell zu verschieben. Thorsten Ahrens (Linke) regt eine digitale Bürgerversammlung dazu an, mit Lehrern, Eltern und Schülern der Görlitzer Oberschulen. Yvonne Reich (BfG) schlägt einen Vor-Ort-Termin vor, um sich die Bedingungen in Unterrichts-Containern anzuschauen.

Stöcker-Kaufhaus acht Jahre planlos

Zurück zur Bürgerfragestunde. Da ging es einmal mehr um die Planungen fürs Kaufhaus. Architekt Frank Vater vermisst einen konkreten Bebauungsplan, auf dessen Grundlage man auch mal Argumente austauschen kann. Wir erfahren, dass es keinen solchen B-Plan gibt, da Investor Stöcker bis heute keine konkreten Inhalte zugearbeitet hat, die in einen solchen Plan einfließen könnten. Ist es also das Görlitzer Rathaus, das das Kaufhaus-Projekt ausbremst? Herr Stöcker ist seit 2013 im Besitz des Kaufhauses und hat seitdem keine relevante Planung vorgelegt. Dass er dennoch schon einen Abrissantrag für die Häuser Postplatz 5/6 stellt, ist rechtlich möglich, gibt aber zu denken.

14 Ladesäulen und kein Konzept

Danilo Kuscher (Motor) erkundigt sich in der Fragestunde für Stadträte, wie es mit dem Mobilitäts- und Verkehrskonzept weitergeht, das uns seit vielen Monaten versprochen wird und ob sich Görlitz bemüht, mehr als die derzeit geplanten 14 Ladesäulen für E-Autos hinzubekommen. OB Ursu kündigt für April eine Bürgerversammlung an, in der Elemente aus dem Verkehrskonzept beredet werden können. Das Thema E-Mobilität bekommen wir demnächst im Technischen Ausschuss vorgestellt, aber Bürgermeister Wieler lässt schon durchblicken, dass er die Stadt hier nicht in einer verantwortlichen Rolle sieht. Das liege in unternehmerischer Verantwortung. Mag sein, aber wenn ich mit verschränkten Armen hinterm Schreibtisch sitze, wird sich das Thema nicht allein durch die Wirtschaft lösen. Wo sind die Strategien, die abgestimmten Pläne, die spürbare Lust auf Zukunft?

Kein Wasser für die Strandbar

Motor-Kollege Kolley meldet sich ein weiteres Mal zum Berzdorfer See. Nachdem mit erheblichem Verzug die Gewerbetreibenden in Deutsch Ossig ans Wasser angeschlossen sind, würden wir auch gern am Nordost-Strand einen Anschluss herstellen (z.B. für die Strandbar). Das ist aber nicht möglich, weil die Rohre nur bis zur Toilette am Rande des Nord-Ost-Strandes führen. Richtung Stadt gibt es keine Wasser- und Abwasserleitung. Na, sowas aber auch… Blöd nur, dass es ab Juli neue Richtlinien für Gastronomen gibt, die den Verkauf von Speisen und Getränken in Einweggeschirr untersagen. Ich hätte es prima gefunden, wenn Herr Ursu oder Wieler zumindest erklärt hätten, dass sie sich des Themas annehmen und nach Lösungen suchen.

Trauriger Umgang mit Engagierten

Diese dezente Unlust an Kommunikation und Hilfsbereitschaft bekommt auch Gabi Kretschmer (CDU) zu spüren. Sie ist rührige Unterstützerin des Projektes „Deutsch-Polnische Kinder-Stadt“. In diesem Sommer fällt der Termin mit den Festivitäten „950 Jahre Görlitz“ zusammen. Damit fürchtet Gabi Kretschmer, dass die Ausrichtung im Stadthallengarten nicht möglich ist. Entsprechende Briefe ans Rathaus blieben allesamt unbeantwortet. „Die liegen bei mir“, sagt Bürgermeister Wieler und begründet, dass er noch nicht soweit mit den Planungen sei, um sagen zu können, was geht und was nicht. Das kann passieren. Aber hatte der Bürgermeister keine Zeit für ein Telefonat, eine kurze E-Mail, ein Randgespräch während einer Sitzung, um einer Stadträtin und engagierten Görlitzern zumindest diese Zwischeninfo zu übermitteln? Wie traurig.

Zum Ende der Fragestunde ist es bereits 19 Uhr. Nach einer kurzen Pause geht’s mit den Beschlüssen los, von denen ich einige vorstelle.

Badebetrieb am Berzi gesichert

Wir beschließen die vorzeitige Freigabe von 200.000 Euro für die Badesaison 2021 am Berzdorfer See. Davon werden u.a. Ordnung und Sicherheit bezahlt aber auch die Badeaufsicht. Leider wird mit der Begründung „Corona“ weiterhin die Entwicklung gehemmt. Die Widmung der Straße nach Deutsch Ossig ist nicht in Sicht und damit auch kein Baurecht für Immobilienbesitzer und Gewerbetreibende. Positive Info: Wahrscheinlich bekommen wir noch im März Informationen zur alternativen Verbindungsstraße nach Deutsch Ossig, die unterhalb der Bahnstrecke verlaufen soll. Dadurch könnten wir den Verkehr von der Promenade entfernen – die Strandstraße stünde somit den Kindern und Familien, den Sportlern und Spaziergängern zur Verfügung. Wir sind gespannt. Bis dahin müssen sich wohl alle mit der Situation der letzten Jahre arrangieren.

Stadtwerke retten Feuerwehr

Mixed Emotions gibt es beim Thema „Neubau eines Feuerwehrhauses Innenstadt“. Wir freuen uns natürlich, dass nun endlich die Kameradinnen und Kameraden der Ortswehren Stadtmitte und Klingewalde/Königshufen ein modernes Domizil bekommen. Es entsteht auf der Cottbuser Straße zwischen Hammer-Markt und der alten Oberschule und reicht bis an die Weiße Mauer. Damit endet ein zwölfjähriger Kampf positiv. Nicht so lustig sind die Kosten und wie sie zustande kamen. In Kurzfassung: Im Brandschutzbedarfsplan 2016 wurde eine Variante mit sechs Stellplätzen (danach richtet sich die Größe) auf 2,4 Mio Euro beziffert. Beim Grundsatzbeschluss zum Bau im Jahr Mai 2019 wurde das Vorhaben bereits mit 2,9 Mio taxiert. Im Haushalt wurden aber lediglich 2,3 Mio eingeplant. Der Neubau kostet nun 4,9 Mio Euro. Einige Kostensteigerungen liegen am größeren Raumbedarf (wegen der erfreulicherweise gestiegenen Anzahl an freiwilligen Feuerwehrleuten) und einer Waschhalle, die neu hinzukam. Es bleibt aber beim unschönen Gefühl, dass von Beginn an in Kauf genommen wurde, dass das geplante Geld nicht reichen wird.

Weil nun rund zwei Millionen Euro im Stadtsäckel fehlen, springen die Stadtwerke Görlitz ein. Sie kaufen Aktienpakete vom 24,9%-Gesellschafter Görlitz zurück, wodurch die Stadt zwei Millionen für die Feuerwehr bekommt. Der zweite Gesellschafter Veolia hält 74,9% der Aktien. Um das Verhältnis zu wahren, muss die SWG auch von Veolia Aktien zurückkaufen – hier im Wert von sechs Millionen Euro. Insgesamt wird durch diese Nothilfe den Stadtwerken also acht Millionen Euro Liquidität entzogen. Aktuell noch nicht dramatisch, erklärt SWG-Vorstand Matthias Block. Aber es ist dennoch schmerzhaft.  Der Aktienrückkauf beeinträchtigt das Geschäft der SWG möglicherweise bei künftigen Kreditaufnahmen. Die Eigenkapitalquote sinkt von 42,6% auf 38,6%. Alarmierend wird es bei unter 35%. Dann würde das operative Geschäft leiden, auch die Gewinnausschüttung wird dann geringer ausfallen. Ob das Modell mit dem Aktienrückkauf rechnerisch überhaupt aufgeht, muss ein Wirtschaftsgutachten ermitteln. Denn maximal zehn Prozent des Gesamtwertes der Aktiengesellschaft können zurückgekauft werden. Der Wert soll nun genau bestimmt werden, erst dann gibt es Sicherheit. Die Stadtverwaltung sieht aber keine Gefahr und verzichtet auf die Anregung von meiner Fraktionskollegin Dr. Jana Krauß, den Beschluss unter einen Finanzierungsvorbehalt zu stellen. Danilo Kuscher und ich kritisieren die unseriöse Haushaltsplanung der Vorjahre, wofür wir Unverständnis ernten. Bürgermeister Wieler erklärt, das sei die Haushaltslogik. Wenn zu knapp geplant werde, liegt das an den Ratsfraktionen, die ihre Projekte unterbringen wollen. (Genau dieses Vorgehen möchte die Verwaltung weiterhin praktizieren – oder warum werden die neuen Haushalts-Eckdaten hinter verschlossenen Türen verhandelt?)

Freuen wir uns aber nun mit den Feuerwehrleuten und wünschen dem Bau gutes Gelingen. So sehen es am Ende alle Stadträte, die geschlossen zustimmen. Ebenso einstimmig wird die Errichtung eines Davidsterns in seiner ursprünglichen Größe auf der Synagoge beschlossen. Die nötigen 70.000 Euro soll der Oberbürgermeister über Förderer oder Sponsoren beschaffen.

Zwischenlösung für Stadtrundfahrten

Ein heiß diskutiertes Thema in der letzten Saison: Wohin mit den Stadtrundfahrten? Nachdem sich die Anbieter am Obermarkt im Wildwuchs vermehrten, musste eingegriffen werden. Leider bevorzugte OB Ursu zunächst einen Alleingang und machte das Kuddelmuddel noch schlimmer. Vorgesehen waren zusätzliche Abfahrtstellen am Untermarkt und Klosterplatz. Auf der abschüssigen Fleischerstraße sollten die Pferdekutschen stehen. Motor Görlitz/Bündnisgrüne forderte daraufhin die Untersuchung von Alternativen. So kam das Thema überhaupt erst in den Stadtrat. Weil die Verwaltung bei ihrer Vorlage blieb und sich die anderen Fraktionen (noch) nicht für unseren „großen Wurf“ erwärmen konnten, alle Anbieter zentral am ehemaligen Busbahnhof Demianiplatz abfahren zu lassen, musste ein Kompromiss her. Diesen fanden wir gemeinsam mit CDU und BfG. Für eine Saison gibt es nun folgende Abfahrtstellen am Obermarkt: Dreifaltigkeitskirche, vor dem Napoleonhaus (wo bislang die Kutschen standen) und vor der Staatsanwaltschaft. Außerdem kommen E-Mobile auf die benachbarte Fleischerstraße und Kutschen an den Kaisertrutz. Diskussionen gab es auch zu den Gebühren. Die Verwaltung wollte die gewerbliche Nutzung der öffentlichen Flächen quasi verschenken. 100 Euro im Monat sollte es maximal kosten. Wir orientierten uns an den Kosten, die andere Gewerbetreibende für die Sondernutzung zahlen müssen und schlugen zunächst einen Euro pro Tag je Quadratmeter Fläche vor. Wegen der schwierigen Lage derzeit gibt es diese Saison einen Einstiegspreis von 70 Cent je Quadratmeter. Kutschen zahlen 14 Cent. Damit kostet der Platz vor der Dreifaltigkeitskirche im Monat gut 1.400 Euro. Klingt viel? Erinnern wir uns an den Händler vom Wochenmarkt. Er zahlt für 25 Markttage 1.500 Euro. Auch jeder Gastronom blecht für Stühle und Tische im öffentlichen Raum. Bislang wurden übrigens gar keine Gebühren erhoben.

Für unsere Fraktion betont Jana Krauß, dass es sich nur um eine Zwischenlösung handelt. Es muss im Sommer wieder auf die Tagesordnung. Es wäre prima, wenn es dann zu einer gemeinsamen Klausur von Verwaltung und Fraktionen zu dem Thema kommt. Eine große Mehrheit befürwortet schließlich den Vorschlag von CDU, BfG und Motor/Grüne, der damit für diese Saison gilt.

Henne oder Ei?

Am Ende des öffentlichen Teils beschäftigen wir uns mit dem AfD-Antrag „Smartphone App für den Innenstadthandel“. Der OB soll beauftragt werden, mit Händlern und Händlervereinen eine AG „Smartphone App für den Innenstadthandel“ zu gründen. Mit dem Ziel, eine solche App konzeptionell zu entwickeln. Unsere Fraktion erkennt die Bemühungen an, den lokalen Einzelhandel zu unterstützen. Allerdings lehnen wir den Antrag ab. Die dezidierte Beauftragung, eine Smartphone App zu entwickeln, würde eine browserbasierte Anwendung ausschließen, die heutzutage deutlich verbreiteter ist. Neben dieser inhaltlichen Unstimmigkeit ist der Antrag abzulehnen, weil es nicht Aufgabe des Oberbürgermeisters ist, einen Arbeitskreis mit Gewerbetreibenden zu bilden, um ein Produkt zu entwickeln, für das es am Markt bereits Anbieter gibt. Auch auf regionaler Ebene findet der Görlitzer Einzelhandel leistungsstarke Partner, die eine Online-Plattform entwickeln und programmieren können. Die eigentlich zu behandelnde Thematik ist ein Digitalisierungskonzept, auf dessen Grundlage ein zeitgemäßer städtischer Internetauftritt entsteht. Unter diesem großen Dach sollen sich Anwendungen wie ein Onlinehandelshaus, Ticketverkäufe, Hotelbuchungen, Gaststättenreservierungen u. ä. finden. Hierfür sind entsprechende gedankliche Vorarbeiten nötig. Einen Antrag dazu hat unsere Fraktion bereits im September 2020 gestellt und auf Wunsch des OB vertagt, um zunächst eine Information zum bisherigen Arbeitsstand in Sachen Digitalisierung von der Verwaltung zu bekommen. Dies ist am 23. Februar erfolgt. Aus den Informationen haben wir entnommen, dass Görlitz in der Tat eine Strategie für digitale Anwendungen benötigt. Entsprechend werden wir unseren Antrag im März wieder einbringen.

Mit diesem Blick nach vorn, bedanke ich mich für die grenzenlose Geduld und ausdauernde Aufmerksamkeit, liebe Leserin, lieber Leser. Bleibt gesund und fröhlich.

Text: Mike Altmann

Stadtratsblog#15: 28.1.2021

Ärgerlicher Beginn: Die AfD versucht mit einem durchsichtigen Manöver das Andenken an den jüngst verstorbenen Dr. Ernst Kretzschmar zu vereinnahmen. Die Blauen möchten eine Gedenkminute durchsetzen. Es wäre Gelegenheit gewesen, dies vorab fraktionsübergreifend zu beraten, z.B. im Ältestenrat.  Am Ende stimmt nur die AfD für ihren eigenen Antrag. Immerhin.

In der Fragestunde für Einwohner meldet sich Architekt Frank Vater zum Bebauungsplan für Kaufhaus/Parkhaus zu Wort. Er regt eine öffentliche Beteiligung an, auch im Interesse von Herrn Stöcker, um ein rechtlich sauberes Verfahren durchzuführen. Wir kommen wenig später zu diesem Thema zurück.

Ein Montagsspaziergänger ohne Maske, aber mit Attest, wünscht, dass man sich fraktionsübergreifend gegen die „Angriffe von außen unter dem Deckmantel der Pandemie“ zur Wehr setzt. Ich wünsche mir, dass es Verstand schneit.

Es folgt die Fragestunde für Stadträte. Interessant ist insbesondere die Info zum Helenenbad. Da erleben wir eine Rolle rückwärts. Nachdem sich die Stadtverwaltung 2020 dafür feierte, Kommwohnen als Nachfolger des AUR e.V. als Betreiber gefunden zu haben, macht der AUR nun weiter. Zumindest in dieser Saison. Danach soll es zu einer Verschmelzung mit der Chancenwerkstatt Oberlausitz gUG kommen. Es entsteht eine gemeinnützige GmbH, die den Betrieb fortführt, erklärt uns Bürgermeister Wieler. Damit gehen alle Rechte und Pflichten und Verträge auf den neuen Betreiber über. Vielleicht prüft man im Rathaus demnächst vorher, ob eine GmbH wie Kommwohnen überhaupt den Betrieb eines gemeinnützigen Vereins übernehmen kann und erst dann die Öffentlichkeit informiert.

Mein Kollege Andreas Kolley hat einen Verbesserungsvorschlag für unsere „Stadt der Zukunft“. Wie bereits 2019 angeregt, möchte er die Verwaltung dazu motivieren, die Sitzungsunterlagen nicht mehr an alle Räte per Post, sondern per E-Mail zu versenden. Die fünf Leute in unserer Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne würden gern ausschließlich digitale Unterlagen bekommen. Soll auch gut sein für die Umwelt, schont den Rücken der Kuriere, etc.  Mal sehen, ob 2021 die E-Mail ihren Siegeszug im Görlitzer Rathaus antritt.

OB Ursu informiert anschließend über die aktuelle Corona-Lage. Er regt an, dass wir entscheiden, ob die ausgefallenen verkaufsoffenen Sonntage nachgeholt werden, wenn es wieder möglich ist. Ob die erweiterte Nutzung der Außenflächennutzung für Gastronomen (hier insbesondere auf dem Untermarkt) eine Dauerlösung wird, soll ebenfalls Thema werden. Ich finde das sehr gut – wenn man speziell auf dem Untermarkt alle Akteure dazu bringt, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Es braucht ein gutes NACHBARschaftliches Verhältnis.

Dann geht es um den aktuellen Stadtaufreger, das Kaufhaus. Oder besser gesagt das geplante angeschlossene Megaparkhaus. Unsere Fraktion bewegte bereits im Dezember die Frage, ob man aufgrund der Erweiterung der geplanten Fläche (Postplatz 5/6 sowie Grundstücke auf der Bismarckstraße kommen hinzu) nicht eine frühzeitige öffentliche Beteiligung nach §3 Abs.1 Bau-Gesetzbuch durchführen müsste. Fachbürgermeister Dr. Wieler erklärte uns in der Dezember-Sitzung, dass es noch keine öffentliche Beteiligung seit der Aufstellung des B-Planes 2018 gab und diese auch erst dann durchgeführt wird, wenn es eine gewisse „Planungstiefe“ gibt. Mein Kollege Danilo Kuscher stieß allerdings auf Dokumente aus dem Jahr 2018, die durchaus darauf hinweisen, dass es damals schon eine Beteiligung der Öffentlichkeit gab. Das führte im Dezember zu Verwirrung bei Bürgermeister und Amtsleiter. Niemand wusste von dieser Beteiligung in einem nicht ganz unwichtigen Verfahren.

Der zuständige Amtsleiter Hartmut Wilke klärt uns nun auf: Ja, es gab vom 24.10.-9.11.2018 eine frühzeitige öffentliche Beteiligung. Es ist nun alles gefunden worden, die Beteiligung „aktenkundig“ und Herr Wilke vermeldet: Es gab nicht eine Meldung aus der Bevölkerung in diesem Verfahren. Das lag vielleicht daran, dass in der damaligen Planung die jetzigen Streitpunkte explizit nicht enthalten waren – weder ein größeres Parkhaus noch der Abriss von zwei Häusern Postplatz 5/6 war geplant. Insofern prüfen wir nun, ob die Auffassung des Rathauses korrekt ist, dass man trotz einer stark veränderten Planung auf eine weitere frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit verzichten darf. Die Stadtverwaltung möchte nur noch die formale öffentliche Beteiligung inkl. Auslegung der Pläne durchführen. Dies findet erfahrungsgemäß zu einem Zeitpunkt statt, wo alles so weit gediehen ist, dass Änderungen kaum noch möglich sind.

 

Anschließend fassen wir einige Beschlüsse:

Der Auftrag für die grüne Gestaltung des Brautwiesenparks geht an den Görlitzer Gleis- und Tiefbau.

Der Flächennutzungsplan kommt voran, der Vorentwurf ist im Kasten. Das ist wichtig für künftige Bebauungen und vereinfacht die Planungen. In der Sitzung geht es explizit nicht um eine inhaltliche Bewertung des Vorentwurfs, sondern um die Auslegung und Beteiligung der Öffentlichkeit. Diese wird mindestens vom 1.3. bis 30.4.2021 erfolgen. Falls es sehr viel Interesse gibt, kann das auch verlängert werden. Der Vorentwurf wird im Internet zu finden sein. Wer Lust hat, kann auch die Papierversion lesen. Wo und wie, das wird in den nächsten Tagen vom Rathaus erklärt.

Leider ist der Beschlusstext etwas unklar. Da ist die Rede davon, dass der Stadtrat den Vorentwurf „billigt“. Für uns bedeutet das eine inhaltliche „Zustimmung“. Der Stadtrat folgt mehrheitlich unserem, von Kollegin Dr. Jana Krauß eingebrachten Änderungsantrag, dass wir lediglich die Auslegung des Vorentwurfs beschließen. Der gesamte Stadtrat stimmt schließlich zu, bis auf Jens Jäschke. Er sitzt seit seinem Rauswurf aus der AfD-Fraktion ganz links außen. Mit großem Abstand zu allen anderen, da er keine Maske trägt (ein weiterer Befreiter). Vielleicht ist er sauer, weil ich darauf hinweise, seine Redezeit zu prüfen. Als fraktionsloser Stadtrat stehen ihm nur zwei Minuten pro Tagesordnungspunkt zu. Wir werden auch künftig die Sitzungsleitung ehrenamtlich mit einer Stoppuhr unterstützen.

Gute Sache: Im künftigen Gewerbegebiet Görlitz-Schlauroth wird es eine direkte Zuwegung zum Bahn-Halt Rauschwalde geben. Das ist prima für alle Beschäftigten, die aufs Auto verzichten wollen. Dadurch ändert sich das Grundstück, das die Brandschutztechnik Görlitz kauft. Wir beschließen den neuen Zuschnitt mit großer Freude.

Vorzeitig freigegeben wird Geld für die Maßnahme „Ehemaliges Schlachthofgelände – Abbruch und Vorbereitung, 1.Bauabschnitt“. Es geht um das Gelände der geplanten neuen Oberschule und um die Nahwärmeversorgung der Stadtwerke Görlitz in diesem Gebiet. Das Projekt läuft schon, da wir aber keinen beschlossenen Haushalt haben, muss der Beschluss gefasst werden, damit Geld fließen kann. Dieser formale Beschluss wird durch eine Wortmeldung von Gerd Weise (CDU) spannend. Er betont, wie wichtig seiner Fraktion der Schulneubau ist und schlägt vor, Strukturfördergelder zu nutzen, um eine „Universalschule“ mit gymnasialem Strang aufzubauen. Dies würde gut zum künftigen Forschungsstandort Görlitz passen. Damit greift Weise einen Vorschlag unserer Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne auf. Wir hatten bereits eine Woche zuvor in einer öffentlichen Mitteilung erklärt, die Stadt möge bitte die Strukturwandeltöpfe in Betracht ziehen, um eine Modellschule zu entwickeln. Wir freuen uns sehr, dass die CDU hier an unserer Seite steht. Fraktionsübergreifend und gemeinsam mit der Bürgerschaft können wir nun gute Ideen entwickeln, um eine Zukunfts-Schule im Gesamtkontext mit dem Stadtteil zu entwickeln.

Auch das gibt’s: Die AfD hat einen Antrag eingebracht, mit dem sie den Abriss der Häuser Postplatz 5/6zugunsten des Stöcker-Parkhauses vorantreiben will. Wir sollen uns quasi über das Sächsische Denkmalschutzgesetz hinwegsetzen und die Zuständigkeit der Denkmalschutzbehörde negieren. Grober Unfug von einer Fraktion, der drei Volljuristen angehören. Eine große Mehrheit lehnt den Antrag folgerichtig ab.

Zum guten Schluss behandeln wir einen Antrag der Fraktion Bürger für Görlitz. Der Stadtrat unterstützt das „Zukunftskonzept 2025“ des Tierparks und befürwortet eine Umsetzung von Projekten über Fördermaßnahmen, insbesondere sollen Gelder aus dem Strukturwandeltopf für das Zuhause von Panda, Alpaka und Co. akquiriert werden. Yvonne Reich von BfG findet gute, emotionale Worte zur Bedeutung des Tierparks für Görlitz. Auch wir stehen in engem Austausch mit Dr. Hammer und seinem Team und sind erfreut, dass der Tierpark bereits sehr weit vorangekommen ist bei der Beantragung von Projektgeldern. Drücken wir die Daumen, dass alles klappt, wie vorgesehen, damit sich die Anlage fit für die Zukunft machen kann.

Damit endet der Tag positiv und optimistisch. Viel mehr kann man von einer Stadtratssitzung nicht erwarten.

Text: Mike Altmann

Stadtratsblog#14: 17.12.2020

Letzte Sitzung im Krisenjahr 2020. Mit Stollen vom Jesus-Bäcker und vielen guten Wünschen Nachdem die Ansteckungszahlen im Kreis Görlitz unaufhaltsam klettern, gibt es von der Fraktion Bürger für Görlitz kurzfristig den Versuch, die Sitzung abzusagen und im Januar digital nachzuholen. Aufgrund einiger wichtiger Themen entscheidet sich unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne gegen eine komplette Absage. Wir schlagen als Kompromiss eine Verkleinerung des Rates auf die Hälfte vor. Damit wir die Risikogruppen schützen. Dafür bedarf es aber der Zustimmung aller Fraktionen. Die AfD lehnt ab. Also sind wir gezwungen mit voller Kapelle anzutreten, bis auf unseren Rekonvaleszenten Andreas Kolley.

Was funktioniert, ist das Eindampfen der Tagesordnung. Wir nehmen unseren Antrag von der Tagesordnung, der den schönen Titel trägt „Ausnahmegenehmigungen für das Parken von Gewerbetreibenden in Zonen mit Bewohnerparken“. Grund: Die Verwaltung hat uns kurz vor der Sitzung mitgeteilt, dass sie bereits an einem Antragsformular für die Erteilung von entsprechenden Ausnahmegenehmigungen arbeitet. Es soll in Kürze auf der Homepage der Stadt Görlitz veröffentlicht und kann dann auch von Gewerbetreibenden genutzt werden. Damit ist das Ziel des Antrages erreicht. Die Görlitzer Gewerbetreibenden haben nun wie ihre Kollegen in vielen anderen Städten Deutschlands endlich die Möglichkeit, auf einfachem Weg ein Antragsformular zu finden. Am Ende trifft natürlich die Stadtverwaltung die Entscheidung und diese wird nur in besonderen Härtefällen positiv ausfallen, da die Gesetzeslage nur wenig Spielraum gibt. Danke an die Verwaltung für die schlussendlich unkomplizierte Lösung.

Die Verwaltung nimmt zwei Vorlagen von der Tagesordnung – allerdings nicht ausschließlich  wegen Corona. Die Satzungsänderungen zur Bürgerschaftlichen Beteiligung etwa waren sehr umstritten. In der Vorlage fehlen zudem die Hinweise aus dem Ausschuss Kultur, Bildung, Soziales und Migration. Aus unserer Sicht hätte der Antrag deshalb ohnehin nicht behandelt werden dürfen, da wichtige Informationen zur Entscheidungsfindung nicht zur Verfügung standen: https://fraktion-motor-gruene-spd.de/wie-wichtig-ist-ob-ursu-buergerbeteiligung/ Auf ein Neues 2021. Dann leider ohne die langjährige Koordinatorin für Bürgerbeteiligung im Rathaus. Silke Baenisch verlässt beruflich die Stadtverwaltung. Ein weiterer schwerer Verlust, für den nicht erkennbar nach Ersatz gesucht wird. Unsere Fraktion wünscht Frau Baenisch alles Gute, wir bedanken uns für die hervorragende Zusammenarbeit.

Als zweite Vorlage zieht die Verwaltung den Antrag zurück, mit dem der Startschuss für die Entwicklung des ehemaligen Schlachthofgeländes zu einem Zivilschutzzentrum inklusive Neubaus der Berufsfeuerwehr erfolgt wäre. Der Stadtrat sollte eine entsprechende Machbarkeitsstudie bewilligen. Da im Vortrag zu diesem Beschluss die Zukunft des Clubs Nostromo auf dem Schlachthofgelände offen in Frage gestellt wurde, regte sich Widerstand in der freien Szene. Dies und weitere offene Fragen führten im Technischen Ausschuss zwei Tage vor dem Stadtrat dazu, dass die große Mehrheit empfahl, diesen Beschlussantrag zurückzuverweisen. Damit ist die Kuh nicht vom Eis aber ein deutliches Zeichen, dass die Stadtgesellschaft einen etablierten Ort der Basiskultur nicht kampflos aufzugeben gedenkt. Spätestens im Frühjahr wird das Thema wohl wieder aufgerufen. Mit Blick auf die Finanzlage der Stadt ist es schwer vorstellbar, jetzt ein weiteres Riesenprojekt in Angriff zu nehmen. Doch dazu gleich mehr.

Im Zusammenhang mit dem Nostromo meldet sich Gerd Weise (CDU) mit einer persönlichen Erklärung zu Wort. Er bittet um Entschuldigung, dass er das Nostromo im Februar in einer Stadtratssitzung als „dunklen Diskoklub“ bezeichnet habe. Da ich Gerd diesbezüglich kritisiert habe und ihm dabei das Zitat „dunkles Diskoloch“ zuschrieb, möchte ich die Gelegenheit nutzen und Teile seiner persönlichen Erklärung veröffentlichen, um das Gesagte richtigzustellen: „Ich sagte nicht, wie ich falsch und irreführend zitiert werde‚ ‚dunkles DiskoLOCH‘, sondern – und das können Sie im öffentlich zugänglichen Protokoll der Stadtratssitzung vom 27.02.2020 lesen, ‚dunkler Diskoclub‘ – aber auch das kann falsch verstanden werden. Es war von mir nicht so gemeint, aber leider so ausgesprochen. Der Kontext meiner unglücklichen Formulierung war die ärgerliche und nicht nachvollziehbare Absage der Stadtverwaltung, eine helle, gewärmte Turnhalle für eine sehr wichtige Krisensitzung der Elternschaft im Februar nutzen zu dürfen. Als Kontrast mussten die Eltern notgedrungen in eine zu dem Zweck improvisierte, ‚dunkle‘, kühle Halle ohne ausreichende Sitzmöglichkeit ausweichen. Ich wollte keine Kritik an den Räumlichkeiten des Nostromos üben, sondern die unverständliche Haltung der Verwaltung kritisieren und verfehlte mich im Vergleich. Dem Nostromo gebührt ausdrücklich der Dank für die spontane Gastfreundschaft im Februar 2020, die das bürgerliche Engagement am Leben erhielt. Deshalb verzeihen Sie mir bitte die unglückliche Formulierung. Niemals möchte ich das geleistete Bürgerschaftliche Engagement diskreditieren. Vielen Dank.“ Danke für die Entschuldigung, lieber Gerd. Dazu gehört auch Größe.

Und damit zum Thema des Tages. Als Information war uns angekündigt worden: „Eckwerte zum Entwurf Haushalt 2021/22“. Zu unserer Überraschung versucht Oberbürgermeister Ursu ausgerechnet dieses wichtige Thema der Öffentlichkeit vorzuenthalten und bietet wegen der Corona-Situation an, die Information nur in schriftlicher Form zur Verfügung zu stellen. Ohne den fachlichen Vortrag der Görlitzer Finanzchefin Birgit Peschel-Martin sind viele der Zahlen aber nicht verständlich. Deshalb spricht sich meine Kollegin Kristina Seifert auch gegen das Ansinnen des OB aus. Damit muss der Vortrag stattfinden. Und das ist auch gut so, wie sich zeigt.

Quintessenz: Görlitz hat schwere finanzielle Zeiten vor sich. Durch Corona sinken die Steuereinnahmen. Gleichzeitig steigen coronabedingte Ausgaben. Der Freistaat ändert sein Finanzausgleichsgesetz zulasten der kreisangehörigen größeren Städte (Plauen, Zwickau, Görlitz) und die Kreisumlage steigt. Das führt in Summe dazu, dass für 2021 derzeit ein Defizit von rund 10,6 Millionen Euro in Aussicht steht. 2022 wären es gar 11,8 Millionen. Bereinigt um das pandemiebedingte Defizit (dafür besteht Hoffnung auf Ausgleich durch Bund und Land) müssen wir nach jetzigem Stand in beiden Jahren 5-6 Millionen Euro einsparen im Vergleich zum bestehenden Planansatz. Bedeutet: Bereits jetzt sind nicht alle geplanten Projekte finanzierbar. Neue können nicht hinzukommen. Es wird eine Prioritätensetzung brauchen in den kommenden Monaten. Der OB verbreitet Hoffnung in der Weihnachtszeit. Es sei noch nicht alles entschieden, die Zahlen könnten noch besser werden und er hoffe darauf, dass Görlitz Kredite aufnehmen darf, um Eigenmittel für Investitionsvorhaben aufbringen zu können. Viel Konjunktiv… Gut wäre es, sich schnell ehrlich zu machen und nicht  nur im Stadtrat, sondern in der gesamten Stadtgesellschaft zu diskutieren: Was ist uns besonders wichtig und worauf können wir notfalls noch warten oder gänzlich verzichten, wenn es nicht bezahlbar ist. Es stellt sich ein Unwohlsein ein bei den zahlreichen Beschlüssen der letzten Monate, in denen wir bereits auf den Haushalt 21/22 vorgegriffen haben. Uns wurde jeweils von der Verwaltung erklärt: Macht euch keine Sorgen, die Verluste werden ausgeglichen, wir kommen mit einem blauen Auge durch die Krise. Wusste man wirklich nicht früher, was auf uns zukommt?

 

Anschließend informiert der OB zu verschiedenen Punkten:

Zu Silvester hat die Verwaltung überall dort Böller-Verbote ausgesprochen, wo es möglich ist – also rund um die Altstadtbrücke. Er appelliert an alle, auf Feuerwerk zu verzichten. Es geht um die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems und unser solidarisches Miteinander. Richtig.

Aufgrund der Corona-Lage wird der Stadtrat fast den kompletten Januar pausieren. Es soll auch keine Ausschusssitzungen geben. Erst zum Monatsende wieder, wenn der Stadtrat ansteht. Ich hoffe, dass die Verwaltung den Januar nutzt, um die technischen Voraussetzungen für Videokonferenzen zu schaffen. Diese Tagungsmöglichkeit ist durch den Landtag am Mittwoch beschlossen worden. Das sollten wir nutzen – schließlich will Görlitz Stadt der Zukunft werden.

Gute Nachrichten gibt es vom ZVON. Der regionale Verkehrsverbund unterstützt unsere Görlitzer Verkehrsbetriebe bei der Anschaffung von Stadtbahnwagen finanziell.

Gar nicht gut sieht es dagegen in Sachen „alternative Stellplätze für Stadtrundfahrten“ aus. Die Verwaltung teilt uns mit, dass sowohl der ehemalige Busbahnhof am Kaisertrutz als auch der Postplatz nicht geeignet wären. Man bleibt der Einfachheit halber beim eigenen Vorschlag, das bestehende Kuddelmuddel 2021 auf Obermarkt, Fleischerstraße, Untermarkt und Klosterplatz zu verteilen. Mit einer entsprechenden Vorlage dürfen wir uns im Januar beschäftigen und unsere Änderungsvorschläge einbringen.

Anschließend verabschieden wir Helmut Goltz. Er hat das 65. Lebensjahr erreicht und darf deshalb als Stadtrat zurücktreten. Das nimmt er wahr. Herzlichen Dank an Helmut für seine vielen Jahre im Ehrenamt. Ihm folgt Heiko Romsdorf, ein neues Gesicht in der CDU, tätig als Polizeihauptkommissar bei der Bundespolizei.

 

Folgende Beschlüsse fassen wir:

Über die bereits im November gewählte Geschäftsführerin des Klinikum Görlitz wird nochmals abgestimmt. Ein Stadtrat hatte seine Befangenheit nicht erklärt, darum eine Wiederholung. Einstimmig bestätigt der Stadtrat Ines Hofmann.

Aufgrund der Corona-Situation beschließen wir einen ÖPNV-Notfallbetrieb. Dieser gilt ab 19.12. bis zur Wiederaufnahme des Schulbetriebs.

Für eine Neuordnung der Tarife der Stadtwerke im Bereich Trinkwasser/Abwasser für 2021-2023 erfolgt eine breite Zustimmung.

Der Wochenmarkt wird ab Februar von der Deutschen Marktgilde betrieben. Der Stadtrat stimmt der Vergabe der Konzession zu. Es gab insgesamt drei Bewerber, darunter auch den langjährigen Betreiber. Die Marktgilde konnte aber als einzige Bieterin vollständige Unterlagen vorlegen und war somit ohne Konkurrenz bei der Entscheidung. In den kommenden drei Jahren kann die Marktgilde sich nun beweisen. An dieser Stelle bedanke ich mich bei Francois Fritz und seiner Mannschaft. Auch wenn es immer Verbesserungen geben kann: Er hat es geschafft, für Frieden und Stabilität auf dem Eli zu sorgen, nachdem der Wochenmarkt über viele Jahre ein Fall für die Gerichte war.

Gesprächsbedarf gibt es bei der Vorlage „Änderung des Geltungsbereiches für den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 40 – Umbau Kaufhaus Görlitz“. Eigentlich eine Formalie. Investor Winfried Stöcker möchte zwei Grundstücke (Postplatz 5/6) in die Planung einbeziehen. Das ist jederzeit möglich und bedeutet nicht, dass man damit etwa einem Abriss von denkmalgeschützten Gebäuden zustimmen würde. Unsere Fraktion ist dem Kaufhaus gegenüber nicht negativ eingestellt. Uns ist jedoch wichtig, dass das Verfahren sauber läuft. Darum gibt es Fragen von Dr. Jana Krauß und Danilo Kuscher zur Beteiligung der Öffentlichkeit. Im Aufstellungsbeschluss von 2018 ist explizit eine „frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 1 Baugesetzbuch“ enthalten. Gab es diese? Nein, sagt Bürgermeister Wieler. Und es wird auch nach Hinzunahme der beiden Grundstücke in den B-Plan keine solche Beteiligung geben. Herr Wieler vertritt die Ansicht, dass das erst nach der Auslegung des Bebauungsplans erfolgt, da es derzeit gar keinen ausgereiften Plan gebe, mit dem man sich beschäftigen könnte. Wie passt das aber mit einem Dokument zusammen, dass Danilo Kuscher im Ratsinformationssystem gefunden hat? Es stammt aus dem Herbst 2018 und dokumentiert just eine „frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit“ mit dem Kaufhaus-Projekt. Der zuständige Amtsleiter Hartmut Wilke kann sich das in der Sitzung nicht erklären und empfiehlt aufgrund dieser offenen Frage, den Beschluss zu vertagen. Dagegen spricht sich sein Vorgesetzter Michael Wieler aus, wie auch die Mehrheit des Stadtrates. AfD, Bürger für Görlitz und CDU beschließen danach und mitten in der spannenden Diskussion ein Ende der Debatte. Nicht das erste Mal, dass die Mehrheit im Rat genutzt wird, um den sachlichen Austausch zu unterbinden. So kommt es, dass drei Leute aus unserer Fraktion gegen die Vorlage stimmen und ich mich enthalte – obgleich wir mit dem formalen Akt eigentlich keine Probleme hatten. Wenn aber der Eindruck entsteht, es wird etwas unter den Tisch gekehrt, werden wir hellhörig. Die große Mehrheit stimmt letztlich der Erweiterung des B-Planes zu, bei 5 Gegenstimmen und drei Enthaltungen. Wir werden die offen gebliebenen Fragen zur Beteiligung der Öffentlichkeit weiter untersuchen.

Die öffentliche Sitzung endet mit einer Neuwahl von Ausschüssen. Damit vollzieht die AfD den Rauswurf von Jens Jäschke. Er ist nun in keinem Ausschuss mehr vertreten. Ein gutes Ende des kommunalpolitischen Jahres 2020.

Ich bedanke mich bei euch allen für das Feedback im vergangenen Jahr, bei der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit, beim gesamten Stadtrat für die zumeist konstruktive Atmosphäre und bei den Mädels und Jungs von der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne: Es macht große Freude mit euch zusammenarbeiten zu dürfen. Frohe Festtage euch allen und bis zum Januar 2021.

Text: Mike Altmann